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Hallo
Salamander,
wir wohnen ja jetzt neben einem Wohnpark für Irrsinnige, oder eher einer
Geisteskrankenbewahranstalt mit sehr lockeren Regeln und einer eher
freizügigen Rahmengestaltung für die „Insassen“. Sicherlich ist das für
die Klientel die richtige Behandlung und wir sind ihnen dankbar, weil
sie auch auf unser Haus aufpassen.
Zwischen uns und dem Nachbargrundstück hat man wenige Tage, nachdem wir
eingezogen sind (das Haus stand leer) einen Sichtschutz eingebaut. Daher
kennen wir nur die Stimmen der Mitarbeiter und Insassen, was die
Trennung manchmal schwer macht. Zwei Stimmen von „Bewohnern“ lassen sich
aber klar identifizieren. Der eine spricht in einer offensichtlich
vor-menschlichen Sprache, ein wenig wie das Biest in der „Muppet Show“ –
rauhe, kehlige Laute, die leider unverständlich bleiben müssen. Der
andere hat einen Sichtkanal zu unserem Autostellplatz (hier reichte wohl
das Geld für einen Sichtschutz nicht mehr), so dass er sehen kann, wann
ich von der Arbeit komme oder gehe.
Die Kommunikation mit ihm ist schwierig, auch wenn ich mir vorgenommen
habe, höflich zu bleiben. Aber wie beantwortet man Startfragen wie:
„Ja, ich habe meine ganze Familie umgebracht. Aber ist das ein Grund,
jetzt noch sauer zu sein?“
„Hören Sie doch auf, mein Blut zu trinken. Sie müssten doch längst satt
sein.“
„Ich weiß, dass man mich hier mit Medikamenten ruhig stellt, damit ich
meine Geschichte nicht erzähle.“
„Können Sie mir helfen? Ich möchte ein Bier.“
Die letzte Frage wäre am einfachsten zu bearbeiten, lässt auch auf das
grundlegende Problem der Gegenseite ein helles Licht scheinen, aber sie
widerstrebt in der Bearbeitung meinem sozialarbeiterischen Kodex. Als
jetzt der Nachbar aber anfing, mit Butterkekspackungen nach unserem Auto
zu werfen, musste ich mal einschreiten. Ich stellte mich auf
Zehenspitzen an den Rand des Blumenbeets, denn dann kann man den
Besprechungsraum des Bewacher-Teams auf der anderen Seite sehen. Vom
Lärm her wusste ich, dass Raucherpause war. Also nahm ich sprachlich
Kontakt auf, was sie sehr verwirrte. Aber sie konnten ja zu der Stimme
nach einer Weile herumirren zumindest meine Stirn sehen, von daher
dürften sie ab da eigentlich nicht überrascht sein. Ich schilderte mein
Butterkeks-Anliegen, man versprach Abhilfe. Dann zog ich mich mit den
Worten „ich mache mich jetzt wieder unsichtbar“ vom Rand des Blumenbeets
und aus ihrer Sicht zurück.
Zwei Minuten verblüffte Stille. Und seitdem keine Wurfaktionen mehr. Man
muss mit kleinen Dingen … und so weiter.
Dein Homo Magi
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Kolumnen



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