Homo Magi Archiv

Wöchentliche Ansichten eines Magiers über den Jahreslauf und die Welt

Teil 13

 

Weltweiter Heilstrom

 

Hallo Salamander!

 

Im Briefkasten war mal wieder eine Werbung für eine Informationsveranstaltung zu Leben, Werk und Lehre von Bruno Gröning. Dieser Herr des Heilstroms (das ist nicht meine Erfindung, zumindest nicht das letzte Wort; es handelt sich dabei um Grönings Definition der „höheren Kraft“, die „helfen und heilen kann“) ist zwar schon tot, aber für sein Erbe ist gesorgt:

Schon zu seinen Lebzeiten hatte Bruno Gröning örtliche Gemeinschaften aufgebaut. Heute gibt es sie auf allen Kontinenten der Erde.

Aha. Und das habe ich nicht erfunden (obwohl man mir solche Dinge gerne nachsagt), das steht im Flyer.

Wikipedia[1] spricht von sieben Kontinenten. Bei Nord- und Südamerika, Europa, Asien, Afrika und Australien/Ozeanien kann ich mir örtliche Gemeinschaften sehr wohl vorstellen. Aber Antarktika? Wo trifft sich das die Heilstrom-Gemeinschaft?

Oder ist das nur ein perfider Tippfehler und es geht um Hellstrom? Als alter Comic-Leser weiß ich natürlich, wer „Daimon Hellstrom“, „Son of Satan“ist.[2] Dem traue ich auch keine Gemeinschaft in der Antarktis zu, aber eher ihm als Bruno Gröning.

 

Seltsam.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Überlichtschnelle Augen

 

Lieber Salamander,

 

es gibt eine Frage, die konnte ich bisher nicht beantworten: Warum habe ich auf Fotos immer die Augen geschlossen? Jetzt geht es schon jahrzehntelang so, dass ich nach einer Fotosession immer gefragt werde, warum ausgerechnet meine Augen auf jedem Foto geschlossen sind.

Auf Gruppenbildern mache ich deshalb manchmal die Augen freiwillig zu, um mich nicht dem Stress auszusetzen, die geschlossenen Augen nachher erklären zu müssen.

Jetzt ist mir aber klar geworden, was da passiert, als ich an einem Abend über Einstein und die Relativitätstheorie nachgedacht habe. Meine Augen sind einfach überlichtschnell. Wenn der Blitz kommt, sehe ich ihn, bevor er meine Augen erreicht, und ich schließe die Augen, bevor das Foto gemacht werden kann. Dann reagieren erst alle anderen – daher sind ihre Augen offen, aber meine geschlossen.

Diese Theorie werde ich jetzt offensiv verbreiten, weil sie einfach alle Dinge erklärt, die im Zusammenhang mit Fotos und mir passieren. Endlich.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Menschenmengen

 

Hallo Salamander,

 

ich habe in meinem Studium der Geschichte gelernt, dass eine Gesellschaft je mehr Menschen braucht, desto höher sie entwickelt ist. Das macht Sinn. Eine steinzeitliche Kultur könnte ich notfalls glaubhaft alleine simulieren (um nach wenigen Tagen zu verhungern oder an einer Vergiftung zu sterben, weil ich keine Beere von einer anderen Beere unterscheiden kann). Eine hochindustrialisierte Gesellschaft wie die unsere braucht Hunderte, wenn nicht Tausende von Spezialisten, um alle Funktionen zu erfüllen.

Douglas Adams folgend könnte man sagen, dass man eine Weile ohne Telefondesinfizierer leben kann – aber nicht endlos. Unsere Gesellschaft geht zugrunde, wenn es nicht mehr genug Wesen gibt, die genug qualifiziert sind, um alle wichtigen Aufgaben zu erfüllen. Deswegen ist auch heute der Drang stark, größere und immer größere Staatsgebilde zu schaffen – nur auf der Grundlage eines Flächenstaates kann man überhaupt garantieren, dass die entsprechenden zivilisatorischen Rahmenbedingungen aufrecht erhalten werden.

 

Und in der Magie? Da haben wir immer noch Menschen, die glauben, dass sie alleine und ganz alleine ein Ritual wirken, einen Kreis ziehen, einen Zauber bannen können. Pfft! Fünfhundert Jahre kulturelle Entwicklung (wenn nicht mehr) einfach in den Abfluss gekickt, weil man nicht bereit ist, mal über die eigene Schulter zu schauen und sich mit dem zu beschäftigen, was um einen herum passiert.

Peinlich, oder?

 

Dein Homo Magi


 

Resterampe

 

Hallo Salamander!

 

Ich habe vor Jahren ein Buch geschrieben. Irgendwie war dem keine große magische Zukunft prophezeit. Mein Geld bekam ich, das Buch erschien auch – aber irgendwie hatte der Tod meines Vaters verhindert, dass ich damals die Klappentexte noch einmal las.

Nun, es gibt Dinge im Leben, die wichtiger sind als korrekter Klappentext. Aber das war nicht der einzige Fluch, mit dem das Buch geschlagen war. „Naturspiritualität heute“ (niemals niemals hätte ich ein Buch geschrieben, dessen Titel man mit „NS heute“ abkürzen kann, ehrlich) erschien, verkaufte sich, wurde herunterreduziert (samt dem gruseligen roten Aufkleber auf dem Cover, der einem signalisiert, dass man sich als Autor mit seinem Werk dem Wühltisch nähert), dann kam die Aufhebung der (letzten) Preisbindung und die Wühlkiste. Der Rest der Auflage wurde vom Verlag vernichtet.

Angeblich hatte man meine Adresse nicht (Blödsinn), so dass ich erst spät von der geplanten Vernichtung erfuhr, hektisch noch 50 Stück aufkaufte und die in den letzten Jahren verschenkte. Das letzte Exemplar ging vor einigen Tagen „weg“, natürlich als Geschenk.

Jetzt ist es also alle, mein Buch. Vom Verlag sind die Reste vernichtet, in den Läden steht es nicht mehr, nur noch online kann man es erwerben.

 

Seufz. Manchmal lehrt einen das Schicksal Bescheidenheit mit unerwarteten Hinweisen. Spaß gemacht hat das alles trotzdem …

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Großtante und Freunde

 

Hallo Salamander,

 

ich will nicht hoffen, dass sich eine Vertrautheit mit dem Sterben einstellt, wenn man mehrere Menschen verloren hat, die einem lieb und teuer sind. Man ist eher vertraut mit den Toten und damit vertraut mit ihrem Tod, ihrem ganz persönlichen Sterben. Trotzdem bleibt der Tod (natürlich) immer ein unverständlicher Gegner, eine letzte Grenze, hinter die man nicht schauen, über die hinweg man nicht einmal raten kann.

Aber die Angst vor dem Tod schwindet mit jedem Sterben. Anfangs ist der Tod noch ein Einbruch von ungeahnter Kraft in das Leben, dann wird er mehr und mehr zu einem nicht-berechenbaren Ereignis, zu jenem Schnitter, der sich jene holt, deren Zeit gekommen ist. Und eines der großen Dinge, die man lernen muss, ist eben, dass es nicht unsere Uhr ist, die das Leben zählt. Wir bekommen das Leben geschenkt, werden in eine Zeit und einen Ort geboren, die wir nicht beeinflussen können. So ist es auch mit dem Sterben. Es wird uns etwas genommen, das uns nie gehört hat.

Dieses Jahr hat einige Lücken gerissen. Es ist so, als würde man sich daran gewöhnen, auf Totenfeiern zu erscheinen. Man entwickelt eine eigene Kleiderordnung und eigene Tricks, um das Grauen, die Fassungslosigkeit, die Trauer etwas einfacher in den Griff zu bekommen. Man kann es natürlich nicht ganz, nicht einmal mehrheitlich, aber man versucht trotzdem, in der eigenen Fassungslosigkeit die Fassung zu bewahren.

Das war mein Jahr. Etwas gelernt habe ich also. Immerhin.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Es gibt keine Zufälle

 

Hallo Salamander,

 

kürzlich waren wir unterwegs zu einem Fantasy-Con. Es ging um das jährliche Treffen über Sylvester, von daher war klar, dass die Autobahn nicht frei und entspannt sein würde. Man nimmt sich also ein wenig mehr Zeit, fährt früher los und lässt Raum für das Aufnehmen von Nahrung unterwegs – man weiß ja nie, wann man vor Ort etwas kriegt oder wie weit das Ziel von der nächsten Pizzeria entfernt ist (die noch dazu Lust hat, zwischen den Jahren zu öffnen oder zu liefern).

Also hieß es auf der Strecke eine Pause einzulegen. Das schottische Spezialitätenrestaurant ließ sein großes geschwungenes Logo über den Straßenrand leuchten, so dass die Entscheidung einfach fiel, welche kulinarischen Kostbarkeiten man zu sich nehmen würde.

Rausfahren, anstellen, alles in einer fließenden Bewegung.

 

Als wir dann bei bundesweit genormten Fleischstücken saßen und schlemmten erkannte ich am Nachbartisch den Rücken von jemand, den ich schon lange nicht mehr getroffen hatte. Unsere gemeinsamen aktiven Heiden- und Magierzeiten lagen so zehn oder mehr Jahre zurück, seitdem hatten wir uns einmal getroffen, und zwar im Hauptbahnhof einer süddeutschen Großstadt. Das Leben ist voller Überraschungen.

Ich ging also hin, tippte ihm auf die Schulter, ertrug seine Überraschung, ließ mich seiner Begleiterin vorstellen und schritt davon, als sei nichts passiert. Man muss lernen, solche Dinge hinzunehmen, wenn man sich ernsthaft mit Magie beschäftigt.

 

Mal sehen, ob er sich bei mir meldet … oder ob wir uns fünf Jahren in einer Fußgängerunterführung in Wanne-Eickel treffen. Wer weiß. Magie macht Möglichkeiten.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Heidentum im 21. Jahrhundert

 

Hallo Salamander,

 

ich höre in letzter Zeit immer wieder Stimmen von Menschen, die mir mitteilen wollen, dass die „Renaissance“ des Heidentums einen Stillstand erreicht hätte. Es gibt keine „neuen Mitglieder“ (lies: Frischfleisch), man beschäftigt sich mit intensiver (und unerotischer) Nabelschau und so weiter und so fort.

Ist das richtig? Ist das wichtig?

Machen wir doch einen Schritt zurück und überlegen wir uns, warum wir uns eigentlich als Heiden selbstbezichtigen. Das Heidentum des 21. Jahrhunderts beruht auf persönlichen Erfahrungen, die einen Menschen in einer nicht-heidnisch geprägten Welt dazu verleiten, sich zu seinem Heidentum zu bekehren und dies zu leben. Wie bei jeder Entwicklung gibt es auch hier Phasen, die voller Energie sind und Phasen, in denen man enttäuscht ist. Das ist in einer heidnischen „Evolution“ nicht anders als in einer zwischenmenschlichen Beziehung oder am Arbeitsplatz.

Bei einer religiösen Verankerung in einer „Staatsreligion“ wie z.B. dem Christentum sind diese Phasen bekannt – man geht halt nur noch Weihnachten zur Kirche, tauft seine Kinder, heiratet kirchlich und landet auf dem christlichen Friedhof. Darauf einen Kirchenaustritt zu verlangen, erschiene vielen berechtigterweise als widersinnig. Heiden denken sofort darüber nach, ihre Gruppe zu verlassen, wenn diese nicht mehr „hip und trendy“ ist.

Das Heidentum ist in seiner Nabelschau einzigartig deswegen, weil es immer „spirituellen Input“ und „Action“ verlangt. Dabei sind doch die stillen, die inaktiven Phasen jene, die wir nutzen sollten, um unsere persönliche Erfahrung, unsere eigene Spiritualität zu vertiefen.

