Homo Magi 

Termin bei Gericht

06.10.2024

Homo Magi

Hallo Salamander,

ch bin ja arbeitssuchend und hatte mich auch bei der evangelischen Kirche beworben. Nein, kein religiöses Amt, es ging um Digitalisierung. Man wollte mich nicht, aber man „vergaß“ wohl, die Schwerbehindertenvertretung zu beteiligen. Da kann man dann klagen als Schwerbehinderter – was ich tat. Die Gegenseite teilte mit, dass für sie das Arbeitsrecht und das Behindertenrecht nicht gelten, wahrscheinlich auch nicht die Schwerkraft. Also kam ein Gerichtstermin, den sogenannten Gütetermin.

Ich fand einen Parkplatz vor dem Gebäude und hatte noch reichlich Zeit. Super. Ich ging zum Arbeitsgericht und fand ein Schild vor. „Dieser Eingang ist zur Zeit geschlossen. Bitte benutzen sie den Eingang auf der gegenüberliegenden Seite.“ Der war einmal um den Block, über fünf Minuten zu Fuß. Schon freute ich mich über den Umgang mit fußlahmen älteren Heiden.

Ich ging um den Block, hatte immer noch Zeit – und war ungefähr Nummer 46 in einer riesigen Schlange, wo Person für Person durch eine (!) Sicherheitsschleuse musste. Ich stand zehn Minuten an, dann nahm ich Kontakt zur am Eingang aufpassenden Polizistin auf. Ich kann nicht so lange stehen und überhaupt die Schwerbehinderung … also zog man mich vor. Ich gab Machete und Mobiltelefon ab (okay, die Machete ist gelogen, es war ein winziges Taschenmesser, was man konfiszierte), wurde zwei Mal gescanned (mein Gehstock aber nie, der durfte über die Absperrung gereicht werden – keine Fragen). Dann durfte ich wieder den langen Marsch antreten, nur dieses Mal durch den Häuserblock durch zum Arbeitsgericht.

Unterwegs musste ich drei Stockwerke überwinden, das verteilte sich auf zwei altersschwache Fahrstühle. Drinnen hing immer ein Schild „Wenn sie stecken bleiben – einfach anrufen. Hilfe kommt.“ Sehr beruhigend war, dass man mir ja vorher mein Telefon abgenommen hatte …

Ich schaffte es gerade noch rechtzeitig zum Termin.

Die Gegenseite wollte sich nicht entschuldigen – dafür hätte sie kein Mandat. Sie wollte auch keine Entschädigung als Vergleich zahlen – dafür hätte sie kein Mandat. Die Richterin fragte nach, für was sie dann überhaupt ein Mandat hätten … wahrscheinlich für das Atmen. Man ließ der Kirche zwei Wochen Zeit, auf unser (wirklich nettes) Angebot einzugehen. Die Entschuldigung kam nicht, aber innerhalb von 72 Stunden die Zahlung. Gab wohl doch ein Unrechtsbewusstsein auf der anderen Seite – oder doch die Erkenntnis, dass manche Gesetze sogar für die Kirche gelten (und eventuell sogar die Schwerkraft).

Es war mir ein innerer Reichsparteitag, wie mein Vater sagen würde.

Dein Homo Magi

 

 

 

 

 


 

 

 


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