Homo Magi - Teambeitrag

Eine Checkliste oder was?

Satirische Kurzbetrachtung

Vor kurzem erwarb eine Freundin von mir in einem Darmstädter Laden ein interessantes Büchlein . Gott, Jehova, Krishna oder was? lautet der Titel des Werkes, und im Untertitel verspricht es: Kurzinformationen zu Sekten und religiösen Strömungen. Als Herausgeber fungiert Kurt-Helmuth Eimuth, dem Klappentext nach „Diplom-Pädagoge, Leiter der Evangelischen Öffentlichkeitsarbeit des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt am Main, Studium der Soziologie, Evangelische Theologie und Erziehungswissenschaften“. Co-Autor ist Lutz Lemhöfer, der vorgestellt wird als „Diplom-Theologe, Referent für Weltanschauungsfragen im Bistum Limburg, Studium der Soziologie, Katholischen Theologie und Politikwissenschaft“. Mit anderen Worten: beide Autoren können mit insgesamt sechs Studienabschlüssen aufwarten – eine beachtliche Leistung. Erschienen ist das Buch übrigens im GEP.

Das Buch beschäftigt sich mit einigen Sekten bzw. Sondergemeinschaften: Neuapostolische Kirche, Zeugen Jehovas, Mormonen, Scientology, Universelles Leben, Bruno Göring usw. Andere Kapitel sind Jugend-Religionen, Endzeitsekten, Sekten-Kindern, Esoterik und Okkultismus gewidmet. Das ganze von recht gemischter Qualität. Etwas skurril muten die eingestreuten Kapitel „Sekten im Roman“ und „Religion im Kriminalroman“ an.

Die Krönung folgt jedoch am Schluß: Hier listet K.-H. Eimuth in Form einer „Checkliste für kritische Leute“ sieben Kriterien auf, anhand derer man eine Sekte erkennen kann. Diese Kriterien sind es wert, sich näher mit ihnen zu befassen. Kommentare sind kursiv hervorgehoben.

Unsere Seele ist kostbar. Wir sollten sorgsam mit ihr umgehen. Zur besseren Orientierung Tips von Kurt-Helmuth Eimuth

Dem sei nicht widersprochen.

  1. Vorsicht bei allumfassenden Versprechungen nach dem Motto "Wenn du unser Angebot annimmst, werden alle deine Probleme innerhalb kurzer Zeit gelöst".Schnelle Patentlösungen gibt es nicht.
    Auch hier 100% Zustimmung. Pikant daran ist nur, dass es einige große Organisationen gibt, die genau dieses versprechen. Sie nennen sich „Kirchen“.
  2. Prüfen Sie die Organisationsform der Gruppierung und die Qualifikation der Leiter. Sie sollten sich nicht Menschen mit nur einer "internen Ausbildung" anvertrauen. Ein Abschluß an einer deutschen Universität ist Mindeststandard.
    Das macht mich nun ein wenig ratlos. Was ist denn mit Abschlüssen von französischen, amerikanischen, englischen usw. Universitäten? Zählen die alle nichts? Oder liegt der Schwerpunkt auf „Mindestens ein Abschluß“? Nebenbei bemerkt: nach diesem Kriterium sind Jesus, Mohammed, Buddha und alle anderen Religionsstifter der Erde glatt durchgefallen. Denn keiner von ihnen hat eine Universität besucht, geschweige denn eine deutsche...
    Und: Schauen Sie sehr genau hin. Eine "Diplomparapsychologin" ist zum Beispiel etwas völlig anderes als eine Diplom-Psychologin.
    Richtig. Wo es doch so viele Sekten gibt, die von Diplomparapsychologen gegründet worden sind...
  3. Unterschreiben Sie niemals vor Ort. Lassen Sie sich alle Unterlagen mit nach Hause geben, besprechen Sie diese mit Ihrem Partner, Ihrer Partnerin. Sollten Sie keine Unterlagen ausgehändigt bekommen, oder wird Druck mit Hinweis auf das einmalige Angebot ausgeübt, ist äußerste Vorsicht geboten.
    Das mit dem „einmaligen Angebot“ klingt eher nach einer Kaffeefahrt. Ansonsten ist dieser Tipp brauchbar.
  4. Behalten Sie immer Ihre persönlichen Papiere bei sich. Personalausweis und Reisepaß gehören nicht in die Hände von Dritten.
    Meines Wissens nach gibt es nur wenige Sekten auf der Welt, die ihren Mitgliedern die Ausweise abnehmen. Insofern ist dieser Tipp in der Praxis so gut wie wertlos.
  5. Einladungen zu kostenlosen Wochenenden oder Persönlichkeitstests sind erfahrungsgemäß lediglich Formen intensiver Werbung. Lassen Sie sich dadurch nicht blenden. Überweisen Sie nicht voreilig Geld.
    Ja, das ist ein ganz, ganz übler Betrug: Kostenlose Wochenenden, für die man Geld überweisen muß. Fallen Sie ja nicht darauf rein!
  6. Bei Zweifel hilft es oftmals, wenn Sie sich die Inhalte aller Telefonate, Besuche und Kontakte zu einer Gruppe aufschreiben. Das hilft bei der Klärung.
    Tipp für Schreibfaule: Fragen Sie die NSA (http://www.nsa.gov) , die hat mit etwas Glück all Ihre Telefongespräche aufgezeichnet.
  7. Im Zweifelsfall informieren Sie sich bei Beratungsstellen und Betroffeneninitiativen. Auch die Pfarrämter helfen Ihnen gerne weiter.
    Ob die Pfarrämter alles wissen, sei mal dahingestellt. Aber sie sollten zumindest Adressen von Beratungsstellen haben.