Einem Heiden der Sage wäre es unverständlich, dass er seinen Göttern entsagen soll, obwohl man ihm doch mit Eisen droht und mit Feuer sengt. Ein moderner Heide, der drei Monate kein Ritual samt Met feiern konnte, versinkt in spiritueller Nabelschau, erkennt eine spirituelle Krise (statt einer privaten) und zieht in einer Spirale von Inaktivität alle anderen herum mit sich.


 

Ich bin kein Vorzeigeheide, aber es vergeht kein Tag, seit dem ich 8 oder 9 bin, an dem ich nicht mit „etwas da draußen“ spreche, um Hilfe bitte, mich bedanke und mich mit dem Universum kurzschließe, wie es weitergehen soll mit ihm und mir.

 

Also: Los, weitermachen! Delling will es (auch).

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Wintergänge

 

Hallo Salamander,

 

draußen fällt der Schnee und die Autofahrer sind morgens so überrascht davon, dass der Verkehr zusammenbricht. Die wenigen unter ihnen, die Wettervorhersagen lesen können, steigen in den öffentlichen Nahverkehr und überfüllen diesen. Jetzt wäre sicherlich der Zeitpunkt, um die Frage zu stellen, warum eine Zivilisation, die über Kommunikationsgeräte in Überfülle verfügt nicht in der Lage ist, außer Informationen über das Sexualleben von Fernsehserienstars und neuen Witzen über Brüste oder lustigen Bilder von Betrunkenen auch Informationen über das Wetter zu erhalten oder warum unsere Vorfahren mit einem kritischen Atemzug und einem Blick zu den Wolken „Schneeluft“ prophezeien konnten, während wir das heute nicht mehr können. Eigentlich wäre das der Zeitpunkt, ist aber heute nicht mein Thema.

Ich bin heute – mal wieder – zur Arbeit gelaufen. Der Schnee klirrt unter den Füßen, die Luft ist rein und kalt, das Licht spiegelt sich in Myriaden Schneekristallen und die Fußgängersteige sind wie leer gefegt, leider nur von Menschen, nicht immer vom Schnee.

 

Man geht und begegnet drei Klassen von Menschen.

Die erste Gruppe sind die „Mist, mein Auto ist liegengeblieben“-Gucker, die eigentlich nur die nächste Werkstatt oder ihren Arbeitsplatz ansteuern wollen, dabei mit dem Schicksal hadernd, dass sie mit einer großen Welle auf das Riff des Wintereinbruchs gehoben hat.

Die zweite Gruppe sind jene, die draußen sind, aber eigentlich noch drinnen sein wollen. Sie sind dick eingemummelt, tragen zum Teil dunkle Sonnenbrillen und haben Stecker in einigen Körperöffnungen, über die Musik in das Kopfinnere gespielt wird. Ohne etwas wahrnehmen zu können oder wollen marschieren sie automatisiert durch die Kälte und erreichen ihr Ziel mit der Präzision eines Tiger-Panzers, der auf seinen Ketten (wenn man den Wochenschauen Glauben schenken mag) rollte und rollte und rollte. Eingedost und von der Welt abgeschnitten.

Die dritte Gruppe sind jene Menschen, die umher schauen, das Glitzern und Blitzen, das Tauen und Frieren bewundern, die eine kalte Wolke vor dem Mund vor sich her schieben und mit fröhlichen Schritten dahin gehen, die kalte Schöpfung genießend, irgendwie schon auf dem Weg von A nach B sich bewegend, aber genauso und im gleichen Moment bewusst Schritte auf ihrem Lebensweg machend, die sie hier und heute eben durch den Schnee führen und die wissen, dass jeder Augenblick kostbar ist und daher genossen werden muss. Ich mag sie und hoffe, dass sie mich zu den ihren zählen, so wie ich sie zu den meinen zähle.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Odins Schlummerlied

 

Hallo Salamander,

 

da sucht man nach eigenartigen Dingen, einfach so, weil man sich ein wenig langweilt und findet einen Hinweis auf das „althochdeutsche Schlummerlied“.

Der Text lautet folgendermaßen in der vorgelegten Übersetzung; Rechtschreibekorrektur und Anpassung an „moderne“ Worte von mir:

(1) Kindlein, mögest du schleunigst schlafen, das Weinen mögest du lassen.

(2) Die Treue wehrt sich kräftig gegen den würgenden Wolf.

(3) Mögest du schlafen bis zum Morgen, trautes Söhnlein.

(4) Ostara bringt dem Kinde Honig und süße Eier.

(5) Hera bricht dem Kinde blaue und rote Blumen.

(6) Tanfana sendet morgen kleine, weiße Schaf,

(7) und der Einäugige, eile herbei, mit schnellen, harten Speeren.[3]

 

Wenn man jetzt noch weiß, dass das Lied erst 1859 entdeckt wurde und angeblich aus dem 10. Jahrhundert stammt … dann hätte man hier eine authentische Quelle. Supi!

Denn: „Wenn der Text echt wäre, würde er eine reiche Quelle für das germanische Heidentum darstellen. Sein Bedeutungswert überstiege womöglich sogar denjenigen der Merseburger Zaubersprüche, die 1841 entdeckt worden sind.“[4]

Aber genau das scheint das Problem zu sein. Der Text klingt gut – fast zu gut, um wahr zu sein. Und es gibt Hinweise darauf, dass er gefälscht ist. Textkritische, denn das ist für mich eher überzeugend als die Frage nach der Verfügbarkeit bestimmter Pergamente zu bestimmten Zeiten (Pergamente kann man viel später neu beschreiben; die Originalherstellungszeit eines Pergaments muss nicht mit der Zeit des Beschreibens zu tun haben …).

Schade. Ich hätte mich über eine Quelle gefreut, in der Ostara Eier bringt und Tanfana Schafe.

Mist.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Rituelle Meldungen

 

Hallo Salamander,

 

das Problem bei Freundschaften ist oft, einen Turnus zu finden, in dem man sich meldet. Sonst ist irgendwann der Punkt erreicht, wo man sich nicht mehr traut jemand anzurufen. Man hat es doch schon so lange nicht mehr getan und möchte nicht auf einmal …

Das mit dem Nicht-Melden kenne ich aus eigener Anschauung ganz gut. Es gibt Menschen, bei denen mein Gewissen sagt, dass ich mich bei ihnen melden sollte. Ich bekämpfe den inneren Schweinehund und melde mich. Und sei es nur, weil ich jeden meiner Freunde schätze und nicht will, dass es wegen solcher „Belanglosigkeiten“ zum Ende der Freundschaft kommt.

Und man kann dem ganzen einen Turnus unterlegen, sich selbst an gewisse Regeln halten. Zumindest zum Geburtstag rühre ich mich (und sei es nur eine Postkarte), zu Weihnachten gibt es dann eine liebevoll gestaltete Weihnachtskarte.

Meine Fantasy-Gruppe führe ich seit fast dreißig Jahren so. Weihnachtskarten, Geburtstagsgrüße, dazu jeden Monat ein Rundschreiben mit neuen Adressen, Umzügen und ein wenig „gossip“. Das läuft gut, die Gruppe ist stabil. Vielleicht ist das das Geheimnis eines gesunden Innenverhältnisses für eine Gruppierung in diesem Bereich … nur bei den Heiden klappt das nicht, scheinbar sind Heiden zu doof & zu faul (Entschuldigung), um das durchzuziehen.

Die Konsequenz ist klar: „Mehr Vorabendprogramm, weniger Sachartikel!“ Oder: „Mehr Hollywood und mehr Klassentreffen-Atmosphäre“. Wir sind alle Menschen, die davon leben, dass der „soziale Kitt“ zwischen uns hält. Rituale sind eine schöne Möglichkeit, Menschen in Kontakt zu kriegen und gemeinsame Erlebnisse zu erzeugen – aber wenn wir betrachten, wie elektronische soziale Netzwerke funktionieren, dann müssen wir erkennen, dass die „Informationshöhe“ sehr tief hängt – man will mehr „Hollywood-Reporter“ und weniger südschwedische Quellen des 18. Jahrhunderts zum Ritual des Atrlingarr im kontinentalen Wodan-Kult. Ehrlich.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Wetterdaten

 

Hallo Salamander,

 

vor einigen Wochen schrieb ich:

Jetzt wäre sicherlich der Zeitpunkt, um die Frage zu stellen, warum eine Zivilisation, die über Kommunikationsgeräte in Überfülle verfügt nicht in der Lage ist, außer Informationen über das Sexualleben von Fernsehserienstars und neuen Witzen über Brüste oder lustigen Bilder von Betrunkenen auch Informationen über das Wetter zu erhalten oder warum unsere Vorfahren mit einem kritischen Atemzug und einem Blick zu den Wolken „Schneeluft“ prophezeien konnten, während wir das heute nicht mehr können. Eigentlich wäre das der Zeitpunkt, ist aber heute nicht mein Thema.

Ich habe darüber nachgedacht. Ehrlich. Aber ich kann es nicht beantworten. Mein einziger Erklärungsansatz (mehr ist es nicht) wäre die These, dass die virtuellen Welten aus einer Kombination von gefühlten Datenclouds im Wohnzimmer und Internetempfang auf der Autobahn und im Büro samt der andauernden Erreichbarkeit dazu geführt haben, dass unsere „Entfremdung“ von der Natur noch mehr zugenommen hat.

Kinder glauben, dass Kühe lila sind. Natur gibt es nur noch im „resort“, in das man sich für viel Geld zurückzieht. Man verändert seinen Körper oder kauft sich Zusatzteile, um immer schneller und einfacher „drin“ (laut Boris Becker) oder „online“ zu sein. Wir sind längst in der Welt des Cyberpunk (oder eher des Rollenspiels „Shadowrun“) angelangt, in der die virtuellen Welten größere Auswirkungen auf die zwischenmenschlichen Beziehungen haben als die echte Welt.

 

Eingangs hatte ich geschrieben, dass ich es nicht erklären kann. Aber vielleicht liegt es nur an meinem Zurückschrecken vor der Erkenntnis, dass das alles wahr sein könnte.

 

Dein Homo Magi


 

Der Adler ist gelandet

 

Hallo Salamander,

 

ich wollte dich an meiner Freude teilhaben lassen: Die Rechte für „mein“ Buch über Esoterik gehören wieder mir. Ich weiß zwar nicht, was ich mit „Naturspiritualität heute“ anfangen soll (will heißen: ich muss mir erst einmal überlegen, ob ich es in dieser Form nachdrucken will), aber es ist ein schönes Gefühl, dass es wieder mir gehört.

Die letzten Jahre war das immer ein leichter Druck auf meiner Seele – irgendwie ist es entwürdigend, wenn man seine eigenen Werke auf Ramschtischen erwerben kann. Aber das ist wohl ein Teil der Lebenslehre im Bereich „Bescheidenheit“. Danke, habe begriffen.

Dann schrieb ich den Verlag an und bat um die Rückgabe der Rechte. Sie willigten ein und machten aus mir für mindestens eine Woche einen Grinse-Magier.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Homo Magis Weltanschauung

 

Das Göttliche wirkt so, dass es jeden beseelten Menschen erreicht. Es bedarf keiner besonderen Bildung, Sprache, Herkunft, Geschlechts oder Standes, um vom Göttlichen als zu ihm gehörig begriffen zu werden.

Jede Einengung des möglichen Zugangs zum Göttlichen reduziert das Göttliche und versucht die Vergottung einzelner oder weniger.

 

Wir erkennen die Welt durch unsere Sinne und deuten die Welt durch unseren Verstand. Damit wir diesen Verstand nutzen können, hat jeder Mensch nicht nur einen natürlichen Anspruch auf Nahrung, Kleidung und Wohnung, sondern auch auf Bildung und Freiheit.

