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Magi - Teambeitrag Die Erfindung des Hexereidelikts Essai von Martin Marheinecke Teil 1 |
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Vor dem späten Mittelalter gab es keine Hexen! Wie das? Ist der Schamanismus etwa nicht in fast allen Naturreligionen gängige Praxis, auch in denen des alten Europas? Gibt es nicht überall, wo ein magisches Weltbild vorherrscht, neben wohltätiger Magie auch Schadenzauber? Ähneln sich nicht überall auf der Erde die Vorstellungen von Magie und Hexerei in verblüffender Weise, trotz aller kulturellen Unterschiede? Stammt unser Wort Hexe etwa nicht vom germanischen Hagazussa, Zaunreiterin? Des Rätsels Lösung: In den Hexenprozessen bezog sich das Wort “Hexe” ausdrücklich auf das christlich-theologisch definierte Hexereidelikt, dessen zentraler Punkt der Teufelspakt war. Der traditionell-volkstümliche Schadenzauber spielte allenfalls im Vorfeld der Anklage eine Rolle, für die Prozesse war der christlichen Theologie juristisch verbindlich. Unschuldige Opfer der Justizmorde waren deshalb nicht nur die aus Neid, Misstrauen oder Angst vor Fremden und Außenseitern Denunzierten und auch nicht nur jene Hebammen, weisen Frauen, Kräuterkundigen, die trotz - oder gerade wegen - ihrer hilfreichen Dienste verfolgt wurde. Nicht schuldig im Sinne der Anklage waren auch alle unbequemen Denkerinnen und Denker, die für ihre Ideen als Hexen bestraft wurden, alle “ketzerische” Magier und Mystiker, und selbst die heimlichen Anhänger der alten heidnischen Religion. Auch Scharlatane und Betrüger waren, was immer sie sich zuschulden kommen ließen, der Hexerei unschuldig. Sogar bekennende Schwarzmagier und Schadenzauberer hätten, legt man das theologisch begründete Hexereidelikt - etwa im Sinne der Hexenbulle Papst Innozenz VIII. - zu Grunde, eigentlich vom Hexereivorwurf freigesprochen werden müssen! Kein einziges Opfer der Hexenreiprozesse war der Hexerei schuldig. Die traditionelle Vorstellung vom Schadenzauber Alle heidnischen Kulturen des alten Europas - die Kelten, Germanen, Slawen usw., aber auch die antiken Griechen und Römer - waren von der Kraft der Magie überzeugt. Zauberei war für unsere Vorfahren nichts Übernatürliches, sondern eine ganz normale Fähigkeit, wie etwa die Fähigkeit, Musik zu machen: Im Prinzip kann es jeder erlernen, aber einige können es besser als andere. Wer zaubern kann, kann seine Fähigkeit zum Schadenzauber missbrauchen. Der Schadenzauber galt, gemäß den magischen Weltbild dieser Kulturen, als normale Straftat. Selbst im alten Rom wurde Schadenzauber gesetzlich unter Strafe gestellt. Ob man jemanden mit der Waffe verletzte oder magisch angriff, ob man ein Getreidefeld abbrannte oder die Ente auf magischen Weise vernichtete, war im Rechtsempfinden des heidnischen Europa eins. Es gab Menschen, die sozusagen beruflich mit Magie umgingen - Priester und Priesterinnen, Seherinnen, Heiler und Heilerinnen, aber auch Hirten und Handwerker wie Schmiede. Und es gab Schamanen, vor allem im finno-ugrischen Kulturraum. Bei fast allen europäischen Völkern lassen sich schamanische Praktiken wie Trancereisen in die Anderswelt nachweisen. Wir würden sicherlich viele dieser Alltagsmagier Hexen nennen. Aber selbst wenn eine Kräuterfrau gleichzeitig Hebamme, Heilerin, Zauberin und Zaunreiterin mit schamanischer Fähigkeit war, mithin also dem modernen Hexenbegriff entsprach, dann war sie im Verständnis ihrer Zeit eben Kräuterfrau, Hebamme, Heilerin, Zauberin und Zaunreiterin, und nicht etwa Hexe. Noch in der frühen Neuzeit bezeichnete der Volksmund magiebegabte Menschen als Zauberer oder Zaubersche, weise Frauen, Drudner oder Drude (wohl abgeleitet von Druide), in Norddeutschland auch als Wicker oder Wickersche, aber nicht als Hexen. Im Volk wurde nach wie vor zwischen wohltätiger “weißer Magie” und schadenbringender “schwarzer” Magie unterschieden Auch bei Geistern, Feen und Dämonen unterschied man zwischen Holden und Unholden. Diese volkstümlichen Magievorstellungen blieben im Volk erstaunlich lange lebendig, auch zur Zeit der großen Hexenverfolgung. Je weiter allerdings das vorchristliche magische Weltbild in Vergessenheit geriet, desto mehr degenerierten die alten Bräuche zum unverstandenen Wunder- und Aberglauben. Magie wurde den einfachen Menschen immer unheimlicher.
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