Homo Magi Archiv

Wöchentliche Ansichten eines Magiers über den Jahreslauf und die Welt

 

Teil 4

 

Die Welt erfreut mich

Hallo Salamander,

auch in der finsteren Zeit des Jahres, in den Tagen nach Samhain, gibt es Dinge, die mein Leben aufheitern. So erreichte mich folgende Mitteilung per Mail, die meinen Postaufgang und mich aufgeheitert hat. Ich habe sie nur neu formatiert, die Fehler sind original. Gelöscht habe ich nur die Hinweise auf den Urheber/die Urheberin – Häme ist etwas feines, aber sie muss dosiert sein.

Kosmisches Ereignis am 8./9. November 2003 – Die »Harmonische Eintracht und Vereinigung der Herzen«.

Eine wahrlich einzigartige kosmische Konstellation am »astrologischen Himmel« begeistert derzeit astrologisch-bewanderte und/oder spirituell-orientierte Menschen. Ein Sechsstern oder »Christusstern«, Davidstern/Hexagramm oder auch Solomonssiegel genannt, ergibt sich am Samstag, den 8. November 2003 genau um 12.20 Uhr MEZ.

Aus Amerika, wo diese Konstellation »entdeckt« wurde, kamen einige weitreichende Hinweise, sowohl astrologischer, spiritueller als auch wissenschaftlicher Art. Alle berichten von der Einzigartigkeit dieses kosmischen Geschehens.

»Ein hell scheinender Davidstern wird im November dieses Jahres am Himmel erscheinen. Diese Revolution kommt gerade rechtzeitig als kosmische Version eines multimillionen Volt Stromschlages.« Coe Savage, esoterischer Astrologe, Hauptautor des emails aus Amerika.

»Die Menschheit hat sich auf diesen kosmischen Moment seit buchstäblich Jahrtausenden vorbereitet. Wir stehen nun an der Schwelle der größten Bewusstseinsveränderung, die jemals von einer sich entwickelnden Seele erfahren wurde. Mit dem Vollmond am 8. November d. J. wird es eine sehr seltene galaktische Konfiguration geben, die die ‚Harmonische Eintracht‘ genannt wird. Diese Konstellation wird ein multidimensionales Portal von Göttlichem Bewusstsein öffnen. Zu diesem einzigartigen Moment wird das kosmische ICH BIN die Erde mit bisher unbekannten Frequenzen des Göttlichen Bewusstseins überfluten und uns in die Erinnerung der Ganzheit allen Lebens erheben.« Patricia Diane Cota-Robles, im Juli 2003.

Ein peruanischer Schamane zu dem Psychologen Dr. Alberto Villoldo: »Im Spätherbst 2003 wird ein Riss oder Loch in der Zeit erscheinen und diejenigen, die sich darauf vorbereitet haben, würden in der Lage sein, in ihre Lichtkörper zu gehen.«

Innerhalb des Zeitraumes von 1000 vor Christus bis 3000 nach Christus wird sich diese genaue Konfiguration nicht mehr am Himmel ergeben! Der Davidstern ist so konstelliert, dass man ihn als sog. »sternförmiges Tetraeder« wahrnimmt. Laut Angabe im Buch »Die Blume des Lebens« von Drunvalo Melchizedek, Band 1, Seite 3, »... sind alle Energieformen geometrischen Ursprungs und das, womit wir arbeiten werden, ist ein sternförmiges Tetraeder« (Originaltext). Mit dieser heiligen Geometrie ist es uns lt. Melchizedek möglich unsere Merkaba, unseren Lichtkörper, zu aktivieren!

Was bedeutet dieser heilige Zeitpunkt für uns? Ist dies etwa ein kosmischer Wink, ein Energiekick hin zu mehr Harmonie und Frieden (in uns selbst vorallem), ein Hinweis auf die Möglichkeit, die uns innewohnende Göttlichkeit zu erkennen, die Schönheit in uns anzunehmen, einen Ausgleich der weiblichen und männlichen Seiten in uns zu finden, Balance und Aufhebung der Widersprüche zwischen all den Ungereimtheiten und scheinbaren Gegensätze, die diese Welt uns serviert (oder spiegelt?), sehen zu wollen und Frieden in uns herzustellen? Wir finden hier die starke Aufforderung, bei allen ver-rückten, stressenden, äußeren Bedingungen, in uns die vollkommene Ruhe zu bewahren, in die absolute Liebe zu gehen, selbst wenn die Welt da draußen Kopf steht. Eine Aussage, die die meisten der auf dem Bewusstseinsweg befindlichen Menschen sehr gut kennen – hier wird sie astro-logisch dargestellt und findet genau um 12.20 Uhr ihren energetisch-hochwirksamsten Punkt. So können wir am 8. November um genau diese Zeit, Selbstermächtigung und Unabhängigkeit für uns wählen und bestätigen – vielleicht in einer Meditation oder einfach mit einer Absichtsbekundung.

Diese Planeten-Konstellation in den (Tierkreis-) Zeichen ist etwas ganz außergewöhnliches – so wie Sie – wie jeder von uns es ist – wie es auch Mutter Erde ist! Mein Eindruck ist, dass es sich hier um das Abbild einer »neuen Erde« mit selbstermächtigten Menschen handelt. Wenn wir im Bewusstsein unseres Meisterselbst sind und in mütterlicher Liebe ohne Wertung die Welt um uns betrachten und die Verantwortung für diese neue Erde zu übernehmen bereit sind werden die Manipulationen von außen auf uns keine Wirkung und keine Macht mehr über uns haben. Wir werden uns kraftvoll, weise und konsequent im Leben ausdrücken und das manifestieren, was zum Wohle aller ist. Das Herz eines jeden »Suchenden« darf jetzt höher schlagen, denn jetzt ist die Zeit der Erkenntnis – einer Energie, die uns die Weisheit und das tiefe Verständnis der Evolution, ja der Menschheitsexistenz selbst, offenbart. Unser einst verlorengegangenes Wissen um unsere geistige Natur und den Sinn des Lebens enthüllen sich nun dem, der bereit ist zu sehen, zu fühlen und im Hier und Jetzt zu sein.

Nutzen wir jetzt diese energetische Chance, uns nun ganz in unser Göttliches Selbst zu begeben, unsere wahre, innere Größe zu erkennen, den Christus in uns (»Christusstern«) zu entdecken, der sich nicht darstellen muss, noch »Spiele« mit anderen betreibt oder sich über andere erhebt, sondern in Demut und Weisheit, in Ruhe und Gelassenheit um seine Stärke und Kraft weiß. Wir sind aufgerufen, dieses Potenzial in uns zu akzeptieren, es zum Ausdruck zu bringen und diese Göttlichkeit auch in allen anderen Wesen zu sehen unabhängig davon wie sie sich selbst noch zum Ausdruck bringen.

Lohnt es sich nicht, dieser Aufforderung nachzukommen? Ist dies nicht das, was seit Menschengedenken jedes Herz bereits wusste? Jetzt ist die Zeit gekommen auch danach zu handeln! Erheben Sie sich in Ihren wahren Wert, finden Sie Ihren Selbstwert und sie brauchen nicht mehr nach Werten im Außen zu jagen und Ihre Lebensenergie dafür zu opfern. Vertrauen Sie sich selbst und dem Universum und glauben Sie, dass für alle Ihre Belange gesorgt wird. Das Universum kennt keinen Mangel! Befreien Sie sich von der Illusion, dass es »normal« sei, Mangel auf irgend einer Ebene zu erleiden. »Fülle« ist der Urzustand, möglich für Alle! Jetzt darf es zu Ende sein das Spiel der Getrenntheit – der Illusion – des Mangels.

Wir haben alles erlebt – was es zu erleben, zu durchleiden – zu erfühlen gab jetzt dürfen wir erkennen – unser Leben bewusst gestalten, den Himmel auf Erden leben! Wir haben es (uns) verdient!

Dankbarkeit wird zum Schlüssel wahrer Freude. Aus einem weisen Geist geboren wird sie den Raum zur Fülle öffnen und erhalten. Es geht darum die sog. »Christusachse« Fische/Jungfrau wirklich in ihrer tiefen Weisheit wahrzunehmen und den Christus wahrlich in uns zu finden. Unser persönliches Wünschen und Wollen sollte sich an dem Wohle der Gesamtheit orientieren. Das Machtstreben des Egos, wie wir es seit Jahrtausenden kennen, darf nun sein Ende finden. Die Traumatas der Weltgeschichte dürfen sich nun langsam durch ein steigendes Göttliches Bewusstsein jedes Einzelnen restlos auflösen. Selbstheilung durch Bewusstwerdung bringt Heilung für das Kollektiv. So kann die »Durchlichtung« der Materie stattfinden. »Es werde Licht auf Erden ...« lautet das neue/alte Motto: Auflösung der Anhaftung an Materie, Fremdbestimmung und weg von Krankheit in die natürliche Ordnung von »Gesundheit«.

Nun denn, die Welt braucht nichts mehr als Heilung – so möge sie jetzt geschehen! Lasst uns den Himmel auf Erden erschaffen! So wird die Erde zu einem »Stern«! Öffnen auch Sie sich jetzt dafür, dies ist die Zeit aller Zeiten – seit Jahrtausenden prophezeit, gefürchtet und herbeigesehnt. Laden Sie diese Zeitqualität ein – es ist ein weiterer großer Schritt in der spannenden Evolutionsgeschichte der Menschheit – zurück zum Herzen des Göttlichen, geborgen im Schoße von Mutter Erde, der Großen Göttin.“

So, Salamander, ich hoffe, du liest noch weiter und bist noch keine Lichtgestalt! Ich werde jetzt nicht den ganzen Text noch einmal abtippen und auseinandernehmen, sondern mir einige „Highlights“ herauspicken.

(1) „Eine wahrlich einzigartige kosmische Konstellation am »astrologischen Himmel« begeistert derzeit astrologisch-bewanderte und/oder spirituell-orientierte Menschen. Ein Sechsstern oder »Christusstern«, Davidstern/Hexagramm oder auch Solomonssiegel genannt, ergibt sich (...).“

Schön, es gibt also einen eigenen „astrologischen Himmel“. Können den nur Astrologen sehen oder auch Normalsterbliche? Und seit wann ist ein Hexagramm ein Sechsstern und kein Fünfstern? Und was hat ein Sechsstern mit Christus zu tun? Die einzige Bibelstelle, die eine Sternenzahl nennt, spricht von sieben Sternen (Offenbarung 1,16). Aber Gott kann da wohl besser zählen als wir Menschen („Er zählt die Sterne und nennt sie alle mit Namen“, Psalm 174,4). Und wer ist Solomon? Ein Freund von Josus und Potrus?

(2) „Aus Amerika, wo diese Konstellation »entdeckt« wurde, kamen einige weitreichende Hinweise, sowohl astrologischer, spiritueller als auch wissenschaftlicher Art. Alle berichten von der Einzigartigkeit dieses kosmischen Geschehens.“

Also doch nicht am Himmel, sondern in Amerika?

(3) „»Diese Revolution kommt gerade rechtzeitig als kosmische Version eines multimillionen Volt Stromschlages.« Coe Savage, esoterischer Astrologe, Hauptautor des emails aus Amerika.“

Coe Savage ist wahrscheinlich eine ferne Verwandte von Doc Savage, und sie hat viel Zeit, denn sie ist „Hauptautor des emails aus Amerika“. Komisch, ich kriege öfters Mails aus Amerika, und die sind nicht von Coe Savage ... Aber ich weiß sowieso nicht, ob ich auf einen Stromschlag scharf bin ...

(4) „Wir stehen nun an der Schwelle der größten Bewusstseinsveränderung, die jemals von einer sich entwickelnden Seele erfahren wurde. Mit dem Vollmond am 8. November d. J. wird es eine sehr seltene galaktische Konfiguration geben, die die »Harmonische Eintracht« genannt wird. Diese Konstellation wird ein multidimensionales Portal von Göttlichem Bewusstsein öffnen.“

Das erinnert mich ein wenig an Techno-Babble aus „Raumschiff Enterprise“. Erstens glaube ich nicht an Aussagen, die vollmundig erklären, dass sie bis jetzt alle Ereignisse überblicken und verstehen („die jemals [...] erfahren wurde“). Wir können doch nicht einmal überall in unsere Galaxis gucken – woher weiß man dann, dass es eine „sehr seltene galaktische Konfiguration“ ist?

Zweitens ist auch meine Zimmertür multidimensional, denn sie hat Höhe, Breite und Tiefe. Viel interessanter wäre ein eindimensionales Portal ...

(5) „Ein peruanischer Schamane zu dem Psychologen Dr. Alberto Villoldo: »Im Spätherbst 2003 wird ein Riss oder Loch in der Zeit erscheinen und diejenigen, die sich darauf vorbereitet haben, würden in der Lage sein, in ihre Lichtkörper zu gehen.«“

Wenn ich eine Millionen Volt abkriege, werde ich auch zum Lichtkörper – und dann zu Asche. Peru ist nebenbei auf der Südhalbkugel der Erde, liebe Amerikaner, und da ist jetzt nicht Herbst. Aber das sind wohl Details in Angesicht von galaktischen Auswirkungen.

(6) „Innerhalb des Zeitraumes von 1000 vor Christus bis 3000 nach Christus wird sich diese genaue Konfiguration nicht mehr am Himmel ergeben!“

Interessante Zeitform – ich dachte, wir hätten schon ¾ der Strecke bis 3000 hinter uns, müssen wir da jetzt noch einmal durch? Und „genaue Konfigurationen“ ergeben sich am Himmel sowieso nicht zweimal in historischer Zeit, weil sich alle beobachteten Körper bewegen und nie wieder die gleiche Stelle einnehmen.

(7) „Der Davidstern ist so konstelliert, dass man ihn als sog. »sternförmiges Tetraeder« wahrnimmt. Laut Angabe im Buch »Die Blume des Lebens« von Drunvalo Melchizedek, Band 1, Seite 3, »... sind alle Energieformen geometrischen Ursprungs und das, womit wir arbeiten werden, ist ein sternförmiges Tetraeder« (Originaltext).“

David, Jesus, Solomon – wäre es nicht sinnvoller, sich auf einen Namen zu einigen? Ob „alle Energieformen geometrischen Ursprungs“ sind, weiß wohl nur Scotty zu beantworten – für mich bleibt das Techno-Babble.

(8) „Was bedeutet dieser heilige Zeitpunkt für uns? Ist dies etwa ein kosmischer Wink, ein Energiekick hin zu mehr Harmonie und Frieden (in uns selbst vorallem), ein Hinweis auf die Möglichkeit, die uns innewohnende Göttlichkeit zu erkennen, die Schönheit in uns anzunehmen, einen Ausgleich der weiblichen und männlichen Seiten in uns zu finden, Balance und Aufhebung der Widersprüche zwischen all den Ungereimtheiten und scheinbaren Gegensätze, die diese Welt uns serviert (oder spiegelt?), sehen zu wollen und Frieden in uns herzustellen?“

Hey, ich bin mit mir im Frieden – mehr oder weniger. Aber warum sollen sich meine Seiten ausgleichen, ich bin als Mann ganz zufrieden (und Zwitter sind nicht fortpflanzungsfähig). Und: Gehört Eis mit heißer Schokoladensoße auch zu den „Gegensätzen, die die Welt uns serviert“? Darauf möchte ich nur ungern verzichten.

(9) „So können wir am 8. November um genau diese Zeit, Selbstermächtigung und Unabhängigkeit für uns wählen und bestätigen – vielleicht in einer Meditation oder einfach mit einer Absichtsbekundung.“

Das klingt wie ein Wahlprogramm – wählt die Unabhängigkeit! Wählt Drunvalo Melchizedek!

(10) „Wenn wir im Bewusstsein unseres Meisterselbst sind und in mütterlicher Liebe ohne Wertung die Welt um uns betrachten und die Verantwortung für diese neue Erde zu übernehmen bereit sind werden die Manipulationen von außen auf uns keine Wirkung und keine Macht mehr über uns haben.“

Das ist ein toller Satz. Sind das angelegte männlich-weiblich Varianten – männlich wäre das Meisterselbst, weiblich die mütterliche Liebe? Und wo ist diese neue Erde, für die ich Verantwortung übernehmen soll? Und wer manipuliert mich da von außen? Und was soll mir dieser Satz sagen?

(11) „Unser einst verlorengegangenes Wissen um unsere geistige Natur und den Sinn des Lebens enthüllen sich nun dem, der bereit ist zu sehen, zu fühlen und im Hier und Jetzt zu sein.“

Das gibt einen tollen Umkehrschluss – „Wer nicht bereit ist, zu sehen, zu fühlen und im Hier und Jetzt zu sein, dem wird sich unser einst verlorengegangenes Wissen um unsere geistige Natur und den Sinn des Lebens nicht enthüllen“. Kennst du jemanden, der blind, gefühllos und nicht im Hier und Jetzt ist? Dann ruf ihn bitte an und frage ihn, ob er wirklich kein verlorengegangenes Wissen wiederbekommen hat!

(12) Mal zwei Zitate: „Nutzen wir jetzt diese energetische Chance, uns nun ganz in unser Göttliches Selbst zu begeben, unsere wahre, innere Größe zu erkennen, den Christus in uns (»Christusstern«) zu entdecken, der sich nicht darstellen muss, noch »Spiele« mit anderen betreibt oder sich über andere erhebt, sondern in Demut und Weisheit, in Ruhe und Gelassenheit um seine Stärke und Kraft weiß.“ und „Es geht darum die sog. »Christusachse« Fische/Jungfrau wirklich in ihrer tiefen Weisheit wahrzunehmen und den Christus wahrlich in uns zu finden.“

Hey, ich will den Christus in mir überhaupt nicht entdecken. Weder habe ich Bock darauf, gekreuzigt zu werden, noch bin ich nach meinem Kirchenaustritt scharf auf christliche Riten. Und von einer „Christusachse“ habe ich noch nie was gehört. Unter „Christusachsel“ könnte ich mir was vorstellen ... das mag an der aufwändigen Deo-Werbung im Fernsehen liegen („Hier sehen Sie Jesus am Kreuz. Und: Kein Schwitzfleck!“).

(13) „Vertrauen Sie sich selbst und dem Universum und glauben Sie, dass für alle Ihre Belange gesorgt wird.“

Wer erklärt das meinem Arbeitgeber, meinem Stromversorger und dem Lebensmittelladen? Die müssten mich dann alle weiter beliefern, ohne dass ich Gegenleistungen bringen könnte.

(14) „»Es werde Licht auf Erden ...« lautet das neue/alte Motto: Auflösung der Anhaftung an Materie, Fremdbestimmung und weg von Krankheit in die natürliche Ordnung von »Gesundheit«.“

Ich kann aber bei Licht nicht gut schlafen ...

(15) „Nun denn, die Welt braucht nichts mehr als Heilung – so möge sie jetzt geschehen! Lasst uns den Himmel auf Erden erschaffen! So wird die Erde zu einem »Stern«! Öffnen auch Sie sich jetzt dafür, dies ist die Zeit aller Zeiten – seit Jahrtausenden prophezeit, gefürchtet und herbeigesehnt. Laden Sie diese Zeitqualität ein – es ist ein weiterer großer Schritt in der spannenden Evolutionsgeschichte der Menschheit – zurück zum Herzen des Göttlichen, geborgen im Schoße von Mutter Erde, der Großen Göttin.“

Nein, nein, nein! Weder will ich, dass die Erde zu einem Stern wird (ich habe mich an das Leben auf einem Planeten gewöhnt), noch möchte ich irgendwelche Stellen an mir öffnen, die nicht zum öffnen gedacht sind und ich möchte auch keine Zeitqualität einladen – ich habe nur noch Kekse und Tee im Haus und ich weiß nicht, ob die Zeitqualität damit zufrieden ist.

Salamander, komm doch rüber, du bist mit Keksen und Tee meistens zufrieden. Und du willst auch nicht die Erde in einen Stern verwandeln und aus fünf Sternen sechs oder sieben machen. Ruf mal an, wenn du noch keine Lichtgestalt bist, und komm rüber. Ich koch auch einen Tee und kaufe Zimtsterne (fünf, sechs oder sieben – wie du magst!).

Dein Homo Magi

 

Scheiben

Hallo Salamander,

was habe ich früher auf Wühltischen Langspielplatten gekauft. Für ein paar Mark konnte man da tolle Sachen mit nach Hause nehmen. Natürlich waren auch viele Fehlkäufe dabei, aber manche Platte für 2,99 DM hat mir Abende verschönt. Und als dann die CDs rauskamen wurden die Platten noch einmal billig in großem Schwung aus den Läden hinausverkauft. Damals habe ich meine Plattensammlung noch einmal aufgestockt.

Auch als die ersten Compact Discs auf den Markt kamen, waren die Preise richtig akzeptabel. Man wollte das neue Medium halt puschen, damit es sich auch gut verkaufen würde. Gelungen ist ihnen das, obwohl wir spätestens seit dem Kampf der unterschiedliche Video-Systeme wissen, dass nicht das beste System automatisch gewinnt (wer erinnert sich noch an „Video 2000“ oder „Betamax“?).

Die CDs aktueller Gruppen und Interpreten waren dann auf einmal sauteuer. Wenn man überlegt, dass man früher für eine Platte kaum mehr als 20 DM ausgegeben hat – wo kriegt man denn heute noch für 10 Euro eine vernünftige, halbwegs aktuelle CD? Da sind auf einmal preisliche Zuwachsraten entstanden, die einen wirklich nur den Kopf schütteln lassen. Zum Glück sind die Preise für Brot und Käse nicht im selben Maße gestiegen.

Dankenswerterweise ist die CD ein Medium, das sich sowohl auf meinem PC, als auch auf meiner Stereoanlage wie auf meinem DVD abspielen lässt. Okay, ich will jetzt keine widersprüchlichen technischen Spezifikationen hören – du weißt, was ich meine. Wenn du mir nicht glaubst, dann magst du gerne einmal versuchen, eine Langspielplatte in deinen CD-Player zu schieben ...

Aber wirklich erfreulich finde ich nicht die CDs, die man im Laden kaufen kann. Ein netter Nebeneffekt ist es doch, dass man immer wieder im Briefkasten Werbe-CDs findet, auf denen meist Netzanbieter ihre Dienste mit einfallsreichen Slogans wie „Jetzt testen!“ anpreisen.

Anfangs habe ich noch jede dieser CDs in das passende Gerät geschoben und sie ausprobiert. Passiert mir heute nicht mehr, weil oft schon der erste Blick zeigt, dass es Schrott ist. Aber dann fing ich auch mich darauf zu besinnen, was ich noch an Fähigkeiten besitze. Zwei Fähigkeiten fielen mir ein. Eine Fähigkeit ist der Versuch, Müll ordentlich zu trennen. Die andere war die Fähigkeit, Dinge unter einem neuen Blickwinkel zu betrachten und neu zu kategorisieren. Also habe ich beide Fähigkeiten auf das Problem der Gratis-CDs angewandt.

Ich bin inzwischen mutig genug, grüne Flaschen in Braunglascontainer zu werfen – immerhin werden die unterschiedlichen Glascontainer alle nachher in das selbe Auto entleert. Und bei uns wird das Altpapier genutzt, um damit den Plastikmüll zu verbrennen – clevererweise wird der Müll aber getrennt abgeholt, um mich zu verwirren.

Diese Gratis-CDs waren meist ein Fall für den gelben Sack, der aber entweder unter den scharfkantigen Scheiben litt oder viel zu schnell voll war. Also überlegte ich weiter. Dann fielen mir Lösungen wie Frisbee-Spielen ein. Klappt nicht wirklich gut mit CDs, kann ich nicht empfehlen. Aber zwei Verwendungen für CDs kann ich anbieten, ohne dafür das Alleinerfindungsrecht erheben zu wollen.

Möglichkeit Nummer 1: Hülle wegwerfen, CD auf Tisch legen und darauf Kaffee- oder Teetasse abstellen. Wenn man mal sifft – einfach den Untersetzer in den Müll und den nächsten vom Stapel nehmen. Das klärt auch die Frage, ob man Korkuntersetzer bei Flecken spülen soll und ob nasse Bierfilze in den Papiermüll gehören. Die haben jetzt ausgespielt und werden durch passende andere Angebote ersetzt.

Möglichkeit Nummer 2: Man sammelt die Gratis-CDs, die man aus Programmzeitschriften etc. entnommen hat. Wenn man sich langweilt, rollt man vorsichtig mit dem Finger die Klebeknubbel von der Rückseite ab. Diese CDs werden nämlich in den Heften festgeklebt, damit sie nicht beim Grossisten oder im Kiosk unten aus den Zeitungen rausfallen. Also hat man pro CD ein oder zwei Klebeknubbel, mit denen man stundenlang rumspielen kann, während man zum Beispiel einhändig telefoniert oder die Maus durch eine futuristische Computerspiellandschaft bewegt. Wenn der Klebeknubbel nicht mehr kleben oder nicht mehr knubbeln will, dann entsorgt man ihn einfach. Ohne Reue, weil er war vorher schon für ein Schicksal bestimmt, das im Müll enden würde. So wurde sein Leben nur verlängert und er bekam eine Aufgabe.

Und mal ehrlich: Seit den neuartigen Aufklebern auf Rauchwaren kann man doch fast nichts mehr ohne Reue genießen. Natürlich kann man auch jemanden töten, wenn man ihm langsam mit einer Gratis-CD die Halsschlagader aufsägt. Trotzdem steht auf CD-Hüllen nicht „Vorsicht! CDs können zum Tode führen!“ Wäre auch zu lächerlich. Aber der Klebeknubbel ist ungefährlich und kann daher ohne Reue genossen werden. Und das gleich doch schon eine Menge aus. Zusätzlich hat man noch etwas für die Umwelt getan!

Ich bin stolz auf mich.

Dein Homo Magi

 

Blut und Wasser

Hallo Salamander,

Familienfeiern genießen den Ruf, auf einer Stufe mit ritueller Geißelung und Schröpfen durch Blutegel zu stehen. Ich gebe gerne zu, dass ich im Regelfalle diese Ansicht zu teilen bereit bin.

Ältere Familienmitglieder scheinen von einem eine holographische Kopie zu machen, wenn man etwa sechs Jahre alt ist. Wünsche und Fähigkeiten werden in der Sicht der Umwelt auf diesem Niveau eingebrannt. Aus dieser Sicht sind Äußerungen wie „Mein Gott, was bist du groß geworden!“ oder „Ich darf doch weiter Schnuckelputzel zu dir sagen?“ von älteren Tanten, wenn man selbst schon über 20 ist, nur zu verständlich. Leider nimmt einem dieses Bild jede Möglichkeit, sich zu verändern und zu wachsen. Wenn man Glück hat, passen sich die Geschenke irgendwann an, und man erhält nicht länger Weingummi oder Trauben-Nuss-Schokolade zu allen passenden (und nicht passenden) Gelegenheiten. Dann gibt es dann Geld – was emotional weniger befriedigend ist als die Süßigkeiten.

Gestern war ich auf einer Familienfeier. Auch hier muss ich zugeben, dass ich bis wenige Tage vorher eigentlich nicht bereit war, mich dorthin zu begeben. Zu viele Dinge waren mir nicht recht, die im Vorfeld gelaufen sind. Erstens ist es unmöglich, meine ganze Familie im selben Raum zu versammeln (entweder, man lädt gleich nicht alle Fraktionen ein oder sammelt später die Absagen ein, weil der und der nicht kommt wenn der und der eingeladen ist [oder sogar sein Kommen zugesagt hat]) – eine Dominoeinladungstheorie, bei der das Zusagen von Onkel 4 die Absage von Tante 3 und das Fernbleiben von Kusine 17 erzeugt. Wahrscheinlich ist das eine Art Familienfeiern-Entscheidungsbaum, wo von einem Auslöser aus alle weiteren Entscheidungen feststehen, alten Mustern folgend, die sich mit Hilfe der DNA auf die Entscheidungsstrukturen aufgebrannt haben. Eine genetische Matrize, die es einem einfach macht, Entscheidungen zu fällen, weil sie eigentlich nicht dem Verstand unterworfen sind.

Es lag an unserem Familiengreis, meiner fast 100-jährigen Großmutter, dass ich mich dann doch auf den Weg gemacht habe. Sie war die einzige aus meiner eingeladenen Familie, die mir nicht erzählt hat, was sie mit mir anstelle, wenn ich nicht komme, und wie weh mir das tun würde, sondern die versucht hat, vernünftig mit mir zu reden. Zwar waren wir zwei sicherlich reif für eine Miss Sophie-Neuverfilmung, weil meine Großmutter fast taub und fast blind ist und wir uns beide ungestört schreiend unterhalten haben, aber das Ergebnis ist es hier, was zählt. „Der Erkenntnis ist es egal, wie du sie erlangst!“

Irgendwann saß ich dann bei Kaffee und Kuchen und hatte „das Ereignis“ hinter mir. Und da kam ich so ins Nachdenken. Anwesend waren sechs Menschen, die mich länger als 30 Jahre kannten – fünf Familienmitglieder und jemand, mit dem ich seit dem Kindergarten bis zum Abitur gemeinsam die Kindergarten- bzw. Schulbank gedrückt habe. In den 30 Jahren gab es immer wieder Streitigkeiten oder Ärger mit jedem der sechs, zumindest gab es Zeiten, in denen wir nicht miteinander geredet haben. Es ist müßig, die Gründe aufzuzählen. Es gibt Phasen, wo es zu den Aufgaben der Kinder gehört, sich gegen ihre Familie aufzulehnen. Es gibt Entfremdungen, Streitigkeiten, Missverständnisse, die dazu führen, dass man sich nicht sehen und nicht miteinander reden will. Ich denke, dass das normal ist.

Erschrocken hat mich eigentlich etwas anderes. Alle diese Menschen, mit denen mit nicht immer der gemeinsame Familienhintergrund verbindet, haben es 30 Jahre lang geschafft, sich und mir immer wieder über den Weg zu laufen. Unsere Wege kreuzen sich, trennen sich, verlaufen eine Weile lang nebeneinander und sind dann wieder parallel (mit unterschiedlichem Abstand).

Warum klappt das in diesem Rahmen? Warum ist es nicht möglich, mit Menschen, die ich über andere Themen (Science Fiction, Fantasy, Heidentum, Rollenspiel etc. pp.) kennen gelernt habe, ähnlich lange Strecken zurückzulegen, um sich auf das Gemeinsame statt auf das Trennende zu besinnen? Blut, das angeblich dicker als Wasser sein soll, ist es nicht. Ist es die Zeitdauer, sind es diese 30+ Jahre, die einfach romantisierende Gefühle in mir wecken?

Ich weiß es nicht, kleiner Lurch. Aber mein Nachdenken bringt mich zu der Theorie, dass ich es einfach bei meiner Blut-Gruppe glaubhafter versucht habe. Vielleicht geht es auch um mehr. Eine richtige Antwort habe ich nicht. Aber manchmal muss man nicht Antworten haben, wenn man die Fragen nur ordentlich dokumentiert und sein Denken offen legt. Was ich hiermit versuche.

Es gibt Fragen, die ich nicht beantworten kann. Das ist gut so.

Dein Homo Magi

 

Wasser

Lieber Salamander,

heute morgen beim Duschen kam ich ins sinnieren. Schuld war eine Broschüre über Angebote zum Thema „Wasser“, die mir Tage vorher in die Finger gefallen war. Ich habe mich früher mal intensiv mit Wilhelm Reich und seiner Orgonenergie beschäftigt. Bestimmte „eigenartige“ Ansichten über Wasser, Strahlung und die Möglichkeiten der Programmierbarkeit von Wasser sind mir daher nicht fremd. Aber ich bin immer wieder überrascht, wie man leichtgläubigen Menschen, die über ein halbgares Wissen zum Thema Energie verfügen, Wasser und Wasseraufbereitungsanlagen andrehen kann.

Einige Begriffe aus der Broschüre haben mich begeistert. Während ich mich einseifte (ich bin kein Asatru auf dem Kriegspfad, darf daher duschen) überlegte ich mir, ob für meinen Heidenkörper normales Leistungswasser überhaupt passend ist. So gibt es in der genannten Broschüre (natürlich nach der Wasserbehandlung bzw. Geräteinstallation, die nicht gerade billig ist) „hochreines Wasser“ oder „praktisch reines Wasser“ (ist normales Wasser „niedrigrein“/„unrein“ oder „unpraktisch rein“?). Werde ich jetzt weiterhin beim Duschen rein oder brauche ich anderes Wasser?

Verkaufsargumente, die man nicht wiederlegen kann, sind immer die besten: „(...) Könnte Wasser eine Art Gedächtnis besitzen? Warum sind manche Wässer angenehmer als andere (...)? Der momentane Stand der Forschung reicht nicht aus, um diese Fragen zweifelsfrei zu beantworten.“ Zweifel gibt es auch an der Frage, ob die Erde wirklich rund ist oder es wirklich eine Evolution gibt (oder sind wir doch nicht alle 4004 vor Christus geschaffen worden?). Sagt man hier auch, dass der „momentane Stand der Forschung“ nicht ausreicht, um diese Fragen „zweifelsfrei zu beantworten“? Und will ich überhaupt, dass mein Duschwasser ein Gedächtnis hat? Ich meine, nicht immer möchte ich, dass man über meinen Schmutz redet, weil man sich daran erinnert!

Glaubt man der Broschüre, dann kann Wasser auf vier Arten verbessert werden:

1. Durch Verwirbelung nach Schauberger.

2. Durch kolloidale Mineralien, die Wasser „von innen strukturieren“ können.

3. Durch die Neuordnung der Wassercluster.

4. Durch die Übertragung von feinstofflichen Schwingungen auf das Wasser.

Leider wird die Vermischung mit Eisteepulver (sehr zu empfehlen!) oder die Zugabe von Waldmeisteressenz vergessen. Aber natürlich wird das entstehende Kaltgetränk nicht kolloidal in seinen feinstofflichen Wasserclustern verwirbelt, und darin duschen sollte man schon gar nicht ... aber man kann ja nicht alles haben.