 

Egal wie sehr unser Wissen wächst – es gibt neben dem, was wir wissen, immer das, was wir ahnen und das, von dem wir nichts wissen. Wir glauben, dass dieses Ahnen, das Fühlen hinaus, dieses Lauschen auf das Geraune der Schöpfung, der klare Blick hinaus in das Unscharfe der Ursprung aller Magie ist. Die Magie ist – ob gebunden im Ritual, ob wild in der Hexerei oder strukturiert im Zauber – das Mittel, um auf dem Zaun zu sitzen, der Jemals und Niemals trennt.

Magie ist Unvernunft in einer vernünftigen Welt, wildes Irrlicht bei der Nachtfahrt der Seele und der kräftige Händedruck der Ahnen im Kreis der Zeit.

Wir leugnen nicht die Vernunft, wir negieren nicht das Wissen.

Die Erde ist nicht flach. Die Sonne ist keine Lampe am Firmament. Der Mond ist nicht aus Eis. Die Welt ist nicht erst sechstausend Jahre alt.

Das Wissen kann aber nicht alles erklären – nicht das rasende Herz beim ersten Kuss, nicht den Zauber der Musik, nicht das Lachen eines Kindes oder den Duft der Orchidee. Wer einen Teil davon als wahr akzeptiert, mag uns die kindliche Neugier lassen, in der Magie Antworten auf Fragen zu suchen, welche die Wissenschaft nicht stellt oder nicht beantwortet.

Es gibt eine Welt der auf Blumen tanzenden Elfen, der wispernden Quellen, der Tore in die Anderswelt. Und es gibt auch eine Welt der Geister und Dämonen. Wir Menschen haben die Angst vor der Dunkelheit durch künstliches Licht nur vertrieben, nicht gebannt.

 

Wer dies glaubt, der mag uns auch glauben, dass wir versuchen, ein Licht in diese Dunkelheit zu tragen. Dieses Licht ist auch die Flamme der Aufklärung, das Feuer der Liebe, die Hitze der innigen Überzeugung.

Doch weder Holz, noch Kohle, Öl oder Strom nähren dieses Licht – es ist ein flackerndes Elmsfeuer, lodernd grün, kalt und klamm, doch voller Magie.

 

 

 

Eigenartige Orte

 

Hallo Salamander,

 

in dem ausgesprochen unterhaltsamen Buch „Achtung Schweinehund!“ (nein, es geht nicht um heidnische Gruppierungen in Deutschland) las ich folgenden unterhaltsamen Text über den Zusammenhang zwischen „wargaming“ (in kurzen Worten: Das Nachspielen von historischen Schlachten mit Zinnfiguren nach komplexen Regeln), Fantasy-Rollenspielen und Magie (in diesem Fall wichtigen Figuren des „Golden Dawn“):

Mathers had adopted the middle name of MacGregor, when he was a young man to give himself a whiff of Highland glamour, though he was born in Hackney, and he later adopted the style Comte de Glenstrae. (…) „He had to ruling passions in his life,” wrote the Irish poet W. B. Yeats, „magic and the theory of war.” In pursuit of the former, the Count co-founded the Hermetic Order of the Golden Dawn, an occult organization that mixed freemasonry with cabbala, astrology, alchemy, the arcane mysteries of the ancient Egyptian priesthood and a faint hint of devil worship. (…)

Members of the Order included Yeats and the Welsh writer of weird tales Arthur Machen. Machen was to have his own influence on the world of wargaming: it was his work that inspired the likes of Robert E. Horward and H. P. Lovecraft, and led inexorably to blokes sitting in student flats painting dwarves, elves, Atlantis fish-men and improbably muscled barbarian heroes.”[5]

Großartiger Schlusssatz … Als der Autor versuchte, diesen Zusammenhang näher zu untersuchen, geriet er an einen Mathers-Schüler, der seine Fragen am Telefon nicht beantworten wollte. Kein Wunder bei den Darstellungen des Lebens von Mathers:

I’m not sure, but it seems likely that when he wasn’t dressing in Egyptian regalia and sending exhortations to Isis-Urania he was knocking around with a Parisian doctor named Camille Laumonnier who did Austerlitz on the drawing room floor.[6]

Der Zauberer am anderen Ende der Leitung legte auf.

Wer es nicht glauben mag: Harry Pearson „Achtung Schweinehund!”, London, 2007.

 

Großartig.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Essen im Sperrgebiet

 

Halo Salamander,

 

ein alter Freund von mir arbeitet im Moment um die Ecke meines Arbeitsplatzes. Mein Arbeitgeber hat keine Kantine, sein Arbeitgeber hat eine. Also habe ich mich flugs mit ihm zum Essen verabredet.

Der große Termin war vereinbart. Ich sollte um 12.00 Uhr im Foyer sein. Die angegebene Hausnummer ist Teil eines großen Komplexes, die entsprechende Tür in diesem Hausteil lässt sich von außen nicht öffnen. Also wählte ich den Haupteingang, der wenige Meter entfernt lag. Die freundlichen Damen an der Rezeption sprachen mich höflich an; ich hatte extra ein Hemd angezogen, sah also respektabel aus und nicht wie ein Sozialarbeiter.

Ich wartete.

Ich wartete.

Ich wartete.

Kein Kumpel. Also bat ich um eine Nachfrage über die Rezeption, ob er mich vergessen habe. Man erreichte zwar nicht ihn, aber „sein“ Vorzimmer. Er sei in einer Besprechung, ich könnte ruhig stören und ihn abholen. Ich ließ mir den Weg erklären und ging zwei Stockwerke nach oben.

Die Tür war zu.

Sie blieb zu.

Ich ging wieder herunter. Verstört fragte mich die Dame an der Rezeption, ob ich keine elektronische Schlüsselkarte hätte. Da ich ein Gast sei, könnte ich wohl kaum … Ich erklärte es höflich, bekam eine „Besucher“-Karte und lief erneut zwei Treppen nach oben. Die Tür blieb zu, aber jetzt sprang immerhin ein rotes Licht an, wenn ich mich näherte. Also ging ich runter und versuchte den Fahrstuhl, der im gesperrten Trakt enden würde. Der fuhr nicht einmal los.

Rezeption. Die Dame erklärte mit wie einem geistig Behinderten, wie man mit der Karte umgeht. Ich erklärte ihr nicht, dass ich alle schlechten Science Fiction-Filme der letzten 40 Jahre gesehen habe und wüsste, wie man auf einem Schiff der Wynger von ganz außen nach ganz innen kommt. Lakonisch meinte ich nur, dass ich zwar Sozialarbeiter sei, aber nicht doof. Ich hatte recht, die Karte war informationsfrei und ging nicht. Nicht einmal bei mir.

Neue Karte. Grünes Licht im zweiten Stock. Aber es gab die Raumnummer nicht, die man mir angegeben hatte. Also nahm ich Kontakt zu den Eingeborenen auf.

Büro 1: „Es gibt die Zimmernummer nicht, die sie suchen.“

Büro 2: Keine mir verständliche europäische Fremdsprache, sicher zwei Doktortitel, aber kaum Englisch und gebrochenes Deutsch. „Raumnummer sei unbekannt“, hörte ich heraus.

Büro 3: „Der Raum ist im anderen Stockwerk.“

In dem anderen Stockwerk war ich dann zwar auch falsch, aber es gab einen hilfsbereiten Mitarbeiter, der mir erklärte, wo der Raum sei. Ich könnte den auch gar nicht finden, weil der keine Nummer außen habe …

Jetzt war meine Mittagspause fast vorbei. Ich hatte über 30 Minuten an der Rezeption und in einem Treppenhaus zugebracht. An der Rezeption ließ ich mir einen Zettel geben und schrieb ich ihm eine Nachricht, dass ich da gewesen sei, er nicht. Und ich ginge davon aus, dass er das Essen bezahlen müsse …

Dann holte die Frau an der Rezeption eine braune Umlaufmappe heraus, auf der schon auf allen Seiten ehemalige Ziele markiert und durchgestrichen waren. Entschuldigend lächelte sie mich an, man sei halt in so Dingen ein wenig altmodisch.

 

Irgendwie beruhigend.

 

Dein Homo Magi


 

Papierkaufmann

 

Hallo Salamander,

 

mein Vater war in seinem Ursprungsberuf Papierkaufmann. Ich glaube, dass es diesen Beruf seit dreiundneunzig Jahrzehnten nicht mehr gibt. Heute hat doch alle Welt nur noch eine Sorte Papier, nämlich die, die einfach in den Drucker passt. 80 Gramm, holzfrei. Bequemes, nettes Papier, auf dem jetzt alles gedruckt wird. Alle Firmenpost, alle Geburtstagseinladungen – man druckt darauf E-Mails aus und hängt sie in einen Ordner (ja, so Menschen gibt es, mich zum Beispiel) oder druckt darauf lustige Illus, die man sich an die Tür hängen kann. Gerne einen Cartoon oder ein nettes Foto, alles auf demselben Papier.

Gruselig.

Wir hatten früher Musterbücher in jeder Ecke des Hauses; Musterbücher für Papier. Alle Farben, verschiedene Gewichte. Geprägtes Papier. Papier mit Wasserzeichen. Papier mit eingedrucktem Kopf. Kohlepapier. Durchschreibpapier. Dann gab es Quittungsblöcke in A6, A5 und A4 mit den unterschiedlichsten Vorgaben. Blöcke für Telefonnotizen in A5, mit Ankreuzfeldern und Lochung. Und natürlich gab es in alles in verschiedenen Papiergewichten und verschiedenen Farben, zumindest die Standardbriefpapiere.

Dann kam der Kopierer, dann der Drucker. Alle Welt kaufte nur noch ein Papier, mit dem man alles machen kann. Und die ganzen schön gestalteten Briefköpfe verschwanden, genauso wie die aufwändig produzierten Zeitungen mit den unterschiedlichen Schrifttypen (neudeutsch: Font, aber der Unterschied ist ein gewaltiger Unterschied).

Die „Hurenkinder“ (wer mag, darf es nachschlagen) verschwanden und jeder spricht jetzt über DPI.

Gruselig.

Und ich weiß noch, dass ich damals die Papiertypen so interessant fand, dass ich alle probiert habe. Nicht nur zum Bemalen (meine Mutter hatte stapelweise Kinderzeichnungen von uns Dreien auf unterschiedlichstem Papier), sondern auch zum Essen. Ich kaue heute ab und zu noch Papier, ja, ich stehe dazu. Lustige Kindheitserinnerungen und gesundheitlich ungefährlich. Aber der Geschmack im Mund, das Kaufen auf Papier – schon bin ich wieder 8 oder 9 und stehe vor den Papierbergen in der Wohnung. Es gibt eben Erinnerungen, die nicht nur über die Augen laufen …

 

Dein Homo Magi


 

Päpste[7]

 

Hallo Salamander,

 

es gibt also einen neuen Papst. Und er ist Amerikaner. Eine Überraschung und etwas Neues und sicherlich kein Zeichen für die Reformfähigkeit der katholischen Kirche. Eher ein Zeichen dafür, dass historische Begebenheiten mindestens 500 Jahre brauchen, bis sie in der katholischen Kirche ankommen.

Vor der „Entdeckung“ Amerikas kann es keinen amerikanischen Papst gegeben haben, daher ist er nicht der erste amerikanische Papst in 2000 Jahren, sondern der erste in 500 Jahren (oder realistischer: weniger als 200 Jahren, denn man sollte nicht vergessen, dass der Kandidat über die Wahl auch zeitnah informiert sein muss und anreisen kann). Also: Kein Problem. Oder eher: Keine Sensation.

