Homo Magi Präsentationshölle 28.07.2024 |
![]() |
|||
Hallo Salamander,
Freitag fuhr ich mit dem ICE nach Frankfurt. Zumindest war das der Plan.
In Wirklichkeit war die Oberleitung beschädigt[1]
und statt der Strecke Fulda – Frankfurt verwandelte sich meine Strecke
in ein gleichschenkeliges Dreieck, in dem auf dem Bildschirm im Zug die
geplante Bahnlinie die eine Seite bildete, der Umweg über Aschaffenburg
die beiden anderen Seiten.
Insgesamt schaukelte sich das in der Gesamtverspätung auf 100 Minuten
hoch, die man beschaulich durch die Landschaft kutschiert wurde. Da es
über 60 Minuten am Zielort war, kann man sogar Entschädigung beantragen.
Zurück zur Fahrt. Das wäre alles nicht so schlimm gewesen, wenn im Waggon
außer mir gefühlt nicht 95 % Bänker und wichtige Führungspersonen gesessen
hätten, die vor dem Wochenende noch schnell zu irgendwelchen Meetings
wollten und da schnell irgendwas präsentierten wollten. Nicht nur wurde
ihnen hinter Fulda klar, dass dieser Zug nie und nimmer pünktlich in
Frankfurt eintreffen würde, sondern es kam noch schlimmer.
Die erste Welle war die der Entschuldigungs-Mobiltelefonate. „Ich komme
nicht rechtzeitig, ich schicke dir den Kram schon einmal …“ oder „Die Bahn
steht mal wieder, ich weiß nicht was los ist, kannst du mir das Zeug schon
einmal schicken …“. Alles schon leicht hektisch und ärgerlich, denn
draußen waren über 30° Celsius, die Kühlung gab alles, aber …
Damit sich das ganze Chaos aber auch lohnt, fielen dann noch zeitgleich
diverse Server und Online-Dienste aus.[2]
Wir kamen dann zu Welle zwei der Telefonate. „Schickst du mir das noch
einmal, das kam hier nicht an …“ oder „Ich kann das nicht runterladen,
checkst du mal, was da los ist?“
Da saß man also im Zug, kam zu spät und konnte nicht einmal so tun, als
hätte man eine Präsentation, die man schicken könne (oder könnte weiter
hektisch an ihr arbeiten). Ich hatte ein gutes Buch dabei, genug zu
trinken und die Ruhe weg, weil ich weiserweise meine Verabredung erst auf
viel später gelegt hatte. Ich las fröhlich vor mich hin (Joseph Campbell
„Der Heros in tausend Gestalten“), trank meinen Eistee und lauschte der
dritten Stufe der Eskalation: Verzweiflung.
„Du, Matti, hier geht überhaupt nichts. Kannst du die Sitzung ohne mich
machen?“ oder „Peter, du musst das denen irgendwie erklären – ich kann
hier überhaupt nichts machen“ oder „Shaleen, halte sie still, ich bin in
drei Stunden da und übernehme“.
Es ist so schön, wenn Bänker weinen. Und irgendwie auch der ideale Start
in ein Wochenende.
Ich bin ganz froh, dass ich Dinge immer so fertigmache, dass ich im Zug
Ruhe habe. Das nennt sich Entspannung ist vor Terminen mal ganz sinnvoll.
Aber wem sag ich das.
Dein Homo Magi
|
Kolumnen
Beiträge des Teams:
|