Ist mein Wasser immer noch gut genug für mich, obwohl ich keine von den vier Möglichkeiten gewählt habe? Wenn ich in der Badewanne mit der Hand herumwirbele – werden dann wenigstens die Wassercluster neu geordnet?

Was habe ich mich schon über Magneten als Kalkfeinde lächerlich gemacht. „Durch Kontakt der im Wasser gelösten Kalkbestandteile mit (...) erfolgt ein optimales Wachstum von speziellen Antikalk-Kristallen (Impfkristalle).“ Möchte ich wirklich kalkfreies Wasser, das mit Impfkristallen voll ist? Habe ich nicht schon genug Angst vor einer Grippeimpfung? Wo soll der Magnet beim Duschen hin – an den Boiler? Wird der dann auch geimpft?

Eine Erkenntnis bleibt beim erneuten Lesen der Broschüre: An den praktischen Bezügen des Heidenseins gehen solche Fragen leider vorbei. Ich werde beim Duschen sauber, nicht rein, mein Wasser wird nicht feinstofflich schwingen und ich rieche nachher trotzdem besser. Das beste Wasser hilft nichts, wenn man sich nicht wäscht, und das beste Wasser hilft auch nicht, wenn man sich nur von koffeinhaltigen Erfrischungsgetränken und Kartoffelchips ernährt.

So, das musste gesagt werden.

 

Dein Homo Magi

 

There’s a light

Werter Salamander,

morgens mache ich mich auf den Weg zur Arbeit, bevor die Dämmerung einsetzt. Das Firmament ist dunkel, nur Mond und Sterne leuchten. Leichter Herbstnebel liegt in der Luft, verändert das Licht der wenigen Straßenlaternen. Nur in einigen Fenstern brennt schon Licht. Doch immer mal wieder sieht man vorweihnachtlich Sterne, Elche und Lichterketten in den Fenstern leuchten.

Mich freut es, wenn die Nacht von Licht durchbrochen wird. Winter und Nacht sind kalte, dunkle Orte, die in mir Urängste anrühren, die durch das Licht befriedet werden.

Weihnachten zum Termin der Wintersonnenwende macht für die Kultur der Germanen Sinn, clever war die Verknüpfung vom christlichem Erlöser als „Licht der Welt“ und germanischer Feier zur Sonnenwende. Das Licht beginnt langsam wieder die Finsternis zu verdrängen – durch heilsgeschichtliche Geburt oder Beschwörung durch Yul-Feuer.

Die Phasen des Mondes spielten in der germanischen Mythologie eine wichtige Rolle als zyklischer Indikator eines immerwährenden Kampfes zwischen Licht und Finsternis. Auch der Jahresablauf als Sonnenjahr ist zyklisch; Sonnenwende-Tagundnachtgleiche-Sonnenwende-Tagundnachtgleiche bis in alle Ewigkeit.

Die Wiederkehr des Lichts als (erneuter) Sieg des Lebens über Starrheit und Dunkelheit des Todes wurde mit religiösen Figuren verknüpft („Weil Gott in tiefster Nacht erschienen,/kann unsre Nacht nicht traurig sein.“). Jesus, der Stern von Bethlehem und die drei Sternedeuter („die heiligen drei Könige“ der christlichen Tradition) sind genauso Lichtbringer wie Mithras oder Baldur in seiner christlichen Wahrnehmung/Verklärung.

Trotzdem: Ist der Weihnachtsbaum die Weltenesche Yggdrasil mit Rücklichtern, der Stern von Bethlehem ein Messias-Positionslicht für Stallungen, der beleuchtete Elch ein geschickt in die christliche Mythologie eingeschobenes Werbeschild für schwedische Möbelhäuser („Krippe Møssias“, „Schuppen Jøsef“)? Nein. Trotz des Kitsches, der billigen Lichterketten und des Kunstschnees auf Plastikelchen freut mich das Licht in der Dunkelheit, beruhigt die Helligkeit meine tief sitzende Angst vor Kälte und Finsternis.

Ein wahres Symbol – die Wiederkehr des Lichts, der Sieg der Hoffnung – kann auch durch Kitsch und Zuckerguss nicht vernichtet werden, nur verfälscht. Die Weihnachtszeit, also die Zeit vor der Wintersonnenwende als Verheißung der Wiederkehr von Licht und Wärme, ist in Einkaufszentren und Innenstädten unerträglich. Aber morgens, kurz vor Sieben, leuchtet mir das Licht der Hoffnung durch die Schichten der Abdeckung hindurch und kündet vom mystischen Geist, der hell und klar auch durch Plastikelche leuchtet!

Mehr Licht!

Dein Homo Magi

 

Kaufrausch

Fröhliche Weihnacht, Salamander!

Ich weiß zwar, dass es bis zum entsprechenden Fest noch ein wenig hin ist – aber das scheint der Gruß zu sein, mit dem man heutzutage (noch über zehn Tage vor dem Weihnachtsfest) von Mitarbeitern im Einzelhandel nach dem Einkauf verabschiedet wird.

Aus Gründen, die mit Weihnachten wenig zu tun haben (ich musste eine Computertastatur nachkaufen, weil mein Vater seinen Zimmerbrunnen in die seinige ausgekippt hatte), musste ich am heutigen Samstagmorgen in die Innenstadt. Wie angenehm, dass das Kind auch gerade unbeschäftigt war – und mit dem Charme und der Anhänglichkeit von vier alten Winterreifen an meinem Arm hing, als wir uns in die Stadt begaben.

Wenn man in den letzten Wochen die Nachrichten gelesen hat, dann konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der deutsche Einzelhandel vor dem Bankrott steht. Also rechnete ich mit einem leeren Weihnachtsmarkt, gähnenden Einkaufshallen und überaus freundlichen Mitarbeitern, die an mir ihren ganzen Tagesumsatz erzielen wollten.

Pustekuchen.

Entweder, ich bin in den letzten Wochen durch die Presse falsch informiert worden oder heute nacht muss der Einzelhandel einen Einkaufsdämonen durch die Wohnungen des Umlandes geschickt haben, der einem Sukkubi gleich den Leuten einflüsterte, dass nur noch heute Umsatz möglich wäre, bevor die Geschenkeläden alle schließen. Dieser Dämon stammt aus der selben Familie, die auch den Hartweizengrieß-Dämonen stellt. Das ist der Dämon, der Hausfrauen vor einer Kette von Feiertagen (Ostern ist sehr beliebt) einflüstert, dass die Lebensmittelläden nach den Feiertagen zwar wieder aufmachen werden, doch ohne das Angebot an Mehl, Butter und Hartweizengrieß. Zumindest erklären sich so die Einkaufsmassaker vor jenen Feiertagen, die durch einfache vorausschauende Lagerhaltung nicht zu erklären sind.

Mit anderen Worten: Die Stadt war drückend voll. Überall Leute, die mit sperrigen Plastiktüten durch die Menge eilten, dazu quengelnde Kinder und aufdringliche Marktschreier, die bei Pisswetter weihnachtliche Stimmung durch Herausschreien von weihnachtlichen Schlagwortkombinationen („Glücklich!“ und „Glühwein!“, „Weihnachten!“ und „Winterware!“, „Geschenke!“ und „geschenkt!“) erzeugen wollten. Es war – um es kurz zu machen – erfolglos.

Meine Einkäufe konnte ich immerhin erledigen. Es gelang mir, ohne einen Mord im Affekt durchzuführen, meine ausgesprochen kurze Liste abzuarbeiten. Wieder daheim strich ich meine Entwürfe für meinen wöchentlichen Brief an dich von meinem Block und begann, diesen Text zu schreiben. Irgendwie scheint mir dieses Thema aktueller als meine Aussagen über die Wiederaufbauplanung der Regierung Bush im Irak (die auch schon jeder, der halbwegs vernünftig ist, ironisch kommentiert hat!).

Drei Fragen habe ich, die ich gerne von dir beantwortet hätte:

1. Da das Datum für Weihnachten feststeht (24.12.) und in jedem Kalender festgehalten ist – warum sind die Menschen jedes Jahr erneut überrascht, wie wenig Zeit sie noch bis Weihnachten haben?

2. Die Arbeitslosigkeit hat in den letzten Jahren weiter zugenommen, ebenso die soziale Verarmung von bestimmten Schichten, verstärkt noch durch Kürzungen in den Bereichen Drogensüchtige, alleinerziehende Mütter, Studenten und Obdachlose. Woher kommen dann die ganzen Menschen, die immer noch genug Geld zum Konsum haben, aber keine Zeit (und kein Gefühl), um sich für die entrechteten und verdrängten Menschen einzusetzen?

3. Wann bringe ich (bekennender Nicht-Asatru) endlich den Mut und den Irrsinn auf, mich in der Weihnachtszeit mit einem Infostand über „Church of Odin The Redeemer“ in die Innenstadt zu stellen und Werbung für den wahren Heliand zu machen, der mit seinem Elchen die Kunde von jenem Gott gebracht, der sich verstümmeln und an den Baum binden ließ, um den Menschen Befreiung zu bringen?

Dein Homo Magi

 

Zug der Zeit

Hallo Salamander,

spätestens seit „Harry Potter“ scheinen alle zu glauben, dass es eine innere Verbindung zwischen Magie und Bahnfahren gibt. Da steigt ein pubertierender Aushilfszauberer auf einem geheimen Gleis in einen mit Dampf gezogenen Zug und schon wird die Bahn mit einem mystischen „Zoom“ versehen, den sie weiß Gott nicht verdient hat.

Um die Analogie zwischen Bahn und Magie etwas weiter zu treiben, erzähle ich dir mal, was mir gestern bei einer Bahnfahrt passiert ist.

Ich wollte nachmittags von A nach C via B fahren und nachts wieder zurück. Überhaupt kein Problem. Für den Hinweg suchte ich einen Zug raus, der direkt innerhalb von 65 Minuten die Strecke überwinden sollte. Ich löste eine Karte samt Zuschlag (IC) und reservierte einen Platz (Großraum, Raucher, Fenster). Ich hätte nervös werden sollen, als der Zug pünktlich am Gleis einlief. Ich stieg in meinen Wagen (9) und suchte meinen Platz (115). Pustekuchen. Die Sitze gingen bis 85, dann kam das Bordbistro. Ich suchte mir unter Mühe einen anderen Platz im Raucherabteil und wartete auf den Schaffner. Der kam auch und schüttelte nach Ansicht meiner Reservierung nur den Kopf. Die von mir gebuchte Platznummer gibt es in jedem anderen Wagen – nur nicht bei Raucher, Großraum, Fenster, denn da war (wie gesagt) das Bordbistro eingebaut. Er schrieb mir einen langen Roman auf die Rückseite der Fahrkarte und erklärte mir, dass ich damit am Schalter meine Buchungsgebühr (2,60 Euro) wiederbekommen würde. Am Zielbahnhof ergab eine kurze Kalkulation in Bezug auf die Schlange am Fahrkartenschalter, dass sich mein Stundenlohn nicht rentieren würde, wenn ich die Karte zurückgeben würde. Außerdem brauchte ich den Zuschlag ja noch für die Rückfahrt ...

Ich ging meinen Verabredungen nach und abends wies ich dezent darauf hin, dass ich jetzt langsam zum Bahnhof ... Inzwischen hatte Schneefall eingesetzt und ich machte mir ein wenig Sorgen wegen der Kürze der Zeit. „Kein Problem!“ meinte mein Freund. Also ging ich mit ihm zur Straßenbahn, löste eine Karte und stieg in eine Bahn. Die blieb dann – dank herumtorkelnder Eingeborener – einige Minuten auf dem Weihnachtsmarkt stehen, weil die Schienen voll waren. Ich erreichte den Hauptbahnhof und konnte gerade noch durch einen Dauerlauf meinen Zug erreichen. Natürlich gab es hier kein Raucherabteil, aber das bin ich inzwischen gewöhnt.

Die Abfahrt von C war kein Problem, aber auf der Rückfahrt gab es (wegen der Abendstunde) die schöne direkte Verbindung via B nicht mehr, und ich musste dort umsteigen. Mein Zug kam pünktlich in B an und ich stellte fest, dass der Bahnhof schweinekalt war. Mit der geplanten Verbindung hätte ich ca. 118 Minuten gebraucht (statt der 65 auf dem Hinweg), aber davon waren 30 Minuten Aufenthalt im kalten B. Wenn ich aber in einen früheren Bummelzug einstiege, wäre ich nur drei Minuten länger unterwegs (also insgesamt 121 Minuten), säße aber ab sofort im Warmen und könnte in aller Ruhe rauchen (weil da gab es ein Raucherabteil). Also stieg ich in den Bummelzug. Ein Fehler.

Natürlich fiel weiter Schnee und der Zug fuhr mit ein paar Minuten Verspätung ab. Dann fuhr er wieder ein wenig, dann kam ein Bahnhof, dann fuhr er wieder ein wenig, dann kam ein Bahnhof, dann fuhr er wieder ein wenig und blieb auf freier Strecke stehen. Wir wurden von einigen schnelleren Zügen und zwei Güterzügen überholt. Dann kam endlich eine Durchsage des Zugbegleiters. „Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben inzwischen 20 Minuten Verspätung, da wir hier anhalten müssen, weil ich ausgeraubt worden bin.“ Scheinbar war eine Gruppe in das Zugführerabteil eingebrochen und hatte ihm Geld, Fahrkarten und persönliche Gegenstände abgenommen. Wir warteten also auf das Eintreffen der Polizei, die uns in Form von drei Beamten bis A begleiten sollte.

Leider hatte ich die Zugräuber verpasst. Waren wohl keine Raucher oder sie hatten nach ihrem schnellen Erfolg keine Lust mehr, den restlichen Zug auszuräubern. War mein Glück, denn ich hätte keine Lust gehabt, mich von irgendwelchen Jesse-James-Lookalikes ausräubern zu lassen.

Der Zug kam dann endlich mit über zwanzig Minuten Verspätung in A an. Dann musste ich noch an der Polizei vorbei. Der letzte Bus war natürlich schon weg, weswegen ich ein Taxi für die Heimfahrt nutzen musste. Da ist immer noch besser, als ausgeraubt zu werden.

Das schlimme ist: Die Geschichte ist mir wirklich so passiert. Gestern, ehrlich.

Irgendwie passiert das den Zauberjungen in den Romanen und Filmen nie. Weswegen die viel unrealistischer sind als mein Leben.

Dein Homo Magi

 

Raunächte

Hallo Salamander,

in den Raunächten mache ich mir immer ruhige Tage. Ich habe wenig Interesse daran, mich an diesen Tagen am Lauf der Welt zu beteiligen. Es langt, wenn man das ganze sonstige Jahr die Welt betrachtet – ein paar Tage im Jahr habe ich mir Ruhe verdient.

In den Raunächten spanne ich aus, lasse die Seele baumeln, denke über den Sinn der Welt nach und so weiter und so fort. Aber die Raunächte sind auch immer Tage, an denen ich eigenartige Bilder sehe – vielleicht, weil ich endlich Raum lasse, damit sie in mein Leben eindringen können, vielleicht, weil an diesen Tagen die Tore zwischen den Welten einen Handbreit offen stehen. Ich hatte einen irren Traum, den ich dir berichten will. Vielleicht siehst du klarer als ich.

 

Ich befand mich in einer Wohnung, die ich als meine identifizierte. Alles, das ich im ganzen Traum sah, war schwarz-weiß, monochrom. Ich fühlte mich wie in einem alten Krimi.

Die Wohnung war sehr weiträumig, hatte sechs oder sieben große Zimmer. Eine Küche oder ein Bad fand ich nicht, aber ich entdeckte mehrere große Wohnzimmer mit gemütlichen Sitzgruppen. Eigenartig war, dass zwischen allen Räumen in Oberkörperhöhe große Fenster eingelassen waren, so konnte man fast durch die ganze Wohnung hindurchschauen. Und immer wieder fiel der Blick in immer neue Wohnzimmer, die sich hintereinander erstreckten.

Auf einmal stand ein Freund von mir samt Frau und Kind in der Wohnung. Ihre Wohnung sei zur Zeit unbewohnbar, daher müssten sie bei mir unterkommen, wenn mir das recht wäre. Ich hatte genug Platz, deswegen hieß ich sie herzlich willkommen.

Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass die vielen Zimmer, die mir zur Verfügung standen, für uns nicht ausreichen würden. Ich weiß nicht, auf wen ich noch gewartet haben könnte, denn ich schien in dieser großen Wohnung alleine zu wohnen.

Die Anwesenheit von Freund samt Angehörigen brachte mich dazu, einen unbenutzten Teil der Wohnung (!) zu betreten. Hier sah alles unberührt aus, gehalten in einem 60er-Jahre Einrichtungsstil. Komisch, wie ich gerne zugebe. In diesem Teil der Wohnung gab es ein Treppenhaus, das hinunter auf einen Hinterhof führte. Aus diesem Hof bewegte ich mich auf die Straße. Noch immer war alles in schwarz-weiß gehalten, aber ich hatte den deutlichen Eindruck, eine andere Welt betreten zu haben.

Als ich den ersten Blick in die Gesichter der Passanten erhascht hatte, wurde mir klar, woher dieses Gefühl kam: Die Menschen hie sahen alle ein wenig wie skurrile Parodien der Menschen aus. Sie hatten schiefe Gesichter, Körper, die nicht ganz in unsere gewohnten Dimensionen zu passen schienen. Die Münder waren schräg, die Köpfe hatten Höcker und Beulen, die Körper waren verzerrt und verzogen, so, als müssten sie sich ständig gegen einen Wind stemmen, der durch die Welt pfiff.

Schnell machte ich mich auf den Rückweg. In meiner Wohnung angekommen, versperrte ich diesen Hinterausgang. Mein erster Gang war zum Spiegel, um zu überprüfen, ob mein Gesicht immer noch so aussah, wie ich es in Erinnerung hatte. Es sah noch genauso aus. Dann wandte ich mich wieder meiner Viele-Wohnzimmer-Wohnung zu.

Irgendwann danach erwachte ich und mir fiel ein, was für einen Mist ich geträumt hatte. Aber ich hatte das Gefühl, dass es irgendwie wichtig war. Oder habe ich nur zu viele Nudeln gegessen und vorher Schwarz-weiße Krimis gesehen?

Ich weiß es nicht.

Ruhige Raunächte dir, dein Homo Magi

 

Messertraum

Lieber Salamander,

Sylvester habe ich – wie die letzten Jahre auch – auf einer Burg am Rhein verbracht. Die ganze Veranstaltung war sehr stimmungsvoll, wir haben uns unterhalten, gespielt, gefeiert. Meine Sylvesternacht hat es aber verhagelt, wenn auch aus anderen Gründen.

Das Abendessen, die Feier und das Feuerwerk waren sehr schön. Nachts stand ich nahe der Anmeldung und unterhielt mich. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie der Herr neben mir ein Messer balancierte, das er sich wohl zum Anschauen ausgeliehen hatte. Das nächste, woran ich mich erinnere, ist, wie er einen halben Schritt hinter mich trat, seinen linken Arm um mich legte und mit der rechten das Messer an meinem Hals vorbeizog.

Ich erstarrte zur Salzsäule, wusste überhaupt nicht, was ich tun sollte. Die Menschen, mit denen ich mich unterhalten hatte, starrten uns zwei aus großen Augen an.

Mir ist nichts passiert, aber der Typ hat überhaupt nicht realisiert, was er gemacht hat. Ein besoffener Idiot, der sich einen Scherz erlaubt hat.

Ich hatte zittrige Hände, war schlagartig nüchtern (meine zwei Bier wurden durch mein Adrenalin mehr als kompensiert), ich brauchte noch über drei Stunden, bis ich so ruhig war, dass ich schlafen konnte.

Den guten Mann werde ich wohl in meinem Leben nicht wiedersehen. Am nächsten Morgen habe ich noch einmal ein Gespräch mit ihm versucht (ich weiß, ich bin ein Weichei), aber die Konsequenz ist klar: Hausverbot auf allen unseren zukünftigen Veranstaltungen.

Und ich? Irgendwie ist da immer noch ein kalter Knoten in meinem Bauch, wenn ich daran denke. Wenn ich mich bewegt hätte ... Wenn ich mich gewehrt hätte ... Wenn er geschwankt hätte ... Alles keine Gedanken, die mich wirklich glücklich machen.

Ein sehr nachdenkliches Neujahr habe ich so hinter mich gebracht. Und meine Raunächte, die ich eigentlich friedlich und ruhig zu verbringen suche, sind dieses Jahr eindeutig torpediert worden. Wenn das ein Vorzeichen auf das kommende Jahr sein soll: Mein Gott, dann erwarten mich eine Menge eigenartige Dinge.

Wie heißt dieser chinesische Fluch: „Mögest du in interessanten Zeiten leben!“

Dein Homo Magi

 

Dunkle Nächte

Hallo Salamander,

in den letzten Monaten habe ich mehr Menschen sterben sehen, als in den über dreißig Jahren davor. Ich weiß nicht, woran das liegt.

Früher war das so, das ich noch nicht einmal einen Toten gesehen hatte. Meine Familienmitglieder scheinen ein besonderes Talent dafür zu entwickeln, immer dann zu sterben, wenn ich in Urlaub und nicht zu erreichen bin. Ansonsten kannte ich das Sterben nur aus dem Fernsehen, aber real war es mir noch nie begegnet. Ich weiß, dass ich mich einmal mit ein paar Freunden darüber unterhalten habe. Am nächsten Morgen fiel mir vor der Haustür mein Nachbar entgegen, der an mir vorbeiradeln wollte. Er fiel vom Fahrrad und war tot. Nun gut, er war ein älterer Herr gewesen, weit über 70. Aber warum musste er am morgen nach dem Gespräch vor meinen Füßen versterben?

Aber meine Generation starb nicht so einfach aus. Ich hatte während der Schulzeit einen Mitschüler verloren, der sich aus Liebeskummer vor den Zug geworfen hatte (ich denke, das er eine Spätfolge der Serie „Tod eines Schülers“ war, die diese Todesart kurzzeitig sehr populär gemacht hat), dann starben immer mal wieder Menschen durch Autounfälle. Aber Krankheiten oder Gewaltverbrechen haben mir keine Menschen meiner Umgebung geraubt.

In den letzten Monaten starben immer wieder Menschen, die ich kannte. Aus Altersschwäche die einen, aus Krankheitsgründen die anderen. Aber – wie es ein guter Freund von mir ausdrückte – „die Einschläge kommen dichter“. Langsam sterben die ersten Menschen meiner Generation an banalen Todesarten. Morgen gehe ich auf eine Beerdigung, weil ein Freund aus meiner Kindheit im Schlaf an einem epileptischen Anfall erstickt ist. Ein anderer Bekannter liegt im Sterben – unoperierbarer Tumor.

Ist das jetzt die Lebensphase, auf die ich mich einstellen muss? Hey, eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass ich noch zwanzig Jahre oder so Schonfrist habe, bis es soweit ist. Aber vielleicht sind das die ersten Regentropfen, bevor dann der große Schauer kommt. Und wer sagt mir, dass ich es sein werde, der an ihrem Grab steht – und nicht sie, die mich zur letzten Ruhe geleiten?

Ich werde es merken. Ich werde es erleben. Vielleicht ist das einfach das erschreckende an der Situation – egal, was ich tue, es hat keinen Einfluss auf diese Ereignisse. Solange ich nicht beschließe, Mitmenschen oder mich selbst zu töten, nimmt das Sterben mit oder ohne mich seinen Lauf. Wie seit Anfang der Zeit bis zu ihrem Ende.

Alles Liebe, Dein Homo Magi

 

Fütter mich!

Hallo Salamander!

Die Magie, auf die wir alle zugreifen, ist wie ein Fluss, der immer wieder und wieder frisches, klares Wasser an unserem Haus vorbeiführt. Magie zu spüren, sie zu nutzen ist so, als würde man eine eigene Steckdose haben, die unabhängig von Stromversorgung und Leitungen immer Energie in der gleichen Spannung in die Wohnung bringt – rund um die Uhr, für immer und ewig. Eine verlässliche Energiequelle, die noch dazu ökologisch unbedenklich ist. Das sind eigentlich optimale Voraussetzungen.

Manchmal denke ich auch, dass Magie wie eine Essensversorgung funktioniert, die nie ausfällt und nie Fehler macht. Eine Art mystisches „Essen auf Rädern“, das immer wieder in regelmäßigem Turnus liefert. Oder so wie Philip Jose Farmer es in seiner „Flusswelt“-Serie beschreibt – riesige metallene Pilze an den Ufern des einen Flusses der Flusswelt, in denen jeden Tag zur gleichen Zeit Nahrungspakete für einen Tag und eine Person auftauchen. Die angebotene Nahrung ist manchmal eigenartig, manchmal verwirrend, da sie alle Ernährungswünsche der Menschen aller Zeitalter und Kontinente abwechselnd erfüllen will, aber als der Held dann endlich nach Monaten des Wartens Banane mit Erdnussbutter bekommt, hat er so viele Tauschangebote gut, dass er von vielen anderen deren Banane samt Erdnussbutter zum Tausch erhält ...

Manchmal ist es auch so, dass ich mir vorkomme, als wäre ich ein Graf in einer Welt, in der auch die „Dracula“-Verfilmung in ihrer üppigen, fast barocken Ausstattung spielen könnte. Morgens trete ich aus meinem Schlafgemach, wasche mich und gehe dann zum Frühstück in einen großen Saal hinunter, in dem auf einen Tisch mit Kandelabern schon mein Frühstück steht. Kein Mensch ist zu sehen, aber ich speise in Ruhe, lese ein wenig und gehe dann wieder. Wenn ich mittags – nach einem halben Tag in meinem Studierzimmer – in den Saal zurückkehre, sind die Spuren des Frühstücks beseitigt und das Mittagessen steht auf dem Tisch. Die warmen Speisen stehen unter silbernen Deckeln, die Getränke befinden sich in Karaffen, zum Nachtisch wird Obst auf einem Porzellanteller, den bäuerliche Szenen schmücken, dargeboten. Wieder ist kein Mensch zu sehen. Ich esse in Ruhe, dann rauche ich einen Zigarillo aus der bereitliegenden Dose und ziehe mich zurück, um wieder zu arbeiten. Abends wieder das selbe Spiel: Ich gehe in den Saal, finde mein Essen angerichtet, nehme es zu mir, trinke zwei oder drei Tassen Tee aus dem Samowar und ziehe mich dann in meine privaten Gemächer zurück. Wieder ist kein Mensch zu sehen.

Niemand wäre überraschter als ich, wenn ich eines Morgens in meinen Speisesaal treten würde und auf den Tellern befänden sich Hundekuchen, außerdem stände statt einer Kaffeetasse ein Wassernapf auf dem Tisch. Um im Bild des Flusses zu argumentieren wäre es so, als wenn das rauschende, frische Wasser eines Tages grün-bläulich wäre und nach Verwesung riechen würde. Die Quellen der Magie wären verschmutzt, es wäre nicht länger möglich, aus diesen Quellen zu schöpfen und die Energie zu nutzen. Aber manchmal glaube ich, dass die Sicherheit, die ich im Moment verspüre, nur eine vorläufige ist. Die Gefühle meiner Kindheit und Jugend, die höchstens davon ausgingen, dass eine Verbesserung der Weltumstände möglich sein, von einem Rückschritt war nie die Rede, sind nicht mehr sichere Grundlage meiner Überlegungen. Inzwischen gehe ich nicht mehr davon aus, dass alles für immer gut und schön sein wird. Und so glaube ich auch nicht daran, dass die magischen Quellen für immer rein und klar fließen werden.

Wir leben in einer Zeit des Wandels, in der viele Dinge passieren und viele Änderungen sich am Horizont abzeichnen. Ich habe – um im verwendeten Bild zu bleiben – angefangen, Magie wie Wasser abzufüllen und mir Möglichkeiten überlegt, dieses Wasser des Lebens abzukochen und zu reinigen. Ich bin nicht paranoid, aber ich will vorbereitet sein. Wer weiß, was die Zukunft bringt. Und Magie ist trotz aller Erkenntnisse eine ungenaue Kunst, von einer nachvollziehbaren Wissenschaft ist bei ihr immer noch nicht zu reden.

Dein Homo Magi

 

Nasca

Hallo Salamander,

manchmal, ganz manchmal findet man Bücher über Magie oder verwandte Gebiete, die einen zwingen, das bisherige Weltbild zu überdenken. Ich weiß nicht, ob dich so etwas interessiert (mir fallen schon einige Titel ein, aber ... wie gesagt). Aber zu diesem Buch kann ich nicht schweigen.

Anthony F. Aveni hat es mit „Das Rätsel von Nasca“ geschafft, mich zu begeistern. Unter dem Originaltitel „Between the Lines“ 2000 erschienen, liegt es seit dem selben Jahr in der deutschen Übersetzung vor. Der Autor ist Professor für Astronomie und Anthropologie in den USA; 1991 wurde er vom „Rolling Stone“ zu einem der zehn besten Professoren der USA gewählt.

Der Untertitel „Die gigantischen Bodenzeichnungen in der Wüste Perus“ führt einen eigentlich auf die falsche Fährte. Es geht eben nicht nur um die Ritzzeichnungen Nascas, sondern es geht um viel mehr. Aveni führt einen ein paar Mal im Kreis, bevor er eine Deutung für die Muster anbietet. Das ist eigentlich das, was einem bei dem Buch als am gelungensten auffällt: Aveni doziert nicht, er macht Vorschläge und man hat die Gelegenheit, ihm in seinen Denkspielchen zu folgen.

Anfangs übernimmt er es, das Phänomen Nasca so objektiv zu wie möglich zu beschreiben. Seine Arbeitsweise erklärt er eingehend sehr schön: „Um Nasca zu verstehen, müssen wir uns aus der Zwangsjacke unserer eigenen Denkwelt befreien. Die Erforschung von Erdskulpturen in unterschiedlichsten Kontexten hilft, die Komplexität der Motive in den Köpfen derer zu erkennen, deren Hände noch heute die Erdoberfläche in großem Maßstab verändern.“

Um Nasca in seiner historischen Dimension zu verorten, führt Aveni uns auf eine Rundreise zu den sieben klassischen Weltwundern. Danach beschreibt er vergleichbare Erdwerke von Menschenhand, u.a. die Präsidentenköpfe am Mount Rushmore. Später kommt er unter „Ley-Lines und Labyrinthe“ in einem eigenen Kapitel auf ähnliche Arbeiten der Gegenwart zurück. Ich war sehr überrascht, was die Menschheit hier alles zu bieten hat!

Erst nach der ersten Abhandlung über Erdwerke von Menschenhand erfolgt unter dem Kapiteltitel „Ein offener Notizblock in der Landschaft“ die Beschreibung Nascas mit sehr guten Fotos und einigen Karten. Er identifiziert Figuren als Tiere der heimischen Fauna, beschreibt die Herstellung der Scharrbilder, die Kultur der damaligen Bewohner und die Geschichte der Landschaft von den ersten Siedlungen bis zur Gegenwart. Immer wieder nimmt er sich Zeit, um in eingerückten Kästchen Schlagworte zu erklären (so die Zeitbestimmung nach Keramikstilen und -farben, die Radiokarbon-Methode und Stonehenge – unter dem Titel „Kalender oder Observatorium“). Ausführlich beschreibt er Querverbindungen zu anderen Kulturen, aus deren Werken er wiederum später Folgerungen für Nasca ableitet.

Schön sind immer wieder historische Einsprengsel, die das Werk nicht nur interessant sondern auch gut lesbar halten: „1565 (...) wurden bei einem Fest in Bordeaux »Wilde« aus zwölf fremden Ländern gezeigt, unter anderem aus Griechenland, der Türkei, Arabien und Amerika. Zu diesem Zweck baute man ein ganzes Dorf nach, mit gefangenen südamerikanischen Ureinwohnern in Originaltracht, eine Art koloniales Disney World.“

Aveni hat wenig Interesse an einer esoterischen Deutung Nascas. Er ist Wissenschaftler, der mythische Sichtweisen oft entlarvt, in dem er sie in ihren Bedeutungsrahmen stellt. So zerlegt er brav die These, die südamerikanischen Ureinwohner seien Nachkommen von Atlantern oder Lemuriern: „Versunkene Kontinente waren logischer Bestandteil einer Weltsicht, die sich an einer imaginären, besseren Vergangenheit orientiert, einem Garten Eden mit sittlicher Vollkommenheit, mächtigeren Göttern und einer höher entwickelten Technik – verloren gegangen in einer tragischen Wiederholung der alttestamentarischen Geschichte vom Sündenfall.“ Etwas später heißt es spitzbübisch: „Das wahre Atlantis (...) besaß alle Errungenschaften einer modernen Zivilisation (...). Wie in der modernen Welt entstand Unzufriedenheit aufgrund von Rivalitäten in einem Wirtschaftssystem, das von den Interessen staatlich nicht kontrollierter Konzerne gelenkt wurde. Kein Wunder, dass sich versunkene Kontinente und Rockefellers und Morgans Zeiten großer Beliebtheit erfreuten!“

Nüchtern betrachtet Aveni die Nasca-Deutungsversuche als Spiegel unserer Zivilisation: „Das Internet brachte ein Panoptikum von Nasca-Theorien hervor, die wahrscheinlich mehr über uns selbst aussagen als über Nasca.“

Er beweist am Experiment, dass die Linien mit wenigen Arbeitskräften und ohne Kontrolle oder Anweisung aus der Luft gebaut werden konnten. „Diejenigen, die beharrlich die Vorstellung propagieren, die Nasca-Linien seien von primitiven Intellektuellen gebaut worden, einem farblosen Abklatsch heutiger Zeitgenossen oder von Abkömmlingen außerirdischer Wesen, die sich mit Erdbewohnern paarten, beleidigen die peruanischen Kulturen. Solche Vorstellungen grenzen an Rassismus, weil sie den Menschen die Fähigkeit absprechen, etwas einzigartig Komplexes hervorzubringen.“

So, jetzt habe ich lange erzählt, was Nasca alles nicht ist. Eigentlich folgert aus den bekannten Forschungen und seinen Untersuchungen, dass Nasca wohl eher eine Art rituelles Katasteramt war. Nach langen Kommentaren zum Gesellschaftsaufbau, zum Landbesitz und zum Lesen von Landmarken macht diese Deutung Sinn. Ich möchte hier Avenis Deutungen nicht alle erklären – immerhin will ich dir empfehlen, das Buch selbst zu lesen. Aber ich habe öfters das Buch weggelegt und darüber nachgedacht, wie sich die Kultur der Bewohner Nascas und unsere unterscheiden. Und wie arrogant es ist, von unserer Warte aus Nasca deuten zu wollen ohne die Bilder und Vorstellungen der Erbauer zu kennen. Das ist mehr, als ich sonst aus einem Sachbuch ziehe.

