Es war im März 1982, als ich auf dem FreuCon 2
– veranstaltet vom beliebten Chefredakteur Klaus N. Frick – das
erste Mal an einem Fantasy-Rollenspiel teilgenommen habe. Das war
damals noch „pen & paper“ – also Metallfiguren auf gezeichneten
Karten und Spielerbögen für Menschen, die normal gekleidet um einen
Tisch herum saßen, um mit Würfeln das Schicksal ihrer Helden zu
gestalten.
Damals war die Unterscheidung zwischen
„Life-Rollenspiel“ und „Papier-Rollenspiel“ (oder gar
„Online-Rollenspiel“) noch nicht nötig, da es nur das eine Art
Fantasy-Rollenspiel gab. Und selbst das gab es noch nicht lange.
„Midgard“ war zwar auf dem Markt, aber Rollenspiel-Käufer mussten
noch in Spezialgeschäften einkaufen, die ein wenig den Ruch und die
Auffindbarkeit von Pornoshops hatten (damals zumindest).
In den Jahren vor dem Internet konnte man noch
in schwer zu bekommenden Spezialmagazinen nachlesen, welche Läden in
der Nachbarschaft sich über Anzeigen bekannt machten. Man traf sich
auf Treffen mit anderen Süchtigen, um nächtelang durchzuspielen oder
an den Verkaufsständen Spiele, Würfel und weiteres Zubehör zu
erwerben.
Es waren schon „die guten alten Jahre“, wenn
ich daran zurückdenke.
Während meiner Schulzeit haben wir fast jedes
Wochenende gespielt, riesige Welten entworfen und Charaktere in
ungeahnte Höhen gesteigert. Der Boom der Rollenspiele ließ auch
nicht lange auf sich warten, und so kamen weitere deutsche Produkte
hinzu (was haben wir über die Maske in der ersten Box von „Das
schwarze Auge“ gelacht). Viele Jahre später habe ich auch in der
Spieleindustrie Vollzeit gearbeitet (nach Jahren als Aushilfe in
einem Rollenspielladen eine für mich logische Entwicklung).
Ich habe Spiele übersetzt, lektoriert,
verkauft, eingeschweißt, getestet, gespielt, gesammelt und auch
wieder verkauft, wenn sie so gar nicht in meine Schränke oder
Sammelbedürfnisse passten.
Viele Jahre lang war ich auch Spielleiter und
Spieler in verschiedenen Kampagnen (so nennt man eine Serie von
zusammenhängenden Einzelspielen). Ich war Spielleiter für Raumschiff
Enterprise („Star Trek“ von FASA), „Midgard“, „GURPS“, „Call of
Cthulhu“, „Space 1889“, „Traveller“, „Abenteuer in Magira“, „Castle
Falkenstein“, „Cyberpunk“, „DC Heroes“ (ja, echte Superhelden im
Comicuniversum von „Superman“) und vieles mehr, was ich inzwischen
vergessen habe, sowie Spieler in sicherlich noch einmal zwanzig
anderen Regelsystemen.
Ich habe alle Entwicklungen der letzten 25
Jahre begleitet. Nicht nur durfte ich über dieses Thema
veröffentlichen (immerhin ist meine Diplomarbeit 1988 die zweite
sekundäre Arbeit über Fantasy-Rollenspiele im deutschsprachigen
Raum), ich bin auch durch Schulklassen und über Elternabende
geturnt, um Vorträge zu halten, und habe den ersten deutschen
Bildungsurlaub über „Fantasy-Rollenspiele“ (für die Gewerkschaft
DAG) geleitet. Damals war man als Rollenspieler noch automatisch in
Elternaugen Okkultist und Gewaltfreund – die Welt hat sich doch ganz
schön verändert.
Und heute? Heute gibt es „Online-Rollenspiele“,
die gute Freunde von mir vom Telefon und geselligen Treffen
fernhalten. Es gibt „Life-Rollenspiele“, wo sich Menschen tagelang
treffen, um mit Latexwaffen und Kostümen über die Wiese zu laufen,
dabei Elfen oder Orks simulierend. Okay, das ist nicht meine Welt.
Ich finde es interessant, welchen Weg diese Entwicklung genommen hat
– aber diesen Weg betrachte ich nur, ich gehe ihn nicht mit.
Ich spiele weiterhin Fantasy-Rollenspiele,
besuche ab und an den örtlichen Rollenspielladen (der den Boom ganz
gut überlebt hat und wieder in ein Nischenleben abgedrängt worden
ist) und versuche, neue Rollenspiele zu kaufen, wenn sie mir
gefallen (was selten genug ist).
Aber ab und an packt er mich noch, der wilde
Reiz, und ich setze mich mit alten Freunden um einen Tisch, die
Würfel werden ausgepackt und unsere Helden begeben sich auf die
Suche nach Captain Nemo, schlagen sich durch einen unwirtsamen
Dschungel, befreien die Tochter des Stadtherren aus den Fängen einer
üblen Diebesgilde oder wir klären einen seltsamen Mordfall, in den
Totenpriester und Dämonen verstrickt sind.
Wow.
25 Jahre.
Wow.
Danke, Herr Frick. Danke.
Hermann
Ritter