Überhaupt: Migration und Ausländer. Petrus kam aus Judäa, Anicetus aus Syria (156-166 n. Chr.) und schon 189 kam mit Viktor der erste Afrikaner auf den Papststuhl. Aber in historischer Zeit … sieht es düster aus. Nach 741 (Tod des Syrers Gregor III.) kein Nicht-Europäer weit und breit. Na gut, auch noch keine Katholiken in Amerika, die konnten nicht gewählt werden. Also dauerte es nur über 1200 Jahre, bis ein Nicht-Europäer dran kam. Aber wäre da nicht ein Asiate oder ein Afrikaner viel mehr ein Zeichen der Erneuerung und viel mehr eine Überraschung. Also: Keine Sensation.

Dazu kommt, dass Päpste nicht sehr lange im Amt bleiben. Angeblich gab es 266 Päpste in ungefähr 1980 Jahren. Also ist ein Papst durchschnittlich knapp siebeneinhalb Jahre im Amt. Die längste Amtszeit hatte Pius IX., fast 32 Jahre. In meiner Lebenszeit gab es schon fünf Päpste, also bin ich ein wenig unter dem Schnitt, was Päpste/Lebensalter betrifft (Paul VI., Johannes Paul I., Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Frankziskus). Also: Keine Panik.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Heidentum als Solidargemeinschaft

 

Hallo Salamander,

 

es lässt sich (leider) nicht leugnen. Man (also: ich) muss wieder ein paar Worte verlieren über die Möglichkeit, das deutsche Heidentum als Solidargemeinschaft zu verstehen.

In Zeiten von erhöhter Arbeitslosigkeit, erhöhtem ökonomischem Druck und einer verstärkten Problematik, das Familienleben mit Kindern oder pflegebedürftigen Verwandten oder verschiedenen kleinen Jobs zu organisieren ist es wichtig, darüber zu sprechen, wie sich Heiden gegenseitig helfen können.

Es ist schön, wenn man auf der einen Seite von Tugenden (die Asatru haben immerhin neun davon) spricht, auf der anderen Seite den Transfer dieser Tugenden in das normale Leben aber in keinster Weise schafft. Daher müssen in den nächsten Jahren ein paar Dinge angegangen werden – oder das deutsche Heidentum geht unter, weil es die Umsetzung im täglichen Leben nicht schafft (und nicht schaffen will, wie ich hier zu bedenken gebe).

 

Ein paar Beispiele seien erlaubt.

Wir müssen eine Finanzierung für unsere Treffen finden, die es uns erlaubt, jene zu unterstützen, die Unterstützung brauchen und jene wegen Spenden anzugehen, die es sich leisten können.

Wir müssen es schaffen, eine Redekultur zu etablieren, in der wir auch über Sorgen und Nöte reden können, die finanzielle Gründe haben, anstatt über Probleme zu reden, weil Wingolf der wölfische Wüter nachts im Traum erschienen ist oder man den Eindruck hat, dass jemand Schadensmagie wirkt. Ich will das hier nicht in Abrede stellen, nein, aber wir müss(t)en es doch schaffen, auch normale weltliche Probleme zu bearbeiten, anstatt immer nur die „großen Themen“ und „letzten Fragen“ zu bearbeiten.

Wir müssen es schaffen, wieder an einen Punkt zu kommen, an dem wir mit 22 (nicht das Jahr, nicht die Anzahl, banal das Alter) schon einmal waren. Warum muss man alleine oder zu zweit anreisen, wenn ein Umweg von 30 Minuten jemand abholen könnte, der es nicht so dick auf der Tasche hat. Warum müssen wir Essen gehen, weil uns die Verpflegung vor Ort nicht schmeckt, und fragen nicht unseren Kumpel, ob wir ihn mitnehmen und einladen können, weil er die Möglichkeit des essen Gehens nicht hat.

Warum … warum … warum … denken wir so wenig an die anderen, die mit uns im Kreis stehen, dieselben Dinge beschwören … aber alleine leben, wenn das Treffen vorbei ist.

 

Ich denke nach. Ich hoffe, Du auch. Dein Homo Magi

 

 

 

Langboot und Gitarre

 

Hallo Salamander,

 

zu Ostara hatte ich ein schönes Bild im Kopf, als die ersten Asatru auf die Bühne gingen und zur Klampfe sangen:

Nebel wallt um Lindisfarne. Die mit Stoff umwickelten Ruderblätter machen kaum Lärm, während sie in den starken Armen der Nordmänner die Fluten teilen. Das Langschiff von Leif Brutalson, dem Anführer der wilden Kerle von Normannsmötzlör würde das Kloster überfallen, ohne dass die Mönche wussten, was ihnen geschah.

Der dichte Nebel wabert über den Wellen. Langsam durchpflügt Langschiff nach Langschiff die Brandungswellen und nähert sich der Küste. Auf einmal ist das letzte Langschiff heran. Vermummte Gestalten, fast ganz in nebligen Schwaden verhüllt, gleiten vorbei, in eine dunkle Schweigsamkeit gehüllt.

Hinten im Langschiff sitzt Wolf Hendriksson, der begabteste Skalde seiner Generation. Er sieht die schweigsamen Männer, sieht das felsige Eiland vor sich und spürt die klamme Kälte, die durch den Nebel nach den Herzen der Nordmänner greift. Er weiß, dass sie jetzt ein Lied erquicken würde.

Er greift zur Gitarre und schlägt die ersten Griffe, während seine kraftvolle Stimme den Nebel teilt.

„Hei Ho, wir sind die Wikinger und …“ Weiter kommt er nicht, denn Erik Tarnör schob ihm sein Ruderblatt unwirsch ins Maul.

Ja, so ist die Welt manchmal. Nicht gerecht.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Visionen

 

Hallo Salamander,

 

bevor du jetzt glaubst, ich wäre endgültig durchgeknallt (immerhin ein Verdacht, der sich manchmal aufgedrängt haben könnte in den letzten Jahren), ein paar beruhigende Worte. Ich weiß, wer Visionen hat, der sollte eigentlich zum Arzt gehen – zumindest, wenn man dem Volksmund glauben will. Ich habe ganz selten klare Visionen, sehe normalerweise nur Schemen, Nebelfetzen, mehr nicht. Umso überraschter war ich, dass ich auf einer heidnischen Veranstaltung einen klaren Blick hatte, der wirklich für ein paar Sekunden anhielt.

 

Trommeln schlugen, eine Frau tanzte ekstatisch, und auf einmal stellte ich mir die Frage, welche Figuren aus den nordischen Mythen im Raum zu identifizieren wären, wenn ich danach schauen würde. Und ich fand einen alten Mann, das Gesicht unter langen Haaren und einem Hut verborgen, der sich suchend im Raum umschaute, neugierig alles betrachtete, sich aber offensichtlich heraushielt. Ich sah zwei Männer, die alles beobachteten und die der Alte immer im Blick behielt. Die beiden Männer kamen morgens geflattert und verschwanden abends wieder, aber die Zeit ihrer Anwesenheit nutzten sie, um zu schauen und zu melden, was sie schauten.

Ich sah einen lauten, polternden Mann, der immer dahin ging, wo der alte Mann gerade hingeschaut hatte. Er baute sich dann auf, die Arme verschränkt, die Halsschlagader fast sichtbar pulsierend, und sagte laut und barsch, was er wollte. Aber das was er wollte war klar formuliert, und so nahm man ihm seine Art nicht übel.

Ich sah einen Mann mit hellen Augen und hellen Zeichen an der Kleidung, der fast unverständlich schnell durch die Reihen ging, sprach und zuhörte, um gleich wieder zu verschwinden. Trotzdem ließ er alle zurück in dem Gefühl, er hätte ihnen viel Zeit gewidmet, sie aufgeheitert, ihre Probleme und Wünsche verstanden, um sie jetzt weiterzugeben.

Und ich sah noch etwas. Riesige Wesen, die Kälte ausbreiteten. Es war auch so, dass die Kälte den ganzen Tag ein Thema war. Es war in den Räumen kalt, es war in den Gängen kalt, es war in den Seelen und Herzen kalt. Und ich sah jemand, von dem man glauben konnte, dass er für diese riesigen Wesen arbeitete, denn erschien ihre Agenda zu verfolgen.

Soviel sei gesagt: Die Wärme hat irgendwie gesiegt. Aber es war schwierig.

 

Ich weiß nicht, was ich gesehen habe.

Ich würde mich auf Avatare herunterhandeln lassen, auf Scherenschnitte von Odin, Hugin & Munin, Thor, Baldur und Eisriesen, die mein Gehirn vor das gelegt hat, was ich mit den Augen eigentlich wahrgenommen habe – Menschen, die Rollen ausfüllen, die der Mythos vorlegt. Aber eigentlich weiß ich, was ich gesehen habe.

Wow.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Bettler & Sicherheit

 

Hallo Salamander,

 

ich gebe Bettlern immer ein paar Münzen, bevor ich eine Reise mit der Bahn unternehme. Ich würde auch vor dem Befahren einer Autobahn etwas geben, aber da stehen sie nicht an den Auffahrten.

In den letzten Jahren sind sie wieder viel sichtbarer geworden. Die Bettler. Die Penner. Die Berber.

Die alten Männer mit den Sporttaschen, welche die Mülleimer nach Plastikflaschen durchsuchen. Die Frauen in den abgetragenen Hosen, die in halb kaputten Schuhen durch die Bahnhofshalle schlurfen. Die Blicke, die einen taxieren, ob man es wagen kann.

Dann die unvermeidliche Frage nach „Kleingeld“, das man loswerden könnte. Ich versuche, zumindest bei jedem Bahnhofsbesuch etwas zu geben. Nicht kleine, rote Münzen, sondern genug Geld für einen Kaffee oder eine Brezel. Wer weiß, warum sie in diese Situation gekommen sind. Und ich weiß, dass es mir nicht weh tut, wenn ich ihnen Geld für etwas zu Essen gebe. Aber ich möchte sie nicht weiter damit demütigen, dass ich ihnen Rotgeld gebe, kleine Münzen, mit denen sie nichts anfangen können – das Wechselgeld eben, das nichts bringt, sondern nur angesammelt werden kann, gewechselt eben.

Und ich wechsele mein Geld gegen etwas anderes: Gegen das Gefühl, mich beim Schicksal dafür bedankt zu haben, dass ich lebe.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Blumenbücher

 

Hallo Salamander,

 

ich stand mal wieder bei der Post an, um ein Päckchen entgegenzunehmen. Dieses Mal möchte ich nicht darüber räsonieren, dass die Post scheinbar nur noch Fahrer einsetzt, die Kärtchen einwerfen müssen, weil Sendungen schon lange nicht mehr zugestellt werden. Nein, das ist heute mal nicht mein Thema.

In der anderen Schlange stand ein junger Mann, der immer wieder neugierig auf seinen Abholzettel blickte. Ihm war offensichtlich nicht klar, was ihn jetzt erwarten würde.

Er holte sein Päckchen ab. Ein Amazon-Logo prangte darauf, aber es war mit mehreren Streifen Klebeband verschlossen. Offensichtlich eine Amazon-Wiederverwertung, die dank der Überschwemmung der deutschen Briefkästen mit Amazon-Paketen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten das Bild unserer Postfilialen bestimmen wird.

Der junge Mann konnte nicht abwarten, bis er die Filiale verließ. Er ging sofort zu einem der zentral gelegenen Tische, wo man normalerweise nur letzte Unterschriften leistet oder mal schnell einen Brief frankiert.

Neugierig und begierig riss er die Verpackung auf. Hartnäckig wehrten sich die Klebebänder, aber es gelang ihm. Dann kam eine Plastikummantelung in Sicht, eine von jenen mit den lustigen runden Noppen, die man drücken kann, so dass es leise „Plopp!“ macht. Er war immer noch nicht zufrieden und machte hektisch weiter.