 

Dein Homo Magi

 

Eigenartigkeiten

Hallo Salamander,

heute war ich in einem netten Laden, mir neuen Tabak für meine Pfeife holen. Das Leben ist schon eigenartig – die Kundin vor mir unterhielt sich mit der Verkäuferin über die Jugend, die Arbeitslosigkeit und so weiter und so fort. Eigentlich wollte ich nur kurz einen Tabak wählen und dann gehen, aber als das Gespräch fertig war schaute mich die Verkäuferin neugierig an. Ich fühlte mich in das Gespräch eingebunden und sagte ein paar Sätze dazu. Natürlich war ich nicht der selben Ansicht wie die beiden Damen und die Kundin ging auch nach wenigen weiteren Worten. Aber ich blieb dann noch länger stehen und unterhielt mich mit der Dame, die sich als die Besitzerin des Geschäfts entpuppte.

Abgesehen von einer längeren Diskussion über Politik, Arbeitslosigkeit und Wohnungen unterhielten wir uns auch über andere Dinge. Ein Ding kam zum anderen, wie es oft in so Momenten ist, wenn man mit keinem Gespräch rechnet und eigentlich auch kein Gespräch sucht.

Die Besitzerin wohnt zwei Häuser neben meinem Onkel und kennt meinen Vater und meinen Onkel. Ihre Kollegin ist die Frau des Mannes, bei dem ich meine Magisterarbeit geschrieben habe. Und natürlich gab es auch hier Verbindungen und Linien.

Einige Kunden kannte ich – entweder durch Bekanntschaften in meiner Familie oder durch Querverbindungen über meinen ehemaligen Professor. Scheinbar gehörten einige Mitarbeiter der Hochschule genauso wie frühere Mitstudenten von mir zum Kundenkreis. Weiterhin waren da noch Menschen, die man aus der näheren Umgebung kannte, Personen des öffentlichen Lebens, die man getroffen hatte und einfach so illustre Personen, die man beschrieb und die der andere dann wiedererkannte.

Wir haben eine halbe Stunde oder so geplaudert. Dann bekam ich einen Stapel Probetabak, eine längere Einführung über das Tabakwesen und eine große Packung Streichhölzer dazu. Draußen fiel Schnee, als ich ging.

Komisch. Eigentlich wollte ich heim und sie wollte den Laden aufräumen, um ihn dann zu schließen. Beide haben wir das Gespräch nicht gesucht, aber es gefunden. Das sind wohl mit die besten Unterhaltungen.

Dein Homo Magi

 

Geheime Botschaften

Hallo Salamander,

umso mehr ich mit Magie und Heidentum beschäftige, umso mehr komme ich auch zu dem Thema „Paranoia“. Es ist erstaunlich, wie schnell Menschen in heidnischen/magischen Zusammenhängen paranoid werden, die sonst keinerlei Neigung dazu zeigen.

Ich bin nicht arg paranoid (okay, selbst kann man das nie einschätzen, aber ich postuliere das hier einfach mal), aber es gibt bestimmte Dinge, bei denen ich nicht mitmache. Ich habe keine Kunden- oder Rabatt-Karten (abgesehen von IKEA, aber die kämpfen auf der Seite des Lichts), weil ich nicht will, dass eine Firma mehr über meine Finanz- und Einkaufsströme herausbekommt, als ich mitzuteilen bereit bin (und IKEA braucht immer vier Wochen, bis die abbuchen – den Zinsgewinn nehme ich mit!). Ich will nicht, dass der Einkaufsmarkt auf der grünen Wiese mir Rabatte gibt, aber dafür erfährt, welche Butter, welches Getränk und welche CDs ich in welcher Reihenfolge wann kaufe. Sonst verschwinden irgendwann Buttersorte, Getränk und CDs aus den Regalen, weil die Zielgruppe, die das alles drei kauft, für den Umsatz zu gering ist.

In einem Warenhaus bin ich vor einiger Zeit an der Kasse nach der Postleitzahl meines Wohnorts gefragt worden. Ich sagte, dass ich die nicht angeben will (warum sollte ich auch?). Daraufhin teilte man mir mit, dass die Kasse „keine Eingabe“ nicht akzeptieren würde, also könne ich dann nicht bezahlen. Ich wollte erst 99999 angeben, aber dann stellte sich heraus, dass der Rechner auch noch eine Kausalitätsabfrage macht. Den Gegenstand habe ich liegengelassen und bin gegangen. Eine freiwillige Umfrage hätte ich mir gefallen lassen – aber so etwas, nein, das wollte ich nicht.

Und wie ist das bei Heidens daheim? Da muss man doch aufpassen, welche Gesten und Worte man in der Öffentlichkeit benutzt („Hey, du hascht misch magisch angegriffen!“). Kein Zeichen, das nicht vorbelastet, kein Material, das nicht befleckt ist. Ich plane nicht, mit Odalsrunen oder Hakenkreuzen zu zaubern – aber ich finde es ausgesprochen anstrengend, wenn selbsterklärte Fachleute einem erklären, dass die heilige Gabel im 12. Jahrhundert von einer kleinen jordanischen Sekte als Zeichen für Sex mit Kindern verwendet worden ist und mein Pullover mit roten Streifen auf grünem Grund mich eindeutig als Mitglied der fatalistischen Sekte der russischen Dombrovskatjav ausweist, die wegen ihrer Menschenfresser-Praktiken schon im neunten Jahrhundert von den Rus verboten worden ist ...

Egal, wie man argumentiert, man hat verloren. Aussagen von Gefühl und Gewöhnung her („Ich arbeite schon seit zwanzig Jahren mit Erbsen beim Wahrsagen und mir ist noch nie was passiert!“) werden auf der selben Ebene gekontert („Ich bin heute Nacht zu Oppenzoppo und zum Herrn der Nachtigallen gereist, und beide haben mir gesagt, dass Erbsen nur der dunklen Seite der Macht dienen!“). Historische Quellen sind entweder von der Kirche gefälscht oder so unverständlich, dass man sie als normaler Mensch ohne die Hilfe eines Drittgradwicca oder Fachmanns für theosophische Textanalyse nicht verstehen kann.

Nun gut, wahrscheinlich ist es sowieso völlig sinnlos, unter diesen Vorerkenntnissen meine Zugehörigkeit zu Geheimgesellschaften und religiösen Gruppierungen leugnen zu wollen. Für die Wissenden daher hier die drei entlarvenden Texte, welche für den Eingeweihten alles über mich aussagen. Bitte: Lies den Text nicht laut, weil dann der darin schlafende Zauber ausgelöst wird!

 

Schatzhauser im grünen Tannenwald,

Bist schon viele hundert Jahre alt;

Dein ist all Land, wo Tannen stehn,

Lässt dich nur Sonntagskindern sehn.

 

Kommt ihr herab aus der Luft,

Steige ihr aus tiefem Meer,

Schlieft ihr in dunkler Gruft,

Stammt ihr vom Feuer her;

Allah ist euer Herr und Meister,

Ihm sind gehorsam alle Geister.

Mutabor!

Dein Homo Magi

 

Geister und Gespenster

Lieber Salamander,

schon als kleines Kind wird man mit Geistern und Gespenstern konfrontiert. Ob das nun durch „Hui-Buh, das Schlossgespenst“ oder einen der vielen Geisterfilme für Kinder geschieht (von „Casper“ über Oscar Wildes Schlossgespenst bis hin zu dem Geist im dreieckigen Schloss, welches das Fliewatüüt ansteuert) – wir werden früh mit der Möglichkeit konfrontiert, dass Geister uns in unserem Leben begegnen könnten.

Zwei Fragen drängen sich meinem Verstand in diesem Zusammenhang auf.

1. Wann hat man als magisch denkender Mensch Kontakt zu Geistern?

2. Wie kann man Geister in einem System erklären, dass auch an Reinkarnation glaubt?

Beginnen wir brav der Reihe nach.

Geister sind mir in meinem Leben als durchscheinende, mit Ketten behangene Wesen, die heulende Laute ausstoßen, noch nicht begegnet. Aber ich hatte schon einige „Begegnungen“, die ich nicht anders erklären kann, als durch den Kontakt mit Geistern. So hatte ich mehrmals schon Träume, in denen mit verstorbene Verwandte begegnet sind, die sich mit mir über Dinge unterhielten oder mir Anweisungen gaben (von verstorbenen Verwandten akzeptiere ich relativ klaglos Anweisungen). In diesen Träumen war mir klar, dass ich mich in einer traumhaften Umgebung befand – aber ich bin nicht aufgewacht, sondern weiter in der Vision verblieben.

Auch kenne ich das Gefühl, Wesenheiten im Raum zu haben, auf die alle eigenartig reagieren – Gänsehaut, Schauer über den Rücken, Gefühl des Unwohlseins etc. Manchmal habe ich Räumlichkeiten daraufhin gereinigt oder Schutzkreise gezogen, weil ich mich bedroht oder auch nur beobachtet fühlte. Ab und an habe ich auch das Gefühl, aus den Augenwinkeln Figuren zu sehen, die an mir vorbeihuschen – menschengroße Schemen, die mir zu winken scheinen oder in meine Richtung lächeln. Ich empfinde sie nicht als bedrohlich, habe mich an sie fast schon gewöhnt (obwohl ich immer noch erschrecke, wenn ich sie sehe; aber der Schrecken hält nicht lange an).

Die Situationen, bei denen ich „Kontakt“ hatte, haben meiner Ansicht nach kein gemeinsames Erkennungszeichen. Ich kann also keine Regel formulieren, nach dem man als magisch interessierter Mensch mit Geistern in Verbindung tritt. Ich kann nur sagen, dass man sich für die Möglichkeit offen halten sollte und immer bereit sein sollte, die Existenz von solchen Wesen anzuerkennen.

Die Frage mit der Verbindung zur Reinkarnation ist schon schwerer zu beantworten. Wenn es wirklich Geister gibt, die als Überreste verstorbener Menschen durch unsere Realität spuken, dann stellt sich die Frage, in welcher Form hier die Seelen weiterleben. Schweife ich wieder ab?

Es gibt zwei Möglichkeiten der Reinkarnation. Version a bedeutet, dass wir von Anfang der Schöpfung an bis zum Ende der Zeit immer wieder als dieselbe Seele wiedergeboren werden, die verschiedene Stadien durchmacht, bis sie endlich (in was auch immer) aufgeht. Version b ist jene, in der alle Seelen bei jeder Wiedergeburt aus einem „Seelenbrei“ neu geschöpft werden, in den sie mit ihren Erinnerungen wieder aufgehen, wenn der Träger der Seele gestorben ist.

Version a heißt, dass die Seele nach dem Tod noch irgendwie an unsere Sphäre gebunden ist und daher als Energiekonstrukt noch umhergeistert. Daher sind Gespenster oft an einen Ort gebunden. Aber warum sollte hier die Seele das Spuken einstellen, bevor sie (meist durch junge Mädchen oder die Auflösung eines Rätsels, wenn man der Literatur glauben will) sich auflöst bzw. der Geist stirbt? Sie kehrt doch dann nur wieder im nächsten Leben als die selbe Seele zurück – vielleicht geläutert, vielleicht befreit, aber im Kern identisch.

Version b bedeutet, dass die Seele, welche sich zum herumgeistern entschlossen hat, andauernd gegen ihre Auflösung ankämpft, weil das Vergehen im „Seelenbrei“ die nächste Entwicklungsform des Seelenmaterials ist. Die Seele würde also an zwei Fronten kämpfen – einmal gegen das Vergehen im Seelenbrei, dann auch darum, entgegen der Naturgesetze als Gespenst auf unserer Ebene weiter wahrnehmbar sein zu können.

Beide Versionen befriedigen mich nicht wirklich, lassen Raum zum Nachdenken offen, den ich gerne füllen würde.

Sind Geister und Gespenster doch keine Seelen, die weiterhin auf unserer Ebene Halt finden, oder sind es nur Spiegelungen der Erinnerung, psychische Restenergien, die von der Umwelt gespiegelt und eventuell verstärkt zu einem Nachhall des Lebens führen, den wir als Gespenster wahrnehmen? Oder sind Geister und Gespenster gar nicht seelische Verbindungen zur Totenwelt, sondern nur Erscheinungsformen gänzlich anderer Wesen, die uns vertraute (oder zumindest bekannte) Formen wählen, um uns nicht gleich zu verschrecken (was ihnen wohl nicht immer gelingt ...)?

Um so länger ich darüber nachdenke, umso wahrscheinlich erscheint mir letztere Deutung.

Nachdenklich, Dein Homo Magi

 

Umzüge

Hallo Salamander,

es ist Karneval. Und unvermeidlich wälzen sich die mehr oder weniger lustig geschmückten Wagen durch die Straßen der rheinischen Zentren des Karnevals, und Menschen vergessen für ein paar Stunden oder Tage die gesellschaftlichen Regeln. Man darf trinken, man darf flirten, man darf gegen die Obrigkeit hetzen, man darf tanzen und sich lustig kostümieren. Und natürlich werden auch Krawatten abgeschnitten (was in seiner geplanten Lustigkeit etwas so anarchisch ist wie das Lösen eines Fahrscheins, wenn man auf einem Bahnsteig nur eine Zigarette rauchen will). Regeln für Fröhlichkeit töten natürlich jede Fröhlichkeit, Regeln für Humor töten jeden Humor.

Und da sitzen sie dann wieder, die Ehrenkappenträger und Supernarren und Elferräte (gibt es eigentlich bei den Asen dann Elfenräte?) und amüsieren sich königlich über Witze, die – wenn sie nicht von vorneherein langweilig politisch oder frauenfeindlich sind – kaum geeignet sind, um einen vom Stuhl zu reißen.

Amüsanterweise hatte ich heute auch einen Umzug – nein, ich war nicht Kamellewerfer auf einem Pappmachemodell, sondern ich durfte Kisten trage. Ich habe aufgehört zu zählen, wie viele Umzüge ich in den letzten Jahren gemacht habe oder bei wie vielen ich geholfen habe. Zu viele. Umzüge sind ein klarer Aufhänger, um wieder über die heidnische Verortung im täglichen Leben nachzudenken. Das gibt doch immer wieder Gelegenheit, über die Müßigkeit von irdischem Besitz zu diskutieren („Was, die Kiste muss auch noch rüber?“). Man kann sich klar werden, wie weit man vom Ideal eines muskelbepackten nordischen Recken entfernt ist („Nein, die Anrichte trage ich nicht alleine!“), darf mit dem Fehlen von magischen Fähigkeiten im realen Alltag hadern („Wie gerne würde ich die Waschmaschine levitieren!“) oder sich denken, dass alles in Atlantis sicherlich einfacher war („Was – Tiefkühltruhe und Kühlschrank?“).

Aber man darf sich auch darüber freuen, wie groß das „soziale Netz“ ist, das man in seinem Leben gezogen hat. Wen kann man anrufen, damit er Kisten tragen hilft? Wer kennt sich aus mit tapezieren und streichen? Wer macht mir die Wasserleitungen in der Küche? Kann jemand Fliesen legen in meinem Bekanntenkreis? Wer fährt mit mir in den Baumarkt, Speis oder Dübel kaufen? Wer weiß, welche Schrauben dafür richtig sind?

Und dank IKEA kann man auch wieder Kontakt aufnehmen zu den nordischen Wurzeln (ist Gutfigg wirklich ein Bett?), seine Wicca-Talente ausprobieren (Vier! Die magische Zahl für den Transport von Waschmaschinen ist vier Leute!), darüber nachdenken, was an einem alles keltisch ist (die landschaftliche Öde der meisten keltischen Rückzugsgebiete in Europa spiegelt sich in der Öde von leeren Wohnungen wieder – noch kein fließendes Wasser, keine Heizung, kein WC, kein Strom) und sich klar werden, wie hoch man in der magischen Hierarchie aufgestiegen ist („Natürlich hilft der mir – der schuldet mir noch einen Gefallen!“). Und auch hier ist Blut dicker als Wasser („Auf jeden Fall hilft mein Bruder – Familie!“). Alles Aufhänger, die einem die Möglichkeit geben, mehrere Traditionen am selben Tag abzuarbeiten.

Kisten sollten nie so schwer sein, dass man sie nicht heben kann, Kartons sollten sich nicht unten öffnen, wenn man sie anhebt, Schränke sollten vor dem Transport leer sein (das Kind, das in dem Schrank saß, haben wir dann doch nicht mitgetragen) und abgetaute Kühlschränke sind deutlich leichter als vereiste Kühlschränke (tragen Asatru ihre Kühlschränke eigentlich vereist rüber, weil ihnen das weltanschaulich liegt?).

Und obwohl Karneval ist, hatte keiner eine Pappnase auf. Wir haben auch keine Kamelle geworfen und der Müll war da, aber kein Konfetti. Alles ist eins und alles fließt, nur kein Wasser im Bad.

Wann werden wir drei uns wieder sehn?“

„Am nächsten Vollmond oder beim nächsten Umzug!“

Dein Homo Magi

 

Zyklen

Hallo Salamander,

ich kann verstehen, warum der zyklische Jahreskreis vielen Heiden Rückhalt in einer Welt gibt, die sich immer mehr und mehr von der Bindung an die Natur befreit. Der Mond, der Jahreslauf, der heidnische Kalender – all dies sind Dinge, die wiederkehrend und daher Konstanz vermittelnd sind.

Kürzlich habe ich eine Weile darüber nachgedacht, ob die zyklische Entwicklung, die der heidnische Kalender suggeriert, sich auch in der heidnischen Sicht der kulturellen Entwicklung der Erde und ihrer Zivilisationen widerspiegelt.

Es lässt sich nicht leugnen: Das Heidentum hat – genauso wie die moderne Esoterik – einen Hang zu zyklischen Verläufen. Viele magische Kalender (wie der der Mayas oder der große Tierkreis der Astrologie) fassen die Zeitalter unter Oberbegriffen zusammen („Fische-Zeitalter“), die immer wiederkehrende „Themen“ zu wiederkehrenden Zeiten voraussetzen.

Auch die Theosophie spricht von unterschiedlichen Zeitaltern, in denen bestimmte Völker oder Rassen die Vorherrschaft übernommen haben. Auch andere Denkrichtungen sprechen von verschiedenen Zeitaltern mit verschiedenen Themen oder Prägungen.

Mir ist schon mehrmals aufgefallen, dass der Atlantis-Mythos immer eine Spiegelung der aktuellen Kultur ist. Das viktorianische Zeitalter hatte ein anderes Atlantis als die Neuzeit; jeder sieht in der untergegangenen Hochkultur Parallelen zur eigenen Kultur und zieht Lehren, was zu vermeiden sei oder wie man den Untergang verhindert.

Viele historische Bilder wurden erst als Flugdarstellungen gedeutet, seitdem wir selbst den Flug (wieder?) gemeistert haben. Atombomben spielen in der Auslegung der biblischen Legende um Sodom und Gomorrha erst eine Rolle, seitdem wir wissen, was Atombomben sind und wie sie wirken. Der magische Spiegel, den uns der Mythos vorhält, zeigt immer nur unsere eigenen Vorerwartungen.

Lustig finde ich in diesem Zusammenhang, dass die viktorianische Welt eine Zeit lang ein kosmologisches Konzept von sich verengenden Lebensräumen um die Sonne hatte. Dieser Theorie nach würde die Sonne immer Laufe der Jahrzehntausende immer kleiner. Die im Sonnensystem beheimateten Rassen wandern immer weiter nach innen, sonnenwärts, bzw. die äußeren Welten werden nach und nach unbewohnbar.

Die erste Zivilisation, von der die Mythen sprechen, war dieser Theorie nach auf dem Planeten, dessen Trümmer heute den Asteroidengürtel bilden. Sie haben sich in ihrem Hochmut selbst zerstört (wiederum eine Parallele zur Lesart des Atlantis-Mythos!). Dann kam der Mars, der heute eine austrocknende Welt (samt Kanälen) ist, dessen Rasse ausgestorben oder der Degeneration übereignet ist. Dann kommen wir und nach uns die Venusier, deren Planet heute (damals gab es noch keine russischen Venus-Sonden, die hätten anderes berichten sollen) der Erde im Zeitalter der Dinosaurier entspricht. In vielen alten Science Fiction-Romanen liest man auch noch von einer alten marsianischen Rasse und Echsenmenschen auf der Venus, die Dinosaurier reiten (Doyle hat dieses Motiv mit Professor Challenger auf ein Hochplateau in Südamerika verlegt).

Da der Lebensraum, der bewohnbare Radius um die Sonne kleiner wird, sind die großen Kulturen auch vorbei, wir Menschen und die Erde liegen im Mittelfeld (was mir irgendwie schon immer klar war).

Auch der Atlantis-Mythos (wie auch der Lemuria-Mythos) zeigen dies: Früher waren die wunderbaren Welten größer, lagen in Atlantis bzw. Pazifik. Aber natürlich war es ein Deutscher, der Atlantis in Helgoland vermutete ... ich warte nur auf eine Theorie, das Atlantis im Bodensee lag. Würde passen, wir Deutschen waren kosmologisch schon immer Kleingeister. Wie immer.

Dein Homo Magi

 

Fragen über Fragen

Werter Salamander,

manchmal träume ich nachts von einem Einweihungsritual in den zweiten oder fünfzehnten Grad einer wie auch immer organisierten obskuren heidnischen Wicca-Tradition. Ich will versuchen, aufzuschreiben, was in meinen Träumen passiert. Also:

[Anrufung der Elemente, Schutzkreisziehen, Segnen der Schnürsenkel und ähnliches haben schon stattgefunden; der Kreis ist sicher, geschützt, wasserdicht und abwaschbar. Im Kreis stehen vier Personen für die vier Himmelsrichtungen und der Anwärter. Ohne Kompass ist der Aufbau egal, mit Kompass sollte man versuchen, die Himmelsrichtungen in die Himmelsrichtungen zu stellen und den Anwärter nach 26° Süd.]

 

Osten: „Willkommen, oh edler Suchender auf dem Pfade der Erleuchtung! Bist du willig, die letzten vier Fragen zu beantworten, damit Du, allenthalben noch unmündig, werden kannst einer der Wissenden?“

Anwärter: „Ich bin willig.“

Osten: „So höre die erste Frage. Im Anbeginn der Zeit, als die Kontinente noch flüssig waren, begründete der erste der hohen Magier unsere Tradition. Wie war sein Name?“

Anwärter: „Schlockspatt, Herr von Ebbenpfloppel war sein Name.“

Süden: „So höre nun die zweite Frage. Es war Sylvie-Ylwie, die erste hohe Meisterin unserer Tradition, die ihr Kind im innersten Heiligtum gebar. Wie heißt das Kind, das entsprang jenen gebenedeiten Schenkeln?“

Anwärter: „Habbzabamba, die spätere Verwalterin der Pforte der breiten Büsche.“

Westen: „So höre nun die dritte Frage. Wenn des nachts die Sterne hoch am Himmel stehen und vom Geheimnis ihrer Wege und von der Zukunft künden, dann erscheint ein Stern milchig und trübe, von dem wir doch wissen, dass er die Heimat jener Meister ist, die uns im Schlaf und im Traum Wissen vermitteln. Wie heißt dieser Stern?“

Anwärter: „Canis-Panis IV heißt der Stern, wo die träumenden Meister der Sternenstraßen liegen auf ihren Kissen aus Etzlek-Daunen und schnarchen im Rhythmus des Gesangs der Sphären!“

Norden: „So höre nun die vierte und letzte Frage. Wie heißen die Kontinente der Erde?“

Anwärter: „Äh – Nachname oder Vorname?“

Aber leider passiert so etwas nicht. Leider sind Fragen und Antworten Teil eines Schauspiels, bei dem Fehler nicht eingeplant, echtes Wissen nicht abgefragt wird. Dies hat verschiedene Gründe.

Erstens traut sich niemand, das realweltlichen Wissen der Anwärter zu überprüfen. Ich bin der Meinung, dass ein heidnischer Amtsträger etwas über die Welt und ihre Wege wissen sollte. Leider bin ich mit dieser Ansicht sehr allein.

Zweitens haben viele Kreismitglieder (egal, ob das jetzt ein Wicca-Coven oder eine sonstige heidnische Gruppierung ist) formal Mitspracherecht, aber der Gruppendruck führt dazu, dass sich niemand auflehnt und das Urteil der Großkopferten in Frage stellt. So werden Menschen aufgenommen, die keiner (außer den Großkopferten) so richtig will, und der vorhandene Unmut wird geschluckt oder überspielt. Irgendwann implodiert die Gruppe dann, weil keiner mehr keinen leiden kann – nur die Großkopferten die Großkopferten, aber das ist leider auch nicht immer wahr.

Drittens ist es nicht gewünscht, dass Amtsträger auch eine realweltliche Kompetenz nachweisen. Man ist – durch Überprüfungen im Familienkreis („Was arbeitet dein neuer Freund eigentlich?“ und ähnliches) abgeschreckt, solche Fragen selbst zu stellen. Leider.

Also wird niemand nach den Kontinenten fragen. Schade eigentlich. Wo doch die korrekte Antwort so einfach ist – Amerika, Europa, Lemuria, Asien, Atlantis und Afrika. Oder habe ich da was falsch gemacht und Lateinamerika ist ein eigener Kontinent? Was nicht schlimm wäre, weil ich kann Latein.

Nachdenklich, Dein Homo Magi

 

Trickverbrecher

Hallo Salamander,

die Ängste eines Menschen sagen viel über ihn aus. Jemand, der Angst vor allen Dingen hat und jemand, der nur Angst vor körperlichen Schmerzen hat – wen würdest Du in Deiner Firma (so Du eine hättest) anstellen, wen würdest du für einen gefährlichen Auftrag ins Auge fassen?

Ein schönes Beispiel, um Ängste aufzuzeigen, ist die Angst vor Kriminalität. Man liest immer wieder von aufgebrochenen Wohnungen und entwendeten Autos, und wenn man selbst betroffen ist, dann fällt es einem immer schwer, mit dem Schock und dem Verlust zu leben. Ich behaupte auch nicht, dass die Angst vor solchen Verbrechen wirklich viel über den Menschen aussagt – das sind Dinge, gegen die wir uns ein wenig schützen können, aber ein echter Schutz ist nicht möglich.

Wer sein Auto mit offenen Türen und steckendem Schlüssel stehen lässt, der ist selbst schuld, wenn es gestohlen wird. Wer aber bei jedem Halt zusätzlich noch eine Metallklammer um das Lenkrad macht, der schätzt das Risiko wohl zu hoch ein ... Natürlich ist es sinnvoll, die Wohnungstüren abgeschlossen und die Fenster verriegelt zu halten, wenn man die Wohnung alleine lässt. Aber macht es auch Sinn, Geld in eine aufwändige Sicherheitstechnik zu investieren, die dann im richtigen Moment auch keine Gewähr dafür liefert, dass kein Einbruch erfolgt?

Immer wieder lese ich Hinweise auf mögliche Verbrechen, die mich amüsieren. Ältere Damen, die an der Tür von Teppichhändlern übertölpelt werden sind schon klassische Beispiele der modernen Kriminalliteratur. Ich gehe davon aus, dass diese Fälle wirklich passieren, und nehme die Warnungen ernst. In den letzten Wochen sind mir jedoch zwei Verbrechenswarnungen aufgefallen, die mich total begeistert haben, weil sie so irre sind.

Die erste Warnung spricht von organisierten Banden, die mit Hilfe von aus Pappe geschnitzten Ein-Euro-Münzen die Geldstücke aus den auf Supermarktparkplätzen abgestellten Einkaufswagen holen. Die schieben also in einen solchen Geldschlitz ihr Pappstück, fahren dann mit diesem Einkaufswagen zum nächsten „Opfer“, schieben den freien Metallriegel in den Einkaufswagen, holen sich das Ein-Euro-Stück heraus, schieben ein Pappstück hinein, fahren mit diesen zwei Einkaufswagen zum nächsten Einkaufswagen, schieben den Metallriegel ein, entnehmen das Geldstück, schieben ein Pappstück ein und fahren weiter, um den vierten Wagen zu ergaunern.

Um auf einen halbwegs akzeptablen Stundenlohn zu kommen, müssen sie pro Stunden 15 dieser Wagen aneinander koppeln. Erstens fällt das auf dem Parkplatz natürlich auf, wenn man mit 15 Wagen im Schlepptau umherfährt, außerdem werden die Nutzer der Wagen sicherlich aufmerksam und drittens ist das ganze Verfahren so hirnrissig, dass es schon wieder unterhaltsam ist.

Die zweite Warnung spricht von täuschend echt gemachten Aufsätzen auf Geldautomaten, in die man die Geldkarte einführt und die Geheimzahl eingibt. Natürlich geben die kein Geld raus, aber sie speichern die Geheimzahl. Dann geben sie die Geldkarte zurück. Um die Ecke lauern dann Verbrecher, die einen überfallen und einem die Geldkarte abnehmen. In Verbindung mit der in der täuschend echt aussehenden Geldautomaten-Kopie gespeicherten Informationen über die Geheimzahl kann man dann mit der erbeuteten Geldkarte Bargeld in ungeahnter Menge abheben ...

 

Ich frage mich immer, wer die kriminelle Energie der Menschheit so hoch oder so tief einschätzt, wie in diesen beiden Fällen beschrieben. Weder machen sich Verbrecherbanden meiner Ansicht nach die Arbeit, Pappscheiben nachzuschnitzen um an Kleingeld zu kommen, noch basteln sie Geldautomaten-Kopien, um an Geheimzahlen zu kommen. Eher sitzen Verbrecher mit Krawatte um den Hals und teuren Schuhen an den Füßen hinter Schreibtischen, verschieben Giftmüll, Prostituierte und bulgarische Zigaretten und zahlen brav ihre Raten für ihr Eigenheim.

Warum zerbrechen Öltanker, die von betrunkenen Kapitänen mit unerfahrener Mannschaft auf Riffe gelenkt werden? Warum geraten Giftstoffe in die Flüsse, weil Firmen ihre Abwasseranlagen nicht im Griff haben? Warum werden immer wieder Arbeiter mit Radioaktivität kontaminiert? Warum sterben Asylanten in Abschiebehaft, weil sie gefesselt und geknebelt ersticken? Sind das nicht alles Verbrechen, gegen die Euro-Pappschnitzer bedeutungslos werden?

 

Nachdenklich,

Dein Homo Magi

 

Jacken für Ausländer

Lieber Salamander,

einmal im Jahr veröffentlicht meine Heimatgemeinde statistische Daten über sich selbst. Netterweise kann man die dann in den Ämtern der Stadt im praktischen Faltheft mit nach Hause nehmen.

So erfährt man etwas darüber, ob die Bevölkerungszahl im letzten Jahr gefallen oder gestiegen ist, wie viele Mitbürger pro Wohnung gemeinsam wohnen, wie viele Prozent der Bevölkerung ledig, geschieden, verwitwet oder verheiratet sind und ähnliches.

Bei der Frage des Familienstandes stutze ich immer bis mir einfällt, dass natürlich abgefragt wird, wie der momentane Familienstand ist. Wer noch nie verheiratet war, bleibt ledig. Wer erstmalig heiratet, ist als verheiratet eingetragen. Interessant wird es erst, wenn man aus welchen Gründen auch immer ent-heiratet. Den Status „ledig“ kann man nie wieder erreichen, weil man entweder geschieden oder verwitwet ist. Aber zwischen diesen drei Zuständen kann man beliebig oft hin- und herwechseln. Verwitwete können wieder heiraten, ebenso geschiedene. Wer verheiratet ist, der kann (kriminell oder legal) geschieden oder verwitwet werden. Aber die Option „ledig“ bleibt für sie weiterhin verschlossen, sie können nur verheiratet bleiben, sich scheiden oder verwitwet werden. Und alles nur, weil man einmal „Ja!“ gesagt hat und daher nie wieder ledig sein darf ...

Auch die Frage des Ausländeranteils ist dank solcher Statistiken immer zu beantworten. Für meine Heimatstadt sind die beiden größten ausländischen Gruppen (also solche, die auch noch die Staatsangehörigkeit ihres Heimatlandes haben) Türken und Italiener, dicht gefolgt von den Bürgern ehemaliger jugoslawischer Republiken. Alle anderen Nationalitäten sind im Vergleich zu diesen dreien vernachlässigbar klein. Aber auch in ihrer Summe bilden sie keine Bedrohung, die mir Angst machen könnte.

Die „Überfremdung“, die immer wieder als Fratze der Bedrohung aufgemalt wird, erschreckt mich nicht. Was wäre denn ohne diese „Überfremdung“ an meinem Heimatort und an meinem Lebenswandel noch so, wie es jetzt ist? Der italienische Pizzabringdienst wäre weg, ebenso der Chinese mit dem tollen Mittags-Buffet und der türkische Bäcker, der nicht nur brav meine Zeitung zurücklegt, wenn ich Samstags mal nicht da bin, sondern auch ab 6.00 Uhr morgens Brötchen verkauft und Süßigkeiten, Butter und Getränke auf Vorrat hält.

Wo gäbe es italienisches Eis, wo Lamacun? Wären die Würstchen ohne die Konkurrenz der Döner-Buden so billig und so gut? Wohl kaum.

