Homo Magi 

Regenbogen

07.09.2025

Regenbogen 

Hallo Salamander,

eine entfernte Tante meiner Frau verstarb und natürlich ging ich brav mit auf die Beerdigung.

Etwas verwirrt waren wir gleich zu Anfang, dass der Ort zwar eine Kapelle war, aber es an einem Priester oder Pfarrer weit und breit mangelte. Nun, offensichtlich war die Tante vor ihrem Tod mit fast hundert Jahren noch aus der Kirche ausgetreten, denn es gab einen weltlichen Trauerredner und damit auch kein Vaterunser oder christliches Liedgut.

Wenn der Rückzug aus dem christlichen Glauben aber zu solchen Dingen wie dieser Feier führt, dann bin ich mir nicht sicher, ob das immer die richtige Entscheidung ist.

Die Rede war schlecht. Erst verwechselte der Redner die Tote und ihren lange verstorbenen Mann bei der Ansprache. Dann war er viel zu schnell in der Aussprache. Und zuletzt – Strafe dafür – wählte er das Bild des Regenbogens für den Übergang von dieser Welt in die nächste.

Wer jetzt darauf gehofft hat, dass sich hier germanisches Gedankengut finden könnte, der wird enttäuscht. Die Bilder mit der Brücke und dem Regenbogen waren stimmig, erinnerten aber irgendwann mehr an Einhörner und putzige Feen als an die Regenbogenbrücke der „Edda“. Dann wurde es noch schlimmer, und aus den Boxen ertönte knarzend erst „Somewhere over the Rainbow“, dann dasselbe Lied, aber auf Deutsch (gesungen von jemand, der plant, die geistige Gesundheit des Hörers langfristig zu schädigen). Von den Kölschen Schlagern ganz zu schweigen, die dann folgten.

Oz. Die Tante meiner Frau war auf dem Weg nach Oz. Das hatte uns der Redner klarmachen wollen. Sie würde zwischen Vogelscheuche und Dorothy herumhüpfen und singen, natürlich in Technicolor und überhaupt.

Ich bin heute noch stolz darauf, dass ich nicht kichernd in der Kapelle zusammengebrochen bin.

Dein Homo Magi

 

 

 

 

 


 

 

 


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