Miriam H. wachte an diesem
Morgen wie immer um 4.30 Uhr auf. Sie machte ihre Morgengymnastik,
verschwand für eine Dreiviertelstunde im Bad und frühstückte dann im
Morgenmantel. Ihr machte es nichts aus, dass sie alleine frühstückte – ein
Atlan-Pappaufsteller leistete ihr Gesellschaft, während vom CD-Player
leise der Soundtrack des PERRY RHODAN-Films lief. Sie zog sich an und
stieg gegen 6.15 Uhr ins Auto.
Sei freute sich jeden Tag auf
die Arbeit, obwohl sie jeden Tag fast 45 Minuten pendeln musste, bis sie
ihr geliebtes Rastatt erreichte. Im Auto lief die Hörspielversion eines
Voltz-Romans, den sie inzwischen mitsprechen konnte. Aber sie war
glücklich.
Gegen 7.00 Uhr betrat sie das
Verlagsgebäude von VPM in Rastatt. Sie betrat das Gebäude wie jeden Tag
durch den Seiteneingang, damit sie schnell ins Büro kommen konnte. Vor dem
Eingang lungerten schon jetzt die ersten PERRY RHODAN-Fans herum, die
einen Blick auf eines ihrer Idole erhaschen wollten. In den letzten Tagen
hatten sie sogar die Straße blockiert, so dass ein Trupp der einheimischen
Polizei die Durchfahrt für Klaus Bollhöfener räumen musste. Klaus hatte
sich seine gute Laune nicht nehmen lassen, er war ausgestiegen und hatte
eine halbe Stunde lang Autogramme verteilt. Nachher leerte er dann lachend
im Büro seine Manteltaschen aus, in die ihm die weiblichen Fans wieder
Zettel mit ihrer Handy-Nummer gesteckt hatten.
Miriam summte leise vor sich
hin, während sie durch den RHODAN-Bürotrakt ging, die Kaffeemaschine
anschaltete, die Blumen goss und erst einmal überall gründlich
durchlüftete. Dann schüttelte sie die Sitzkissen der Kläuse aus, wischte
ein wenig Staub im Regal mit den internationalen Literaturpreisen und
begann dann damit, aus dem mitgebrachten Korb ein kleines Frühstück für
die Belegschaft aufzubauen.
Die Zeit verging wie im Fluge.
Der Sekt musste in den Kühler, die Lachsbrötchen mussten kalt gestellt
werden, der Kaviar kam in kleine Glasschälchen und wurde mit silbernen
Löffeln verziert, die Orangen wurden noch schnell ausgepresst und aus dem
kalten Braten wurden mit einigen Silberzwiebeln und Gürkchen noch schöne
Platten gezaubert.
Gegen 8.30 Uhr begann das große
Gemurmel im Gang. Die ersten Reporter überregionaler Zeitschriften waren
draußen eingetroffen – wohl darauf hoffend, dass sie heute etwas über den
weiteren Verlauf der Handlung erfahren würden. Doch die Kläuse hatten
vorgesorgt – immerhin war für diese Woche ein Interview mit der „Zeit“
vereinbart worden, nächste Woche war dann das „Times Literary Supplement“
dran. Das wäre für dieses Quartal ausreichend, hatte der Chefklaus
entschieden. Eine zu hohe Medienpräsenz würde das Interesse an PERRY
RHODAN zu sehr hochkochen. Schon jetzt kamen die Druckmaschinen und
Vertrieb kaum nach, wenn die wöchentliche Auflage an die Kioske, Bahnhöfe
und Zeitschriftenläden im deutschsprachigen Europa ausgeliefert werden
mussten.
Gegen 9.15 Uhr kamen dann die
Kläuse. Klaus N. F. trug heute Schlaghosen, dazu Krokodillederschuhe, ein
buntes Orangina-T-Shirt mit dem PERRY RHODAN-Logo und weiße Handschuhe.
Klaus B. hatte heute seine engen Hosen im Chinchilla-Muster an, dazu
hochhackige Schaftstiefel, ein weinrotes Rüschenhemd und wie immer zierten
mächtige Rocker-Ringe seine muskulösen Finger.
Miriam wartete, bis die beiden
die Tür zu ihrem Bürotrakt durchliefen. Sie drückte auf die Taste des
CD-Players und schon erscholl die PERRY RHODAN-Hymne aus der
Dolby-Surround-Anlage. In ihrer Aufmachung als Thora sah sie bestimmt
hervorragend aus, als sie „Überraschung!“ rufend unter dem Schreibtisch
hervorsprang und der Reihe nach die beiden Kläuse küsste.
Beide waren den ersten Moment
sprachlos. Sie blickten durch den mit Früchstücksbuffet überladenen Raum,
sahen die Ordnung und blickten dann bewundernd auf Miriam H. in ihrem eng
anliegenden Thora-Kostüm, das durch die weiße Schminke im Gesicht und
durch die engen, weißen Büffellederhandschuhe (es war ein Albino-Büffel
gewesen) besser zur Geltung kam.
Klaus N. F. fand als erster
wieder die Sprache zurück. Er blickte Miriam aus seinen gütigen Augen an
und sagte nur leise „Aber Miriam, dasch wäre dosch nischt nötisch
geweschen – du hascht dosch heute Urlaub!“. „Das habe ich ganz vergessen!“
flötete Miriam leise, während sie glücklich grinsend unter ihrer Schminke
sanft errötete.
Miriam wurde vom Gesang der
Vögel vor ihrem Fenster wach. Sie war am ganzen Körper schweißnass.
„Urlaub, ich habe ja Urlaub!“, dachte sie bei sich. „Was für ein Alptraum!“
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