Außerdem ist es der Anreiz des anderen Lebens, der anderen Kultur, der immer wieder mein Leben mit eigenartigen Impulsen versorgt. Letzte Woche fuhr ich im Bus, weil ich für die Arbeit einen Termin außerhalb hatte, von dem ich dann voller Freude irgendwann mit diesem Fahrzeug zurückkehrte. In der Straßenbahn beobachtete ich eine Gruppe männlicher Jugendlicher, die wohl gerade auf dem Weg zum Studium waren. Die Sprache, in der sie sich unterhielten, habe ich nicht verstanden. Wenn ich raten müsste, würde ich „persisch“ ankreuzen.

Alle hatten offene Jacken ohne Arme, sogenannte „Zwischenjacken“ (für die „Zwischenzeit“ zwischen Winter und Frühling, wie meine Mutter immer so weise ausführt) an, die mit dicken Reißverschlüssen verbunden sind. Ich war neugierig, wie sie die Jacken vor dem Aussteigen schließen wollten, weil sie alle in mindestens einer Hand Mappen oder Ranzen hatten. Kurz vor dem Anhalten schlossen sie alle wie auf Kommando mit einer Hand unten den Reißverschluss, dann bissen sie in den Kragen ihrer Jacken und zogen mit der freien Hand den Reißverschluss zu. Da die Jacke oben durch die Kiefer fixiert war und sich der Reißverschluss daher nicht verziehen konnte, ging das in einer einzigen Bewegung vor sich. Dann stiegen sie alle mit geschlossenen Jacken glücklich aus.

Hey, einem Deutschen wäre es nie eingefallen, in seine Jacke zu beißen! Wieder was gelernt von unseren ausländischen Mitbürgern! Zur Feier des Tages beschloss ich, mir beim italienischen Eissalon um die Ecke ein Spaghettieis zu leisten. Als meinen privaten Beitrag gegen die Fremdenfeindlichkeit.

Manchmal kann man das politisch angenehme mit dem geschmacklich nützlichen optimal verbinden ...

Dein Homo Magi

 

Kaktussaft

Hallo Salamander,

immer wieder tauchen in der esoterischen Branche Produkte auf, welche die größte Erfindung seit dem Rad sind. Im Moment ist es Kaktussaft, der die Leute in Begeisterung versetzt. Okay, eigentlich ist es Aloe vera („vera“ heißt soviel wie „wahr“), welches gegen alles und jedes Zipperlein hilft, und kein Kaktussaft.

Ich habe mir brav ein Infoheft „Was Sie schon immer über Aloe vera wissen wollten!“ besorgt und voller Freude gelesen, was das Zeug alles an guten Seiten hat. Empfohlen wird Aloe vera hier bei folgenden Problemen:

·        Abzesse

·        Aids („Es wurden täglich größere Mengen kaltgepreßtes Aloe-vera-Gel verabreicht, dazu essentielle Fettsäuren, Multivitamine und Mineralstoffe. Die Hälfte der Patienten [...] war nach 18 Monaten HIV-negativ.“)

·        Akne

·        Allergien

·        Altersflecken

·        Arthritis

·        Arthrose

·        Asthma

·        Augen-Erkrankungen („Bei Erkrankungen wie Bindehautentzündungen, Grauer Star, Grüner Star, sowie Hornhautentzündungen konnten Aloe-Injektionen den Betroffenen helfen.“)

·        Bauchspeicheldrüse-Problemen

·        Blutarmut

·        Blutergüssen („Im März 1999 hatte ich einen Unfall mit einer Schlagbohrmaschine, dabei rutschte diese aus und schlug mir ins linke Auge. Das Auge schwoll sofort stark an, es wurde extrem blutunterlaufen, und ich konnte nichts mehr sehen. [...] Die Ärzte wollten das Blut im Auge absaugen. [...] Da erfuhr ich glücklicherweise von Aloe vera. Ich strich sie mir direkt aufs Auge, und die Spannung wurde ließ [sic!] schnell nach. Das Auge mußte nicht mehr abgesaugt werden, und nach drei Monaten war alles verheilt.“ Hier wüsste man gerne, ob das eine Übersetzung ist und ob man im Original sich auch eine Schlagbohrmaschine ins Auge gerammt hat und ob auch das Auge abgesaugt werden sollte ...)

·        Bluthochdruck

·        Brandwunden

·        Cholesterinspiegel-Problemen

·        Depressionen

·        Diabetes-Folgen (Wunden an Beinen und Füßen)

·        Durchfall

·        Eisenmangel

·        Ekzeme

·        Epilepsie

·        Erkältung

·        Falten

·        Fingernägel-Probleme

·        Fußpilz

·        Gelenkprobleme

·        Geschwüren

·        Gicht

·        Grippe

·        Haarausfall

·        Hämorrhoiden

·        Hautabschürfungen und –verletzungen

·        Hautausschläge

·        Herpes

·        Herzenge

·        Heuschnupfen

·        Immunsystem-Problemen

·        Insektenstichen

·        Ischias

·        Juckreiz

·        Kieferhöhlenvereiterung

·        Kniebeschwerden

·        Knötchenflechte

·        Körpergeruch

·        Krampfadern

·        Krebs („Daher wird Aloe vera in der alternativen Krebstherapie zur Tumorbekämpfung, begleitend zur Strahlentherapie und zur allgemeinen Unterstützung des Immunsystems empfohlen“)

·        Lebererkrankungen

·        Magen-Darm-Beschwerden (Durchfall, Verstopfung, Blähungen)

·        Mandelentzündung

·        Masern

·        Migräne

·        Milchschorf

·        Mittelohrentzündung

·        Mundentzündung

·        Mundgeruch

·        Muskelkater

·        Muskelkrämpfe

·        Narben

·        Neurodermitis

·        Nieren- oder Blasenleiden

·        Ohrenschmerzen

·        Pilzerkrankungen (innerlich wie äußerlich)

·        Potenzproblemen

·        Prellungen

·        Prostataentzündungen

·        Quecksilbervergiftung (durch Amalgamplomben)

·        Quetschungen

·        Rasurbrand („Männer mit empfindlicher Haut leiden nach dem Rasieren oft unter dem sogenannten Rasurbrand [...]. Hier hilft [...] eine Creme mit Aloe-vera [...].“)

·        Rheuma

·        Schuppenflechte

·        Schwangerschaftsstreifen

·        Sehnenentzündungen

·        Sodbrennen

·        Sonnenbrand

·        Stirnhöhlenbeschwerden

·        Stoffwechselerkrankungen

·        Strahlenschäden („Nach dem Atombombenabwurf auf Hiroshima und Nagasaki waren Aloe-Auflagen die größte Hilfe bei schlimmsten Verbrennungen.“)

·        Tennisarm

·        Trockene Haut („Wissenschaftler der Universität Texas wiesen nach, daß Aloe-vera-Gel den Rhythmus der Zellerneuerung sechs- bis achtfach beschleunigt und trockener Haut wieder Feuchtigkeit gibt.“)

·        Tumore (gutartig)

·        Übersäuerung

·        Venenentzündungen

·        Verbrennungen („erstaunliche Erfolge bei der Behandlung von Hautverbrennungen, insbesondere nach Strahlentherapien“, genannt werden Röntgen und Tumorbestrahlung)

·        Verspannungen

·        Verstauchungen

·        Verstopfung

·        Warzen

·        Wetterfühligkeit

·        Zahnfleischbluten

·        Zahnprobleme (wie Karies und Paradontose)

·        Zeckenbiss-Folgen

·        Zellulitis

·        Zwölffingerdarmgeschwüren

Außerdem schützt der „Hauptwirkstoff Acemannan“ „die weißen Blutkörperchen und das Knochenmark vor diversen Schäden durch chemische Gifte und Drogen“.

Fett gedruckt findet sich im Heft folgender Hinweis: „Aloe vera ist kein Ersatz bei Krankheiten, die ärztlich versorgt werden müssen. Allerdings kann sie parallel und unterstützend zu medizinischen Maßnahmen angewendet werden, wenn eine Rücksprache mit dem Arzt keine Einwände ergeben hat. Im allgemeinen sprechen medizinische Behandlungen in Verbindung mit Aloe-vera-Gel besser an.“ Aber wer liest schon diesen Teil, wer geht zum Schutz vor „Schäden durch chemische Gifte und Drogen“ oder zur Behandlung von Atombombenschäden schon vorher zum Arzt?

Mein Liebling ist die Heilung von Vegetariern: „Dr. Arnold aus Beverly Hills/Kalifornien bestätigte (...), daß das Vitamin B12 – nach bisheriger schulmedizinischer Meinung in Pflanzen nicht vorhanden – in Aloe vera nachweislich vorkommt. Er berichtet über ein Experiment mit einer Gruppe von Vegetariern, die dank einer Aloe-vera-Gel-Kur wieder gesund geworden sind.“ Das wäre doch eine tolle Schlagzeile: „Vegetarier: Dank Aloe vera können sie wieder Fleisch essen!“

Klein gedruckt findet sich auf Seite 2 folgender Hinweis: „Alle Formulierungen in diesem Buch sind keine Heilaussagen im rechtlichen Sinn! Die Diagnose und Therapie von Erkrankungen und anderen körperlichen Störungen erfordert die Behandlung durch Ärzte oder Heilpraktiker. Die Informationen in diesem Buch sind ausschließlich informativ, sie sollen nicht als Ersatz für eine ärztliche Behandlung verstanden werden.“

Und das alles findet sich auf nur 88 Seiten einer Broschüre im Format eines breiten Briefumschlags (C6)! Dabei habe ich mir die Seiten „Von Hundeelend bis Katzenjammer: Aloe vera in der Tiermedizin“ und „Von Erste Hilfe bis dicke Luft: Aloe vera im Haushalt“ für diese Übersicht noch gespart. Es gibt wenig, bei dem Aloe vera nicht hilft. Als Schmiermittel für das Auto und als Gleitmittel beim Sex wird es z.B. nicht empfohlen und auch die Bedeutung von Aloe vera für die Raumfahrt ist unbeachtet geblieben – aber spätere Auflagen der Broschüre können diesem Nachteil vielleicht Abhilfe verschaffen.

Auf den im Heft genannten Internetseiten www.network-press.de und www.network-press-bookstore.de findet man dann auch Informationen über weiter Sonderdrucke und Veröffentlichungen des Verlags über Rex Maughan, den Herren des „Network Marketing“, welches sein Unternehmen, der „Aloe-vera-Gigant aus Scotsdale, Arizona“, in der „Direktvertriebsbranche“ verbreitet.

Über den Sonderdruck „Das Imperium des Rex Maughan“ heißt es: „Der amerikanische Traum stand von jeher auf der ganzen Welt Pate für das freie Unternehmertum. Erfolgreiche Unternehmer wie Rex Maughan aus Arizona erfüllen diesen Traum mit Leben und werden somit Beispiel für Tausende von Menschen, die von Wohlstand und Unabhängigkeit träumen. Wer ist dieser Rex Maughan, dem das größte in privatem Besitz befindliche Unternehmen Arizonas gehört?“

Will ich das wissen oder langt mir das, was ich schon gelesen habe? Nein danke, Herr Maughan, ich verzichte auf erfolgreiche Unternehmer aus Arizona, die ein Produkt, das angeblich gegen (fast) alles helfen soll, im Direktvertrieb loswerden.

Sollte ich mich nach einem Atombombenabwurf in meiner Nähe umentscheiden oder wenn ich einen Vegetarier kennenlerne, der geheilt werden muss, oder mir mal wieder ins Auge bohre, dann kann ich immer noch in jedem guten Esoterik- oder Bioladen ihre Produkte kaufen.

 

Bis dahin: Tschüss! Homo Magi

 

Monatliche Abholung garantiert

 

Hallo Salamander,

 

mir fällt immer mehr auf, dass ich der offiziellen Magier-Kleiderordnung nicht genüge. Im Moment ist weiterhin der Matrix-Look en vogue (Staubmantel, Sonnenbrille, dunkle Haare), aber es gab auch schon die Crowley-Lorre-Nummer (irrer Blick, wirre Haare, verkrumpelter Anzug), die Price-Parson-Kombination (englischer Akzent, Interesse an Raumfahrt, wässrige Augen) und ähnliche Zyklen.

Ich habe alle überlebt, ohne mich ihnen anzuschließen. Mal läuft es gut, weil die Magier sich entweder selbst nicht an die Vorgaben halten oder aber die Regeln so voller Schlupflöcher sind, dass ich mit minimalen (und akzeptablen) Veränderungen meines Accessoires an den Magier-Treffen teilnehmen konnte.

Oftmals langt auch eine suspekte Handbewegung samt 26 Metallgegenständen am Körper (Stifte durch die Brustwarzen, Ringe, Stifte im Gesicht, Ketten um den Hals, Stifte im Ohr und so weiter), und schon ist der irre Türsteher überzeugt und prüft nicht mehr nach, ob man auch komplett mit Rüschenhemd und Cowboystiefeln gekommen ist. Der erste Eindruck überzeugt wie so oft in der Magie und ich erhalte Einlass in die dunklen Gelasse der Mystiker, Magier und Modelle.

Aber in letzter Zeit zieht die Wirtschaftsspirale nicht mehr so, wie sie früher mal gezogen hat, und die „powers that be“ oder das Werbefernsehen oder geheime mentale Sendungen des albanischen Geheimdiensts führen dazu, dass die verlangten Outfits immer anspruchsvoller werden und es mir immer schwerer fällt, mich dem magischen Mainstream anzupassen. Gewollt habe ich das nie und ich nehme lächelnd zur Kenntnis, dass die Kinder, die in die magische Szene nachwachsen, mich nicht als einen der ihren akzeptieren, weil ich ihre Musik nicht höre, ihre Sprüche nicht nachmache und ihre Kleidung nicht trage. Ich kann damit leben, weigere mich aber weiterhin das zeitlose asketische nordische Magier-Outfit zu tragen (schmutziges Tuch um die Hüften), welches den engen Spielraum zwischen Askese und Ungepflegtsein geschickt zu überspielen sucht.

 

Im Moment bin ich mehr und mehr der Ansicht, dass sich die jungen Magier einmal im Monat (zu Vollmond?) in örtlichen Lagerhallen einfinden und dort ihre neue Kluft abholen. Oder es gibt wirklich ein geheimes Kommandowort, das in ihren Schädeln ertönt und sie zwingt, sich ab dem nächsten Morgen gleich anzuziehen. Die Lösung mit dem Lagerhaus hätte den Vorteil, dass die Sachen auch wirklich alle vorrätig wären, während das Kommandowort erst zu Einkaufszügen führen würde, die nicht immer zufriedenstellend verlaufen dürften („Was? Sie haben kein Hemd aus tibetischer Yak-Wolle, gespült mit Himalaya-Salz, in Farbe orange und Größe XXL auf Lager?“).

Das Lagerhaus würde auch eine andere Frage klären. Seit Jahren beobachte ich eine Verteilerin der Zeugen Jehovas, die seit meiner Kindheit in der Stadt steht und den „Wachturm“ verteilt. Zwei Dinge bleiben konstant: Ihr Haar wird graduell weißer und ihre „Wachtürme“ haben immer neue Cover (die neuen Inhalte kontrolliere ich nicht, weil mein „Wachturm“-Interesse nach zwei gelesenen Exemplaren erloschen ist). Jetzt weiß ich auch, woher sie ihre neuen Hefte erhält: Das Lagerhaus wird doch nur an einem Tag im Monat von den modischen Magiern genützt. Die Zeugen Jehovas brauchen es vier Mal im Monat, um neue Hefte in Zirkulation zu bringen. Jetzt muss ich nur noch herausbringen, wer das Lagerhaus betreibt und wer es die anderen Tage des Monats besucht.

Ich halte dich auf dem Laufenden.

 

Dein Homo Magi

 

Zufallserkenntnis

 

Werter Salamander,

 

letzte Woche fiel mir wieder einer jener esoterischen Kataloge in die Hand, die inzwischen schon fast epidemisch immer wieder über den Konsumenten herfallen.

Immer wieder gibt es drei Arten von Artikeln, die mich umhauen. Erstens Artikel, die man kennt und für superbillig hält, die aber dank einer esoterischen Weihe zehn Mal so teuer sind. Zweitens Artikel, die keinen praktischen Nutzen haben, aber dank einer feinstofflichen oder esoterischen Benutzbarkeit ungeahnte Kosten haben. Drittens Artikel, die weder einen praktischen noch einen feinstofflichen/esoterischen Nutzen haben, aber wichtig sind, weil sie eine Nachbildung vom heiligen Käse von Eschnapur sind oder von Marsianern handgeschnitzte Nasenbohrer nachbilden oder dem Erfinder der Produktlinie, Jens-Oliver Schröppenklaus, im Schlaf in einer Vision erschienen sind, als er gerade vom aufgestiegenen Meister 46-B-32 besetzt war.

Schön ist auch eine Variante, die uns wohl die Weltvernetzung gebracht hat: esoterische Alternativen als ökologische Nischen in fremden Kulturen. Mein Beispiel ist Feng Shui, das ich immer für eine fernöstliche Lehre zu Räumen und Energien hielt. Unbekannt war mir, dass es hierzu eine indische Alternative namens Vastu oder Vasati gibt. Ehrlich gesagt, hatte ich diesen Begriff vorher noch nie gehört (nur Varta, das hat aber nur was mit Energie zu tun, nichts mit Räumen). In diesem Katalog gab es gleich mehrere Seiten mit dem V-Wort. So kann man Einsteiger-Bücher in das indische Bauen und Wohnen für knapp zehn Euro erwerben, während weiterführende Bücher (der Logik des höheren Preises bei höheren Graden folgend?) schon über zwanzig Euro teuer sind.

Bis jetzt sind mir Dinge wie der „König der Kraft-Diagramme“ (Hey! Emanzen! Schlaft ihr bei solchen Katalogen? Müsste es nicht „KönigIn der Kraft-Diagramme“ oder „Königin/König der Kraft-Diagramme“ heißen?), Yantras und ähnlicher Kram entgangen. Ein Fehler, wie sich hier herausstellt.

Für knappe 500 Euro kann ich mein Leben mit der „Vasati-Pyramide“ neu organisieren. „Die starke korrigierende Wirkung der Vasati-Pyramide beruht auf der synergetischen Kombination aller wichtigen Vasati-Korrektur-Werkzeuge: 12 Yantras, 9 Glaspyramiden, Mantras, Vastupurusha Mandala und Weihezeremonie. Die Vasati-Pyramide kann feinstoffliche Wirkungen von negativen Raumenergien und Vasati-Defekten bis zu 75% ausgleichen – mit einem Wirkungsradius von ca. 22 m.“ Wenn meine Wohnung größer ist als 22 Meter Radius brauche ich dann wohl Pyramiden für 1000 Euro. Aber das sollte mir diese beeindruckende Wirkung doch wert sein!

Erinnert fühlte ich mich eher an MacGyver oder den Techno-Babble der „Star Trek“-Serie. Scotty musste doch immer mit nur einem Zahnstocher, einer Essiggurke, zehn Meter Kabel und den Warp-Kristallen obskure romulanische Energiefelder oder klingonische Schutzschirme knacken.

In der Esoterik ist Vasati auch nichts Neues, früher war das wohl Feng Shui oder Wasseradern (wer hat nicht früher sein Bett verschoben, weil es auf einer Wasserader oder einer Ley-Linie lag?). Also sollte man aufgeben, Kulturen auf ihre esoterischen Rezepte zu überprüfen und einfach nur noch als neu verkaufen, was früher schon ging. „Junger Wein in alten Schläuchen“ nennt das Sprichwort das. Hier also meine „Junger Wein-Auswürfeltabelle“, für die man nur zwei sechsseitige Würfel braucht. Ich möchte gerne am Gewinn aus dem Verkauf so entworfener Artikel mit drei Prozent beteiligt werden ...

Einfach für jede Spalte einmal mit den Würfeln werfen, das entsprechende Wort herausschreiben und das Ergebnis nachher über das Internet verkaufen.

 

Würfel-

Wurf

Wirkung

Herkunft

Material

Gegenstand

2

Aufbauende

atlantische

Asteroiden-Metall-

Essenzen[1]

3

Beruhigende

außerirdische

beinerne

Kugeln

4

Energetisierende

australische[2]

bio-dynamisch-pflanzliche

Plättchen

5

Erotisierende

aztekische

energetisierte[3]

Pyramiden

6

Heilende

chinesische

feinstoffliche[4]

Quader

7

Kräftigende

indianische[5]

Himalaya-Salz

Räucherung

8

Reinigende

indische[6]

hölzerne

Tabletten

9

Verhütende

japanische

lederne

Tetraeder

10

Verjüngende

schwarz-afrikanische

solare[7]

Tränke

11

Verletzende[8]

sorbische

steinerne

Tücher

12

Vitalisierende

tibetische

Wasser-programmierte[9]

Zerstäuber

 

So, ich mache Schluss. Ich will noch schnell die Domain www.Beruhigende-sorbische-Himalaya-Salz-Essenzen.de erwerben.

 

Frohes Ostara!

Dein Homo Magi

 

Schneller als das Licht!

 

Hallo Salamander,

 

eines der schönsten pseudo-physikalischen Esoterik-Projekte der letzten Jahre hat mit dem Wort „Tachyonen“ zu tun. Ähnlich wie beim Orgon weiß hier niemand ganz genau, was es ist, aber es scheint gegen alles zu helfen (wobei ich anmerken muss, dass ich beim Orgon wenigstens den Eindruck habe, dass es dazu eine umfassende Theorie gab, als Wilhelm Reich noch die Kontrolle über Begriff und Auswirkungen hatte).

 

Kürzlich stieß ich in einem Katalog auf wunderbare Tachyon-Angebote, die ich nicht verstand. Ich bin kein Physiker, daher habe ich mir die Erläuterung auch besorgen müssen (aus www.net-lexikon.de/Tachyon.html). Also:

Tachyonen (von griechisch tachýs- »schnell-«) sind hypothetische Elementarteilchen, die schneller als die Lichtgeschwindigkeit sind. Diese Elementarteilchen werden als superluminar bezeichnet.“

Bilaniuk, Deshpande und Sudarshan wiesen 1962 darauf hin, dass es für die Gleichungen der speziellen Relativitätstheorie mehrere Lösungsmöglichkeiten gibt. Eine davon entspricht der ganz normalen Materie, die sich mit Unterlichtgeschwindigkeit bewegt. Eine andere würde Teilchen erlauben, die sich ständig mit Überlichtgeschwindigkeit bewegen und niemals bis auf Lichtgeschwindigkeit abgebremst werden können. Die Tatsache allein, dass es diese mathematische Lösungsmöglichkeit für die Gleichungen gibt, bedeutet jedoch nicht, dass Tachyonen auch real existieren müssen (...).“

Die Welt wird moderner, unsere Technik schreitet voran und auch die esoterischen Angebinde müssen sich dieser Entwicklung anpassen. Wer also sein Wasser nicht verwirbeln, seine Wäsche nicht magnetisieren und sein eigenes Urin nicht trinken will, der hat hier die Möglichkeit, ohne allzu starke soziale Auffälligkeiten beim Tachyon aktiv zu werden.

Das Tachyon ist so wunderbar einsetzbar, weil an keiner Stelle vom Leser/Benutzer die Information verlangt wird, wie das Tachyon (die Tachyon?) in das Produkt kommt. Anders sind Angebote wie „Tachyon Armbänder“ („Energetisierend und ausgleichend, eigenen sich die Armbänder besonders für Sportler, Therapeuten und alle, die verstärkt mit den Händen arbeiten.“ – die anderen arbeiten wahrscheinlich mit Füßen und Zunge) und „Tachyonisierte Bandagen“ („[...] leiten die Lebensenergie in die entsprechenden Körperregionen [...]“) nicht zu erklären.

Für knapp 70 Euro erhält man auch die „Silica Disc“ – „Vielseitig einsetzbar und bewährt zur Ablenkung von Störfeld-Energie an Sicherungskästen, Computern, Schlafstätten oder zum Aufladen von Wasser oder Lebensmittel.“ Halt mal! Erstens wirkt dieses Wunderding gleichzeitig zur Ablenkung von Energie und andererseits zum Aufladen mit Energie. Nicht einmal das Raumschiff Enterprise verfügte über diese beeindruckenden Geräte! Und woher soll die Störfeld-Energie kommen, die sich gegen Sicherungen und Matratzen (siehe oben) zu richten scheint? Oder sind diese Gegenstände/Orte so wichtig, dass man sie primär schützen muss (wer verteidigt mein WC?)? Und wenn ich mein Wasser auflade – kriege ich dann nicht jedes Mal beim Trinken einen Stromschlag in die Lippen? Mir erscheint das sehr dubios.

Von den Mengen an Massage-, Feuchtigkeits- und sonstigen Cremes mit dem Zusatz „Tachyon“ will ich nicht lange reden. Da wird man nicht braun, wenn man die einreibt (oder ist die Sonne kein „Umwelteinfluss“ auf unsere Zellen, vor dem man dann sicher geschützt wäre?), die Haut bekommt neue Spannkraft (tut das nicht weh, wenn sich die Haut über den Kiefern spannt?) und neue Energie (wo geht die alte Energie hin?), das Haar wächst wieder nach und wenn ich mir noch Kieselsäure samt Tachyonen (Verkaufszitat: „flüssiger Bergkristall“, das lasse ich wohl am besten unkommentiert stehen) in den Hals kippe, dann fördert das die „Ausscheidung von alten Ablagerungen“.

Möchte ich das? Möchte meine Umwelt das? Möchte die Tachyonen das?

Aber das Internet wusste Antwort, nämlich die oben zitierte Netzadresse:

„In der Esoterik werden Tachyonen Heilwirkungen zugeschrieben, und es werden sogar Produkte angeboten, die mit Tachyonen-Energie aufgeladen sein sollen. Was auch immer die Esoteriker darunter verstehen, mit Tachyonen im physikalischen Sinn hat das nichts zu tun.“

Dann doch lieber flüssiger Bergkristall ... Brrr.

 

Dein Homo Magi

 

Die Welt will belogen werden ...

 

Hallo Salamander,

 

Du scheinst Dich ja über meine Äußerungen zum Thema „esoterische Vermarktung“ gut amüsiert zu haben. So gut, dass ich noch einen nachschiebe.

 

Wie du ja sicherlich weißt, leben wir esoterisch im Dämmer- oder Zwielicht, unter uns die Dunkelheit, über uns das Licht. Wie anders ist die Werbung „Dein Aufstieg ins Licht“ zu erklären? Angeboten werden für über zwanzig Euro „Lichtkörper-Essenzen“, die dein Leben bei unterschiedlichen Themen heilen und perfektionieren sollen.

Die Grundlage ist hier – wie so oft – strikt wissenschaftlich (!): „Die mittlerweile auch von Wissenschaftlern anerkannte Schwingungserhöhung der Erde und ihrer Bewohner hat nicht nur Auswirkungen auf das Bewusstsein des Menschen, sondern transformiert auch seinen physischen Körper.“

Natürlich bin ich sofort ins Internet, um das zu überprüfen. Bei www.google.de gibt das Stichwort „Schwingungserhöhung“ 475 Treffer, die Suchbegriffe „Schwingungserhöhung“ und „Wissenschaft“ gemeinsam ergeben 98 Treffer. Dort habe ich mich dann ein wenig umgeschaut.

Schuld an allen ist scheinbar Erzengel Ariel, der sich unter anderem auch auf www.roypanther.de/Transformation/transformation.html wiederfindet. Grundlage der Veränderung sind Energien, welche die Eigenschwingung der Erde verändern. Man ist sich wohl nicht ganz einig, wie die Schwingung verändert wird. Auf www.nenergetics.com/nenergetics/name.html durfte ich folgendes erfahren:

„Seit einiger Zeit strömen neue hochfrequente Energien auf die Erde, die uns auffordern und einladen, wieder in die Mitte zurückzukehren, indem sie alles Polare, alles, was dieser Schwingung aus der Mitte nicht entspricht, aktivieren und sichtbar machen. Sie bewirken eine Schwingungserhöhung der Erde, was eine Schwingungserhöhung des Menschen zur Folge hat, da der Mensch im Einklang mit der Erde schwingt. So hat sich die Resonanzfrequenz der Erde nachweislich von 7,8 Hz auf 11,5 Hz erhöht.

Um mit diesen neuen Energien zurechtzukommen, sie zu integrieren und auch optimal zu nutzen, bedarf es auch neuer Methoden des Umgangs und des Ausdrucks. D.h. neue Möglichkeiten, diese Energien auf der physischen Ebene umzusetzen und neue Wege, sich mit diesen Energien zu verbinden.“

Aha, wir schwingen also alle. Da klingt „swinging London“ doch gleich ganz anders. Aber natürlich sind Erzengel da besser informiert. Unter www.roypanther.de/Transformation/Info_Internet/S-Frequenz/s-frequenz.html liest man:

„Die Schumann-Frequenz (SF), welche bis 1987 ca. 7,83 Hertz betrug, beträgt inzwischen nach Messungen vieler Wissenschaftler 9 Hertz. Das Seismologische Institut Caltech in Colorado soll sogar schon 11,2 Hertz gemessen haben. Die SF ist die Basis Frequenz (base resonant frequency) der Erde. Sie war auch bis 1958 allgemein bekannt und in Büchern nachlesbar, woraus sie seit damals allerdings verschwand. Da sie die einzige wirkliche Konstante der Erde ist, wollte das Militär sie für sich alleine nutzen, um so einen wissenschaftlichen Vorsprung vor allen unabhängigen Instituten zu erringen. An sich ist es eine Frequenz, die jeder nachmessen könnte. Einige Informationen findet man eventuell noch in Bibliotheken, in Lexika und Physikbüchem [sic] der 50er Jahre. Die starke Erhöhung dieser Frequenz in den letzten Jahren hat natürlich auch Auswirkungen auf den menschlichen Körper und sein Bewusstsein. Wissenschaftler haben bereits völlig neue Elemente im Körper des Menschen gefunden. Noch ist völlig offen, was diese Erhöhung alles mit sich bringen wird. Für die geistige Welt ist klar, dass es die Boten eines neuen Morgen mit erwachten Menschen sind. (aus »Der Sommerwind«, 2/96, S.23)“

Beeindruckend. Ich dachte immer, SF stände für „Science Fiction“, aber darum scheint es hier ja auch zu gehen. „Wissenschaftler haben bereits völlig neue Elemente im Körper des Menschen gefunden.“ Aha. Das Periodensystem der Elemente wird ja andauernd erweitert, aber die gefundenen neuen Elemente sind alle instabil und radioaktiv. Möchte ich, dass die in meinem Körper gefunden werden?

Und diese Frequenz ist so geheim, dass der Begriff „Schumann Frequenz“ bei Google über 2000 Hits erzeugt, von denen der allererste (www.discovery.de/de/pub/specials/wetterextrem/lexikon/schumann_frequenz.htm) der Geheimhaltung sofort widerspricht, da der „Discovery Channel“ nicht als geheime Militärsendung zu werten sein dürfte. Dort liest man:

„Die Schumann-Frequenz

Anfang der 50er Jahre stellte der Münchener Physikprofessor Winfried Otto Schumann fest, dass die Erdoberfläche und die obere Atmosphäre – die so genannte Ionosphäre – einen Kugelkondensator bilden. Die Eigenfrequenz dieses natürlichen Speichermediums für elektrische Ladung liegt im Bereich extrem niederfrequenter Wellen knapp unter 10 Hertz. Man spricht auch von ELF-Wellen (extremely low frequency).

Die Erdresonanzfrequenz

Schumanns damaliger Doktorand Herbert König stellte umfangreiche Messungen an und konnte den exakten Wert dieser Erdresonanzfrequenz bei 7,83 Hertz festmachen. Dieser Wert wird in der Wissenschaft seither allgemein als Schumann-Frequenz bezeichnet.

Die Erdatmosphäre

Immer, wenn es irgendwo auf der Welt gewittert, sendet jeder Blitz eine niederfrequente Radiowelle exakt dieser Frequenz von 7,83 Hertz aus. Die Erde ist zu dieser Frequenz resonanzfähig. Deshalb bleiben derartige Wellen außerordentlich stabil. Sie können rund um die Erde gewaltige Wellenpakete bilden, deren Amplitude bis in die Ionosphäre – zwischen 60 und 1000 Kilometern Höhe – reichen kann. Die Wellenlänge dieser Wellen ist aufgrund der geringen Frequenz ebenfalls enorm und beträgt etwa 38.000 Kilometer. Sie hat also fast die gleiche Länge wie der Umfang der Erde.

Die Schumann-Wellen und das Wetter

Sobald sich Schumann-Wellen durch Resonanz bis zu einer genügenden Intensität hochgeschaukelt haben, können sie gigantische Wellenfronten bilden. An ihnen prallen Hoch- oder Tiefdruckgebiete einfach ab. Auf diese Weise bleiben sie lange Zeit ortsfest. Die Folgen: In der betroffenen Region kommt es entweder zu einer langanhaltenden Dürre oder zu wolkenbruchartigen Regenfällen und Überschwemmungen. Manche Wissenschaftler sind auch der Meinung, dass Schumann-Wellen einen Einfluss auf das Klimaphänomen El Niño haben.“

Also: Eine Frequenz, die scheinbar geheim ist, aber überall im Internet nachgelesen werden kann, beeinflusst nicht nur Wetter und Blitze, sondern transformiert auch das menschliche Sein und Bewusstsein. Ariel, der scheinbar eine Art Wetter-Erzengel ist, weiß auch genau, was zu tun ist: „Ariel gibt uns Werkzeuge, Techniken und kraftvolle Invokationen, die uns in dieser Zeit des Übergangs helfen. Die Lichtkörper-Essenzen sind energetisiert von verschiedenen Mitgliedern des Council of Ein Soph und sind pure Frequenz, beziehungsweise Energieträger. Das Council energetisiert destilliertes Wasser durch intensive Klänge und verankert die Frequenzen im Trägermaterial. Das Council beschützt diese Frequenzen und pflegt deren Reinheit.“

Ein „Council of Ein Soph“ beschützt und pflegt Frequenzen? Weiß das mein Autoradio, das gerne die Frequenz meiner Lieblingssender verliert? Oder habe ich einfach zu wenig Kontakt zu Erzengeln (aber ich kenne einen Erzherzog – hilft das?).

