Homo Magi Gott für umsonst 10.07.2022 |
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Hallo Salamander,
Kein Mensch wäre einverstanden, wenn man Jahre lang für eine Leistung
bezahlt, die man exklusiv erhält, die aber dann an alle anderen
weitergegeben wird. Viel gesellschaftlicher Unfrieden stammt aus diesen
„Brüchen“, massiv wird hier Vertrauen vernichtet.
Natürlich spiele ich auf deutsche Minister an, die kirchlich heiraten,
ohne Kirchensteuer zu bezahlen (was im Umkehrschluss heißt, dass wir als
Staat eine Steuer kassieren, die man nicht bezahlen muss, weil man die
Leistung sowieso bekommt – das würde ich auch gerne für die
Kraftfahrzeugsteuer oder ähnliches in Anspruch nehmen). Die FAZ titelt
gleich „Mit Gottes Hilfe, aber ohne Kirchensteuer?“[1]
Die FAZ braucht schwierige Sätze, um das Kernthema zu beschreiben: „Nach
Auffassung der Theologieprofessorin Karle zeigt der Fall Lindner/Lehfeldt
exemplarisch das Dilemma der Kirche zwischen »Öffnung« und »Schließung«
angesichts zunehmender Entkirchlichung. Einerseits möchte die Kirche für
alle offen sein und präsent bleiben, andererseits darf sich die Kirche
in diesem Prozess nicht bis in ihre rituellen Kernbereiche
selbstsäkularisieren.“[2]
Schöner sind andere Texte. Die Überschrift „»Billige Eventlocations«:
Theologin Käßmann kritisiert Lindner-Hochzeit“[3]
lässt darauf hoffen, dass hier die Keule ausgepackt wird. Mitnichten,
aber bitteschön:
Am Tag nach der kirchlichen Trauung von Bundesfinanzminister
Christian Lindner (FDP) und der „Welt“-Journalistin
Franca Lehfeldt hat die evangelische Theologin Margot Käßmann
die Feierlichkeiten in der St. Severin-Kirche auf
Sylt kritisiert.
In einem Gastbeitrag für die „Bild am Sonntag“ (BamS) warnte die frühere
Vorsitzende der Evangelischen Kirche in
Deutschland (EKD) davor, dass die christlichen Gotteshäuser
durch Trauungen von nichtreligiösen Paaren „zu billigen Eventlocations“
werden. Lindner und Lehfeldt sind bereits vor Jahren aus der
Katholischen beziehungsweise Evangelischen Kirche ausgetreten, sehen
sich laut einem Bericht der „Bild“ selbst als „liberale Freigeister“.
Die kirchliche Trauung der beiden in Keitum stand deshalb in der Kritik:
Ungetaufte Paare dürfen in den meisten deutschen Gotteshäusern nicht in
einem christlichen Gottesdienst heiraten. Die Kirche in Keitum umging
diese Regelung für die Promi-Hochzeit, indem sie die Eheschließung von
Samstag als „Segnungsgottesdienst“ interpretierte, wie eine Pastorin des
Kirchenkreises Nordfriesland t-online sagte.
In ihrer Kolumne für die „BamS“ fragt Käßmann: „Weshalb wünschen zwei
Menschen eine kirchliche Trauung, die bewusst aus der Kirche ausgetreten
sind, ja öffentlich erklärt haben, dass sie sich nicht als Christen
verstehen?“ Und gibt sich selbst die Antwort: Die Feierlichkeiten, bei
denen nach dem Philosophen Peter Sloterdijk auch eine evangelische
Pastorin eine Rede hielt, hätten dem Brautpaar schlicht als „Kulisse“
gedient.[4]
Okay, bei mir ist Frau Käßmann seit vielen Jahren wegen ihrer Bigotterie
mental „außen vor“. Es gibt kluge Theologen, es gibt sympathische
Theologen, aber Frau Käßmann gehört zu keiner dieser Gruppen – in meiner
Welt, wenn ich das betonen muss.[5]
So, jetzt habe ich mich über die evangelische Kirche genug aufgeregt.
Aber „Kulisse“ und „Event-Location“ – da denke ich auch an Schamanen
oder heidnische Priester, die man für bedruckte Scheine mieten kann,
damit sie auf einer angeblich uralten Lichtung mit vor sechs Jahren
erfundenen Ritualen eine „stilechte keltische Hochzeit“ hinlegen (lies
„keltisch“ nicht als Ziel der Kritik, sondern als Platzhalter).
Auch hier gilt: Was funktioniert, ist richtig. Ob die Hochzeit auf Sylt
funktionieren wird, darf man abwarten. Funktioniert hat auf jeden Fall,
dass jemand, der es sich locker leisten kann, eine Kirche als „Location“
gemietet hat, um in einer un-christlichen Zeit heile Welt und weißes
Hochzeitskleid simulieren zu können. Viel tiefer kann man nicht sinken –
als Minister und als Kirche.
[1]
www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/christian-lindner-heiratet-franca-lehfeldt-hochzeit-ohne-kirchensteuer-18157053.html?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE
(14.07.2022)
[2] ebenda
[3]
www.t-online.de/region/hamburg/id_100027366/margot-kaessmann-kritisiert-christian-lindners-hochzeit-scharf.html
(14.07.2022)
[4] ebenda
[5] Ich gönne Frau Käßmann
nur eine Fußnote mit dem Hinweis auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Margot_K%C3%A4%C3%9Fmann#Gesundheit,_Scheidung
(11.07.2022)
Dein Homo Magi
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