Wenden wir diese Liste doch mal in der Praxis an:

Als erstes auf Scientology (Sc.):

  1. Dieses Versprechen macht Sc. nicht, zumindest nicht „in kurzer Zeit“.
  2. Sc.-Gründer L. Ron Hubbard hat an einer amerikanischen Universität studiert (gut, es war keine deutsche...) Und er war weder Diplompsychologe noch Diplomparapsychologe. Dasselbe trifft auf seine Nachfolger zu.
  3. Sc. gibt einem alle Unterlagen nach Hause
  4. Sc. zieht meines Wissens nach keine Ausweise von ihren Mitglieder ein.
  5. Sc. bietet zwar kostenlose Persönlichkeitstests an, verlangt aber kein Geld dafür.
  6. Das würde bei Sc. mit großer Wahrscheinlichkeit nicht helfen
  7. Gut, darüber könnte Sc. stolpern

Danach auf die katholische Kirche:

  1. Dieses Heilsversprechen macht die Kirche
  2. Egal, ob man Jesus, Petrus oder den Apostel Paulus als Gründer ansieht: einen Universitätsabschluß hat keiner von ihnen vorzuweisen. Abgesehen davon kann man sich streiten, inwiefern ein Studium der katholischen Theologie eine „interne Ausbildung“ darstellt. Schließlich wird der Studienstoff zu 100%  von der Kirche kontrolliert.
  3. Auch die Kirche gibt einem alle Unterlagen nach Hause mit
  4. Die Kirche zieht keine Ausweise von ihren Mitgliedern ein
  5. Die Kirche bietet jede Menge kostenloser Veranstaltungen (Info-Abende, auch Wochenenden) an.
  6. Das würde bei der Kirche vermutlich auch nicht helfen
  7. Da käme eindeutig heraus: „Die katholische Kirche ist keine Sekte.“. Insbesondere wenn man ein katholisches Pfarramt fragt.

Mit anderen Worten: Sc. stolpert bei Kriterium 7, die katholische Kirche dagegen bei den Kriterien 1, 2 und 5. Die katholische Kirche ist also dreimal mehr Sekte als Sc.

Fazit: Die oben genannte Checkliste ist lückenhaft. Von den genannten Kriterien sind nur Nr. 3 und Nr. 7 brauchbar. Nr. 4 trifft nur in wenigen Extremfällen zu, und wenn einem der Ausweis abgenommen werden soll, dann steckt man bereits so tief in der Sekte drin, dass es eigentlich zu spät ist. Kriterium 2 (Universitätsabschluß) ist grober Unfug, Kriterium 5 widerspricht sich selbst, Kriterium 1 trifft auch auf die Kirche zu, und Kriterium 6 ist eklatant unrealistisch  - wer protokolliert schon permanent seine gesamte Kommunikation? Wie die beiden praktischen Beispiele zeigen, ist die Checkliste als ganzes unbrauchbar, was ich persönlich angesichts des ernsthaften Themas sehr bedauerlich finde.

Es wäre daher gut, bei der nächsten Auflage des Buches diese Checkliste komplett zu überarbeiten, zusätzliche Kriterien mit aufzunehmen und die unsinnigen herauszuwerfen. Denn tagtäglich fallen mehr als genug Menschen auf Sekten und andere Rattenfänger herein, da ist eine brauchbare Checkliste notwendiger denn je.

 

Volkmar Kuhnle, November 2002

 

 

 

 

       

 

 

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