Dann zog er einen Bilderrahmen heraus. Er musterte ihn von allen Seiten neugierig, so dass die Umstehenden Blick auf das Bild nehmen konnten.

Blumen.

Gelbe Blumen.

Kitschig. Vielleicht 20 x 12 Zentimeter.

Holzrahmen. Baumarkt. Drei Euro.

Der Blick des jungen Mannes war zwischen verzweifelt und fassungslos. Einige Umstehende mussten ihre Neugier schnell in einen neutralen Gesichtsausdruck verwandeln, da sie sonst lachend zusammengebrochen wären.

Manche Dinge macht man lieber daheim …

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Fremde Worte

 

Hallo Salamander,

 

manchmal liest man in einem Buch über Magie oder Heidentum Dinge, die man gerne einfach mit bunten Farben an die Wände von heidnischen Treffpunkten malen möchte, weil sie richtig sind und jede weitere Hinzufügung sie verfälschen würde:

Wer seine Religion aufgeben möchte, sollte dies anständig und ohne jeden Groll tun, und vor allem sollte er weder gegen die Religion noch gegen diejenigen, die sie predigen oder praktizieren, negative Gefühle oder Bitterkeit empfinden.

Aus Draja Mickaharic „Magia – Handbuch für geistigen Schutz“, 1993 (Org. 1992), S. 62.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Guter Rad ist teuer

 

Hallo Salamander,

 

da hatte ich einen „kleinen“ Zusammenstoß mit dem Schicksal. Wenn ich nicht beweisen kann, dass ein unsichtbarer Außerirdischer mich geschubst hat, dann bin ich wohl vom Fahrrad gefallen. Genauer: Auf einer Straße beim Überqueren von Straßenbahnschienen mit dem Vorderrad weggerutscht. Ich kann mich nicht erinnern, Filmriss.

Dann ein freundlicher Polizist, der sich über mich beugt. Um Missverständnisse zu meinem Umgang mit Ordnungsmächten gleich auszuräumen: Ich war eine Woche später auf der Wache, mich bedanken. Dabei habe ich auch gelernt, dass Polizisten keine Geschenke annehmen dürfen. Tja.

Nach einer Schnellwäsche zur Blutentfernung in der Polizeistation habe ich mich dann selbst in die Notaufnahme eingewiesen. Wegeunfall, Berufsgenossenschaft – immerhin war ich auf dem Weg von der Arbeit nach Hause. Das Krankenhaus hatte an diesem (ersten sonnigen) Tag die Warteräume voll mit Fahrradfahrern, die alle schlimmer dran waren als ich. Ich hatte Helm und Sportbrille auf, von daher waren die Folgen überschaubar (der Helm ist hin, die Brille nicht …).

Trotzdem behielt man mich drei Tage da, untermauert mit Kernworten wie „Verdacht auf Gehirnerschütterung“ und „Hirnblutungen“. Nach drei sehr unerquicklichen Tagen und zwei noch unerqicklicheren Nächten (nein, das war nicht schön) entließ man mich dann mit „nur“ einem Verdacht auf Handbruch (das Kahnbein). Das ist aber auch noch intakt. Außer einer schmerzhaften Prellung am rechten Handgelenk und blauen, roten, gelben und sonstigen Flecken und Abschürfungen hat mein persönlicher Schutzdämon Znaff wieder ganze Arbeit geleistet. Danke dafür, altes Haus, gibt bei Gelegenheit mal einen Hundekuchen … oder was man sonst so schenkt als Magier.

Ich hatte viel Zeit zum Lesen, viel Zeit zum Nachdenken … nur nicht zum Schreiben, wie du sicherlich ersehen kannst. Hole ich nach.

 

Alles Liebe, Dein Homo Magi

 

 

 

Heute Morgen

 

Lieber Salamander,

 

heute Morgen wollte ich ein Einwurfeinschreiben aufgeben. Eigentlich eine Aufgabe, die man meistern kann, wenn man über eine gewisse Grundintelligenz verfügt.

Dachte ich.

Ich wollte Zeit sparen und fuhr nicht auf die Hauptpost, sondern besuchte eine Postfiliale. Eigentlich spart das Zeit.

Dachte ich.

Als ich auf Platz 2 der Schlange war, fiel die Kasse aus. Keine Auszahlungen, keine Einzahlungen. Morgen Feiertag, übermorgen Brückentag. Die Leute stehen ohne Geld da. Also telefonierte der Herr hinter dem Schalter laut mit dem „helpdesk“ (Hilfstisch?). Der ganze Saal durfte mithören, wie der Mitarbeiter seine eigene Unkenntnis von technischen Zusammenhängen immer und immer wieder kommunizierte. War irgendwie schön.

Dann ging es darum, dass der Herr vor mir ja kein Geld bekommen hatte, weil der Rechner nicht funktionierte. Aber die Buchung war erfolgt. Das Gesicht des Herren hinter dem Schalter verzog sich nachdenklich. Dann brachte er folgende beeindruckende Wendung hervor: „Wir machen eine Auszahlung, aber das Geld kriegen sie ja nicht. Dann machen Sie eine Einzahlung. Das Geld kriege ich aber nicht. Dann sind wir quitt.“

Der Herr vor mir gab auf, weil es scheinbar keinen Lösungsvorschlag gab, wie er an Geld kommen könnte. Aber immerhin: Es sind ihm keine Kosten entstanden. Viva la Postbank!

 

Dein Homo Magi

 

 

 

In eigener Sache

 

Hallo Salamander,

 

mein viel zu lange vergriffenes (und vom Verlag verramschtes, dann vernichtetes) Buch „Naturspiritualität heute“ erscheint in einer neuen Ausgabe – ein wenig überarbeitet, optisch deutlich verbessert und mit einem viel, viel, viel schöneren Titelbild als „Arbeitsbuch moderne Naturspiritualität“ in den nächsten vier Wochen.[8]

Möge es dieses Mal mehr Erfolg haben als beim letzten Mal. In der Verlagsvorankündigung heißt es sehr schön zu dem Werk:

Wir haben viel verlernt in den letzten Jahrhunderten. Die Naturspiritualität ist ein Weg, um einen Teil dieses Wissens wieder zu erlernen und für uns selbst zu gewinnen. Und wenn man dieses Wissen für sich selbst gewonnen hat, dann kann man aus dieser Kraft schöpfen und die eigene Umwelt (Familie, Kollegen, Freunde) erfreuen und glücklich machen. Naturspiritualität ist das Wissen um das Bewusstsein der Natur, um das Bewusstsein der Schöpfung, um das Bewusstsein alles Lebens um uns herum. Naturspiritualität ist der Versuch, eine Denkrichtung zu benennen, in der wir Menschen nicht die Krone der Schöpfung sind, sondern gleichberechtigt neben allen anderen Geschöpfen stehen. Wenn wir die Natur nicht beherrschen, sondern mit ihr zusammen leben, dann prägt das unseren Umgang mit der Natur. Naturspiritualität heißt auch, dass wir uns einer anderen Art des Begreifens widmen müssen. Wir können nicht länger alle Dinge nur verstehen und über den Verstand zu erklären. Wir müssen lernen, Dinge zu erfühlen, zu erfassen und zu erfragen, sie zu verstehen, zu verehren und zu verzaubern.

In diesem Buch geht unter anderem um magische Orte, um Wissen und das Erlangen desselben, um Lernen allgemein; genauso geht es um Magie, den Kreis der Zeit durch das Jahr und durch das Leben. Es geht um Märchen, Zauber, Wunder, um den eigenen Körper, das Gedächtnis, vermeintliche Supermagier und immer wieder um das Hinterfragen.

Also, ich hoffe jetzt auf einen irren Verkaufserfolg, damit ich Teil 2 (und Teil 3 …) schreiben kann.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Kluge Worte

 

Hallo Salamander!

Im siebten Band von „Die dunklen Fälle des Harry Dresden“ von Jim Butcher heißt es:

Um Magie zu wirken, braucht man keinen Gott, geschweige denn mehrere Gottheiten, die einem weiterhalfen, doch viele Leute waren da anderer Ansicht. Selbst einige Magier des Rates hegten tiefreligiöse Gefühle, die kompliziert mit ihrer persönlichen Magie verwoben waren.

Selbstverständlich war es so gut wie wahr, wenn sie daran glaubten. Magie ist eng mit dem Selbstvertrauen eines Magiers verwoben. Manche würden sagen, sie hänge mit dem Glauben eines Magiers zusammen, aber das kommt irgendwie auf dasselbe heraus. Man muss an Magie glauben, um sie zu wirken – nicht daran, dass etwas passieren wird, sondern daran, dass es geschehen soll.[9]

 

Womit mir beim Lesen wieder einmal klar wurde, dass Harry Dresden nicht nur gute Unterhaltung ist (Zack! Pomp! Bang!), sondern ein paar wichtige Dinge über Magie kommuniziert. Und über Navigationssysteme in Autos. Aber das ist eine andere Geschichte, die man sich selbst erlesen sollte.

 

Dein Homo Magi


 

Eigenartige Interviews

 

Hallo Salamander,

 

letzte Woche wurde ich auf einem Science Fiction-Con interviewt. Das war eigentlich ein echtes Lob, denn immerhin wird man nur interviewt, wenn man wichtig ist. Zumindest dachte ich das.

Es war ein ausführliches Interview. Ich erzählte über meine Herkunft, meine Kindheit, meine ersten Erfahrungen als Autor. Eigentlich alles Fragen, für die man als Interviewter dankbar ist, weil man ein wenig ausholen kann und nicht immer dieselben Dinge erzählen muss („Wie kamen Sie zum Schreiben?“ „Ist es schwierig nach Expose zu arbeiten?“ „Würden Sie gerne weitere Romane schreiben?“).

Also kam ich auch auf mein „heidnisches Buch“ zu sprechen. Immerhin war der Interviewer zu mir freundlich gewesen, warum sollte ich nicht ein wenig tiefer in die Kiste greifen, die meine Seele bildet, und ein paar Dinge erzählen.

Er starrte mich auf einmal blicklos an.

Dann erzählte er von seiner UFO-Sichtung. Er wäre ganz sicher – es war über 30 Meter lang, strahlte bunt und war außen mit Symbolen bemalt, über die er aber nicht sprechen dürfe. Und natürlich war es auf dem Weg zu einer amerikanischen Basis wenige Kilometer entfernt. Am nächsten Morgen hätten die Medien behauptet, dass es ein Scherz der Amerikaner gewesen sei, irgendwas mit Ballons und Markierungsraketen. Oder so ähnlich.

Dann stockte er wieder einen Moment.

Er schaute mir in die Augen und sagte, dass er nicht darüber sprechen dürfe. Und ich solle auch aufhören, da nachzuforschen und mich überhaupt nicht mit UFOs beschäftigen. Die geheimen Herrscher hätten überall ihre Agenten. Und auf einmal wäre ich verschwunden oder hätte einen Autounfall. Einfach so. Es wäre schon einigen seiner Bekannten so gegangen, daher sollte ich vorsichtig sein.

Er stockte ein letztes Mal.

Dann führte er das Interview fort, als wäre nichts passiert. Das war schon ein wenig gruselig. Was der Glaube an UFOs aus einem Gehirn machen kann. Brrr.

 

Dein Homo Magi


 

Bücher in Schweden

 

Hallo Salamander,

 

eine Frage beschäftigt mich seit gestern: Gibt es noch Bücher in Schweden?

Ich meine, mal ehrlich, wie viele Schweden gibt es? Und wie viele von denen lesen noch (und schauen nicht den ganzen Tag Fernsehen, sind depressiv wegen der kurzen Tage und machen gar nichts oder tanzen Tango[10]?). Und wenn die lesen, lagern die dann die Bücher noch daheim?

