Homo
Magi - Teambeitrag Wir waren
gemeinsam
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Wir waren gemeinsam auf dem Mars. Der
Drachenorden hat uns beauftragt, ebenso die Krone von Clanthon. Wir
kämpften gemeinsam gegen die großen Alten und zeitreisende Nazis.
Superheldencomics, „Raumpatrouille Orion“,
„Babylon 5“, „Raumschiff Enterprise“ und „Perry Rhodan” waren die
Hintergründe, auf denen wir uns immer wieder Ideen zugeworfen haben.
Meinen langen Artikel über „Raumpatrouille“ habe ich auch dir gewidmet –
für viele Stunden bei Pizza und Tee, die wir mit Diskussionen zugebracht
haben.
Wir diskutierten über Magie im Zeitalter
Napoleons. In den 60er Jahren waren wir Agenten und um die
Jahrhundertwende betrieben wir ein Steampunk-Institut zum Kampf gegen
das Böse.
42 Jahre lang waren wir in derselben
Rollenspielgruppe. Anfangs tranken wir nur auf den verstorbenen Jo, dann
auch auf den verstorbenen Bello. Jetzt lässt du mich zurück, um auf alle
drei zu trinken.
Über 20 Jahre lang habe ich dich jeden Morgen
auf der Arbeit angerufen. 06151/184885. Zwei Minuten, drei Minuten,
nicht mehr. Oftmals nur ein paar nette Worte und ein „bis morgen“ am
Ende.
An jedem Geburtstag – wir haben am selben Tag –
riefen wir uns an und schrien beide „Alles Gute zum Geburtstag“ und
„Erster“.
Du hast immer gerne erzählt, dass du in den 40
Jahren deiner Arbeit nie den Arbeitsplatz gewechselt hast, aber die
Firma drei Mal den Namen und fünf Mal das Logo geändert hat. Nach deinem
Vorruhestand haben wir dann nur noch wöchentlich oder zweiwöchentlich
telefoniert. Oft hast du nachts online gespielt und warst morgens sehr
wortkarg – okay, warst du morgens eigentlich immer, auch im Büro.
Vor vielen Jahren auf dem Drachenschifftörn hast
du in einem Hafen in Holland zwei junge Damen angegraben. „Das ist mein
Freund Hermann“, sagtest Du. „Wir haben am selben Tag Geburtstag – nur
bei der Jahreszahl sind die letzten beiden Ziffern vertauscht.“ Ich
sagte: „Ja, das stimmt. Ich bin Jahrgang 64.“ Dann bin ich losgerannt,
du mir nach, um mich zu knuffen.
Wenn wir in den letzten Jahren in Bickenbach
rollengespielt haben, hast du mich an der Endstation der Elle – der
elektrischen Straßenbahn – abgeholt. Während Corona trugen alle an der
Endstation eine Maske, nur du trugst eine rote Clownsnase.
Als ich dich kennenlernte, hast du im Elternhaus
unter dem Dach gewohnt. Dann bist du in das Erdgeschoss gezogen. Als
deine Mutter krank wurde, habt ihr Stockwerke getauscht und du bist in
den ersten Stock gezogen. Wir haben in jedem Stockwerk irgendwann
gespielt – bis runter zum Disco-Keller und bei 35 Grad raus in den
Garten.
Du sprachst hessisch, wie man es wohl nur in
Bickenbach lernen und sprechen kann. Oftmals musste ich nachfragen, was
du mir mitteilen willst. Keine harten Konsonanten, und das wurde noch
schlimmer, wenn du mit deinem Vater („Karl!“) sprachst. Jener hatte eine
besondere Vorliebe zu Volksmusik – und umso älter er wurde, desto lauter
wurde die Musik. Ein lautes „Karl!“ sorgte dann dafür, dass die Musik
leiser wurde.
Die FOLLOW-Gruppe Bickenbach war mal mit die
größte in FOLLOW. Stefan Fehres ist dir Jahre vorausgegangen.
Deine Mutter ist vor über 30 Jahren gestorben,
wenn ich mich recht erinnere.
Kürzlich ist dein Vater gestorben, er wurde über
90. Du hast angefangen, seine Sachen aufzuräumen und hattest Pläne für
den Umbau des Hauses. Als wir das letzte Mal bei dir gespielt haben,
hingen an den Wänden überall Baupläne und Skizzen.
Es gibt außer den Wohnungen, die ich selbst
bewohnt habe, keinen Ort, wo ich mehr Wochenenden zugebracht habe, als
deine Wohnung. Über 100 Stück, keine Ahnung, wie viele.
Am 16./17. Februar hatten wir noch bei dir im
Haus unsere Rollenspiel-Runde. Da haben wir uns das letzte Mal gesehen.
Am 01. März hatten wir zwei Geburtstag. Da haben wir zwei das letzte Mal
gesprochen. Am 07. März hast Du noch per E-Mail die Beteiligung für den
nächsten Rollenspiel-Termin abgefragt. Da haben wir zum letzten Mal
gemailt.
Fünf Tage später bist du tot.
Wenn ich hätte einen größeren Bruder wählen
können, dann wäre meine Wahl auf dich gefallen.
Ich vermisse dich. Und das Gefühl wird noch eine
Weile da sein.
Pass auf die Würfelbecher auf. Und ich bin mal
gespannt, was für Abenteuer du dir mit Jo und Bello ausdenkst – wo immer
du auch bist.
Ich kann dir nur danken für die Abenteuer, die
wir hatten.
Dein Freund Hermann
Hermann Ritter, März 2024
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