Homo Magi 

Nachlässe

02.06.2024

Homo Magi

Lieber Salamander,

das Leben eines Magiers ist nicht perfekt ohne eine singende Alraune. Ein alter Freund von mir hat so etwas und ich bin schon ein wenig neidisch.

Ich kann nur diversen Kleinkram bieten, den ich an magischen Utensilien angesammelt habe. Alles Dinge, die nicht gefährlich sind. Wer weiß, was nach meinem Tode sonst damit passiert … und ich will im Erbfall nicht schuld sein, dass sich meine Umwelt in einem Feuerball auflöst, weil jemand mit einem Kunststofftuch die magische Kugel putzt. Aber was bleibt – Hinweisschilder? „Auge des Osiris, hilft in Vollmondnächten gegen Besessenheit“? Dann kann ich gleich Anzeigen schalten a la „Magierwohnung bietet sich zum Plündern an, Diebesgut ist ordentlich beschriftet“. Und ich dürfte dann niemand mehr von den lieben Kolleginnen und Kollegen in die Wohnung lassen, weil ich Angst haben müsste, dass etwas weg kommt – oder, noch schlimmer, ich viele dumme Fragen beantworten muss. „Wo kriegt man so etwas her?“, „Ist das echt?“ oder „Hast du das schon einmal ausprobiert?“

Ich habe jahrelang mit einem kleinen Kind zusammengewohnt. Da lernt man schnell, dass man zwischen magischer Sammelwut und Kinderliebe eine Entscheidung treffen muss. Diese habe ich getroffen, daher besitze ich nichts, was gefährlich sein könnte. Okay, man kann auch jemand mit von meinem Vater geerbten Briefbeschwerer erschlagen oder jemand zwingen, meine Kristallkugel zu schlucken. Aber das meine ich nicht.

Ich habe eine gewisse magische Sorgfalt gepflegt. Einfach, weil meine Ordnungsliebe dafür sorgt. Das ist dann auch irgendwie beruhigend, wenn ich überlege, was ich an (Magier-)Nachlässen schon räumen durfte. Ich möchte nicht, dass ich im Nachleben spuken muss, weil ich an einem Unglücksfall schuld bin. Ehrlich.

Dein Homo Magi

 

 

 

 

 


 

 

 


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