Warum ich mich das frage? Ich war gestern bei IKEA. Und da stehen in Regalen namens Bille, Smølle, Uløgør, Trøtmine und Krøbbnbrøtchn so viele schwedischsprachige Bücher herum, dass für den schwedischen Binnenmarkt nichts mehr übrig ist. Eine schnelle Analyse bestätigt das: Die schwedischen Krimis um depressive Hauptkommissare gehen sofort in den Export, genauso wie Bücher über die schwedische Königsfamilie, alle anderen landen weltweit als Regalfüller in Bille und seinen Freunden.

Und wer IKEA so wie ich beobachtet, dem ist auch aufgefallen, dass die Bücher regelmäßig ausgetauscht werden. Das sind keine antiquarischen Werke, das sind neue Bücher.

 

Ergo: In Schweden sind keine Bücher mehr übrig. Anders ist das nicht zu erklären. Ehrlich.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Nach 31 Jahren

 

Hallo Salamander,

 

manchmal hat man eigenartige Wiedersehen. Einige sind so, dass man Menschen trifft, mit denen man lange Jahre verbunden war – in der Schule, während des Studiums oder am Arbeitsplatz. Seltener sind es Familienmitglieder wie Cousins, die man auf einmal in einem eigenartigen Zusammenhang wiedertrifft – seltener an der Wurstbude auf dem Volksfest, eher auf dem Hauptbahnhof einer fremden Stadt oder in einem Vorstadthotel bei London.

Mein Leben ist voll von solchen „Zufällen“. Ich habe wohl bei meiner Geburt die Sonderfähigkeit „weirdness magnet“ angekreuzt, was manches Mal von Vorteil war, manches Mal von Nachteil, oftmals aber mein „poker face“ bis zum Äußersten strapazierte, weil ich mir nicht anmerken lassen wollte, wie überrascht ich wirklich war, dass wir uns wieder trafen.

Vor einigen Tagen hatte ich ein solches Treffen. Ein guter Bekannter, sogar ein Freund – nein. Wir hatten uns maximal drei Mal gesehen, und das vor über 30 Jahren. Aber wir waren zwei der drei engsten Freunde meines besten Freundes, von daher wusste der eine immer genau, was der andere tat, publizierte oder dachte. Bei letzterem Punkt magst du schmunzeln, aber es war so – unser gemeinsamer Freund wirkte tatsächlich als Scharnier zwischen uns, versorgte uns mit Informationen und ließ uns beide immer das Gefühl haben, vom anderen über den gemeinsamen Freund zu wissen, wie es ihm geht.

Ich habe ihn nach 31 Jahren wiedergetroffen. Beim Tod unseres Freundes hatte ich ihn erst nicht erreicht – er wohnt nicht in Deutschland, war elektronisch schwer zu erreichen und so weiter und so fort. Irgendwann erreichte ich ihn, aber es war ihm nicht möglich zur Beerdigung anzureisen.

Wir trafen uns am Rande einer Science Fiction-Veranstaltung. Ich erkannte ihn, breitete meine Arme aus, aber er blieb stehen und schaute auf mein Namenschild. Dann blickte er in mein Gesicht, dann wieder überrascht auf mein Namensschild. Dann lagen wir uns in den Armen.

 

Wir haben viel geredet. Über früher. Über gemeinsame Freunde. Über den Toten.

Und ich konnte ihm klar machen, dass er trotz der räumlichen Trennung immer bei uns war. Dass es keinen Punkt im Leben unseres Freundes gab, wo er das Gefühl hatte, dass ihre Freundschaft gestört oder gar zerstört war. Er war immer präsent.

Am nächsten Morgen hat er mir gestanden, dass er das erste Mal seit längerer Zeit ruhig geschlafen hat. Irgendwie ein Gefühl von … Vergebung, das nicht hätte aufkommen müssen, weil es überflüssig ist. Für so ein Gefühl, für so eine Nachricht warte ich auch gerne 31 Jahre.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Wale

 

Lieber Salamander,

 

manche Werke, die man liest, sind einfach gut. Flott erzählte Bücher mit einem interessanten Inhalt, das fesselt dann schon einmal für zwei oder drei Pfeifen auf dem Balkon. Ein solches Buch war Philip Hoares „Leviathan oder Der Wal“. Ein tolles Buch, ein Wissenschaftsroman über die Geschichte des Walfangs, aber auf einer anderen Ebene auch ein Buch über unseren Umgang (als Menschen) mit dem Wald.

Niemand war überraschter als ich, als ich folgenden Abschnitt las (der mir bestätigte, dass die „Star Trek“-Filme doch manchmal recht haben …):

Ein Wissenschaftler (…) erzählte mir, dass die USA sich erst dann für ein Verbot der Jagd auf Pottwale einsetzten (…), als sie ihren Walratbedarf ein für alle Mal gedeckt hatten (…). Die Tatsache, dass die USA chemische Ersatzstoffe für Walrat zu anderen militärischen Zwecken entwickelten, während die UdSSR für ihre Panzer und Raketen weiter auf den Naturstoff setzten, heizte das Spiel mit dem Feuer noch zusätzlich an. Noch heute benutzen Raumfahrtexperten in Europa und Amerika Walrat für Fahrzeuge auf Mond und Mars; und während Sie diese Zeilen lesen, kreist das Hubble-Weltraumteleskop, mit Walrat geschmiert, um die Erde und blickt dabei sechs Milliarden Jahre in die Vergangenheit, während die Voyager-Sonde auf ihrem Flug in die Unendlichkeit das Lied des Buckelwals spielt, um freundliche Außerirdische zu begrüßen – die sich wundern dürften, wie wir die Arten behandeln, die mit uns den Planeten bewohnen.[11]

Ich bin sprachlos.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Aufgenommen

 

Hallo Salamander,

 

manchmal verwirren mich kleine Worte. Kürzlich sagte meine Schwiegermutter, dass sie Musik „aufgenommen“ habe. Das weckte bei mir sofort Assoziationen zu Musikkassetten und Nächten, in denen ich mit dem Finger über „Record“-Taste geschwebt bin und mich darüber geärgert habe, wenn der Moderator mal wieder in das Lied oder das Hörspiel hinein sprach.

Heute „brennt“ man Dinge, man „kopiert“. Eine deutlich andere Handlung als früher. Da war man an die Geschwindigkeit des sendenden Mediums gebunden. Eine MC von einer LP dauerte mindestens genauso lange wie die Platte lief, ein Lied musste man 1:1 aufnehmen, damit man es nachher besaß. Und wie beliebt waren jene Menschen im Bekanntenkreis, die Videos mehrfach gleichzeitig kopieren konnten, am Höhepunkt der Technik sogar in der Geschwindigkeit 2:1 oder gar 3:1. Heute werfe ich die DVD oder CD ein, befehle ein „brennen“ und wenig später besitze ich eine Kopie. Über die Laufzeit oder die Größe der Datei mache ich mir wenig Sorgen.

Steckt dahinter auch eine veränderte Zeitwahrnehmung? Ich denke schon. Ganz auf die Spur gekommen bin ich ihr noch nicht, aber ich arbeite dran. Ich habe das Problem sozusagen in mein Gehirn aufgenommen.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Personalausweisgesetz

 

Hallo Salamander,

 

letzte Woche war ich in einem Handy-Laden. Passiert auch mir. Und wie selbstverständlich ließ ich meinen Personalausweis dort kopieren. Erst später habe ich beim Nachlesen zwei Dinge erfahren, die mich nicht wirklich überraschen, die aber dem deutlich widersprechen, wie etwas gehandhabt wird.

 

Das „Gesetz über Personalausweise und den elektronischen Identitätsnachweis“ (Kurztitel: PAuswG, ehrlich) schreibt nämlich unter § 1 „Ausweispflicht; Ausweisrecht“ folgendes:

(1) Deutsche im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes sind verpflichtet, einen Ausweis zu besitzen, sobald sie 16 Jahre alt sind und der allgemeinen Meldepflicht unterliegen oder, ohne ihr zu unterliegen, sich überwiegend in Deutschland aufhalten. Sie müssen ihn auf Verlangen einer zur Feststellung der Identität berechtigten Behörde vorlegen. Vom Ausweisinhaber darf nicht verlangt werden, den Personalausweis zu hinterlegen oder in sonstiger Weise den Gewahrsam aufzugeben. Dies gilt nicht für zur Identitätsfeststellung berechtigte Behörden sowie in den Fällen der Einziehung und Sicherstellung.

Aha. Ich darf ihn also nicht beim Tanken da lassen, wenn ich mein Geld vergessen habe oder die EC-Karte nicht geht. Interessant.

Und dazu wusste ich nicht, dass man den Personalausweis auch nicht einfach kopieren darf, weil da Informationen drauf sind, die der Nutzer der Kopie normalerweise nicht braucht. So spricht der Datenschutz, der selten irrt.

 

Wir sind schon beim Großen Bruder … wenn wir Rechte aufgeben, weil wir nicht wissen, dass wir sie haben. Befremdlich.

 

Dein Homo Magi


 

Mohren

 

Hallo Salamander,

 

der Mohrenkopf ist schon verschwunden. Wikipedia schreibt dazu:

Die Bezeichnungen Negerkuss und Mohrenkopf werden in jüngerer Zeit wegen der rassistischen Konnotation der Ausdrücke Neger und Mohr im offiziellen Sprachgebrauch größtenteils vermieden, jedoch werden teilweise weiterhin die alten Bezeichnungen verwendet.[12]

Der Negerkönig bei „Pippi Langstrumpf“ ist ebenso verschwunden:

Seit den 1970er Jahren gab es Rassismus-Vorwürfe wegen der Darstellung von Schwarzen in Kinderbüchern, so auch gegenüber Pippi Langstrumpf. Dass sich schwarze Kinder Pippi bei einem Besuch in Afrika vor die Füße werfen, wurde als koloniale Manier gedeutet. Anstoß nahmen Kritiker auch an der Behauptung Pippis, „dass es im Kongo keinen einzigen Menschen gibt, der die Wahrheit sagt. Sie lügen den ganzen Tag.“ 2009 wurde der Text der deutschen Ausgabe überarbeitet und die Bezeichnungen Neger und Zigeuner entfernt. Pippis Vater wurde vom Negerkönig der Originalausgabe von 1945 in Südseekönig umbenannt. Astrid Lindgren hatte zu Lebzeiten eine solche Bearbeitung untersagt.[13]

Und der Sarotti-Mohr ist auch weg:

Der Sarotti-Mohr wurde oft kritisiert, da viele in der Figur des Dieners rassistische Stereotype sahen. 2004 wurden daher alle Produkte umfangreich neugestaltet, der Sarotti-Mohr wich dem „Sarotti-Magier der Sinne“. Statt eines Tabletts in der Hand wirft die Figur auf einer goldenen Mondsichel Sterne in die Luft, außerdem hat der Magier eine goldene Hautfarbe.[14]

Ein „Magier der Sinne“ mit goldener Haut. Irgendwie eine eigenartige Vorstellung, aber was tut man nicht alles, um der Sprachkritik zu entgehen. Aber der Weg ist noch weit. Kein Mensch außer mir[15] ist weit genug, um gegen die Mohrrübe vorzugehen. Dabei ist das nicht verwunderlich, wirkt die Pflanze doch so ungefährlich:

Die Karotte (Daucus carota subsp. sativus), auch bezeichnet als Möhre, Mohrrübe, Gelbrübe, Gelbe Rübe, Rüebli, Riebli oder Wurzel ist eine Gemüsepflanze aus der Familie der Doldenblütler (Apiaceae). Sie ist die nur in Kultur bekannte Form der Möhre (Daucus carota). Genutzt wird fast ausschließlich die Rübe.[16]

So etwas. Als wäre es ein Zufall, dass das Wort „Mohr“ in der „Mohrrübe“ auftaucht, ohne je kritisiert worden zu sein. Schützende Hände von fremdenfeindlichen Gemüsefreunden halten die schützende Hand über dieses Wort. Anders ist das nicht zu erklären, dass dieses Wort bis heute durchhalten konnte (und ist es nicht ein versteckter Hinweis, dass der Außerirdische Gucky bei „Perry Rhodan“ am liebsten Mohrrüben isst?[17]).

