Homo Magi 

Flockenlesen

07.07.2024

Homo Magi

Hallo Salamander,

heute habe ich ein neues Wort gelernt. Ich lese gerade „Das Automatenzeitalter“ von Ri Tokko. Eigentlich Ludwig Dexheimer (1891 bis 1966) schrieb Ri Tokko nur dieses Buch:

Dexheimer, Sohn eines Nürnberger Kaufmanns, besuchte nach dem Abitur von 1909 bis 1911 für ein viersemestriges Studium der Chemietechnik das Königlich Bayerische Technikum (…). Von 1911 bis zum Übergang des Werkes an die I.G. Farbenindustrie AG im Jahre 1926 arbeitete und forschte Dexheimer im analytischen Labor der Chemischen Fabrik Griesheim-Elektron, Werk Offenbach. Während des Ersten Weltkriegs war er im selben Werk als vereidigter Chemiker für Munitionsuntersuchungen tätig, weshalb er vom Militärdienst freigestellt war. Wegen Stilllegung mehrerer Betriebsteile verlor er 1929 seinen Arbeitsplatz und betätigte sich anschließend als Autor von Fachartikeln. Im Jahre 1937 konnte er in seinen erlernten Beruf zurückkehren. In den 1950er Jahren arbeitete er in einem Chemielabor der US Army.

Von 1949 an war er Schatzmeister der in Frankfurt am Main ansässigen Südwestdeutschen Gesellschaft für Weltraumforschung.[1]

Weiter:

Unter dem Pseudonym Ri Tokko veröffentlichte Dexheimer sein einzig bekanntes literarisches Werk Das Automatenzeitalter – ein prognostischer Roman. Das Buch erschien im November 1930 im Amalthea-Verlag, Wien, vordatiert auf 1931. Die Ideenfülle und die Treffsicherheit seiner Prognosen machen den Roman zu einer der faszinierendsten Utopien des 20. Jahrhunderts. So beschreibt er zum Beispiel die von Papier losgelöste Wissensvermittlung über ferntechnische Apparate aus Zentralbibliotheken, gleichzeitig nutzbar von unzähligen Lesern. Hierbei handelt es sich um eine der ersten Formulierungen der Idee des Internets. Auch die Wiedererschaffung ausgestorbener Arten (im Roman konkret: Dinosaurier) durch die Kunst der Biologen skizziert er als Zukunftstraum. Hormonelle Empfängnisverhütung, Recycling und geklonte Menschen sind neben vielem anderen ebenfalls Gegenstand seiner Visionen.[2]

Es kam, wie es kommen musste:

Das Buch wurde zum 31. Dezember 1938 von der nationalsozialistischen Reichsschrifttumskammer wegen pazifistischer Stellen in die „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ aufgenommen und damit faktisch verboten.[3]

Was fand ich da:

Meine Augen folgten in diesem Moment den Blicken des jungen Arztes. Sie waren auf die Hände der Kranken gerichtet, welche auf der Bettdecke sich charakteristisch bewegten. Ich erkannte das berüchtigte Flockenlesen, das Anzeichen des nahen Endes.“[4]

Da musste ich auch mal ein Wort nachlesen:

Mit Krozidismus (griechisch: krokis, zu deutsch: Flocke), auch „Flockenlesen“ oder Karphologie wird ein zitteriges und ruheloses Herumfingern in der Luft oder über der Bettdecke bezeichnet. Krozidismus ist eine Begleiterscheinung, die vor allem bei exogenen Psychosen, bei tuberkulöser Meningitis oder Alkoholentzug auftritt. Ferner kann Krozidismus auch in der Zeitphase vor dem Tod (Agonie) auftreten.[5]

Was für ein Wort … und was es beschreibt. Eine unfassende Bildhaftigkeit … und ein Begriff, den ich noch nie gehört hatte. Flockenlesen … ich bin beeindruckt. Und das Buch ist noch dazu großartig …

 


 

 

 

 

 


 

 

 


[

 


 

Kolumnen

vorherige

nächste

Mail an Homo Magi

Inhalt

Beiträge des Teams:

RezensionenMär & Satire
Essais
Sachartikel
Krimi
Nachrufe
Bücherbriefe
PR-Kolumnen
Lyrik