Die Suchworte „Council of Ein Soph“ ergeben über 300 Treffer bei Google. Gleich Nummer 1 (und mein Liebling) ist folgende Erklärung aus www.alchemicalmage.com/aboutUs.htm:

“The Council of Ein Soph is a group of 72 higher-dimensional beings of Light who are responsible for coordinating ascension processes across universes and dimensions. Represented in the Council are members of the Angelic and Elohim Realms, as well as representatives from the Office of the Christ and the Office of the Divine Mother.

Archangels Ariel and Michael, the Merlin, Kwan Yin and Sananda are among the members of the Council. As representatives of the Council of Ein Soph, Alchemical Mage, in co-creation with the Council, is continually bringing forth new tools and technologies to assist with the ascension process.”

Juhu! Eine inter-dimensionale und inter-universelle Arbeitsgruppe von christlichen Engeln, keltischen Zauberern und anderen wird von einer Gruppe repräsentiert, die sich alchemistische Magier nennt.

Und was kann man da kaufen? Die Essenz „Divine Mother“ hilft bei „kosmischem Heimweh“, „Ecstasy“ „[ö]ffnet alle Körper für die Fähigkeit, göttliche Ekstase zu empfinden“, „Fire of Purpose“ ist für Menschen hilfreich, „die Probleme mit mutationsbedingter Müdigkeit haben“, „Mystical Articulaton“ „[g]ibt Zugang zu Lichtsprachen“ und „Planetary Service“ ist für „Menschen, die mit Planeten (...), Landmassen oder anderen großen Dingen arbeiten“.

Hey, was macht man, wenn man weder wie E.T. kosmisches Heimweh hat, noch will, dass der eigene Gitarren-Klangkörper Ekstase empfindet, der zwar müde ist, aber nicht wegen seiner Mutationen, der sich weiterhin hörbar und nicht in Lichtsprachen unterhalten will oder der im Moment keine Zeit hat, um mit Madagaskar oder anderen Landmassen zu arbeiten?

Aber andersherum: Was soll man auch von einer Erzengel-Figur erwarten, die für eine Universen-übergreifende Agentur arbeitet, welche Veränderungen auf der Erde vom Wetter abhängig macht und Essenzen für über 20 Euro unters Volk bringt, die keinem wirklich helfen?

Aber eines habe ich über Erzengel gelernt: Sie hören gerne Soul. Wie anders ist eine Essenz namens „Love Potion #9“ zu erklären, wenn nicht als Zitat des alten „The Clovers“-Hits „Love Potion No. 9“ (eventuell bekannt aus „American Graffitti“ – schauen die so was im Überraum?).

 

Ich muss los, ein wenig mit Landmassen arbeiten.

 

Dein Homo Magi

 

Die Zerrissenheit des Beobachteten

 

Hallo Salamander,

 

letztes Wochenende war Beltaine. Und wie immer zu solchen Terminen (wobei ich gerne zugebe, dass sich besonders Samhain und Beltaine dafür eignen) fange ich an darüber nachzudenken, wer ich bin, was ich bin und was ich hier eigentlich will.

In Bezug auf dich und mich ist die Situation noch ein wenig spannender. Wir zwei haben einen Briefkontakt, der von Menschen gelesen wird. Diese Menschen dort draußen lesen mich, beobachten meinen Standpunkt, kommentieren das, was ich von mir gebe oder lassen es bleiben. Sie haben diese Option, denn sie sind Leser, nicht eingebunden in meinen Schaffensprozess aber Nutznießer davon, dass ich mich äußere.

Dafür bin ich auch nicht erpressbar: Ich bekomme nichts für meine Arbeit und bin von daher nicht zu zwingen, sie unter bestimmten Vorbedingungen zu erfüllen. Eine angenehme Situation.

Aber das letzte Jahr war aus verschiedenen Gründen anstrengend für mich. Nicht nur Ärger im Heidentum (ich nehme an, dass Du, genauso wie der eine oder andere davon gehört haben könnte, dass das deutsche Heidentum mitnichten Wolle-Wonne-Waschtrog ist, sondern sich an diversen, zum Teil künstlich gezogenen Linien immer wieder in die Haare bekommt, soweit welche vorhanden sind), sondern auch Stress auf der Arbeit (auch mein Arbeitgeber und meine Kollegen sind davon betroffen, dass in Deutschland immer weniger Geld für Arbeit bezahlt wird, immer weniger Arbeit vorhanden ist und die Ansprüche immer höher werden), einige Probleme in meiner Familie und so weiter und so fort.

Manchmal scheint mir, als habe das Schicksal auf weiter Front seine Pforten geöffnet und sich gedacht „Hey, da steht noch einer, dem haben wir noch nicht die volle Packung zukommen lassen!“ Und so prasselt vom Firmament Schlag auf Schlag auf mich herab, und immer dann, wenn ich denke, ich hätte etwas abgearbeitet, öffnet sich eine weitere Schleuse und erneut rieselt Gülle auf mich herab.

Ein wundervolles Bild, ich weiß, aber so fühle ich mich manchmal. Weniger wie ein strahlender Held aus nordischen Mythen, der kraftstrotzend durch Feuerringe springt und Drachen erschlägt, sondern ein wenig wie Schildträger Nummer 82.347, der im großen Ragnarök jeden Morgen in Minute 28 stirbt, um dann am nächsten Morgen wiedergeboren zu werden. Eine packende Aussicht, die mich nicht wirklich erfreuen würde.

Aber ich lebe noch. Und wo Leben ist, da ist Hoffnung. Aber manchmal fällt es mir schon verdammt schwer, mir jede Woche einen Text aus den Rippen zu schnitzen. Manchmal fließt die Inspiration und es ist kein Problem, drei Seiten mit Worten zu füllen. Manchmal sind aber auch die Bilder meiner Imagination verschwommen, es fällt mir dann schwer, mich überhaupt vernünftig zu äußern.

Ist es nicht genau das, was ich wollte? „Keine Lügen mehr“, das war eigentlich mein Motto, als ich hier begann. Ja, ich will zeigen, was ich bin und wer ich bin. Aber diese Festlegung auf ein Forum, eben die Veröffentlichung dieser Briefe unter einem bestimmten Oberthema (nein, das lautet weder „Sexuelle Praktiken“ noch „Ratgeber zur Erdbeerzucht“) führt zu einer Verengung meines Spektrums.

 

An mir gibt es einige Dinge, auf die ich stolz bin und die sich völlig außerhalb des heidnischen Rahmens befinden. Ich bin ein erstaunlich guter Kindervorleser, rezitiere und singe gerne (deutsche Lyrik), kann mich stundenlang mit Brettspielen beschäftigen, esse gerne indisch, sitze gerne in Cafes und rede, lausche dem Geräusch des Regens auf Flachdächern, liebe den Geruch von frisch gemähtem Gras, habe ein erstaunlich nutzloses Wissen über Musik der 60er und 70er, kann die meisten Comicfiguren samt Hintergrundgeschichte herunterbeten (wenn sie älter als zehn Jahre sind, okay), habe viele deutsche Schwarzweiß-Filme viel zu oft gesehen, lese Krimis der viktorianischen Ära und liebe alle Elvis-Filme.

 

Manchmal fühle ich mich hier reduziert.

Wenn es mir gut geht, wenn es mir schlecht geht – ich muss schreiben. Im Moment bin ich mal wieder vom Leben sehr müde. Ich spüre, dass ich gereizt bin, dass ich müde bin, dass ich erschöpft bin – aber leider fällt mir nicht ein, was ich dagegen sinnvollerweise unternehmen könnte. Das Leben ist so, wie es ist, und mir bleibt nur, mein Leben so angenehm wie möglich zu gestalten und auf Besserung meiner Situation (und der Weltsituation ...) zu hoffen.

Mich hier zu äußern, Dinge auszubreiten führt dazu, dass ich einige meiner Gedanken äußern kann, einige meiner Ideen formulieren muss, was mir hilft, sie handhabbar zu machen. Die Schreiberei macht es mir einfacher, meine Gedanken ruhig zu analysieren und meine Gefühle zu betrachten. Die Schreiberei ist wie eine Zauberkugel, in welcher der Schnee fällt, wenn man sie auf den Kopf stellt. Eine Kugel, die ich betrachten und genießen kann, weil sie dem Blick immer wieder neue Facetten zeigt.

 

Es war Beltaine. Ich bin müde. Manchmal frage ich mich, ob es Sinn macht, weiter zu schreiben. Und manchmal frage ich mich auch, ob es richtig ist, zu schreiben. Ich habe meine Fehler, leider. Ich versuche, sie im Griff zu behalten. Doch das ist leider nur einfach, wenn es mir ganz toll geht. Umso grauer die Welt wird, umso lauter heulen die schlechten Angewohnheiten an ihren Ketten und wünschen, dass ich sie loslasse. Manchmal entgleiten sie mir und ich frage mich, warum ich das alles tue, wenn ich nicht einmal DAS hinkriege. Aber dann fällt mir wieder die Schreiberei ein. Und du.

Für einen Menschen zu schreiben ist tausend Mal besser als für keinen Menschen zu schreiben. Sich einem Menschen zu erklären ist tausend Mal besser als sich keinem Menschen zu erklären.

 

Magie heißt auch, die eigenen Stärken zu kennen, um die eigenen Schwächen zu wissen und zu versuchen, ein Leben zu führen, dass die Stärken nutzt und die Schwächen vermeidet.

Magie heißt auch, zu lernen, ein ganzes Leben lang zu lernen. Das man dabei Fehler macht, ist klar. Aber wer lernt, bewegt sich und wer sich bewegt, der lebt.

Magie heißt für mich auch, das Leben erfüllter zu gestalten. Ich versuche es. Zwar finde ich im Grau keine Erfüllung, aber das Grau ist Teil des Lebens, damit ich das Bunte besser genießen kann.

 

Es war Beltaine. Es wird wieder Beltaine sein. Ich denke an das Feuer, denke an die Flammen, denke an den Rauch, denke an die Asche und vergesse nicht.

 

Dein Homo Magi

 

Der Klang der intergalaktischen Kuh

 

Hallo Salamander,

 

manchmal stolpert man über ein Buch und man weiß, dass einem das eigene (!) Geld dafür viel zu schade ist. Daher werde ich jetzt einfach dich überreden, mir das Buch zu kaufen und zuzuschicken (kein Problem mit amazon.de, ich nehme auch gerne die Geschenkverpackung), weil ich mich weigere, es zu finanzieren.

 

Aber hier erst einmal die Hintergründe. In einem Katalog des Koha-Verlags (www.koha-verlag.de) fand ich eine Anpreisung für „Die Hathor-Zivilisation“ von Tom Kenyon und Virgiane Essene.

Hathor sagte mir doch etwas. Dank Wikipedia (de.wikipedia.org/wiki/Hathor) gelang es mir dann auch ganz schnell, mein Wissen aufzufrischen:

„Hathor war in der ägyptischen Mythologie die Göttin der Liebe. Sie war die Gemahlin des Horus. Ihr Symboltier war die Kuh, als welche sie des öfteren dargestellt wurde. Ihr mythologischer Ursprung wird wie folgt beschrieben:

Ra öffnet im Inneren des Lotus seine Augen in dem Moment, in dem er das Urchaos verließ. In seinen Augen bildete sich eine Flüssigkeit, die zu Boden fiel: Sie verwandelte sich in eine schöne Frau, der man den Namen »Gold der Götter, Hathor die Große, Herrin von Dendera« gab.

Der zweite Tempel von Abu Simbel, erbaut von Ramses II. für seine Frau Nefertari, war Hathor geweiht, ebenso wie der Tempel von Dendera.

In der griechischen Mythologie war Aphrodite das Pendant der Hathor.

Hathor ist die Göttin des Westens.“

Das klang aber ganz anders als die Anpreisung im Katalog:

„Die Hathoren sind die Meister der Liebe und des Klangs der aufgestiegenen intergalaktischen Zivilisation. Sie lebten im alten Ägypten und in Tibet. Jetzt kommen sie als unsere älteren Brüder und Schwestern, um uns in der gegenwärtigen Phase der Evolution beizustehen.“

Ägypten und Tibet? Intergalaktischer Klang? Evolutions-Phase?

Also war ein weiterer Blick ins Internet angebracht, der Klärung bringen sollte. Unter www.michaelsverlag.de/index.php?action=info&art_id=188 fand ich folgenden Werbetext für das Buch:

„Wir sind die Hathoren ... Meister der Liebe und des Sounds von der aufgestiegenen, intergalaktischen Zivilisation. Wir waren im alten Ägypten und Tibet und sind zurückgekommen, um der gegenwärtigen Evolution beizuwohnen. Unsere gechannelten Botschaften helfen euch dabei, Techniken zu erwerben, durch die euer Körper optimal energetisiert und offen für höhere Bewusstseinszustände wird, zu wissen, wann eure Heilenergie in vollkommenem spirituellen Einklang steht, einzuschätzen, wo ihr euch mit eurem Wachstum in den vier wesentlichen Bereichen befindet, die das Fundament einer jeden Höherentwicklung bilden, die wahre Bedeutung eurer DNA-Umstukturierung und Helix-Transformation zu verstehen, auszumachen, wo ihr euren eigenen kritischen Dreh- und Angelpunkt erreicht, die tatsächliche Bedeutung des Phänomens Photonengürtel zu begreifen, bislang verborgen gehaltene Erdgeschichte zu entdecken. Wenn ihr so weit seid, eine neue Welt zu bauen, laden wir euch ein, mit uns auf eine Reise des Geistes und des Herzens zu kommen.“[10]

Ägypten und Tibet? Intergalaktischer Klang? Evolutions-Phase?

Und jetzt noch Körper-Energetisierung? DNA-Umstrukturierung? Photonengürtel? Verborgene Erdgeschichte?

Wir vergessen die Themen mal nicht, sondern wenden uns den Verfassern zu. Zu Tom Kenyon fand ich eine Selbstvorstellung unter www.adonai.de/ak000928.html:

Er ist bekannt als Buchautor des Buches »Die Hathor Zivilisation« und als Schöpfer der Gandharva-Experience und des El Ka Lim Om Mantras. Er ist ausgebildeter Psychotherapeut und Spezialist im Bereich Heilung und Transformation durch Klang und hat in diesem Bereich mehrere Bücher und Musikprodukte veröffentlicht. Seine Werke erhalten ihre besondere Qualität durch seine direkte Verbindung zum Hathor-Bewusstsein, der Wesen von der Venus, die in den Tempeln Ägyptens (typisch mit Kuhohren) abgebildet sind.“

Ägypten und Tibet? Intergalaktischer Klang? Evolutions-Phase? Körper-Energetisierung? DNA-Umstrukturierung? Photonengürtel? Verborgene Erdgeschichte?

Und dazu Tempel mit Kuhohren und El Ka Lim Om?

 

Manche Dinge sind so irre, dass ich sie überhaupt nicht kommentieren muss. Kauf mir das Buch! Schicke es mir! Spüre meine Gedanken! Denn nur ich kann dich vor den Gefahren des Photonengürtels (nein, ich habe das nicht vergessen) retten.

Dazu folgende wichtige Hinweise, die ich aus homepages.compuserve.de/horstweyrich2/photon.htm entnommen habe:

„Mediale Durchsage vom 10. März 1996

Liebe Erdenschwestern und Erdenbrüder!

Heute möchte ich mit euch folgendes besprechen: Viele von euch haben sich bereits intensiv mit dem sich der Erde nähernden Photonenring beschäftigt. Der Photonenring oder -gürtel ist ein Lichtring, der bei seiner Verbindung mit der Erde diese in eine höhere Schwingungsdimension bringen wird. Konkret bedeutet dies, dass mit dem Zusammentreffen dieses Lichtringes mit der Erde der vielbesprochene Dimensionswechsel eingeleitet wird. (...)

Tatsache ist, dass dieses Ereignis von einer verstärkten Ausstrahlung des Nordlichtes, der Aurora Borealis, begleitet sein wird. Durch den Photonenring, dessen Einstrahlungen bereits bemerkbar sind, wird eure neue DNS-Struktur, die in eine 12-er DNS-Struktur umgewandelt werden wird, aktiviert. Die noch unverbundenen Lichtfäden werden neu zusammengefügt und energetisiert werden. Manche von euch sind bereits mit dieser neuen kosmischen Genetik auf diesem Planeten inkarniert. Das heißt, statt mit der meist üblichen 2er-Helix sind sie bereits mit 12er-Helix geboren, die nunmehr aktiviert werden.

Beim Dimensionswechsel eures Planeten werden alle Erdbewohner eine neue erweiterte DNS-Struktur erhalten. Vor nahezu einer halben Million Jahre wurden eure von Gott vorgesehenen 12er-Helix in eine 2er-Helix umgewandelt durch meisterhafte Gen-Manipulatoren, die sich an ihrer schöpferischen Macht zu berauschen begannen. Sie kamen von anderen Sonnensystemen zu euch, um sich eures Planeten zu bemächtigen. Auch damals fand ein Kampf zwischen lichten und dunklen Kräften statt. Dadurch sollte der Grundstein für eine Jahrtausende anhaltende Unterdrückung und Manipulation der Erdenmenschheit gewährleistet werden und eine Frequenzbeschleunigung gestoppt werden.

Die euren Planeten beherrschenden Kräfte haben natürlich immer noch ein Interesse daran, diesen Zustand aufrecht zu erhalten. Eure Gen-Forscher haben bereits angefangen, mit Neuschöpfungen menschlicher Spezies zu experimentieren, die euch einen Schauder des Entsetzens einjagen würden. Auch hier gilt: Man darf nicht ohne Liebe und Ehrfurcht mit dem Leben umgehen, da dies der größte Frevel an Gott selbst ist!

Da eure Erde und dieses gesamte Universum von Gott als Geschenk den freien Willen bekommen hat, um verschiedene Möglichkeiten des Wachstums auszuprobieren, durften diese Dinge geschehen. Das bedeutet jedoch nicht, dass Gott Zuwiderhandlungen an Seiner Schöpfung tatenlos zusieht. Das karmische Gesetz ist bei alldem in Kraft und zeigt bei den Urhebern seine Auswirkung. Leider kann ich in dieser kurzen Form meiner Mitteilungen das Wesentliche nur kurz streifen.

Haltet euch offen für die vielen Veränderungen, die auf euch zukommen! Unterstützt diesen Prozess durch bewusstes, tiefes Atmen, ausreichenden Schlaf, vermehrtes Trinken von Wasser, denn Wasser ist wie eine Steigleiter für eure Frequenzerhöhung und hilft die in euch verschlüsselten Codes zu dechiffrieren. Das einströmende Licht des Photonenrings wird auch eure Molekularstruktur neu ordnen, wenn ihr dies zulasst. Euer Lichtkörper, der euren physischen, emotionalen, mentalen und spirituellen Körper verbindet, wird ebenfalls aktiviert durch euer bewusstes Heraustreten aus eurem mentalen Gefängnis, das euch viel zu lange erlaubte, euch als Opfer und hilflose Werkzeuge dunkler Mächte zu begreifen. (...)

Da auch eure Wissenschaftler bereits von dem sich nähernden Photonenring berichtet haben, soll nun versucht werden, euch in Angst und Panik zu versetzen. Richtig ist, dass es bei dieser Annäherung des Lichtringes zu starken Schwankungen in eurer Stromversorgung kommen wird und sich das elektromagnetische Schwingungsfeld der Erde verändert. Dies wird zur Folge haben, dass eure Radargeräte nicht mehr mit der gewohnten Präzision funktionieren und eure elektronischen Messgeräte im Flugbetrieb nicht mehr zuverlässig sind. (...)

Wir werden euch in der nächsten Zeit noch öfter über den Photonenring berichten. Glaubt jedoch bitte nicht, dass physisches Leben noch möglich sein wird, wenn der Photonenring mit eurer Erde endgültig verschmilzt und vorübergehend Eiszeittemperaturen herrschen werden, begleitet von einem vollkommenen Stromausfall und 48 Stunden vollkommener Finsternis. (...)

GOTT lässt SEINE Kinder nicht im Stich!

Bevor die angekündigten Ereignisse sich in ihrer vollen Gewalt ausbreiten, werden wir für diejenigen, die sich dazu entschlossen haben, die Emporhebung im physischen Körper vornehmen. Wie ich euch bereits versichert habe, steht bei uns alles bereit, um euch als vorübergehende Gäste bei uns aufzunehmen und mit all unserer Liebe zu versorgen, mit allem, was ihr braucht und weit über dieses Maß hinaus. (...)

Ich danke euch allen und grüße euch mit einem liebevollen GOTT ZUM GRUSS UND FRIEDE IN EUREN HERZEN FRIEDE ÜBER ALLE GRENZEN.

Dies sagt euch euer älterer Sternenbruder Ashtar Sheran im Namen seiner Sternenschwestern und Sternenbrüder.“

„Mediale Durchsage vom 25. März 1996

Liebe Erdenschwestern und Erdenbrüder!

Wie ich bereits angekündigt habe, werde ich in der nächsten Zeit noch mehrere Male auf die Auswirkungen des Photonen-Gürtels eingehen. (...)

Stellt euch das so vor, als ob die Erde von oben ständig stark elektrisiert würde, aber die untere Dichtigkeit[11] diese Irritation nicht genügend abfangen kann und mit Beben reagiert. Da die Erdkruste weitgehendst erschöpft, an vielen Stellen bereits sehr brüchig und an verschiedenen Stellen im Pazifik kurz vor dem Reißen ist, sind die Erschütterungen nicht mehr aufzuhalten. (...)

Zur Unterstützung dieses Prozesses werden sich die Polachsen verschieben, und die Erde wird sich um ihre eigene Achse drehen. Durch diesen gewaltigen Ruck schleudert die Erde alten Ballast ab und ist dadurch wesentlich schneller in der Lage sich zu regenerieren. Dabei wird ihr auch in entscheidendem Maße der Photonen-Gürtel helfen.

Das gesamte Gravitationsfeld der Erde wird sich verändern, ebenso die aurische Hülle der Erde. Wenn dieser Prozess der Verschmelzung der Erde mit diesem Lichtgürtel abgeschlossen ist, (...) ist die Erde endgültig in eine höhere Dimension eingetreten, in die fünfte.

Warum geht die Erde von der 3. in die 5. Dimension?

Weil die Erde in ihrem Sonnensystem eine Nachzüglerin ist. Aufgrund der Tatsache, dass die Erdenmenschheit zu lange ein Domizil für den Negativen war und immer noch ist, konnte sie zur vorgesehenen Zeit den Dimensionswechsel in die 4. Dimension nicht vollziehen. Er wurde systematisch verhindert durch eine zunehmende Verdunkelung der Menschheit auf diesem Planeten.

Da alle Schwesterplaneten, außer Pluto, bereits in der 4. Dimension sind und auch jetzt einen Dimensionswechsel vollziehen, wird die Erde einen größeren Dimensionssprung machen müssen. (...)

Wir wiederholen hiermit noch einmal: dass die Evakuierung in allernächster Zukunft Realität sein wird und sie von der gesamten Interplanetarischen Konföderation, in der zwanzig verschiedene Sonnensysteme dienen, d. h. 141 Planeten, durchgeführt wird.

(...) Darum bittet euch euer Sternenbruder Ashtar Sheran im Namen seiner Sternenschwestern und Sternenbrüder FRIEDE IN EUREN HERZEN FRIEDE ÜBER ALLE GRENZEN.“[12]

 

Kleiner Lurch, wenn du nicht willst, dass wir auf 141 Planeten evakuiert werden, weil die Erde in eine andere Dimension verschwindet (hoffentlich, bevor die Erdkruste aufreißt), dann muss ich mit der Kraft der Kuhtempel, dem intergalaktischen Klang und der Kraft der Hathoren den Photonengürtel besiegen. Das kann ich natürlich nur, wenn du mir das Buch schenkst.

Anderenfalls bist du ab jetzt an allen Erdbeben (!), Stromausfall, sexueller Perversion und Gewaltverbrechen schuld.

 

Möge der Klang der intergalaktischen Kuh dich schützen!

Muh! Muh! Muh!

 

Dein Homo Magi

 

Hölzerne Jungen

 

Hallo Salamander,

 

letzte Woche war ich einen Vortrag auf einem Kongress besuchen. Ich sage es gleich: Es ging um „Pinocchio“ von Carlo Collodi. Aber es war schon erstaunlich, welchen Bogen der Vortrag und dann die Diskussion geschlagen haben.

Auf den ersten Blick hat „Pinocchio“ wenig mit Magie oder Heidentum zu tun (wie auch „Rotkäppchen“ nicht). Aber in beiden Fällen ist die Verbindung da. Man muss nur ein wenig buddeln ...

Ich nehme „Rotkäppchen“ vorweg, weil hier der Weg zur Erklärung einfacher ist: die Figur des Rotkäppchen ist eigentlich ein Sonnenmythos, was man an der roten Kappe erkennen kann. Die Gefangenschaft im Bauch des Wolfes und das Herausschneiden aus diesem sind das „sterben“ und „wiedergeboren werden“ bzw. der Unter- und Aufgang der Sonne. Nach einigem Nachdenken war mir das alles geläufig. Ehrlich. Etwas gezweifelt habe ich nur am „Mythenmatsch“, der den Mondfresser Wolf der nordischen Mythologie zum Sonnenmampfer macht. Aber Wölfe essen scheinbar alles an Planeten, Sonnen und Monden, was ihnen zwischen die Lefzen kommt.

„Pinocchio“ wiederum greift das Motiv der Initiationsreise auf, des „coming of age“. Hier wird die Reise zur Reife (ein schöner Gleichklang, wie ich feststellen durfte).

Die vier Elemente der Initiationsreise finden sich im „Pinocchio“: die Konfrontation mit dem Bösen, der Verlust der Unschuld, die Selbstverwirklichung und schließlich die Integration in die Gesellschaft. Der Status des Einzuweihenden verändert sich durch die Initiation vom Kind zum Erwachsenen – hier schön dadurch gezeigt, dass Pinocchio von der Puppe zum Menschen wird.

Soweit war das noch nachzuvollziehen. Aber dann lief die Diskussion ein wenig aus dem Ruder. Nach einigen schlingernden Schiffsbewegungen näherten wir uns anderen Themen: Der „vagina densata“ (der Scheide mit Zähnen, einem Motiv, das u.a. aus „Krieg der Sterne“ bekannt sein dürfte), der Ähnlichkeit zwischen Odin und Pinocchio (beide hängen einige Tage am Baum), der Ähnlichkeit zwischen Luke Skywalker und Tyr (Opferung/Verlust der Hand), der Initiationsreise in „Krieg der Sterne“ und so weiter und so fort.

Schlussendlich landeten wir bei der Nachtmeerfahrt. Die Sonne geht für viele heidnische Kulturen nicht einfach im Westen unter und kommt im Osten wieder hoch, sondern sie durchfährt das „Meer der Nacht“ auf einem Boot oder Nachen und wird im Osten nach dieser Nachtmeerfahrt wiedergeboren.

Die Sonne, die nachts auf einem Boot fährt. Wow! Und dann ging es weiter zur Sonnenbarke, zu „Kampfstern Galactica“ (nein, den Verweise erkläre ich jetzt nicht), „Star Maidens“ und ähnlichen Meisterwerken, die ich jetzt alle ganz anders sehe.

 

Aber dann bin ich wieder in der Realität aufgewacht. Komisch, weil für einen kurzen Moment hatte ich gewusst, wie die Welt funktioniert. Und die Nachtmeerfahrt hatte ich wirklich verstanden. Nur das mit Rotkäppchen war mir weiterhin nicht klar ... Aber in meiner Tasche steckte noch das Programm des Kongresses. Also war ich wirklich dort. Ehrlich.

 

Dein Homo Magi

 

Frühlingsweisen

 

Hallo Salamander,

 

Samstag bin ich vormittags durch die Innenstadt gegangen. Die erste Frühlingssonne erwärmte die Plätze der Stadt und an allen Ecken und Enden standen die Christen und sangen für das Heil.

 

Zuerst fing mich die Frau ab, die mit „Der Wachturm“ im Arm immer in der Fußgängerzone patrouilliert. Ich war gutwillig und ließ mir zwei Exemplare schenken – ein „Erwachet!“ mit dem Titel „Moses – Mensch oder Mythos?“[13] und „Der Wachturm“ über „Sollten sich Geistliche politisch engagieren?“[14]. Einen einzigen Artikel habe ich ganz gelesen: „Die Insel, die auftauchte und wieder verschwand“ über die 1831 vor Sizilien aufgetauchte Vulkaninsel.[15]

Der Rest dieses Heftes – mit Schwerpunktthema Moses – war zwar schön mit bunten Kinderbibelbildchen illustriert, wiederholte aber bekanntes. Ähnlich erging es mir mit dem „Wachturm“ – abgesehen von der üblichen Häme gegen Bluttransfusionen und den treuen Glauben der Zeugen Jehovas an den einzigen wahren Gott war hier nichts drin, was mich interessiert hätte. Die aus dem Heft herausfallende Broschüre „Möchten Sie die Bibel besser kennen lernen?“ amüsierte mich, besonders weil sie wert darauf legte, viele Rassen beim Bibelstudium zu zeigen. Auf dem Titelbild waren eine weiße Nordeuropäerin und eine dunkelhäutigere Südeuropäerin zu sehen, dann folgten zwei weiße Männer, eine Gruppe von Indios samt Bibel, eine Asiatin und zwei Asiaten. Das abgebildete Titelbild von „Was erwartet Gott von uns?“ zeigt einen Südamerikaner, einen Asiaten und eine Schwarze. Nur der Australier fehlt – kommen die nicht ins Himmelreich?

 

Dann folgte ein Infostand einer offenen christlichen Gemeinde. Natürlich blieb ich am Büchertisch stehen, um mir die Broschüre „Übersinnliches – Okkultismus – Aberglaube“ schenken zu lassen. Herausgeber ist das Missionswerk Werner Heukelbach[16], das ich schon aus anderen Zusammenhängen als überchristliches, evangelikales Werbewerk kennenlernen durfte.

Die Argumentation ist einfach gestrickt: Natürlich hängen Geistheilung, Satansmord und Computer-Astrologie zusammen (wer es nicht glauben mag: diese drei Themen sind die Beispiele zur Einführung[17]), und alle Kinder, die Video und Fernsehen schauen, werden zu Mördern. „Mit dem Fernsehen ist ein neuer Mediumismus, eine Geistermacht über die Welt gekommen. Sie ruft depressives Irrsein hervor, weil sie über der Wirklichkeit des Lebens steht.“[18] Und der Mord von zwei Jungen an einem dreijährigen Kind 1993 in England liegt auch am Fernsehen „mit seinen pausenlosen Morden und bestialischen Gewalttaten.“[19] Weil die Bibel so ein friedliches Buch ist ...

Die üblichen Themen werden abgearbeitet: Rockmusik, Okkultismus, Werbung, Mode, „Bibi Blocksberg“, New Age, Bachblüten, Traumdeutungen, Drogen, Homöopathie und so weiter. Folgen sind eine Häufung von Krankheiten, hysterische Krämpfe, unnormale sexuelle Triebhaftigkeit, Stehlsucht, Hurerei, Sodomie, Hochmut, Nicht-glauben-können und viel mehr.[20]

Wer Gott nicht in sein Leben lässt, der ist verloren. Passend dazu lud man mich mit einem Flugblatt zu „Brass on mission“ ein, damit Bläsermusik mein Leben verändert. Ich bleibe glaube ich bei der satanischen Rock- und der anti-sozialistischen Beatmusik.

 

Die dritte Gruppe hat mich schon beschallt, bevor ich sie sah. Die Mormonen standen – brav im Anzug – im Halbkreis vor dem Einkaufszentrum, wobei einer auf einem leeren Wasserkasten stand und predigte, wenn der Chor nicht dabei war, mit starkem englischem Akzent Erweckungslieder zu spielen.

 

Drei christliche Gruppen, die scheinbar vom Schwinden des Winters so ermutigt waren, dass sie dem Lobpreis und der Erweckung dienen wollten und daher die Innenstadt bevölkerten.

Alle drei christliche Sondergemeinschaften. Die erste verdammt Dinge des täglichen Lebens und gängige Einflüsse als satanisch, um dann Gebet und Einkehr als richtige Antwort zu preisen. Die zweite lehnt Bluttransfusionen ab, spricht ein eigenartiges Deutsch („Stehlsucht“ ist ein tolles Highlight) und hat eine eigenartige Vorstellung vom Namen Gottes entwickelt (nicht umsonst schreit der alte Mann in „Das Leben des Brian“ immer „Jehova! Jehova!“). Die dritte glaubt an einen Aufenthalt von Jesus in Nordamerika, hat eine eigene Zusatzüberlieferung („Das Buch Mormon“) und schickt alle ihre jungen Leute zur Mission hinaus.

 

Welch Glück, dass wir Heiden noch nicht so weit sind. Drei nordische Glaubensgemeinschaften, die mit unterschiedlichen religiösen Schwerpunkten singend um mein Heil buhlen, wären mir für einen Samstagvormittag zu viel. Und eines muss man den Christen lassen: Sie singen besser als wir Heiden.

„Wo man singt, da lass dich nieder. Böse Christen kennen keine Lieder.“ So oder so ähnlich könnte man das wohl auch für Heiden einsetzen. Also singe ich brav meine heidnischen Lieder, höre satanische Rockmusik und Yeah-Yeah-Musik. Jedem das Seine. Und es wird auch wieder Nacht oder Winter. Dann singen keine Christen mehr in der Fußgängerzone.

Aber Wald und Feld gehören sowieso uns. Bald singe ich wieder unter dem fahlen Mond mein Lied.