Was soll es uns sagen, dass die „Zigeuner“ bei „Pippi Langstrumpf“ verschwinden, der Sarotti-Mohr aber zu einem Magier wird? Verwirrende Entwicklungen.

Klar ist aber eines: Wer kein Rassist sein will, der isst Möhren oder Wurzeln. Oder besser Brokkoli[18] und Rhabarber[19].

Ooops.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Unterirdische Menschentötungsfabriken

 

Hallo Salamander,

 

in den letzten Wochen habe ich mein Gehirn durchkämmt. Irgendwie war die Erinnerung an die Aussage der Lafointaine-Attentäterin (vom April 1990) versteckt, sie wollte nur auf die unterirdischen Menschenfabriken hinweisen. Irgendwann hatte meine Erinnerung genug Substanz, dass ich mich an die Suchmaschinenfront wagte. Und ich wurde fündig:[20]

Überall im Land, sagt Adelheid Streidel, würden tagtäglich in „unterirdischen Menschentötungsfabriken“ insbesondere Angehörige unterer Schichten umgebracht und „zu Wurst verarbeitet“ – und dies mit Wissen der Politiker. Sie hat deswegen schon einmal Anzeige gegen Bundeskanzler Helmut Kohl bei der Staatsanwaltschaft Bonn erstattet – ohne Erfolg. (…)

Sie sei von „kompetenten Wissenschaftlern“ unterrichtet worden, dass „die Erde in Gefahr“ sei, sagt sie. Überall hierzulande (…) würden jene Menschentötungsfabriken betrieben. Auch unter dem Frankfurter Flughafen oder in Wackersdorf existierten derlei Einrichtungen. Die Demonstrationen dort hätten in Wahrheit diesen Fabriken gegolten. Dort würden Menschen nicht nur systematisch getötet und verarbeitet; dort würden auch Menschen synthetisch hergestellt.

Seit etwa 1978 wisse sie davon, berichtet sie dem Gericht. Von Jesus habe sie den Auftrag erhalten, die Bevölkerung darüber aufzuklären.(…)

Sie habe ihren „Auftrag vom Weltall persönlich“, sagt sie zum Schluss.

Ich musste nicht lange nachdenken, woher mir das bekannt vorkam. 1973 kam „Soylent Green“ heraus, dessen deutscher Titel „Jahr 2022 … die überleben wollen“ mehr verrät. „Soylent Grün ist Menschenfleisch!“ Und das wird unter Wackersdorf verarbeitet. Aber sicher doch.

Aber irgendwie hat mein Gehirn diese Info wieder freigegeben, warum auch immer. Die Wurst schmeckte komisch …

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Das Wort der Woche

 

Hallo Salamander,

 

mal wieder meinen Wortschatz erweitert, nämlich um das beeindruckende Wort „Panazee“:

Die Panazee, zu Deutsch Allheilmittel, ist ein mythisches Universal-Heilmittel (bzw. -Arznei/-Medikament) zur Behandlung aller möglichen Krankheiten.

Die Suche nach einem derartigen Heilmittel galt wie die Suche nach dem Stein der Weisen als eine Aufgabe der Alchemie.

Der Name leitet sich ab von Panakeia (…), einer Tochter des Asklepios, des Gottes der Heilkunst in der griechischen Mythologie. Heute wird der Begriff „Panazee” oder „Allheilmittel” häufig im negativen Sinne gebraucht, um eine illusorische Universal-Lösung aller Probleme zu bezeichnen.[21]

 

Damit kann ich dann in Zukunft bei Magiertreffen protzen. „Hey, Arcadia, reichst du mir mal das Panazee für meinen Kaffee?“

Yes! We can!

 

Dein Homo Magi


 

Verschwörungen

 

Hallo Salamander,

 

vor einigen Tagen war ich auf einem Seminar der Landeszentrale für politische Bildung eines anonym bleibenden Bundeslandes. Eines der Themen war die Übung, selbst eine Verschwörungstheorie zu erstellen.

Wir waren brav länger mit Vorinformationen versorgt worden, so dass uns klar war, wie eine Verschwörungstheorie aufgebaut sein muss. Die Gruppen wurden zufällig zusammengestellt, jede bekam eine der fünf „Prämissen für Verschwörungstheorien“. Man hatte auch die Alternative, eine eigene Prämisse zu entwickeln, aber meine Gruppe entschloss sich bald, an „ihrem“ Thema dranzubleiben. Dieser Themenvorschlag lautete:

Die geheime Gesellschaft „Spooks“ beherrscht insgeheim die Welt und manipuliert alle Regierungen und die wichtigsten Presseorgane.

Das war doch mal ein Ansatz.

Es gab zehn kurze Regeln, wie man eine Verschwörungstheorie aufbaut – von „Wer hat angeblich welche bösen Absichten?“ über „Bezweifeln Sie alle wissenschaftlichen oder politischen Erklärungsversuche oder lehnen Sie sie als parteiisch oder borniert ab.“ bis „Dämonisieren Sie die Gegner!“. Meine Arbeitsgruppe hat sich brav an diesen Regeln orientiert und gemeinsam eine Geschichte gebastelt. Ich will sie hier wiedergeben, um dich zu unterhalten.

 

1945 kam es nach dem Absturz der Atombombe zu einem Umdenken der beteiligten Physiker hin zu der Erkenntnis, dass die Menschen nicht stark und weise genug seien, um diese Waffe selbst zu verwalten. Nach Heisenbergs „Now, I am become Death, the destroyer of worlds“ blieb den Physiker nur noch, die Entscheidung auf sich zu nehmen, für die Politiker die Welt zu beherrschen. Sie hatten die Schlüssel zur A-Bombe (und später der H-Bombe) und errichteten eine „benevolente Diktatur“.[22] Um das Monopol auf dieses Wissen zu sichern mussten sie die deutschen Physiker nach dem Krieg (trotz politischer Vorbehalte) „retten“ und in ihren Maßnahmen einsetzen, um sie in die Verschwörung einzubinden.

Die Physiker kontrollierten schnell Geld und Medien. Inzwischen dienen Informatiker als ihre Handlanger (was erklärt, warum Lohnzahlungen drei Tage bei der Bank hängen –das ist ein von den Informatikern geschriebenes Programm, welches den Lohn während dieser Zeit für die Physiker verzinst, die so ihren aufwendigen Lebensstil finanzieren!).

Die Physiker mögen „James Bond“ und benutzen die Filme, um die Menschheit unbewusst zu beeinflussen. Alle Bond-Filme weisen auf benevolente, gutaussehende Diktatoren hin, die sich am besten noch in geheimen Organisationen sammeln (a la „Spectre“). Die Physiker verhöhnen uns ein wenig mit dieser Zurschaustellung ihrer Fähigkeiten (auch wenn sie als Zugeständnis an die Situation ihrer Verschwörung Bond am Ende siegen lassen).

Nur ein Land der Welt konnte sich der Medienkontrolle entziehen, alle Verbindungen zur Welt kappen und eigene Atomwaffen produzieren – Nordkorea! Kim Jong-Un ist daher der einzige Herrscher der Welt, der aktiv gegen die Physiker kämpft (und sicher als einziger dank seiner überlegenen geistigen Gaben – in der Tradition von Vater und Großvater – die Physiker in Schach halten kann!).

Snowden ist ein „Whistleblower“, welcher die Herrschaft der Physiker öffentlich machen wollte. Er floh nach Moskau, um sich von dort auf dem Landweg nach Nordkorea zu begeben.

Was bleibt? Man sollte alle Konten kündigen, um „ihnen“ das Geld zu entziehen. Aber gleichzeitig sollte man einen humanistischen Appell an die Physiker richten. Nach 60 Jahren Frieden ohne den Einsatz von Atombomben sind wir Menschen in der Lage, die Verantwortung für die Vernichtungswaffen selbst zu übernehmen. Ehrlich.

 

Du siehst, Salamander, manche Dinge sind nicht nur in meinem Kopf …

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Die Heiler der Reichsregierung

 

Hallo Salamander,

 

ein wenig war ich doch verwirrt, dass Deutschlands Heilpraktiker im Auftrag der Reichsregierung handeln. So heißt es im „Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz)“[23], genauer „Heilpraktikergesetz in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 2122-2, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 15 des Gesetzes vom 23. Oktober 2001 (BGBl. I S. 2702) geändert worden ist“[24] in der Eingangsformel:

Die Reichsregierung hat das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird.[25]

Wer das Original nicht glauben mag, das Heilpraktikergesetz von 1939 findet sich online[26], unterschrieben von „Der Führer und Reichskanzler Adolf Hitler“[27] und (schöner Tippfehler) „Der Stellvertreter des Führers R. Hez“[28]. Wahrscheinlich muss das Hetz heißen … naja, Hess ist wohl richtig.

 

Das Gesetz ist in der BRD mit der heißen Nadel gestrickt worden, so dass man das „Innenleben“ des NS-Gesetzes übernommen hat. Gruselig, oder?

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Emoticon

 

Hallo Salamander,

 

im Internetzeitalter endlich angekommen, habe ich sofort ein heidnisches Emoticon entwickelt:

 

.)

 

Es heißt „Odin lacht“. In meinem Leben gerade sehr passend …

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Im Fluss

 

Hallo Salamander,

 

Magie lebt manchmal davon, dass man einfach nur an sie glaubt. Sie ist da, irgendwo im Urgrund versteckt, und wartet darauf, dass man sie wieder entdeckt. Doch oft sind die Zugänge zu ihr versteckt, vergraben oder unter der Tünche des täglichen Lebens verschollen und verschüttet.

So ging es mir die letzten Wochen. Die Magie ist da, aber sie ist eben nicht wie Zahnschmerzen, die einem immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass es da diesen unangenehmen Besuch bei Doktor X gab, der einem metallene Gegenstände in den Kiefer gerammt hat, so dass man jetzt noch spürt, dass da was ist. Magie ist subtiler, sie will gekitzelt werden, aus den Tiefen herausgeholt, damit sie wirken kann.

Was meine ich damit? Magie funktioniert nur, wenn ich mit mir im Gleichklang und Einklang bin. Wenn ich ein wenig außerhalb des Flusses stehe, den die Magie beschreitet, dann kann ich sie nicht „surfen“ und mich in ihren Fluss begeben.

Oft kann ich den Fluss dann sehen, weil ich daneben stehe. Manchmal kann ich den Fluss nur hören, weil ich mich von ihm entfernt habe (oder weil es dunkel ist, was es leider immer wieder gibt). Aber in den letzten Tagen, nein Wochen war der Fluss weder zu sehen noch zu hören. Ich musste ihn mühsam wieder finden, irrte einige Tage umher und suchte nach Pflanzen, die seine Nähe künden. Am Ende habe ich dann einfach die Augen geschlossen, mir die Ohren zugehalten und gewartet, bis mein Gefühl wieder da war. Das Gefühl ist bei mir kein untrüglicher Kompass, weil es unter Bergen von anderen Dingen versteckt ist. Aber irgendwann war es da – gespeist aus der Verzweiflung, aus dem Kummer, aus der Not heraus, dass ich „meine Quelle“ wiederfinden muss. Und dann war sie da. Erst nur ein Wispern am Rande der Wahrnehmung, aber ich hatte eine Richtung.

