PR-Kolumne

Under Cover

03.12.2003

Schon als Kind hatte ich einen Drang dazu, Dinge aufzuräumen und wegzuräumen. Einer meiner ersten Sätze soll angeblich »Mollein meißen« gewesen sein, was soviel wie »In den Mülleimer schmeißen!« heißen soll. Leider waren nicht alle Dinge, die ich in den Mülleimer transportiert habe, für den Müll gedacht ...

Später führte das dazu, dass ich gerne Dinge aufräumte und sortiere. Ich habe mehrere Jahre in Berufen gearbeitet, wo ein richtig großes Lager dazugehört. Und wer einmal über 1.000.000 Würfel verwaltet hat, der ist nur unter Schwierigkeiten mit größeren Aufgaben zu betrauen.

Auch im Studium der Geschichte hatte ich Gelegenheit, meinen Fähigkeiten nachzugeben. Aber hier waren die Aufgaben wesentlich sinnvoller: Einmal habe ich mehrere Tage lang Opferkarteikarten in einem Konzentrationslager bei Danzig sortiert, dann war ich einmal für ein paar Tage auf der Suche nach Unterlagen der Rheinschifffahrtsdirektion des deutschen Kaiserreiches (1898 bis 1914 - aber das ist eine andere Geschichte).

Nun, alle diese Dinge haben bis jetzt nichts mit PERRY RHODAN zu tun. Doch es gibt einen Zusammenhang - ehrlich!

Vor einigen Monaten wurde ich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, mal einen Blick in das Lager VPMs zu werfen. Natürlich habe ich mir tolle Vorstellungen gemacht - eine Lagerhalle, hunderte von Metern lang, in der Hochregale bis zur Decke stehen, vollgepackt mit wertvollen Sammelobjekten. Zwischen den Regalen, in denen die eingeschweißten Belegexemplare der verschiedenen Auflagen und Ausgaben von PERRY RHODAN und ATLAN stehen, befinden sich Glasvitrinen mit den alten Sammelfiguren, den drei Quartetten, den Krawatten und so weiter und so fort.

In meiner Vorstellungen hingen an den Wänden die Titelbilder-Originale hinter Glas, mit einer roten Kordel davor geschützt, dass sich neugierige Menschen zu nahe an sie herantrauen.

Nun, ich muss zugeben, dass dies nicht ganz der Wahrheit entspricht.

 

Ich bekam den Auftrag, die alten Cover der Science Fiction-, Horror-, Fantasy- und Krimi-Serien aus dem Hause VPM (immerhin ehemals Moewig, Pabel, VPM und Zauberkreis) zu sortieren. Vorher hatte ich schon Arbeit darein investiert, für Miriam Hofheinz Listen mit möglichen Serien zu erstellen, die man in den VPM-Katakomben finden könnte. Im Verlauf der Arbeit stellte sich heraus, dass auch die Western-Serien für die Aufräumarbeiten zu klären sind. Gut, so dachte ich mir, und nach einiger Vorbereitung machte ich mich auf den Weg.

Inzwischen ist der Auftrag erledigt. Aus diversen Stapeln mit Titelbildern konnte ich die meisten Serien identifizieren und sortieren. Das ist nicht so einfach, wie man sich das vorstellt, weil in über fünf Jahrzehnten durch diverse Räumlichkeiten-, Arbeitgeber-, Namens- und Mitarbeiterwechsel immer neue Ordnungskriterien nötig wurden. Am Anfang war ich von der Menge richtig erschreckt. Man macht sich natürlich vorher klar, dass man mit über 3500 Titel aus dem Bereich PERRY RHODAN rechnen muss. Aber ich habe die Stapel mit KOMMISSAR X und den fünf verschiedenen UTOPIA-Titeln vorher unterschätzt. Und immerhin weiß ich jetzt, was DELPHIN und was PRINZESS war.

Zum Glück war ich mit dem Zug angereist, was die Gefahr deutlich verringerte, dass ich mit einem Emsh-Cover unter dem Hemd zu meinem Auto verschwinden würde ... aber in meiner Wohnung wäre an den Wänden sowieso kein Platz mehr gewesen (da hängt einsam ein Gabi Berndt-Original umgeben von Fotos, meinem Marianne Rosenberg-Autogramm und diversen Zetteln - kann man alles in meinem Arbeitszimmer besichtigen, wer lieb ist, der kriegt auch einen Kaffee oder Tee dazu).

Dankenswerterweise konnte ich auf die sehr gute Arbeit der Fandix-Macher zurückgreifen, die für verschiedene CDs immer Serientitelbilder eingescannt haben. Oft musste ich selbst überlegen - was ist das jetzt für ein Motiv? FLEDERMAUS? TERRA FANTASY? UTOPIA? Wenn man dann nachschauen kann, macht es vieles einfacher (außerdem ist die Fandix-CD schön und man muss aufpassen, dass man sich nicht in den Bildern verliert ...).

Die ersten Schritte sind gemacht. Jetzt geht es daran, zu überlegen, ob man alle Bilder digitalisiert und der Nachwelt so aufhebt.

Die ersten Heftromane aus den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts sind - wegen des billigen Papiers, das damals verwendet wurde - brüchig und kaum noch zu kopieren. Bevor der Schatz verdirbt, den uns die Science Fiction der 50er, 60er und 70er hinterlassen hat, müssen wir von den Drachen lernen und den Hort beschützen.

Bei VPM gibt es keinen Fafnir, aber einen Drachen scheint es zu geben - denn ich war under Cover in seinem Hort.


Hermann Ritter 


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