 

Dein Homo Magi

 

Arbeitsteilung

 

Hallo Salamander,

 

manchmal frage ich mich, wie ich bis jetzt Rituale überlebt habe, ohne mich über die möglichen Organisationsfragen wirklich vorher aufzuklären. Naja, früher habe ich mich einfach mit mindestens drei Gleichgesinnten in den Wald gestellt, wir haben vorher Himmelsrichtungen und Elemente zugeteilt und dann ging es los. Aber in den letzten Monaten ist bei mir auf der Arbeit die Hölle los, und ich lerne eine Menge Dinge, die mir vorher so nicht klar waren.

Du weißt ja, dass mein Arbeitgeber voll an staatlicher Knete hängt. Und da unser Staat im Moment nicht nur Einsparmaßnahmen heiligt, ohne deren tieferen Sinn zu überlegen, sondern auch eine gewisse negative Stimmung sich in den Amtsfluren breit macht, ist es gerade ausgesprochen schwierig, mit staatlichen Stellen über Geld zu verhandeln. Und natürlich leidet auch das Arbeitsklima darunter, weil bei uns keiner weiß, wie es in den nächsten Monaten weitergehen soll.

Kaum nimmt jemand das böse Wort „Entlassungen“ oder – noch schlimmer – das Zauberwort „Einsparungen“ in den Mund, schont herrschen allenthalben Mut und Ratlosigkeit (nebenbei zwei sehr unangenehme Geschwister, nur mit Hungersnot und Pest vergleichbar!).

Früher (als alles noch gut war) stellte ich mich einfach in den Wald und feierte das Ritual. Heute wird sich das – nach meinen Erfahrungen der letzten Wochen – eher so abspielen, wie unten beschrieben. Der Einfachheit halber habe ich die vier Teilnehmer einfach nach den vier Elementen benannt – „to protect the innocent“, wie es immer heißt, wenn man die Namen der Beteiligten ändert.

 

Luft: „Hallo. Ich bin jetzt eigentlich so weit. Wir können dann los.“

Feuer: „Es muss aber schnell gehen.“

Wasser: „Wieso muss es schnell gehen?“

Feuer: „Ich habe nur eine halbe Stelle. Und wenn ich jetzt Ritual-Überstunden machen, dann kriege ich Schwierigkeiten, die Überstunden abzufeiern, bevor sie verfallen.“

Wasser: „Auch, wenn ich doch eine sichere halbe Stelle hätte ...“

Feuer: „Du kriegst aber auch mehr Geld als ich!“

Wasser: „Aber nicht sicher ...“

Luft: „Ich bin auf jeden Fall so weit. Meinetwegen ...“

Wasser: „Was macht ihr eigentlich, wenn ich gekündigt werde?“

Luft: „Du bist doch noch gar nicht gekündigt!“

Wasser: „Aber wenn ich gekündigt werde ...“

Feuer: „Du bist noch nicht gekündigt. Mach dich nicht verrückt. Außerdem müssen wir los, weil ich nachher weg muss.“

Luft: „Außerdem bist du noch gar nicht gekündigt!“

Luft: „Ich bin fertig ...“

Wasser: „Ich auch ...“

Erde: „Warum muss ich immer Erde machen?“

Luft: (seufzt) „Weil du für Erde am geeigneten bist. Außerdem machst du schon immer Erde und wir haben dich damals im Kreis als Erde ausgebildet, als unsere alte Erde gegangen ist.“

Erde: „Aber ich würde gerne mal Feuer sein ...“

Feuer: „Ich bin Feuer. Außerdem muss ich bald weg.“

Erde: „Aber ...“

Luft: „Können wir dann?“

Wasser: „Warum willst du nicht mehr Erde sein?“

Luft: (seufzt)

Erde: (denkt einen Moment nach) „Ich glaube, Erde wird bald nicht mehr benötigt. Dann werde ich gekündigt, nur weil ich nichts als Erde kann. Wenn ich aber mal was anderes machen würde ...“

Luft: „Noch ist keiner gekündigt.“ (seufzt)

Wasser: „Aber irgendwie hat Erde recht!“

Luft: „Und warum müssen wir das klären? Wir können doch auch nichts daran ändern.“ (Pause) „Wollen wir dann mal los?“

Feuer: „Ich bin fertig. Aber ich muss auch gleich weg.“

Wasser: „Ich bin auch so weit.“

Erde: „Ich wäre dann auch soweit.“

Feuer: (blickt auf die Uhr) „Sorry, aber ich muss fort, sonst kriege ich Ärger. Bis zum nächsten Mal!“ (geht)

(Schweigen.)

Erde: „Kann ich dann Feuer sein?“

 

Yours, Dein Homo Magi

 

Motten

 

Hallo Salamander,

 

früher hatten die Menschen noch echte Gegner. Da gab es Angreifer aus dem Nachbardorf, wilde Horden aus dem Osten oder Dämonen, die vorhatten, ihr Leben zu vernichten. Auch die Fantasy und die Science Fiction sind voll von glaubhaften Feindbildern. Da gibt es in der Fantasy Orks, Vampire und böse Hexenmeister, während die Science Fiction uns mit Symbionten, außerirdischem Gemüse oder Facehuggern beehrt. Aber ich bin im Moment mit einem Kampf beschäftigt, gegen den selbst Homers Erzählungen wie Pippikacke wirken: Ich bekämpfe eine Invasion von Motten.

Okay, das mag jetzt nicht allzu heldisch wirken. Daher erst einmal die Fakten: Die Wohnung ist voll von Mottenfallen, die sowohl für Kleidermotten (jeder Schrank) als auch für Essensmotten (jeder Raum) aufgehängt sind. Angeblich reagieren die Tiere auf das Pheromon in den Fallen und bleiben dann kleben, um gnadenlos zu verhungern. Ein Tod, der diesen Mistviechern nur gerecht wird!

Erst entstand der Eindruck, die Tiere würden irgendwo in der Wohnung brüten. Also wurde jede Ecke nach Essensresten durchsucht, jeder Kleiderberg hin und her bewegt, ob vielleicht Motten aus ihm aufsteigen ... Pustekuchen.

Dann musste die große Reinigung ran. Die Wohnung wurde entmottet – aber leider waren die Motten davon nicht beeindruckt, ihre Angriffswellen kamen in der selben Präzision und im selben Abstand. Kaum hatte man eine Welle zurückgeschlagen, schon – uiiiih! uiiiih! uiiih! – kam die nächste Welle und terrorisierte mich.

Untersuchungen ergaben dann, dass die Motten „von draußen“ kommen – wobei nicht geklärt ist, ob das die Bäume vor dem Fenster, die Mülleimer im Hof oder eine sinistre Niederdimension ist, in der der Herr der Motten über seine Heerscharen gebietet und sie gegen die Menschen wendet. Und schon habe ich auch eine magische Begründung gefunden, die mich glücklich macht.

Einer meiner Gegner (ein guter Magier braucht immer „Gegner“ oder „Widersacher“, denn nur wer wichtig ist, der hat Gegner – und jeder Magier ist natürlich wichtig!) hat sich mit böser Magie in den Zustand versetzt, mit dem Herrn der Motten (einem Cousin vom Herrn der Fliegen) zu kommunizieren. Wahrscheinlich wollte er den Herrn der Toten beschwören, aber ein kleiner Schreibfehler auf dem mit Blut beschrifteten Pergament und – schwupps – wurde aus dem Herrn der Toten der Herr der Moten beziehungsweise der Herr der Motten. Und der ist jetzt durch diesen Blutvertrag an meinen Widersacher (böse! böse! böse!) gebunden und muss dessen Wünsche erfüllen.

Okay, eine Klebe- oder Pheromonfalle für Zombies wäre schwieriger geworden, von daher bin ich eigentlich mit der Lösung ganz zufrieden. Während mein Widersacher (böse! böse! böse!) also in seinem Turm sitzt und Magie gegen mich wirkt, werde ich „nur“ von Motten bedroht.

Aber was mache ich jetzt zur Verteidigung?

Ich denke, ich werde einen Meisterrecken beschwören. Wenn es dann Meisterzecken werden, dann habe ich immerhin eine Armee, die gegen die blöden Motten antreten kann. Und wenn es wirklich Recken werden (was ich bei meinem Glück bezweifele), dann sollen sie sich halt ein wenig recken und die Motten totschlagen, die an der Decke sitzen.

 

Dein Homo Magi

 

Menschenexperimente

 

Hallo Salamander,

 

gestern hatte ich das Treffen zum 20. Jahrestag meines Abiturs. Eigentlich schon erstaunlich, wie solche Menschenexperimente sich im Laufe von einigen Jahren auswirken. Ja, Menschenexperimente ist meiner Ansicht nach die richtige Bezeichnung für das, was da passiert. Da wird man gemeinsam auf ein Abitur hin gelenkt, weil einige biographische Angaben zufällig identisch sind: Erstens die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Jahrgang (mein Abi-Jahrgang schwankt im Alter – dank Sitzenbleibern – um maximal zwei Jahre), der Wohnsitz der Eltern an einem bestimmten Ort (man kann heute noch bequem alle Orte, aus denen Mitschüler von mir kamen, an einem Tag mit dem Fahrrad abfahren, wenn man oben auf dem Berg beginnt ...) und der Wunsch der Eltern samt der eigenen Befähigung, einen höheren Schulabschluss zu erwerben (einige Leute sind zwar vor dem Abi abgegangen, einer oder zwei sind eine Klasse zurückgegangen, um ihre Leistungen zu verbessern – aber von denen, die angetreten sind, haben alle das Abitur geschafft!).

Und nach zwanzig Jahren kann man jetzt in aller Ruhe schauen, was aus den Leuten geworden ist. Das Berufsspektrum ist erstaunlich weit: Gehirnchirurgen, Hebammen, Tierärztinnen, Musikerinnen, EDV-Berater, Messebauer, Lehrer und so weiter und so fort. Der Familienstand schwankt von ledig bis verwitwet, wobei – im Gegensatz zu vor zehn Jahren, bei unserem letzten Treffen – die Zahl der geschiedenen bzw. getrennt lebenden mit Kindern deutlich zugenommen hat. Es gibt Arbeitslose (scheinbar ist hier keine Berufsgruppe wirklich sicher), Top-Manager und solche, die sich gerade so durchschlagen. Also ist es so, wie ich es auch bei jeder normalen Erhebung vermutet hätte.

Die Zahl an Menschen, die sich mit Themen beschäftigen, die im weitesten Rahmen esoterisch sind, ist hingegen sehr gering. Gestern waren es vielleicht drei oder vier, bei denen ich ein tiefergehendes Interesse an Religion und/oder Magie im Gespräch zu spüren vermeinte. Aber diese Zahl konnte ich nur zählen, weil ich einfach den einen Pfarrer zu „religiösem Interesse“ zählte und die Grenzen der Esoterik sehr weit zog. Ich hätte mehr erwartet – aber wahrscheinlich ist es sowieso unmöglich, an einem Abend und in vielen Gesprächen, die man alle nicht sehr intensiv führen kann, weil die Zeit nicht langt, wirklich etwas über Menschen zu erfahren. Schon gar, wenn der einzige vertrauensbildende gemeinsame Punkt eine zwanzig Jahre vergangene Schulzeit ist.

Aber ich denke, dass das Interesse an den „letzten Dingen“ noch wachsen wird. Tod im Bekannten- und Familienkreis, Krankheit, Existenzangst – das sind alles Punkte, die ein Nachdenken über das, was wirklich wichtig ist, beschleunigen. Und diese Erfahrungen haben viele noch nicht gemacht. Ich werde also abwarten und schauen, wie sich die Situation in fünf oder zehn Jahren darstellt. Ob es eine Veränderung gegeben hat und wenn ja, welche. Ich werde dich auf dem laufenden halten, kleiner Lurch.

 

Dein

Homo Magi

 

P.S.: Ich bin nach 4.00 Uhr endlich los, vorher musste ich mir natürlich noch die endlos lange Tanzeinlage bei „Gamma Ray“ bieten. Fast hundert Leute und über achtzig Liter Bier, dazu Wein und andre selig machende Substanzen. Der DJ spielte wohl bis 4.30 Uhr, die letzten Gäste gingen – nach einem gemeinsamen Frühstück mit geholten Brötchen – gegen 7.30 Uhr. Ich werte das als Erfolg.

 

Schicksal

 

Hallo Salamander,

 

vor Jahren habe ich auch noch daran geglaubt, das viele Schicksalsschläge von Dingen abhängig sind, die wir selbst gewollt haben. Entweder sind Probleme karmisch („Du warst in deinem letzten Leben ein Henker, deswegen musst du jetzt leiden!“ oder „Ihr ward Geschwister, deswegen begegnet ihr euch immer wieder!“), selbst verursacht („Wenn du wirklich wollen würdest, dann würdest du auch Arbeit finden“ oder „Wenn du wirklich wollen würdest, dann wärest du auch gesund“) oder Ergebnisse von magischen Beeinflussungen („Ich spüre eine negative Energie, die auf deinem Leben liegt“, „Du musst dein Bett verschieben, das auf einer Wasserader steht“ oder „Du musst deine Ernährung umstellen, dann ändert sich alles“).

Inzwischen bin ich von dieser Ansicht abgekommen.

 

Auf der Arbeit haben wir gerade von zwei Seiten Stress. Auf der einen Seite ist das die Arbeitsagentur (als es noch „Arbeitsamt“ hieß, war der Name glaubhafter – auf dem Amt wurde Arbeit bzw. Nicht-Arbeit verwaltet – aber wer von den Mitarbeitern im Amt fühlt sich als Agent?), die als reiner Handlanger der großen Politik mehr und mehr Druck auf die Arbeitslosen ausübt. Arbeitslose sollen weniger verdienen, damit sie williger sind, jede Arbeit (und damit auch schlimme und schlecht bezahlte Arbeit) anzunehmen. Und die Kosten für die Betreuung der Arbeitslosen sollen gesenkt werden. Für die Arbeit mit arbeitslosen Jugendlichen wird das Argument verwendet, dass nur Jugendliche, die auch kooperieren, weiterhin Leistungen bekommen. Ob die Jugendlichen das überhaupt können, ob sie – nach vielen Verletzungen und Fehlschlägen im Leben – sich eine Kooperation trauen und zutrauen, das spielt keine Rolle mehr. Die Verletzten müssen noch mehr leiden, werden marginalisiert und aus der Förderung geworfen. Auf der anderen Seite ist es auch so, dass meine „Klientel“ – eben jene arbeitslosen Jugendlichen – merkt, dass der Druck auf sie höher wird. Aber sie bekommen keine Ausbildungsstellen, weil einfach Stellen fehlen. Für jeden Jugendlichen, den ich vermittele, kriegt ein anderer Jugendlicher dann keine Stelle. Das System ist irre, aber es wird vom Staat finanziert. Und es gibt jenen, die sonst keine Chance hätten, wenigstens eine geringe Chance.

Mit vielen Schicksalen habe ich mich ausführlich beschäftigt. Das ist Teil meiner Arbeit, von daher muss ich es, ob ich es will oder nicht. Und viele dieser Schicksale sind frei von eigenem Wollen, frei von der Möglichkeit, selbst etwas zu ändern. Ein Erwachsener kann sich seinem Schicksal stellen – ein Jugendlicher kann es nicht, wenn er nicht vor der Zeit gereift ist. Die meisten kommen aus einer Lebensgeschichte, in der Handlungsmöglichkeiten nicht zum Rüstzeug gehören, eher Verzweiflung.

 

Aber diese Glaube an die eigene Schuld hat einen Grund. Denn er erlaubt es uns, daran zu glauben, dass unsere eigene Befähigung zu unserem Erfolg beiträgt. Würden wir an ein blind waltendes Schicksal glauben, das um sich schlägt, ohne Grund und ohne Verstand – wir müssten uns fürchten vor den Klippen des Schicksals, die einfach vor uns auftauchen und unser Lebensschiff zerschellen lassen könnten.

Esoterik und Magie sind dann gut, wenn sie Hilfen geben – doch wenn sie blenden, dann sind sie störend und nicht hilfreich. Wer hat je davon gehört, dass Mordreds Schicksal nicht seine Wahl, sondern ihm aufgebürdet worden ist? Wusste Loki um den Plan der Götter, oder erfüllte er nur – blind statt einäugig wie sein Blutsbruder – das Schicksal, ohne es zu kennen? War Odysseus schlechter Stern schuld an seinen Irrfahrten? Musste Merlin am Ende unterliegen, weil er in seinem letzten Leben eine Schnecke war oder weil er zuviel Milchprodukte aß? Ich glaube nicht. Unsere Helden und Anti-Helden sind was sie sind, weil sie ihre Rolle gewählt haben – und nicht, weil das Schicksal sie in ihre Rollen warf. Okay, das gibt es auch – aber dieser Typus nimmt sein Schicksal an und bekämpft es dann nicht mehr.

 

So ist es auch in der Magie. Wir müssen scheiden lernen, was veränderbar und was nicht veränderbar ist. Krankheit ist kein Schicksal, Arbeitslosigkeit auch nicht. Raucher kriegen häufig Lungenkrebs – aber nicht alle Menschen mit Lungenkrebs haben geraucht. Unzuverlässige Arbeitnehmer werden häufig entlassen – aber nicht alle Entlassenen waren unzuverlässig und nicht alle Unzuverlässigen werden entlassen.

Wir müssen den Wall der Blindheit, der uns umgibt, niederreißen um wieder zu sehen – mit inneren und äußeren Augen.

 

Dein Homo Magi

 

Reich und berühmt

 

Hallo Salamander,

 

endlich habe ich eine Idee, wie ich innerhalb von wenigen Monaten reich und berühmt werde. Ich weiß ja schon länger, dass Menschen auf Esoterikmessen für jeden Müll Geld auszugeben bereit sind. Und ich weiß auch, dass dieses Geldausgeben selten von logischen Kontrollen in Zaum gehalten wird. Was gut aussieht, wird gekauft; der Preis spielt keine Rolle.

Also: Mein neuer Plan ist, auf einer Esoterik-Messe einen Stand zu mieten. Dort wird dann eine Methode gezeigt, mit der man nachts seinen Körper energetisch wiederaufladen kann, so dass man von Nacht zu Nacht jünger, vitaler und erotischer wird.

Der Plan ist ausgeklügelt, weil er so simpel ist. Jeden Abend muss man einen Tropfen programmierten, ionisierten, gefärbten Wasser (20 Tropfen für den Messe-Sonderpreis von nur 6,66 Euro!) auf die Innenseite jedes Augenlids geben. Am einfachsten ist das, wenn man das obere Lid über den magnetisierten, energetisierten Metallspatel aus Meteoritenmetall (ein Modell für Links- und Rechtshänder zu 278 Euro) faltet und dann mit einer Pipette (Kristallglas aus Böhmen – von armlosen tibetischen Mönchen mundgeblasen – eine Pipette 162 Euro) einen Tropfen aufbringt. Dann klappt man das Lid wieder nach unten und wiederholt die Prozedur am anderen Auge.

Nachts gibt das programmierte, ionisierte gefärbte Wasser seine Informationen über die Pupille an den Körper ab. Das Lid verhindert, dass dieses Wissen nach außen dringt und unterstützt den Prozess der Aufnahme durch den Augapfel. Und so dringt die Energie in den Körper ein, stärkt die Augen, damit sie das sehen können, was wirklich wesentlich ist, und natürlich wird auch die Augenmuskulatur gestärkt. In den Werbetext kann man auch die Worte „Chakra“ und „Reiki“ einbauen, wenn das was bringt.

Mein Plan ist, damit innerhalb von fünf Jahren soviel zu verdienen, dass ich nicht mehr arbeiten muss. Ich halte das für realistisch. Deppen gibt es genug da draußen.

 

Und wenn mich jemand fragt, wie ich auf die Idee kam, da antworte ich, dass mich das Sprichwort drauf gebracht hat. Auf die Frage „Welches Sprichwort?“ antworte ich natürlich: „Wo man singt, da lass dich nieder – böse Menschen haben keine Lider!“

Viel Spaß beim träufeln Deiner Augen!

 

Dein Homo Magi

 

Alte Seelen

 

Werter Salamander,

 

manche Dinge sind so irre, dass man sie nicht glauben mag. Durch einen Bekannten („Freund“ darf ich nicht sagen, weil er mit emotionaler Nähe nicht gut umgehen kann ...) erfuhr ich von einer Anzeige bei ebay über das Angebot des Produkts „Witchboard mit der Aura 2000 Jahre alter Seelen“.

Hui, dachte ich mich, die Aura 2000 Jahre alter Seelen. Ist das so wie die Aura von 8 Wochen altem Käse? Also hineingezappt und den Artikel angeschaut.

Zur Beschreibung:

„Witchboard oder Oui-Ja-Brett/durchdrungen mit der Aura 2000 Jahre alter Seelen (bei der Herstellung dieses Boardes ist Wasser aus alten römischen Katakomben verwendet worden )“

Bis jetzt war mir noch nicht klar, dass sich Seelenauren gerne in römischen Katakomben aufhalten ... Wie auch immer. Weiter:

„Das aufwändig gearbeitete Witchboard ist durch die spezielle Beschaffenheit und die verwendeten keltischen Symbole besonders geeignet, um bei Seancen den gewünschten Erfolg, (Kontakt zu den Seelen Verstorbener) zu erzielen. Das besondere an diesem Board ist zum einen, dass es sich nicht um ein klassisches Holzbrett sondern um ein spezielles Papier aus so genannter Elefantenhaut handelt, welches laminiert wurde. Die Laminierung schützt die Elefantenhaut vor Beschädigung und lässt das wandernde Glas oder die Planchette leicht über die Oberfläche gleiten.“

Also meine Erklärung dazu: Seelenauren fangen sich in römischen Katakomben und die Kelten haben klare Verbindungen zu Oui-Ja-Brettern. Hä?

Und dann die Werbung für das (billige) Papier. Ehrlicher wäre doch: „Ich hatte keinen Bock, mit im Baumarkt ein Holzstück zu kaufen und habe dafür billige Elefantenhaut gekauft. Die ist leicht mit Wasserfarben bemalbar und der Copy-Shop um die Ecke hat seit drei Wochen eine Laminiermaschine.“

Aber wer so etwas böses denkt, der denkt sicherlich falsch. Weiter:

„Die Elefantenhaut ist vor dem Laminieren mit Wasser aus den Katakomben „di Domitilla“ in Rom besprüht worden. In diesen Tuffsteinkatakomben des alten Roms sind vor 2000 Jahren römische Bürger begraben worden, u.a. sind dort die ersten Urchristen aus den Zeiten des Apostel Paulus beerdigt (noch mit Grabplatten, die die Zugehörigkeit zum Christentum verschleierten und nur über Symbole deutlich machten, da es Christen damals verboten war, auf öffentlichen Friedhöfen begraben zu werden).“

Ob es so klug ist, Papier mit Wasser einzusprühen ... Naja, ist ja laminiert und von daher ziemlich sicher (oder?). Und in Gräbern unter Rom liegen – na? Erraten? – Römer. Wow! Ich bin überrascht. Weiter geht es mit meinem Erklärungsansatz: Seelenauren fangen sich in urchristlichen römischen Katakomben ohne Grabplatten und die Kelten haben klare Verbindungen zu Oui-Ja-Brettern.

So, und nun kommt der Sicherheitshinweis, damit man nachher nicht verklagt wird:

„Auch ich kann die Frage, ob es tatsächlich Kontakt zu verstorbenen Seelen gibt oder ob die mit diesem Board erzielten verblüffenden Ergebnisse dem Unterbewussten der an der Seance Teilnehmenden zuzuordnen sind, nicht beantworten. Tatsächlich bekommt jede Seance durch die Verwendung dieses Boardes die besondere und spürbare Aura und Präsenz des Außergewöhnlichen.“

Auch der 8 Wochen alte Käse gäbe die „spürbare Aura und Präsenz des Außergewöhnlichen“, aber der ist dann auch nicht laminiert. Als weiter:

„Zum Oui-Ja-Board gehört eine detaillierte Beschreibung der verwendeten Symbole und eine Kurzanleitung zur bestmöglichen Verwendung. Das board hat die Größe ca 43 x 31 cm.“

Ich kann mir die Kurzanleitung schon toll vorstellen: „Das ist die 1: »1«. Die 1 ist die erste Zahl, mit der man zählt. Man beginnt also z.B. das Seelen von Auren mit »1«. Wenn du diese Lektion verstanden hast, kommen wir zur »2«.“ „Das hier ist das »A«. Das »A« ist der erste Buchstabe des Alphabets. Mit ihm beginnen so tolle Wörter wie Abba, Apfel und Ameise.“

Weiter mit meiner Definition: Seelenauren fangen sich in urchristlichen römischen Katakomben ohne Grabplatten und die Kelten haben klare Verbindungen zu Oui-Ja-Brettern, die man nicht ohne Kurzanleitung verwenden sollte.

Und noch einmal kurz zurück zur Werbung:

„Schutz vor Falsifikaten: Das board ist von einem Künstler entworfen worden. Es gibt nur eine geringe Stückzahl, die jeweils auf der Rückseite mit einer Individualnummer und einem Stempelaufdruck versehen sind.“

Das ist doch die klare Kaufempfehlung, oder? „Geringe Stückzahl“, „Individualnummer“ (Wow! Eine eigene Nummer, fast so wie mein Auto und mein Haus!), „Stempelaufdruck“ (wahrscheinlich leider nicht „Muster ohne Wert“ oder „Zurück an Absender“). Ich bin begeistert, wie innovativ Magier heute sein müssen, um Dummen das Geld aus der Tasche zu ziehen.

Zusammenfassend bleibt nur ein Fazit: Seelenauren fangen sich in urchristlichen römischen Katakomben ohne Grabplatten und die Kelten haben klare Verbindungen zu Oui-Ja-Brettern, die man nicht ohne Kurzanleitung, Individualnummer und Stempelaufdruck verwenden sollte.

 

So, hier in der Gegend gibt es einen erloschenen Vulkan, der vor Jahrzehntausenden das letzte Mal ausgebrochen ist. Achte auf mein Angebot bei ebay:

„Orakelstein, durchdrungen mit der Aura 10.000 Jahre alter Seelen (bei der Bearbeitung dieses Orakelsteins sind Steine aus alten hessischen Vulkanen verwendet worden).“

Mach – peitsch – mich – peitsch – reich – peitsch!

 

Dein Homo Magi

 

Seher und Flaschenpfand

 

Hallo Salamander,

 

die Sommerzeit ist nahe, und schon merkt man sogar bei solchen Briefen wie diesem hier das Hereinbrechen der „Saure-Gurken-Zeit“. Die Zeitungen sind voll von Liebschaften von Politikern, Adeligen und Nessie-Sichtungen, während ich – da scheinbar alle esoterischen Größen des 21. Jahrhunderts im Sommerurlaub stecken – versuchen muss, mir ein Thema aus den Fingern zu saugen.

Aber ich bin ja nicht allein, mir bleibt immer noch, mich vom Schicksal auf meine große Quelle der Inspiration werfen zu lassen: Einkaufsmärkte! So geschah es mir auch letzthin. Kaum stand ich in der Schlange, als der Blick hinunterfiel in den Einkaufswagen des Herren vor mir. Was sah ich? Einen großen Berg üblicher Einkaufsdinge, nichts, was einem magische Inspiration hätte verleihen können. Doch dann: sein Leergutbon! Wirklich, in der rechten Hand hielt er einen Leergutbon! Ich war gerettet.

Unlängst war ich nämlich mit einer Freundin von mir einkaufen. Sie hatte mich vom Bahnhof abgeholt und auf dem Weg vom Bahnhof zu ihr nach Hause fuhren wir noch „schnell“ am Supermarkt vorbei, um ein paar Besorgungen zu machen („schnell“ heißt: weniger als 34 Positionen auf dem Zettel, „mal eben“ sind zwar unter 16 Positionen, dafür aber mindestens zwei Kästen zu trinken). Und mitten im Supermarkt fiel mir auf einmal siedendheiß ein, dass ich daheim noch zwei Pfandflaschen habe, die man hätte für Pfand hier zu Geld machen können.

Ein wenig später kam dann die Realisierung dessen, was ich gerade überlegt hatte. Die Flaschen von daheim mit dem öffentlichen Nahverkehr zum Bahnhof schleppen. Dann sie zwei Stunden im Zug inklusive einmal Umsteigen im Rucksack mitschleppen. Dann durch den zweiten Bahnhof schleppen ... Alles nur, um ein wenig Flaschenpfand zu erbeuten.

Bis mir dann auffiel, dass ich einen Menschen kenne, der das so tuen würde. Was sag ich einen, mehrere, dutzende – man muss ihnen nur die Bedeutung klar machen, die solche Gesten haben können.

Einen Schritt zurück in der Argumentation: Ich hätte meine Flasche also die ganze Zeit geschleppt. Und als wir am Ziel im Supermarkt stehen, hätte ich sie zücken müssen und sagen „Wusste doch, dass wir hier vorbeikommen – darf ich dir das Pfand schenken?“

Hier gilt (wie bei so vielen magischen Methoden) „Nicht erklären, nicht deuten!“ Also einfaches ein Pokerface behalten und über die Sache drübergehen. Wenn es gut läuft, dann glauben in einer Woche sowieso alle, dass man ein begnadeter Seher ist, weil man wusste ja, dass man in einen Supermarkt ... obwohl doch keine Veranlassung zu der Vermutung bestand ... ohne jede Veranlassung ... Sie werden dich anbeten!

 

Um immer gerüstet zu sein, sollte man sich also folgendermaßen aufrüsten, damit man in passenden (und unpassenden) Situationen immer „den Seher rauskehren“ kann:

·        Kondom (in verschiedenen Farben)

·        Zettel „Ja“ (linke Hosentasche)

·        Zettel „Nein“ (rechte Hosentasche)

·        Zettel „Links“ (linke Manteltasche)

·        Zettel „Rechts“ (rechte Manteltasche)

·        Pfandflasche (Rucksack)

·        Bronzemesser (oder ein beliebiger magischer „Notgegenstand“ im Rucksack)

·        Räucherwerk (Innentasche)

·        Tütensuppe (je nach Initiation und Grad)

Dann muss man nur noch Situationen forcieren, in denen man das Zeug anbringen kann, und alle Leute glauben, dass man ein Super-Seher ist:

„Wo geht es eigentlich lang?“

„Oh, da muss ich das Orakel befragen.“ (Greift in linke Manteltasche) „Aha, hier steht links – lass uns das versuchen!“

Natürlich wusste unser Seher vorher, wo es lang geht – aber so ist die Menschheit begeistert. Ehrlich!

 

Dein Homo Magi

 

Koma

 

Hallo Salamander,

 

ich denke mal wieder über die Struktur der vielen Welten nach, die unser Multiversum bilden. Unsere eigene Welt ist real, sie wird von Menschen bevölkert. Darauf würden sich wohl die meisten Magier einigen. Aber jetzt wird es schon schwierig.

Einige andere Welten, die immer wieder beschrieben werden, scheinen eigene „Ur-Einwohner“ zu haben, die diese Welten zu ihren eigenen gemacht haben. So haben die Elben/Elfen wohl eine eigene Welt, ebenso ist das Reich der Zwerge von unserer Welt getrennt. Scheinbar sind auch die Dämonen auf einer eigenen Ebene/Welt, die mit ihnen keiner teilen möchte.

Dann gibt es wieder Bereiche, die scheinbar als Bahnhöfe oder Umsteigstationen zwischen den Ebenen dienen. Jenes Fantasy-Königreich (oftmals „Middle Kingdoms“ oder „Mittlere Königreiche“ genannt), das sich offensichtlich an einem Nexus zwischen den humanoiden Rassen und einigen ihrer Reisebegleiter durch die Millenia (z.B. den Drachen) befindet, scheint so ein Ort zu sein. Immer wieder gerne von magischen Touristen bereist, ist es eine Art „Muss-Stop“ bei der ersten magischen Reise durch das Multiversum.

Und dann gibt es jene Einzelpunkte, die immer mal wieder besucht werden – Lichtungen im Welt, Kloster im Gebirge, magische Orte der Stille wie auch Sammlungsorte vor der großen Schlacht. Diese Orte sind Teil unserer gemeinsamen „magischen Überlieferung“ (wenn wir das Gesammel aus Märchen, Mythen und Hollywood mal so nennen mögen, was als Mythenbrei gerade heute unsere Weltsicht diesbezüglich prägt), gemeinsames Erbe einer wie-auch-immer zu begrenzenden europäischen Kultur der Magie. Diese Orte werden scheinbar von uns gemeinsam geschaffen bzw. am Leben erhalten.

 

Wie soll das funktionieren? Nun, ich denke dass jeder Mensch ca. 0,1 Promille seiner Lebensenergie darauf verwendet, jene magischen Welten – bewusst oder unbewusst – mit Energie zu befeuern. Dank des hohen Multiplikators an denkenden Wesen in Europa langt dieser niedrige Anteil locker aus, um diese Welten energetisch zu unterhalten.

Bist du mir soweit gefolgt? Dann kommt der nächste Punkt nicht überraschend. Im Schlaf werden die Grenzen schwächer, die unser Geist zieht, und immer wieder gelingt es einzelnen Reisenden, hinüber in eine jener Welten zu gelangen – und manchmal kommen sie auch nicht wieder. Diese Gabe scheint nicht an magische Fähigkeiten gebunden zu sein, sondern sie ist allgemein vorhanden.

Mir fiel bis jetzt noch kein Argument ein, das dagegen spricht. Denn ein Problem stellt sich: Wenn ich recht habe, wo sind dann die ganzen Koma-Patienten hin? Warum trifft niemand von den magischen Reisenden, die ich kenne, ab und an mal einen von ihnen? Was geschieht mit deren magischer Energie?

Ich weiß es nicht. Und das beunruhigt mich.

 

Dein Homo Magi

 

Zug um Zug

 

Hallo Salamander,

 

gestern ging um 5.00 Uhr morgens mein Wecker. Ich hatte zusätzlich noch den telefonischen Weckdienst der Telekom bemüht (ja, den gibt es noch), aber ich wachte vorher auf und konnte vor dem Telefon stehend diesen Anruf pünktlich entgegennehmen. Bis 6.00 Uhr hatte ich gefrühstückt, auf dem Weg zum Bus waren alle Läden noch zu. Im Bus waren wir dann zu dritt – samt Fahrer.

Auf dem Bahnhof fiel mir dann auf, was mich irritiert: Das Gerüst der Welt läuft schon, nur die Menschen, die es füllen, sind erst spärlich unterwegs.

Ich holte mir im frisch geöffneten Kiosk eine Tageszeitung und als gegen 7.00 Uhr mein Zug kam, hatte ich sie schon gelesen und war soweit wach.

Im Zug war es kühl. Die Welt war am Erwachen, überall lag Nebel über den Feldern und Wiesen. Es war ein verzauberter Anblick. Ein Sommermorgen ist etwas feines, wenn man ihn genießen kann.

In Frankfurt musste ich dann umsteigen. Die meisten Läden waren noch zu. Im Zug saßen wieder etwa drei Personen pro Waggon. Als ich aus dem Zugfenster schaute, dachte ich erst, das Dach über den Bahnsteigen wäre undicht, da die Bahnsteige nass waren. Aber nein: Sie waren einfach nur feucht gewischt.

 

Dann wurde mir mal wieder klar, dass es neben der Welt, die ich sah, einen unsichtbaren Teil der Welt gab. Zu uns Eloi gab es die Morlocks, die nachts oder morgens die Brötchen buken, die Zeitungen auslieferten, die Bahnhöfe wischten und so weiter. Sie waren nicht Teil meiner Welt, weil ich sie nie zu Gesicht bekam. Aber trotzdem waren sie da, da draußen, und sie waren Menschen wie ich.

Die Bahn war für mich immer der große Gleichmacher. Es gibt zwar zwei Klassen und unterschiedliche Preisstufen bei Zügen, aber trotzdem mussten sich die Menschen auf dem Bahnsteig treffen. Wer mit dem Zug verreisen wollte, der musste andere Menschen um sich herum ertragen. Aber mir wurde schlagartig klar, dass dies nur für jene galt, die erstens Geld hatten und zweitens durch ihren Lebensrahmen in der Lage waren, Zug zu fahren, während es hell war (und die nicht nachts arbeiten mussten!).

Aber aßen die Morlocks nicht das Fleisch der Eloi? Oder greift Wells’ Bild nicht, weil es utopisch ist. Wir sind nicht die Eloi, sie sind nicht die Morlocks. Kein Krieg trieb die eine Hälfte der Welt in den Untergrund. Aber wir teilen die Gesellschaft immer weiter. Vielleicht ist es eine Methode, um der Masse die Macht zu nehmen. Wer sich nicht sehen kann, wer sich nicht versammelt, der kann sich nicht organisieren.

Ein Teil unserer Bevölkerung ist ganz raus, weil er ohne Arbeit und ohne Geld daheim sitzt, den Fernseher anstarrt und auf den Tod wartet. Ein anderer Teil arbeitet, aber er tut dies in Nischen, die wir nicht zu Gesicht bekommen. Oder wenn wir dann doch den Mann mit dem Besen sehen, dann ignorieren wir ihn. Und der restliche Teil der Bevölkerung will das alles nicht sehen, weil er daran erinnert werden könnte, wie unsicher sein eigener Stand ist.

Versammlungsfreiheit bringt nichts, wenn man sich nicht versammeln will. Ausbeutung und soziale Verelendung können funktionieren, wenn man sich nicht organisiert und wehrt.

 

Der Nebel weicht.

 

Dein Homo Magi

 

Tuberkulose

 

Hallo Salamander,

 

in den letzten Wochen war ein ich ein paar Mal beim Arzt. Ein riesiges Durchchecken – man kommt ja langsam in das Alter, wo das ab und an mal notwendig wird. Durch einen Fall im Bekanntenkreis aufgeschreckt ließ ich mich auch auf Zeckenbisse testen – ich verzichte jetzt auf eine Wiedergabe dessen, was ich über Zecken gelernt habe. Aber soweit feststellbar, bin ich frei von Zeckeninfektionen.

Dann kam der Tuberkulose-Test. Ich lachte, weil Tuberkulose ist ähnlich wie Beulenpest in meinem Leben präsent – nämlich nicht. Man rammte mir also eine Tuberkulose-Testladung in den Arm und ich sollte in drei Tagen wiederkommen.

Es war Freitag. Samstag juckte mein Unterarm, ich hatte Fieberstöße und man konnte das Spritzenmal deutlich fühlen. Sonntag war ich bemüht, den roten Fleck von der Größe einer Münze unter der Haut nicht herauszuschneiden. Montag war ich beim Arzt der mir mitteilte, dass das Ergebnis positiv sei. Was mich nicht wirklich überraschte, wenn ich die Dicke meines Armes in Betracht zog, aber meine Infizierung mit TBC muss an mir vorbeigegangen sein.

Immerhin hatte ich einen Scherz auf den Lippen und fand den Verweis auf den „Zauberberg“ ganz lustig. Dafür bekam ich dann einen Vortrag über Ölplomben in der Lunge (ja, das ist früher operativ gemacht worden ...) und die Möglichkeit der Ansteckung ohne Krankheitsverlauf bei Ausbildung von Antigenen.

Ich war röntgen. Kein TBC-Befund. Also musste der zweite Arm herhalten, um sich auch aufpumpen zu lassen. Ich bekam bekannte Spritze und am nächsten Tag ... Du kannst es dir denken. Also marschierte ich wieder zum Arzt. Der meinte dann nur lakonisch: „positiv“. Für das, was ich für eine Arztbehandlung bezahle, hätte ich auch einen ganzen Satz mit Subjekt und Verb verdient. Man kann nicht immer Glück haben.

Also: Ich bin nicht ansteckend, bin nicht gefährdet, aber ich muss jetzt pissige vier Wochen lang ein Anti-Tuberkulose-Mittel nehmen. Kein Alkohol und eine Warnung im Beipackzettel vor „Händchen in Pfötchenstellung“. Ich weiß nicht, wie ich mir dieses Warnzeichen vorstellen soll, aber wenn ich anfange, Pfötchen zu machen, dann schaff mich zum Arzt!

Nun, natürlich erzählte ich das auch im Bekanntenkreis herum – immer in der Hoffnung, jemand würde sich melden und sich als TBC-Überträger „outen“, damit ich ihn – wegen der alkoholischen Enthaltsamkeit im Urlaub – verprügeln kann. Oder lieber infizieren. Ist gemeiner.

Meine Mutter war erst schockiert, dann nachdenklich. Dann zerrte sich mich von meiner Großmutter (99 Jahre, fast blind, fast taub) hinweg in einen Nebenraum im elterlichen Haus. Dort stand sie, rang die Hände, druckste herum. „Also, ich habe es dir nie gesagt, aber ...“. Nach meiner Geburt hat sie wohl Post vom Gesundheitsamt bekommen, auf der Station habe es einen TBC-Fall gegeben. Also mussten alle Kinder samt Müttern zum röntgen. Kein Befund, also durften wir wieder heim. Ich denke mal, dass ich damals – als wehrhaftes, kleines Kind – kein TBC bekam, aber Antikörper ausgebildet habe. Ich habe sie nicht verprügelt.

 

Warum ich das alles mit Humor nehme, obwohl meine Arme jucken und ich nicht trinken darf? Weil ich was gelernt habe. „Erkenne dich selbst!“ bezieht sich nicht nur auf das, was man selbst in Erfahrung bringen kann. Manchmal muss man sich die Arbeit machen, der eigenen Umwelt eigenartige Fragen zu stellen, wenn man manche Antworten haben will. Und jetzt mache ich den Test auf Gelbsucht.

 

Dein Homo Magi

 

Los! Los! Greift mich an!

 

Hallo Salamander,

 

nichts ist in der magischen Szene unter den „höheren Graden“ hipper als das Angeben mit magischen Angriffen, die man überstanden hat. Vielleicht hörst Du diese Gespräche nicht allzu oft, weil sie mit „niederen Graden“ nicht allzu oft geführt werden.

Doch wie sich junge Männer über die Schwanzlänge unterhalten, so ist beim fortgeschrittenen Magier die eigene Existenz als Zielscheibe für große, schwarzmagische Verschwörungen ein wichtiger Beweis dafür, wie wichtig man ist (und dass man noch lebt!).

Ist doch klar, weil die Beweisführung der eigenen Wichtigkeit in diesem Falle eine doppelte ist.

Erstens kann man belegen, dass man überhaupt angegriffen wird. Herr Schulz von gegenüber braucht nicht befürchten, dass die Dogon ihn wegen seiner Aussagen über die Sirius-Passagen aus der Ferne am schwarzen Fleckfieber sterben lassen und auch Frau Müller (1. Etage, gleich links) braucht nicht fürchten, dass die „Söhne der schwarzen Sonne“ (kurz SS-S) sie im Treppenhaus mit einer Luger (Silberkugeln! Mehr sage ich nicht dazu ...) füsilieren.

Ich hingegen werde natürlich andauernd von Geheimkulten, deren pure namentliche Erwähnung weniger ausgebildeten Magiern die Zunge im Mund verdorren lassen würde, bedroht, weil ich eben wichtig bin. Aber natürlich überstehe ich diese Angriffe, weil ich auch von der Bruderschaft der weißen Hand, der Töchter der Revolution und den illuminierten Sehern von Luxemburg beschützt werde.

Und der zweite Effekt, der sofort auftritt, ist das „Klingen schärfen“. Ab und an – am besten in großer Gesellschaft, die auch magisch interessiert ist – sollte man sich einen Schwächeanfall gönnen, gegen die Brüstung taumeln, mit der Hand über die schweißige Stirn wischen und leise – aber hörbar – „Ach, diese Atlanter!“ murmeln. Oder sich bei Vollmond mitten im Ritual ans Herz fassen und „Die alte OTO-Wunde“ wispern. Der Effekt ist eindeutig. Natürlich hat man auch leiden müssen, um das zu werden, was man ist. Man hat Verletzungen hingenommen, Wunden, Kämpfe knapp überlebt und neue Kampftechniken erlernt, die man nur untern weitergibt.

Beide Effekte sind wichtig, weil sie heben die eigene soziale Wichtigkeit in magischen Kreisen. Viele Magier geben sich Mühe, ihr Erbgut möglichst effizient unter der weiblichen Kreismitgliedschaft zu verteilen – und solche Wichtigkeits-Darstellungen erhöhen die Wahrscheinlichkeit, das eigene Erbgut wild im Raum verstreuen zu dürfen.

 

Aber das alleine ist es nichts. Es gibt noch einen dritten Effekt. Und dieser dritte Effekt ist meiner Ansicht nach der beste. Und ich erkenne im Laufe der Jahre mehr, dass viele Magier, die Effekt 1 und 2 benutzen, eigentlich nur sicher sein wollen, dass man ihnen Effekt 3 glaubt, wenn sie ihn anwenden. Wenn der nächste magische Nervling, der alle Bücher von Hexe Sandra gelesen, von Däniken als zu seicht abgetan und die Horror-Video-Sammlung seines großen Bruders durchgeschaut hat, bei einem wegen einer Ausbildung oder Lernstunden anklopft, dann verweist man einfach darauf, dass das alles „viel zu gefährlich“ sei. Am besten ist es, wenn man dann den Pulli hochzieht, die Blinddarmnarbe zeigt und nur leise „20-fach gefalteter Stahl, Stonehenge, 1982“ sagt. Dann sollte man sich umdrehen und gehen.

Ganz ehrlich: Alleine deswegen ertrage ich bei meinen Kollegen Effekt 1 und Effekt 2. Alleine deswegen.

 

Ich muss aufhören, weil ich noch ein wenig Rad fahren will. Heute abend gibt es nämlich noch Regen, und vorher will ich raus. Das mit dem Regen merke ich, weil meine alte Lemurer-Wunde wieder zieht.

 

Dein Homo Magi

 

Feuer!

 

Hallo Salamander,

 

gestern abend war ich auf dem Weg zum Pizza essen (ich war verabredet), als ich an der ersten Kreuzung auf ein brennendes Auto aufmerksam wurde. Das stand rechts – wartend – an der Kreuzung, der Fahrer war noch drin. Ich fuhr gleich rechts ran (30 Meter weiter war eine Tankstelle, da bin ich reingeschert). Als ich ausstieg hörte ich schon die Schreie „Steigen Sie aus! Aussteigen!“

Die Flammen schlugen sicherlich vier Meter hoch aus dem Wagen, überall Rauch. Ich rannte in die Tankstelle, schrie „Da brennt ein Wagen! Ich brauche ein Telefon!“ und informierte mit dem geliehenen Telefon die Feuerwehr. Da war ich aber nicht der erste, jemand hatte wohl (über Handy) schon angerufen. Ein Wagen sei unterwegs, so wurde mir beschieden.

Ich wog kurz ab, ob ich löschen helfen soll. Ich hätte ums Verrecken nicht gewusst, wo in meiner Familienkutsche der Feuerlöscher ist. Aber da kamen schon zwei junge Männer – vom Aussehen her würde ich sagen: Marokkaner – in die Tankstelle hineingerannt und fragten nach Feuerlöschern. Die Mitarbeitern in der Tankstelle (nun schon ein wenig besorgt, denn ich hatte ja auch von Feuer gesprochen) wies auf die Zapfsäulen. Wirklich, da hing an jeder Säule ein Feuerlöscher. Die beiden Männer rannten wieder raus, rissen die Feuerlöscher ab und verschwanden.

Mein Wagen stand völlig im Weg, daher musste ich erst einmal zu ihm zurück. Inzwischen war der Fahrer bzw. die Fahrerin (sehen konnte ich im brennenden Auto nur Umrisse, als ich vorbeigefahren war, jetzt hatte ich keine klare Sicht wegen einiger im Weg stehender Büsche) ausgestiegen, die Flammen waren zurückgegangen. Jetzt stieg schwarzer, schwerer Rauch aus. Wahrscheinlich war das der Lack, der langsam abschmorte. Eklig.

Ich stand immer noch im Weg. Die Feuerwehr hatte am Telefon (auf meine Frage hin) gesagt, ich bräuchte nicht bleiben, es wäre alles unter Kontrolle (gut hatten die reden, ein Feuerwehrwagen war immer noch nicht eingetroffen). Feuerlöscher gab es keine mehr vor Ort (ich wusste immer noch nicht, wo meiner hingekommen war), und explodiert war der Wagen auch nicht (was meine größte Angst am Anfang gewesen war, wie ich gerne zugebe!).

Also machte ich mich vom Acker und schrieb bei der nächsten Gelegenheit meine Beobachtungen nieder – wer weiß, ob nicht morgen ein Aufruf in der Zeitung erscheint „Zeugen sollen sich bitte melden“. Oder: „Der mysteriös aussehende Fahrer eines blauen *** verließ fluchtartig den Schauplatz!“

Man traut der Presse alles zu inzwischen.

 

Konsequenzen? Jetzt weiß ich, wo im Auto die Feuerlöscher sind. Und ich habe erkannt, wie viele Menschen bei einem Unfall vorbeifahren. Ist ja nicht ihr Auto. Wenn andere in Gefahr geraten, lässt man sie wohl am besten allein, damit man nicht selbst in Gefahr gerät.

Ist bei Magie nicht anders, da läuft man auch gerne weiter und greift nicht ein, schon gar, wenn es nicht um eigenen Besitz (lies: Covenmitglieder, Mittelalterhemd, Bier) geht. Nur kennt die Magie keine 112, die man schnell anrufen könnte.

 

Yours, Homo Magi

 

Reden ist silber, Rentier ist gold

 

Hallo Salamander,

 

das große Problem vieler Menschen, die sich mit Magie beschäftigen, ist, dass man oft nicht daran denkt, anstatt magisch sich einfach normal zu verhalten. Oder um es mit anderen Worten zu formulieren: Esoterik heißt nicht nur, vorgegebene esoterische Wege zu begehen, sondern es heißt auch, neue Wege zu gehen (das ist eigentlich der Trick bei der Magie, der sie so interessant macht) und neue Orte zu sehen.

 

Ich will – bevor ich mich dem Problem zuwende, über das ich heute schreiben will – ein Beispiel bringen. Nimm dir einen normalen Würfel, z.B. aus deinem „Mensch ärgere dich nicht“, und erwürfele in der folgenden Tabelle einen Satz. Bitte, würfele für jedes Satzteil einmal.

 

1

Ich

fühle

seit drei Wochen

endlich

Mit

dem inneren Kind

2

spreche

in dieser Inkarnation

mehr

dem All-Eins

3

meditiere

beim Sex

heftiger

der großen Mutter

4

kommuniziere

im Ritual

tiefer

meinen Chakren

5

zaubere

dank des Buches

spiritueller

meinem Coven

6

interagiere

im heilige Hain

wahrhaftiger

meinen Tabletten

 

So. Und jetzt probiere ein paar Varianten aus. Lass dir Zeit, spiele ein wenig mit der Tabelle herum.

Und nun ganz ehrlich: jede Kombination mit „meinen Tabletten“ klingt komisch, oder?

Woran liegt das? Ein paar Antworten habe ich zu bieten. Aber erst noch ein paar erklärende Worte. Ich kenne eine Menge Leute, die Medikamente nehmen müssen, weil sie diverse Krankheiten mit sich herumschleppen. Einige davon – gerade im Kolleginnen- und Kollegenkreis (früher hätte ich noch Kollegenkreis geschrieben, aber heute traue ich mich das nicht) – haben Autoimmunkrankheiten, also Defekte des Immunsystems.

Unser Immunsystem hängt an dem, was wir als magisches System bezeichnen, sehr eng dran. Es gibt viele Stellen, an denen beide Systeme ineinander übergehen, sich vermischen, sich verweben, sich durchdringen. Das Immunsystem übernimmt auch die Freund-Feind-Kennung für unseren Körper. Wenn unser Immunsystem zerstört ist (wie bei AIDS), dann sterben wir an einem Schnupfen oder einem ähnlich banalen Grund. Wenn unser Immunsystem gestört ist (wie z.B. bei mir), dann greift unser Körper ab und an mal gerne vehement sich selbst an, weil er glaubt, die angegriffenen Teile wären fremde Teile. Daher nahm ich auch jahrelang ein Medikament, das eigentlich dafür gedacht war, dass Menschen nach einer Organtransplantation nicht die neuen Organe abstoßen. Auch hier werden Immunreaktionen unterdrückt, nur bei mir sind die (erhöhten) Immunreaktionen andauernd und sinnlos, während ein Spenderorgan einfach ein fremder Körperteil ist, egal was die Schulmedizin und wir uns einreden wollen.

Ich will nicht behaupten, dass ich meine Krankheit besiegt habe. Leider kann ich also nicht in einem esoterischen Verlag Werke wie „Mein Sieg über den Krebs!“ oder „Endlich ohne Diabetes leben!“ veröffentlichen, auch zu Vortragsreisen langt es nicht. Das mag aber auch daran liegen, dass ich einfach Schiss hätte, Menschen, die wirklich krank sind und Schmerzen haben, das Blaue vom Himmel herunterzulügen. Aber ich habe meine Krankheit in den Griff bekommen und bin – zumindest wenn man meinem Arzt und der Literatur glauben darf – einer von den wenigen Fällen, in denen die Krankheit handhabbar bleibt. Wenn ihr mir Bücher zurückgeben wollt, die ihr euch geliehen habt – keine Hektik, ich habe noch einige Jahre und Jahrzehnte vor mir.

Aber zwei Faktoren waren es, die mich kuriert haben.

Erstens habe ich mein Leben umgestellt. Ohne jetzt auf die Details einzugehen: Es waren eine Menge einzelne Faktoren, die hier zusammenkommen mussten, damit es mir besser geht. Aber es ist mir eigentlich ganz gut gelungen.

Und der zweite Faktor war, dass ich gelernt habe, mit meiner Krankheit anders umzugehen. Ich begreife sie weniger als Invasion, denn als Symbiont. Und ich versuche die Medizin zu unterstützen, die mich heilen soll.

Also kann ich das folgende Würfelspiel Menschen, die Medikamente nehmen müssen und damit nicht klarkommen, nur empfehlen:

 

1

Ich

fühle

seit drei Wochen

endlich

mit meinen Tabletten

2

spreche

in dieser Inkarnation

mehr

3

meditiere

beim Sex

heftiger

4

kommuniziere

im Ritual

tiefer

5

zaubere

dank des Buches

spiritueller

6

interagiere

im heilige Hain

wahrhaftiger

 

Es hilft. Denn wer mit Bäumen spricht, in Kristalle reinfühlt und Energiebahnen lenken will, der lässt sich auch von einer kleinen Tablette nicht abschrecken und redet mir ihr (oder findet ein anderes Kommunikationsverfahren) . Meine Großtante konnte mit Blumen reden. Ich kann Blumen – trotz klarer Anweisungen, wie sie zu behandeln sind – nur totgießen. Aber Tabletten, ja die reden mit mir.

 

Ich hoffe, ich konnte dir helfen.

 

Dein Homo Magi

 

Wahnsinn hat seinen Preis – bitte zahlen sie passend!

 

Hallo Salamander,

 

manchmal fühle ich mich wie der Mann in dem alten Witz. Er wird wegen Beleidigung des Wirtschaftsministers zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, weil er ihn einen Vollidioten genannt hat. Bei Rückfrage, warum er eine so hohe Strafe bekommen hat – immerhin habe er den damaligen Wirtschaftsminister vor zehn Jahren genauso beschimpft und hätte dafür eine Geldstrafe bekommen – eröffnete man ihm, dass die Gefängnisstrafe nicht für die Beleidigung, sondern wegen Verrat eines Staatsgeheimnisses sei.

Man sieht, ich arbeite für den Staat. Zwar nur indirekt, aber irgendwie wird meine Stelle voll vom Staat finanziert. Weiterhin glaube ich, dass Arbeitsämter eigentlich nur Arbeit für jene schaffen, die in ihnen arbeiten. Aber das ist eine andere Geschichte.

Im Moment bin ich einem anderen Irrsinn auf der Spur. Man stelle sich folgendes vor: Eine Volksschule richtet zwei Sportkurse für die Drittklässler ein. Ein Kurs ist Schwimmen in einem Nichtschwimmerbecken, der andere Kurs ist Ballspiele. Soweit ist alles in Ordnung. Am Jahresbeginn wird gefragt, wer schwimmen kann und wer nicht. Die Schwimmer kommen alle in den Schwimmkurs, der Rest in den Kurs mit den Ballspielen.

Wenn man für das Arbeitsamt arbeitet, dann ist das so ähnlich wie mit den Drittklässlern – nur ist hier vorher festgelegt, dass die Hälfte der Kinder in den Schwimmkurs muss, weil dafür gerade Fördermittel frei sind. Ob die Hälfte jetzt schwimmen kann, ist dann leider unwichtig. Der Sportlehrer und das Becken sind bezahlt – also nichts wie kopfüber rein in das kühle Nass!

Oder man macht eine Untersuchung mit Jugendlichen, für welchen Beruf sie sich eignen. Vor Ort sind zwei Werkstätten. Die eine ist voll mit Betonmischern, Schaufeln und Presslufthämmern. Hier werden Straßenbauer ausgebildet. Die andere Werkstatt ist ein Friseursalon mit zwanzig Waschbecken, Lockenwicklern etc. Soweit ist alles klar, besonders, weil man nur Jugendliche zur Überprüfung erhält, die als Berufswunsch (wie vage auch immer) Friseur oder Straßenbauer angegeben haben (die Kombination Friseur & Straßenbauer als Berufswunsch ist auch eher selten und mir noch nicht untergekommen). Ein klitzekleines Problem gibt es dabei: genau die Hälfte muss Straßenbauer werden, die andere Hälfte Friseur, weil dafür die Werkstätten und die Ausbilder ausgelegt sind. Also hat man als Ergebnis entweder Straßenbauer mit ondulierten Haaren oder Friseure mit sehr, sehr groben Händen. Hauptsache, die Finanzierung steht.

Die Fördermitteln sind da und die Weisheit der großen Menschen da oben hat beschieden, dass die Welt genauso zu funktionieren hat. Danke Schicksal. Das erinnert mich immer an „Das Leben des Brian“: „Aber jeder nur ein Kreuz!“ Es wäre sicherlich billiger, wenn ich – anstatt wilde Analysen machen würde – einfach abzähle. Die Schüler stellen sich in einer Reihe auf und dann geht es „Schwimmen“, „Ballspiele“, „Schwimmen“, „Ballspiele“ und so weiter. Wer untergeht, wird gerettet und nicht versetzt. Oder die Jugendlichen stellen sich auf und wir zählen „Straßenbauer“, „Friseur“, „Straßenbauer“, „Friseur“ etc.

Meine These ist ja, dass das schon lange so funktioniert. Das erklärt ja auch, warum Straßenarbeiter mit ihren Autobahnbaustellen nie fertig werden und warum ältere Damen mit eigenartigen Frisuren aus den Friseursalons kommen.

 

Dein Homo Magi

 

Joghurt-Party

 

Hallo Salamander,

 

ich schneide brav jede Woche für meine Schülerinnen und Schüler die Stellenanzeigen (für Ausbildungsstellen) aus der Zeitung aus und klebe sie im Flur auf die Infowand, damit sie – wenn sie es wollen – sich gleich bewerben können. Wichtiger Service, wie ich oft merke.

Letzte Woche war eine Anzeige auf der selben Seite wie die Ausbildungsstellen, die mich doch ein wenig verwirrt hat:

Suche nette, zuverlässige Frauen für

Joghurt-Party

Verdienen Sie nebenher

200 Euro und mehr:

Telefon *****/*****

Okay, ich bin ein wenig verblödet, was so etwas betrifft. Erst glaubte ich, Joghurt-Parties wären ein neuer Werbegag für neue Milchprodukte, die – Tupper-Parties nicht unähnlich – im Bekanntenkreis angeboten werden. Doch „nette, zuverlässige Frauen“? Warum können nicht Männer Joghurt verkaufen – schon gar, weil die Zielgruppe meistens Hausfrauen sein müssten, wenn meine Theorie stimmt. Und warum „200 Euro und mehr“ – was treiben die denn da für das Geld?

Ich musste mir erst erklären lassen, dass es auch eine unanständige Deutung für Joghurt-Parties gibt. Keine Details, hier lesen vielleicht auch Minderjährige mit. Auf jeden Fall wird da die Transportflüssigkeit der männlichen Erbinformation an Orten abgelagert, wo die Hervorrufung einer Schwangerschaft eher unwahrscheinlich erscheint ... Außerdem spielen Erdbeeren oder „Diät – nur 20 % Fett“ keine Rolle. Und es füllt auch keine Becher mit „10 % mehr Inhalt zum gleichen Preis“.

 

Warum ist so etwas auf einer normalen Anzeigenseiten für Stellen zu sehen? Und warum haben Magier keine unanständigen Ideen – oder trauen die sich nur nicht, sie zu publizieren?

Ich warte nur auf den Wochenend-Workshop für Esoteriker, wo dann gekonnt neue Titel angeboten werden. Meine TOP 10 (die ich mir hiermit gleich schützen lasse):

(1)„Skyclad“ und willig – nur ernsthafte Zuschriften, bitte mit Bild (garantiert zurück)

(2)Junge Hexen aus Weißrussland und der Ukraine suchen Ausbilder, der ihnen zum 1. Grad verhilft (spätere Heirat bei Gefallen möglich)

(3)Mein Coven animiert alle Chakren und Körperöffnungen („Lass mich deine Chakren weiten!“)

(4)Satanischer Ritus mit vollem Programm – Satans Schweif ist voll beweglich!

(5)Animation von Statuen – alle Teile animiert! („Lion Rampart – Löwe in allen Gliedern steigend“)

(6)Spüre meine Energie! Fühle meine Aura! Ruf – peitsch – mich – peitsch – an!

(7)Mein Zauberstab ist beweglich! Magier sucht nette, zuverlässige Hexen für Workshop (keine finanziellen Interessen)

(8)Mein Grad ist höher als deiner – diene mir, und ich bilde dich aus

(9)Schamanische Krafttiere und ihre geheime Bedeutung („Mein Krafttier ist der Salamander – dem wächst der Schwanz nach, wenn er abgeschlagen wird.“)

(10)       Die Riten des Dionysos so, wie sie wirklich waren

Aber ich sollte mir vorher überlegen, ob „Homo Magi“ mich da sexuell nicht in eine Ecke rückt, in die ich nicht will. Vielleicht wäre „Homo Magi (heterosexuell)“ gut für meinen neuen Briefkopf? Oder ich schlachte es gleich aus: „Marianne Rosenberg, Rosenstolz und Homo Magi – schwule Magie für Fortgeschrittene!“ Nur der Preis muss sich dann wirklich lohnen.

 

Dein Homo Magi (heterosexuell)

 

11. September

 

Hallo Salamander,

 

es gibt Termine, die sogar mir die Stimme verschlagen. Ein solcher Termin ist der 11. September. Nicht nur ist es schmerzhaft, dass die Gedenkfeiern zur Brandnacht meiner Heimatstadt auch auf den 11. September fallen – ich hatte mir am Samstag extra „Frankfurter Allgemeine“ und „Frankfurter Rundschau“ geleistet, doch außer der Gebetmühlen-haften Wiederholung der Bedrohung durch den Islam fand ich wenig neues.

Wenn „der Islam“ uns alle bedroht und als Block Europa und Amerika vernichten will – rechnen wir alle katholischen Kinderschänder, Fahrerflüchtlinge und Vergewaltiger automatisch auch Papisten, die unser evangelisches (!) Deutschland unterminieren wollen? Darf man Menschen jüdischen Glaubens beschimpfen und ihnen – stellvertretend für Israel – die geplante Ausrottung der Araber vorwerfen? Ich glaube nicht, dass das ein Vorgehen ist, dass ich unterstützen möchte.

Nein, ich bin kein Faschist und/oder Nazi. Muss man an dieser Stelle mal in den Raum werfen, um nicht schon wieder missverstanden zu werden. Genauso wenig, wie alle Heiden Blut trinken, Jungfrauen vögeln oder Tiereingeweide auf Lichtungen ausbreiten, sind alle Moslems Verbrecher, die nur amerikanische Hochhäuser sprengen wollen.

Der Anschlag auf das World Trade Center (WTC) hat eine Vorgeschichte, die etwas mit Kolonialismus, der Ausbeutung der 3. Welt, dem CIA und ähnlichen Dingen zu tun hat.

Und wer glauben mag, dass der Anschlag auf das WTC „einfach so“ gekommen wäre, der ignoriert nicht nur die Warnungen, die vorher in amerikanischen Geheimdienstkreisen unterwegs gewesen sein sollen (nein, ich stehe weder auf der Sold- noch der Mailingliste eines amerikanischen Geheimdienstes).

Es gab aber auch Vorhersagen, die mich verwirren. Und jetzt meine ich nicht das „Clever & Smart“-Heft, in dem im Hintergrund ein Flugzeug zu sehen war, das sich in das WTC bohrte. Ich meine auch nicht „The Lonely Gunmen“ (auf deutsch waren das die „Einsamen Schützen“), jenes X-Files-Spinoff, welches in einer Folge kurz vor dem 11. September 2001 einen Anschlag mit einem (ferngesteuerten) Verkehrsflugzeug auf das WTC beschrieb.

Am 11. September saß ich im Innenhof einer ehemaligen Kelterei und las ein Buch, das ich mir antiquarisch besorgt hatte, weil mit Titel und Autor reizten. Es war „Der Jehova-Vertrag“ (Untertitel: „Die Verschwörung gegen Gott“) von Victor Koman, welches ich ratz-fatz auf einem Ruck durchlas. Bis ich steckenblieb.

Der Heimweg erschien mir länger und tat noch mehr weh. Eine Raumfähre, die zur Erde zurückkehrte, donnerte über meinen Kopf hinweg. Ich gab meine Betrachtung der verschmutzten Gehsteige auf und starte die Arco-Plaza an.

Ich erinnere mich noch gut an die Zeit, als beide Türme groß und schwarz dastanden und sich wie zwei steinerne Götzenbilder gegen den blauen Himmel abhoben. Jetzt sah der Himmel stets etwas bräunlich aus, und es stand nur noch ein Turm, sozusagen. Ich entsinne mich, wie damals im Jahre `87 die „revolutionäre Volksbrigade des Zwölften November“ im siebenundzwanzigsten Stock des südlichen Turmes eine kleine Kernspaltung vornahm. Die gesamte Südseite des Gebäudes brach zusammen und riss auch einen großen Teil des nördlichen Turmes mit sich, wobei fast alle vorderen Fenster herausgesprengt wurden. Ein Fall von unmittelbarer Grundstücksentwertung.

Ich blieb (S. 12 f.) hängen und las erst einmal meinen anwesenden Bekannten den Abschnitt vor. Betretene Stille folgte. Da saßen wir treulich im Grünen und wurden von einer Realität eingeholt, die wir gerne ignoriert hätten.

Das restliche Buch ist sehr gut zu lesen. Der Anschlag auf Gott, zu dem der Super-Attentäter vor der Jahreswende ins zweite Millennium angeworben wird, findet statt. Ich mag keine Spannung zerstören, indem ich das Buch erkläre. Nur soviel: Man findet Hexen, heidnische Gottheiten, viel Magie und einige gute Ideen in diesem Buch, das mich – als ich es wieder weiterlesen konnte – ziemlich begeistert hat. Antiquarisch ist es immer mal wieder zu haben.

Und eine versteckte Hommage an den Autor liefert sich Chris Carter, Hirn hinter X-Files, „Einsamen Schützen“ und „Millennium“, wenn er ihn zwei der Romanumsetzungen seiner Serie „Millennium“ schreiben ließ – durch den Hintergrund von „Der Jehova-Vertrag“ eine nette Hommage. Sonst fand ich auf Deutsch keine Titel des Autoren ...

Kulturkampf gegen den Islam. Die wollen doch nur unsere Schulen mit Kopftuch-Brigaden überschwemmen, unsere Kinder islamisieren, uns zum Döner-Essen zwingen und von hohen Türmen zu jeder Tages- und Nachtzeit den Koran lesen. Unser eigenes Kirchen-Gedröhne übersehen wir als zu unserer Kultur zugehörig, sehen im Islam nur das feindliche (anstatt in ihm eine Kultur zu sehen, die uns sehr wohl befruchten kann). Analog zum „Was haben uns die Römer eigentlich gebracht?“ könnte man an den Islam auch als friedvolle Herrschaft im Spanien des Mittelalters denken, oder als freiheitsliebende Verteidiger in den Kreuzzügen, als Angreifer gegen Wien (danke für den Kaffee!) oder als Gehirnwäscher hinter Cat Stevens (darf ich jetzt auch keinen George Harrison mehr hören?).

Ich sage nicht, dass der Anschlag auf das WTC für uns normale Menschen vorhersehbar war. Aber als absolutes Symbol der amerikanischen Macht war er wohl ein wenig zu wenig geschützt. Und die Notfallmaßnahmen im Gebäude scheinen eine Katastrophe gewesen zu sein.

Was soll ich auch von einer Nation halten, die Pearl Harbour geschehen ließ, weil sie einen Kriegsgrund brauchte? Ist das WTC der Preis für das irakische Öl?

Lassen wir Heiden uns zu Hampelmännern eines religiösen Krieges machen, der so überflüssig und gefährlich ist wie JEDER Glaubenskrieg?

 

Wenn Moscheen bedroht sind oder Dönerbuden brennen – werden wir die religiöse Freiheit unserer Heimat als Heiden verteidigen? Ist hier die Freiheit der Andersdenkenden auch unsere Freiheit?

Mir fallen genug Gründe ein, warum ich gegen bestimmte Aspekte des Islams bin. Aber trotzdem müssen wir jene religiöse Freiheit schützen, die auch unsere eigene religiöse Freiheit ist.

Wir müssen wohl, auch wenn mir dabei nicht immer ruhig im Magen ist.

 

Dein Homo Magi

 

Heiden reden über alles!

 

Moderator: „Guten Abend. Herzlich willkommen zu »Heiden reden über alles!« mit sieben Priestern aus acht Traditionen!

Wicca: „Priester und Priesterinnen!“

Moderator: „Ich entschuldige mich. »Heiden reden über alles!« mit sechs Priestern und Priesterinnen!

Asatru: „Ich bin Hohepriester, kein Priester!“

Vanatru: (Abfällig) „Wer erkennt denn DAS schon an.“

Asatru: (Lehnt sich vor) „Was soll denn DAS heißen?“

Moderator: „Meine Damen, meine Herren – wir wollen doch am Thema bleiben! Wir sprechen heute Abend bei »Heiden reden über alles!« über die Wahlerfolge der rechten Parteien und über das, was Heiden tun können, um diese Entwicklung einzudämmen.“

Wicca: „Heiden und Heidinnen!“

Moderator: Entschuldigung. Was Heidinnen und Heiden tun können, um diese Entwicklung aufzuhalten. Vielleicht gebe ich die Frage mal im Kreis herum?“

(Zustimmendes Nicken, Grummeln beim Asatru.)

Wicca: „Dann fange ich mal an. Ich glaube, dass wir einfach versuchen müssen, den Menschen mehr und mehr klar zu machen, dass die große Mutter es nicht zulassen wird, dass wir fremdenfeindliche Ideologien in unserem Land Raum greifen lassen. Wir beschmieren unser Karma, wenn wir rechte Parteien wählen – wir müssen den Menschen wieder Liebe und Verantwortung für die große Schöpfung beibringen, damit die Faschisten keinen Raum gewinnen können!“

Asatru: „Wir waren schon immer gegen die Faschisten eingestellt.“

Vanatru: „Schon immer ...“

Crowleyaner: (lacht)

Moderator: „Bitte, lassen wir doch diese erste Runde ohne Unterbrechung durchlaufen.“

Asatru: „Das, was unter völkischer Asatru von meinem hochgeschätzten Kollegen wohl gemeint ist, hat mit nordischer Asentreue nichts zu tun. Wir haben im Internet und in unseren internen Publikationen immer darauf hingewiesen, wie und wo wir uns deutlich vom Faschismus unterscheiden. Die Zeiten eines Wiligut oder Rahn sind vorbei, Asatru ist Teil einer internationalen Bewegung anti-faschistischer Heiden!“

Vanatru: „Internet und interne Publikationen – puh!“

Asatru: (lauter) „Besser, als mit Faschisten offen zusammenzuarbeiten!“

Vanatru: (lauter) „Was soll das heißen?“

Crowleyaner: (lacht)

Moderator: „Meine Herren! Bitte!“

Dianic: „Danke, Herr Moderator. Das Problem der männlich orientierten heidnischen Gruppierungen war schon immer, dass Männerherrschaft und Faschismus aus den selben männerbündischen Idealen genährt werden. Atomkraft, Umweltverschmutzung, wie auch Krieg und Seuchen sind männliche Erfindungen. Wenn wir Frauen nicht mehr Raum bekommen, um in dieser Gesellschaft mitzuwirken, dann werden die Wahlergebnisse der rechten Parteien weiter wachsen!“

Wicca: „Und deshalb habt ihr in eueren Coven klare Machtstrukturen, weil ihr das ablehnt?“

Dianic: „Ich lasse mir doch von einer Feld-, Wald- und Wiesenhexe nicht ...“

Moderator: (sprich dazwischen) „Meine Damen. Bitte!“

Keltoi: „Weisheit findet sich nicht im Außen, sondern nur im Innen. Nicht die Versammlungen der Menschen, sondern die Haine der Kelten sind die Orte, wo man Wahrheit, Licht und Kraft findet. Eiche und Mistel geben uns die Antworten auf die Fragen, die sich uns stellen. Wir müssen stark sein wie die Eiche und magisch wie die Mistel, wenn wir bestehen wollen.“

Asatru: (lacht) „Jetzt weiß ich Bescheid!“

Vanatru: „Besser als Runen-Gymnastik!“

Asatru: (lauter) „DAMIT haben wir NICHTS zu tun.“

Moderator: (wedelt mit den Armen) „Meine Herren, bitte, zurück zur Rednerliste.“

Crowleyaner: (lacht)

Gardnerian: „Danke, Herr Moderator, für ihre Hilfestellung. Mann und Frau sind Seiten der selben Medaille, Teile des großen kosmischen Spiels, dass wir Schöpfung nennen. Jäger und Mutter, Mond und Sonne, sie alle sind Teil des großen Zyklus. Auch die Nazis sind Teil der Schöpfung – arme, verwirrte Seelen, die ihren Weg in unserer Zeit nicht finden können. Entwurzelte karmische Knoten, die zum Licht geleitet werden müssen.“

Vanatru: „Fertig?“

Gardnerian: (verwirrt) „Fertig.“

Vanatru: „Danke. Der große Kampf zwischen den ackerbauenden Wanen und den jagenden Asen spiegelt sich auch im Streit der momentanen Bevölkerungsgruppen wieder. Die Asen, deren kriegerische Ader gezähmt werden muss durch Heirat, Bluteid und Schwertschwur, sind heute jene Anhänger rechter Ideologien, die von uns wahren Heiden (schielt zum Asatru rüber) umarmt und vereinnahmt werden müssen. Wir alle sind Teil der selben Welt im Weltenbaum – wir müssen nur lernen, sie gemeinsam zu verwalten.“

Asatru: „Scheißdreck!“

Moderator: „Ich muss schon bitten!“

Crowleyaner: (lacht)

Moderator: „Sie haben als letzter in dieser Runde das Wort!“

Crowleyaner: „Wie schon das große Tier 666 in seinem gechannelten Buch »A.P.P.L.:.O.P.P. 23:22« schreibt, ist dies nur der Spiegel eines großen kosmischen Kampfes; nur Vorbote eines Schicksals, denen sich die Zivilisationen stellen müssen. Wir sind nur Schachfiguren in einem Spiel, dass wir nicht verstehen – doch wir müssen jenen Avataren folgen, die die größeren Zusammenhänge sehen. In den letzten Wochen und Monaten melden sich immer mehr junge Menschen bei uns, welche die Zeichen der Zeit erkennen und unsere Reihen auffüllen wollen, weil wir helfen können, den Faschismus zu bekämpfen!“

Asatru: „Pah! Ihr seid doch selbst Faschisten!“

Crowleyaner: (lacht)

Moderator: „Ja, mit diesem Kommentar darf ich die allgemeine Diskussion eröffnen. Was können wir konkret tun? Wer will sich äußern?“

Wicca: „Zum nächsten Vollmond rufen wir alle wohlgesinnten Heidinnen und Heiden auf, sich um 20.00 Uhr MEZ zu treffen, um unsere Energien zu channeln, damit die Rechten keinen Fußbreit Boden mehr gewinnen können!“

Asatru: „Quatsch! Unser Blod hat beschlossen, dass wir den Faschisten nur eines entgegenstellen wollen – unsere Fäuste!“

Crowleyaner: „Müsste es nicht Faschistinnen und Faschisten heißen ...“

Wicca: „Pah!“

Dianic: (schnaubt)

Gardnerian: „Schweigen würde ihnen besser stehen, werter Kollege!“

Crowleyaner: (lacht)

Dianic: „Nur unsere gemeinsame Energie kann die Erde retten! Deswegen rufen wir alle Heidinnen und Heiden auf, sich am nächsten Vollmond um 21.00 Uhr MEZ zu treffen, damit wir gemeinsam unsere Energien jenen schicken, die gegen den Faschismus mutig auftreten.“

Moderator: „21.00 Uhr MEZ?“

Dianic: (mit einem Seitenblick zur Wicca) „Ja!“

Moderator: „Aha!“

Vanatru: „Ich finde es unerträglich, dass niemand außer mir zu spüren scheint, dass die Asatru offensichtlich faschistoide Praktiken anwenden wollen, um Faschisten zu bekämpfen. Ich habe hier dann nichts verloren!“ (steht auf und geht)

Moderator: „Aber ...“

Gardnerian: „Ich kann mich meinem Kollegen nur anschließen!“ (steht auf und geht)

Wicca: (ruft ihm hinterher) „Kolleginnen und Kollegen!“

Gardnerian: (in der Tür) „Leck mich!“

Wicca: (springt auf und rennt ihm nach) „Dich kriege ich!“

Dianic: „Meine Schwester braucht Hilfe!“ (rennt hinterher)

Moderator: „Meine Herren, wollen wir denn dann weitermachen ...“

Crowleyaner: „Herrinnen und Herren, oder?“ (lacht)

Asatru: (zum Moderator) „Verbieten sie dem Crowleyaner das Wort – oder ich gehe!“

Moderator: „Ich werde doch niemanden das Wort verbieten, der hier seine freie Meinung äußern will.“

Asatru: „Dann müssen meine Fäuste sprechen. Ich warte hinter der Bühne auf euch.“ (stiert den Crowleyaner an und geht dann hinaus)

Crowleyaner: „Dann bringe ich das wohl besser hinter mich!“ (zieht ein verziertes Messer aus dem Ärmel und geht dem Asatru nach)

Moderator: „Wie bitte?“

Asatru: (aus der Kulisse) „Aaaaah.“

Moderator: (zum Keltoi gewandt, der als letzter im Rund sitzt) „Vielleicht ein Schlusswort“

Keltoi: „Wie schon gesagt: Weisheit findet sich nicht im Außen, sondern nur im Innen. Nicht die Versammlungen der Menschen, sondern die Haine der Kelten sind die Orte, wo man Wahrheit, Licht und Kraft findet. Eiche und Mistel geben uns die Antworten auf die Fragen, die sich uns stellen. Wir müssen stark sein wie die Eiche und magisch wie die Mistel, wenn wir bestehen wollen. Wo kann ich das Geld für die Veranstaltung abholen?“

Moderator: „Raum 222, gleich links.“

Keltoi: „Und die Kantine?“

Moderator: „1. Stock, ist ausgeschildert.“

Keltoi: „Möge deine Eichel gesegnet sein!“ (steht auf und geht)

Moderator: (kurze Pause) „Danke, dass sie uns eingeschaltet haben. Nächste Woche dann »Heiden reden über alles!« mit sechs Priesterinnen und Priestern aus sieben Traditionen zum Thema »Begräbnisriten der Asatru«. Danke!“

 

Des Sturmes Winde treiben

 

Hallo Salamander,

 

heute mal was anderes – statt einer Kolumne. Ich hoffe, Du verstehst ...

 

Dein Homo Magi

 

Des Sturmes Winde treiben

 

Des Sturmes Winde treiben

Fahle Wolken vor sich her.

Der Himmel riecht nach Wasser,

die Erde schmeckt nach Meer.

 

Die Donnerfronten rollen

Wohl übers weite Ried,

und Blitze heischen Blitze,

so weit das Auge sieht.

 

Und schwere Tropfen fallen,

eisig und Perlen-rund.

Ich lasse sie zergehen

in meinem wunden Mund.

 

Du Sturm zwischen den Welten,

von dir sprecht jene Mär,

aus kalten, alten Tagen,

in Reimen hoch und hehr.

 

Zerzaus nur meine Haar,

netze nur mein Gesicht –

du pochst auf meinen Schädel,

meine Seel’ erreichst du nicht.

 

Oh Loki, lass den Donn’rer,

die Wut ist bald verraucht,

dann komm zu mir hernieder,

denn du wirst hier gebraucht.

 

Die Erde nach dem Regen,

die Götter nach dem Fall,

der alten Götter sterben –

nur Du verstehst sie all.

 

Dein Eidbruder hat Weisheit,

doch ließ ein Augenlicht,

doch du erhielt’st Verständnis,

darum beneid’ ich dich.

 

Nächtliches Grausen

 

Lieber Salamander,

 

seit ein paar Nächten habe ich immer den selben Traum. Ich stehe in einem Leuchtturm und schaue hinaus auf ein wildes, bewegtes Meer, das unter einem eigenartigen fahlen Licht liegt.

Ich blicke mich um, sehe kein Schiff und gehe die Treppen hinab in den Turm.

Erst gehe ich Stufe um Stufe hinab bis auf das Niveau der Erde. Dann steige ich weiter die Treppe hinunter, hinein in den Felsen, auf dem der Leuchtturm thront.

Tiefer und tiefer geht es hinab in das Herz der Erde. Der Fels um mich herum ist kalt, die Steine tropfen fast schon die Feuchtigkeit aus, die auf ihnen perlt. Grüne, phosphoreszierende Moose kleben an den Wänden.

Endlich, nach vielen Stufen, komme ich in einem Raum, der aus dem Fels geschlagen ist. In dem Raum stehen sechs Männer mit blakenden Fackeln, die mich anschauen. Sie sind mir vertraut, doch fremd. Einer trägt eine Uniform, die mich an einen jüngst vergangenen Krieg erinnert. Einer hat wilde Haare und einen wilden Bart und hat die Haut eines Seemanns. Einer scheint mir ein Priester zu sein, ein junger Mann mit einem runden Gesicht, das Ruhe und innere Einkehr auszustrahlen scheint.

Sie schauen mich an. Ihre Augen laden mich ein, ihnen zu folgen. Ich gehe mit ihnen einen langen Gang entlang, der sanft geneigt immer tiefer in den Fels führt. Endlich kommen wir in einer tiefen Höhle an. Hier steht ein Sarg aus milchigem Glas, durch das ich nicht hindurchschauen kann.

Die anderen Männer nehmen Aufstellung um den Sarg. Am Fußende lassen sie eine Lücke in ihrem Kreis, in die ich mich postiere. Mir fällt auf, dass genau mir gegenüber auch eine Lücke ist. Warten sie auf jemanden?

Ich schaue mich um. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie sich der Sargdeckel etwas zu verschieben scheint.

 

Ich erwache schweißgebadet und brauche lange, um wieder einzuschlafen. Mein Herz jagt, meine Gedanken sind fahrig.

 

Salamander? Hörst du mir zu? Bist du da?

 

Dein

Homo Magi

 

Lehrer

 

Hallo Salamander,

 

heute hatte ich einen Tag frei (Überstunden ...). Den habe ich genützt, um ein paar Arbeitsaufgaben zu erledigen, die ich sonst vor mir herschiebe. Da gehören dann böse Worte zu wie Finanzamt und Bank. Also alles Dinge, die man an einem freien Tag eigentlich nicht gerne macht.

Kultisch gehört dazu auch ein Besuch im ortsansässigen Rollenspiel-Laden (ein Kaffee für umsonst, dazu eine Stunde lang lustige Gespräche und zwei kleine Einkäufe) samt dem Besuch des Gebrauchte-Bücher-Ladens um die Ecke („Oxfam“ – deren Philosophie halte ich weiterhin für kritikwürdig, aber da gibt es billige Bücher).

Im Buchladen grüßte ich freundlich eine ältere, weißhaarige Frau, die mir vertraut vorkam. Beim Stöbern in den Regalen wurde mir auch klar, wer das war: Meine Klassenlehrerin in der 3. und 4. Klasse. Die erste Lehrerin, die ich wirklich gemocht habe (meine Klassenlehrerin von Klasse 1 und 2 möge in der Hölle brennen!).

Als ich ans Zahlen ging, erkannte sie mich auch wieder. Ich schüttelte ihre Hand und sie wusste nach wenigen Sekunden sofort, wer ich war. „Mein Gott, hast Du dich verändert!“

Ein schöner Satz, weil ich mich auch verändert fühle. Wobei die letzte bewusste Sichtung durch sie stattfand, als ich zehn Jahre alt war. Da habe ich mich schon deutlich verändert seitdem.

Sie hätte ich sofort wiedererkannt, die lustigen Augen waren immer noch genauso spaßig wie vor fast dreißig Jahren. Und jetzt arbeitete sie freiwillig bei „Oxfam“ und sortierte Bücher. Dann fragte sie mich: „Was machst du jetzt eigentlich?“

Ich blickte an mir herunter – Bücher im Arm, blauer Pulli, Cord-Hose, dunkle Schuhe. Nicht gerade beeindruckend. Im Laden stand eine ehemalige Schülerin von mir, die mich schon freudig begrüßt hatte. Also erzählte ich, dass ich Sozialarbeiter geworden bin und mit jungen Leuten arbeite. Sie war sichtlich erfreut. Wir unterhielten uns noch eine Weile über Erziehung und Jugendliche, irgendwann ging ich weiter auf meinen Tagesausflug in der echten Welt.

Um die Ecke gekommen hielt ich einen Moment inne. Zur Zeit geht es mir nicht so gut, die Welt erscheint mir öfter dunkel als hell. Vielleicht auch ein Effekt, den Samhain auf mich hat, sicher auch ein Ausfluss meiner Lebensumstände.

Aber was hatte ich im Arm? Vier Bücher. Ein Geschenk für das Kind, ein Geschenk für meine Schwester. Bleiben zwei Bücher. Einmal ein Buch von Hanussen II („Mach mehr aus deinem Leben“ – Teil 1 der Serie hatte ich schon vor einigen Wochen hier erstanden) und „Jack the Ripper case closed“ von Patricia Cornwell. Bücher. Ach. Ich liebe sie.

Und meine Arbeit? Hey, meine alte Lehrerin schien mit sich und auch mit mir zufrieden zu sein. Im Laden hatte ich noch gesagt „Es hat sich doch gelohnt, dass sie mir das Lesen beigebracht haben!“ Und so stimmt es auch. Bücher sind meine Freunde in den Stunden, in denen ich nicht schlafen kann. Bücher trösten mich in der Einsamkeit, Bücher ergötzen und erfreuen mich.

Aber die Menschen? Nun, alleine das Treffen mit meiner Lehrerin hätte mich darüber aufklären sollen, dass das Schicksal nicht will, dass ich ohne Menschen lebe. In der ersten Station meiner Reise hatte ich schon einen Praktikanten vermittelt, der im Rollenspiel-Laden arbeitete. Natürlich ein früherer Schüler ... Im Buchladen kaufte eine ehemalige Schülerin ein, einen traf ich im Bus, einen in der Innenstadt, eine sah ich im Vorbeifahren.

Alle grüßen mich, freuen sich, mich zu sehen, plaudern über ihr Leben und erzählen, wie es ihnen seit der Zeit bei mir ergangen ist.

 

Bücher reichen nicht aus, um mein Leben glücklich zu machen. Menschen wohl auch nicht. Aber von beidem habe ich und eigentlich bin ich gesegnet damit. Danke Schicksal.

Finanzamt und Bank haben dann auch gar nicht weh getan ...

 

Dein

Homo Magi

 

Schwule und Lesben

 

Lieber Salamander,

 

manchmal ist die Welt von alleine so skurril, dass sie einem die Kolumnen sozusagen tischgerecht präsentiert. So der folgende Eintrag von „Helfer“ im Forum der Homepage www.homomagi.de (vom 13.10.2004):

 

„Liebe Schwule und Lesben,

Ich kann es nicht mehr ertragen, dass die schwulen und lesbischen Mitmenschen in unsren Land diskriminiert und verfolgt werden. Heute gehört es zum guten Ruf gegen die kranken und armen Menschen mit billiger Polemik zu hetzen. Antisemitische Hetze ist ein Tabu, während der Hetzer gegen die Homosexuellen und armen Sozialhilfeempfänger/Arbeitslosen mit einen Kavaliersdelikt davonkommt. Wo ist die Nächstenliebe in unserer christlichen Abendkultur verblieben? Warum werden die kranken Menschen für ihr Handeln diskriminiert?

Ist unsere Gesundheitssystem schon so marode, dass man die erfolgreiche Therapie nur noch für die Pädophilie leisten kann?

Mehr als 1.000 Artikel über die Therapie von Homosexualität belegen eine durchschnittliche Erfolgsquote von 52 Prozent. Dies liegt deutlich oberhalb der Quote von 30 Prozent, die von Psychotherapeuten in der Regel als Kriterium für die erfolgreiche Therapie eines psychischen Problems angesehen wird (Satinover 1996b).

Was für eine ungenutzte Ressource für unsere Gesellschaft. Besonders in der heutigen Zeit ist es eine Schande der demographischen Entwicklung nicht entgegenzuwirken.

Welche Freude kann süßer sein, wenn die geheilten Menschen sich nicht mehr verstecken müssen, Anerkennung bekommen, ihren Lebensglück finden, eine Familie gründen ohne sich zu schämen, Kinder bekommen und sich frei bewegen können ohne jegliche Diskremenierung über sich ergehen zu lassen?“

Köstlich, oder? Ärgerlich, dass so etwas den Rahmen unserer Homepage nutzt, glücklicher Umstand, weil der Artikel Häme herausfordert – und auch geliefert bekommt.

 

Der Reihe nach.

„Ich kann es nicht mehr ertragen, dass die schwulen und lesbischen Mitmenschen in unsren Land diskriminiert und verfolgt werden. Heute gehört es zum guten Ruf gegen die kranken und armen Menschen mit billiger Polemik zu hetzen. Antisemitische Hetze ist ein Tabu, während der Hetzer gegen die Homosexuellen und armen Sozialhilfeempfänger/Arbeitslosen mit einen Kavaliersdelikt davonkommt. Wo ist die Nächstenliebe in unserer christlichen Abendkultur verblieben? Warum werden die kranken Menschen für ihr Handeln diskriminiert?“

Homosexualität ist also eine Krankheit, und Homosexuelle sind krank und arm (Arm im Geiste? Arm im Geldbeutel? Arm in der Seele?). Einige meiner besten Freunde sind schwul – und das ist auch gut so.

„Warum werden die kranken Menschen für ihr Handeln diskriminiert?“

Hier werden sie nicht einmal für ihr Handeln diskriminiert, sondern für ihre sexuelle Ausrichtung. Widerlich.

„Mehr als 1.000 Artikel über die Therapie von Homosexualität belegen eine durchschnittliche Erfolgsquote von 52 Prozent.“

Da bin ich ja beruhigt, dass Homosexualität (wie Pädophilie, so behauptet „Helfer“ dummdreist) geheilt werden kann. Kann man auch andere Perverse heilen? Was ist denn normal – sie unten, er oben?

Raus aus der Gesellschaft mit Fetischisten, Sado-Masos, Anal-Verkehrern und Onanierern. Arbeitslager für Wäsche-Fetischisten! Und natürlich müssen die „Armen“ geheilt werden, damit sie produktiv in unserer Gesellschaft ficken dürfen. Und keinen mehr verängstigen mit Verhalten, das von der Norm abweicht (wobei die Norm in diesem Falle weder definiert noch definierbar ist).

„Was für eine ungenutzte Ressource für unsere Gesellschaft. Besonders in der heutigen Zeit ist es eine Schande der demographischen Entwicklung nicht entgegenzuwirken.“

Das heißt: Wenn wir alle Homosexuellen heilen würden, dann würde Deutschland auch nicht aussterben. Das Problem ist nicht die schleichende Verarmung von Familien mit Kindern, nicht der Mangel an Betreuungsplätzen, nicht der Wegfall von Frauenhäusern und und und. Es sind die Homosexuellen, die an allem schuld sind. Auch an der hohen Arbeitslosigkeit, wenn ich näher darüber nachdenke. Beweisen kann ich das nicht – aber das tut „Helfer“ auch nicht, wenn er seine „Thesen“ aufstellt.

„Welche Freude kann süßer sein, wenn die geheilten Menschen sich nicht mehr verstecken müssen, Anerkennung bekommen, ihren Lebensglück finden, eine Familie gründen ohne sich zu schämen, Kinder bekommen und sich frei bewegen können ohne jegliche Diskremenierung über sich ergehen zu lassen?“

Was für eine Doppelzüngigkeit. Man muss also nicht die Gesellschaft verändern, damit sie Homosexuelle akzeptiert – man muss die Homosexuellen heilen. Während Pädophilie einen Straftatbestand erfüllt, ist das bei Homosexualität ganz anders – was „Helfer“ gerne verschweigt. Und ob es mein „Lebensglück“ ist, eine Familie zu gründen, Kinder zu bekommen und sich „frei bewegen zu können“ – brrr, da wird mir schlecht und in meinem Hals bleibt ekliges Zeug stecken, über das ich nicht nachdenken will.

Mein Liebling ist die „Diskremenierung“ – eine nette Mischung aus „Diskriminierung“ und „Exkrement“? Wohl ist dem Autor da die Feder durchgegangen.

Ich gehe erst einmal eine rauchen, um den Geschmack im Hals loszuwerden.

 

Dein Homo Magi

 

Fliegende Gehörlose

 

Hallo Salamander,

 

am Sonntag war ich mit einer jungen Frau spazieren. Die Herbstsonne schien auf die Blätterpracht, die Farben wechselten langsam vom langweiligen Grün in das Bunt des Herbstes und man entschloss sich, gemeinsam noch eine Pizza zu essen.

Berauscht von der letzten Wärme der Herbstsonne und vom lauen Wind umfächelt setzten wir uns in den Biergarten einer nahe gelegenen Pizzeria. Kaum war das Essen gekommen, man hatte ein Getränk bestellt, begann das gemeinsame Verzehren der bestellten Lebensmittel.

Auf einmal fasste ich mir ans Gesicht, weil ich glaubte, es hätte zu regnen angefangen. Es war aber kein Regen, wie ein Blick nach oben erkennen ließ, sondern eine Taube, die sich im Baum über uns bequem gemacht hatte und in ruhigen Bewegungen ihren Darm auf uns – genauer gesagt: mich – entleerte.

Hose voll, Pullover voll, Scheiße im Haar, ebenso Flecken auf der ganzen Pizza und – mein Highlight – sogar auf der Zitrone in meiner Cola Light.

Erst einmal habe ich einen miesen Brechreiz heruntergekämpft. Dann von der Bedienung – für lau, soviel versteht sich – einen Espresso bestellt, damit ich wieder halbwegs einen anderen Geschmack im Mund habe als den, den man bekommt, wenn man an Tauben als Krankheitsüberträger denkt. Widerlich. Sofort fallen einem alle Geschichten über Schornsteinfeger und Taubenkot ein, der voll ist mit Krankheitserregern ...

Den Espresso habe ich dann ganz brav mit einem Bierdeckel verschlossen ...

Die Bedienung entschuldigte sich mehrfach, weil sie hatten den Biergarten wohl im Glauben geöffnet, die Tauben seien schon verschwunden. Waren sie nicht, wie ich belegen konnte. Mehrfach belegen konnte.

Dann heim. Raus aus den Klamotten, rein in die Dusche. Haare waschen. Haare waschen. Haare waschen. Dann ging es mir besser. Klamotten in die Waschmaschine werfen. Waschen. Handtuch in die Waschmaschine werfen. Waschen. Ich habe mich dagegen entschlossen, meine Wäsche zu verbrennen. Ich hätte nicht gewusst, wo ich das machen kann.

Viel später saß ich dann, einen Bademantel an und eine Pfeife im Mundwinkel, im Lesestuhl und dachte nach. Zwei Dinge fielen mir ein:

1.                Wenn ich mal einem Magier begegne, der als Krafttier eine Taube hat, dann bringe ich ihn um.

2.                Wenn es irgendwo einen Ort gibt, wo der Herr der Tauben lebt, dann gehe ich da hin und bringe ihn um.

 

Außerdem fragte ich mich verwirrt, was mir das Schicksal damit sagen will. An diesem Abend wurde ich mir nicht einig mit dem Schicksal.

Am nächsten Tag traf ich Markus (ja, den von „Kleine Taschenlampe brenn!“ und ähnlichen Werken) beim Einkaufen. Und war versöhnt. Jetzt warte ich auf Benzinflecken beim Tanken und Fräulein Menke. Die würde ich auch gerne mal kennen lernen.

 

Dein Homo Magi

 

Samhain

 

Hallo Salamander,

 

ich weiß, ich bin spät mit diesem Schreiben. Ich muss ein wenig ausholen, um dir meine Samhain-Stimmung zu schildern.

 

Du weißt, dass ich ein Mensch bin, der im Innen wie im Außen räumt – was leider dazu führt, dass eine Veränderung im Außen auch mein Innen verändert. Oder um es einfacher zu sagen: Wenn ich meine Wohnung umräume, dann bin ich auch dabei, mein Inneres zu räumen. Erst die Schränke, dann die Regale, dann die Seele.

In den letzten vier Wochen haben ich nur geräumt. Die Wohnung meines Vaters habe ich umgeräumt, da er es nicht mehr selbst kann. Möbel aufgebaut, abgebaut, umgebaut. Dann habe ich bei meiner Mutter mein altes Zimmer unter dem Dach umgebaut. Da stehen etwa zwanzig Umzugkartons mit Akten, die alle sortiert sein wollen. Außerdem teilte mir mein Arbeitgeber mit, dass ich jetzt mit meinem Büro umzuziehen habe – innerhalb von zweiundsiebzig Stunden. Also durfte ich mein schönes Büro, in dem ich immerhin sechs Jahre gesessen habe, räumen. Aber der Höhepunkt war sicherlich, dass ich jetzt alleine in meiner Vierzimmerluxuswohnung hausen darf. Also ist hier wieder räumen angesagt – plus der damit verbundenen persönlichen Schwierigkeiten, die leider vor „mein Toaster – dein Toaster“ nicht halt machen.

Also bin ich gut beschäftigt.

 

Samhain war ich also damit beschäftigt, zu räumen. Im Innen wie im Außen. Während andere draußen feiern können, umgeben von Menschen, die sie mögen, habe ich gewischt, gespachtelt und geräumt. Das Leben ist voller Überraschungen. Ein Ritual mit Speis ist mal etwas Neues; etwas, das ich noch nie gemacht habe. Aber leider nicht Speis und Trank, sondern Speis und Spachtel. Etwas, von dem ich gerne für die nächsten Jahre Abstand nehmen würde. Wir werden sehen, ob mir das auch gelingt.

 

Der langen Einführung kurzer Sinn: Ich bin bereit, mich dem zu stellen, was das Schicksal im nächsten Jahr zu bieten hat. Ich stehe noch, wenn auch müde und an den Ecken angenagt. Aber ich stehe noch. Das ist für das neue Jahr eine gute Vorraussetzung. Und ich muss auch stehen, denn weiter zurück kann ich nicht.

 

Dein Homo Magi

 

Die letzte Grenze

 

Sie haben die weißen Flecken der irdischen Landkarte getilgt –

doch den Weg zu denen Sternen haben sie verbaut.

Sie haben sich die Erde untertan gemacht –

doch ihren Untertanen behandeln sie wie Despoten, nicht wie Könige.

Sie haben ihre Träume gelebt –

und wir träumen nun den Alb.

 

Unsere Vorfahren ließen uns am Ende der Geschichte stehen.

Sie beschrieben das letzte Blatt, sie sangen das letzte Lied.

Ihr Gott ist tot,

Worte von Gnade und Reue sind wie Asche auf meiner Zunge.

 

Doch mich habt ihr nicht gefangen,

euer Joch liegt auf meinen Schultern,

doch ich stehe aufrecht.

Das Joch eurer toten Augen,

gebrochenen Versprechungen,

sinnloser Gier und Verzweiflung.

 

Es sind nicht meine Kinder in fast erwachsenen Körper,

die zu leiten ich versuche.

Es ist nicht mein Blut und doch unser aller Blut,

das in ihnen,

euch,

mir pocht an die Tür der Zukunft,

die ihr verschlossen.

 

Sinn lehre ich sie und Wollen, Mut und List,

ihr habt sie und mich verraten.

Ich bin nicht stark genug,

die Axt zu schwingen.

Doch meine Hand ist noch ruhig genug,

die Lunte zu zünden,

die Feuer an eure Tempel der Sinnlosigkeit legen wird.

 

Die letzte Grenze ist meine Front: Die Hoffnungslosigkeit.

Doch ich kämpfe mit Träumen. Jeder Schlafende, der durch diese Träume erwacht,

ist eine Stimme im Chor des neuen Liedes.

 

Ihr habt das Buch gefüllt.

Ich verbrenne es und schreibe es neu und lasse Platz für neue Seiten.

 

 

 

 

 


 

 

 


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