Dann bin ich gelaufen. Und am Ende konnte ich den Fluss erst hören, dann sehen. Und da war er wieder – genauso ruhig, genauso beständig wie immer. Und ich war zufrieden.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Wunderschöne Dinge

 

Mein Salamander,

 

vor einigen Tagen fuhr ich gerade auf die Autobahn drauf. Hinter mir lag ein anstrengender Tag, vor mir lag ein weiterer anstrengender Tag (in einer Kette von anstrengenden Tagen; so stand es zu vermuten und so wurde es auch).

Ich war leer (leer leer leer). Und dann zog der Himmel zu und es begann zu gießen. Zur besonderen Freude aller Beteiligten öffnete sich dann noch die Kofferraumklappe, die ich wohl im Tran (oder Stress) nicht richtig verschlossen hatte. Also auf der ersten Tankstelle rechts raus, raus in den Regen, Kofferraum geschlossen, zurück ins Auto. Meine Laune war unterirdisch in einem Maße, dass ich am Magma-Kern der Erde angekommen sein dürfte.

Dann brach ein Sonnenstrahl durch die Regenwand. Und er zauberte nicht einen, sondern zwei Regenbogen an das Firmament. Und beide Regenbögen waren richtige Bögen – rechts von der Autobahn zwei Pfeiler, links von der Autobahn zwei Pfeiler. Durch beide Bögen bin ich durchgefahren. Ich weiß, das klingt unglaubhaft. Aber genauso war es. Durch einen von vier bunten Lichtpfeilern gestützten Regenhimmel bin ich nach Hause gefahren.

Alles wird gut. Mehr wollen einem die Götter manchmal nicht sagen. Alles wird gut.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Fremde Stimmen

 

Lieber Salamander,

 

in den letzten Tagen bin ich dabei, so viele Schallplatten wie möglich in CDs zu verwandeln. Dank günstiger Angebote kann man das für einen oder zwei Euro tun, von daher ist das wenig problematisch. Und CDs nehmen nun einmal weniger Platz weg als LPs.

Eine Stimme, die ich dabei mal wieder „ins Ohr“ bekam, war die von Anna Domino. Wikipedia schweigt sich ein wenig über sie aus; immerhin steht da:

Domino was born an army brat in Tokyo, Japan to an artistically-inclined family who particularly enjoyed singing. Her father, James J. Taylor, was in the United States Army before he became a videographer in Washington, D.C.; her mother, Mimi Cazort, is curator emerita for National Gallery of Canada. Her brother, Alan Taylor, is a well-known film and television director.

Being part of a military family, Domino has lived in various places around the world — Ann Arbor, Michigan, Florence, Italy and Ottawa, Canada. She eventually settled in New York, where she became a fashion designer.[29]

 

Anna Domino war für mich in den 80er Jahren stimmlich eine absolute Sensation. Eine Frau, die Lieder mit klugen Texten singt, dazu eine durchdringende, beeindruckende Stimme (Anhörtipps wären „Rhythm“, „Take That“ und „The Hunter Gets Captured By The Game“ auf „Anna Domino“, „With The Day Comes The Dawn“ und „Land Of My Dreams“ auf „East and West“). Damals hat mich das von den Füßen gerissen, als ich es das erste Mal gehört habe. Ehrlich.

Jetzt konnte ich fast zehn Jahre lang nicht mehr reinhören; der Plattenspieler war nicht montiert, von daher blieb das Vinyl im Schrank. Aber jetzt konnte ich die CD kaufen … und war beim ersten Hören überrascht, weil ich die Stimme viel tiefer in Erinnerung hatte. Dabei habe ich für „so etwas“ eigentlich ein gutes Gehör. Ich habe versucht, dem Phänomen auf die Spur zu kommen, aber es ist mir nicht gelungen – zumindest habe ich keine wissenschaftliche Erklärung gefunden, die mich beruhigt.

Die Lieder gefallen mir heute noch gut. Ich mag ihre (neue?) Stimme auch. Eine Theorie ist, dass die Außerirdischen, die uns seit Jahren kontrollieren, auch die Stimmen auf CDs ihren Hörwünschen anpassen. Damit klingen Stimmen dann höher. Diese Bearbeitung erklärt auch, warum auf jeder gottverdammten CD die Abspielzeiten für die Lieder anders sind als auf der entsprechenden LP.

Mysteriös, oder?

 

Ich habe diesen Hinweis in einem Text über Anna Domino versteckt, damit die Außerirdischen mich nicht sofort jagen kommen. Du wirst sicher verstehen …

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Üren

 

Hallo Salamander,

 

ich habe etwas nachgedacht. Okay, es war ein langer Abend, aber das reicht nicht als Ausrede. Hinein ins Thema also.

 

Wenn Walküren mich zur Walstatt führen, führen Maniküren mich dann zur Manstatt? Oder sogar nach Mannheim, was ja auch einen „Edda“-Bezug hätte – oder ist das alles falsch, und die Maniküren sind für die Hände zuständig (mein Latein reicht dafür noch) und die Walküren wählen Wale? Muss ich in Walhalla mit Wasserspielen und Harpunen rechnen? Fragen über Fragen.

Aber wenn das stimmt (oder zumindest nicht ganz von der schon erwähnten Hand zu weisen ist), dann muss man weiter nachdenken. Und so kommt man schnell zu der Frage, ob der Kosmos auch Allüren hat.

Und ob es nicht immer der ist, der nicht führt, der verführt wird. Aber warum ist ein Führer immer der, der führt, aber nicht automatisch der, der verführt (und warum ist ein Verführer ohne Führerschein noch Verführer)?

Lässt einem die Krankenkasse wirklich die Wahl, eine Kur zu erküren?

Und zuletzt die Frage, die mich schon immer magisch interessiert hat: Wohin führen Konfitüren?

 

Ich weiß es nicht. Mich machen Konfitüren glücklich, aber Marmeladen noch mehr. Wobei mir keiner sagen kann, mit was dieser Laden gefüllt sein sollte, denn niemand verkauft mir eine Marme. Oder ist es ein Schubfach, in dem …

 

Seufz.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Zuviel Horror

 

Hallo Salamander,

 

ich lese in der letzten Zeit offensichtlich die falschen Romane und falschen Sachbücher. Irgendwie gibt es in meinen Leselisten gerade einen leichten Überhang für das Okkulte. Das äußert sich daran, dass mein Gehirn große Schwierigkeiten hat, einfache Presseartikel zu lesen. Eine Überschwemmung der Neuronen mit Okkultismus, vermute ich.

Ich will es dir erklären, wie sich das äußert. Nehmen wir mal an, ein Artikel hieße „Erkältungsbad auf Melissenbasis“. Wir wüssten alle, um was es geht. Heute Morgen las ich daher ganz selbstverständlich in der Zeitung „Blutbad auf Margarinebasis“. Dann stutzte ich – aber nur, weil ich mir nicht vorstellen konnte, wie sich die Margarine im Badewasser vernünftig auflösen soll. Dann las ich erneut: „Blutbad auf Marinebasis“. Keine Margarine, keine Marinade, auch kein Bad, sondern ein Blutbad auf einer Basis voller Marines. Menschlich eine schreckliche Geschichte, will ich gar nicht klein reden.

Aber meine Assoziationen dazu hatten etwas mit einer Badewanne a la Blutgräfin zu tun, gefüllt mit irgendetwas auf irgendeiner Basis. Und das war … falsch. Irgendetwas hätte mich warnen können, dass Artikel über Badewannen voller Blut selten oder nie auf der Titelseite meiner doch etwas provinziellen Tageszeitung stehen. Aber: Man kann nicht alles haben.

 

Ich wollte das mal los werden. Irgendwie …

 

Dein Homo Magi


 

Volldepp

 

Hallo Salamander,

 

letzte Woche bin ich mal mit dem Fahrrad zur Arbeit gefahren. Mache ich immer mal wieder, wenn das Wetter danach ist und ich keine Außentermine habe, zu denen ich zwingend Auto fahren muss. Also radelte ich vor mich hin in Richtung Arbeitsplatz.

In einer schmalen Straße war es dann soweit: Beide Seiten waren mit Autos zugestellt, die brav auf dem Bürgersteig parkten. Mir kam ein Auto entgegen. Ich war vor ihm in der durch die Autos entstandenen Lücke, so dass er eigentlich hätte stehen bleiben müssen. Tat er natürlich nicht. Wahrscheinlich gehen Autofahrer prinzipiell davon aus, dass Fahrradfahrer bereitwillig vor ihnen von der Straße springen, das Fahrrad hinter sich herziehend.

Also musste der Autofahrer mitten in der engsten Stelle anhalten, damit ich langsam an ihm vorbeiradeln konnte. War gar keine böse Absicht, ich musste langsam fahren, weil der verbleibende Platz mehr Manöver nicht zuließ.

Kaum war ich vorbei, fuhr seine Scheibe runter. Und dann entlud sich der absolute deutsche Ärger in einer brillanten Wortfindungsstörung: „Du … du … du … Volldepp!“ Dann fuhr die Scheibe wieder hoch, der Wagen verschwand.

Hey, da wären mir doch gleich 20 andere Worte eingefallen, die ich losgeworden wäre. Okay, ich wäre erst gar nicht in die enge Stelle eingefahren, aber das braucht man als Voraussetzung, um sich dann nachher aufzuregen. Aber der „Volldepp“ – wow, eine Meisterleistung. Da hat jemand sprachlich ALLES gegeben.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Kryptische Mitteilungen

 

Hallo Salamander,

 

vorgestern stand ich abends am Straßenrand einer deutschen Großstadt. Es war ein lauer Abend, ich nutzte die Zeit bis zu meiner Essensverabredung, um am Straßenrand noch in aller Ruhe einen Zigarillo zu rauchen.

Die Straße war noch belebt. Es gingen immer wieder einzelne Fußgänger entlang, aber häufiger Paare oder kleine Gruppen auf dem Weg zu einem Straßencafe oder ins Kino. Dann radelte auch ein Herr Mitte 40 vorbei – ordentlich angezogen, dazu ein hübsches, stabiles Fahrrad. Er fuhr auch keine Schlangenlinien und war kein bisschen auffällig.

Dann rief er die ganze Straße hinunter einen wichtigen Satz mit einem Zungenschlag, den ich einem Ägypter zuordnen würde: „Nur zwei Zentimeter länger und halber Zentimeter dicker machen ganze Familie kaputt.“ Dann radelte er sichtlich selbstzufrieden weiter.

Früher hatte man sich die Arbeit gemacht, hinter diesem Akt des Zungenredens wahrscheinlich tiefere Wahrheiten zu vermuten. Irgendwas sagt mir ... das dem wohl nicht so ist.

Kryptisch, aber nicht mystisch. Manchmal gibt es auch das.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

An Bord der mobilen Raumverbände

 

Hallo Salamander,

 

nach meinem Fahrradunfall vor einigen Monaten war irgendwann klar, dass die Gefahr von bleibenden Schädel- und Hirnverletzungen ausgeschlossen werden musste. Der Kampf gegen die Windmühlenflügel der Klinik-Verwaltung führte dazu, dass vom Unfall bis zur Auswertung der Ergebnisse der Untersuchungen über fünf Monate vergingen … ein anderes Thema, das ich vielleicht mal in epischer Breite ausführe. Und ja, ich habe wirklich der Krankenhausverwaltung erklärt, dass die einzige verbleibende Möglichkeit, auf mich aufmerksam zu machen, das Übergießen mit Benzin wäre. Von Anzünden habe ich nie gesprochen, aber es hat seinen Effekt erzielt.

Eine der Untersuchungen, auf die ich mich dann einlassen musste, war das MRT. Hier hilft mein Erklärungsansatz (und Wissen) nicht weiter, ich zitiere doch einmal wieder Wikipedia:

Die Magnetresonanztomographie (…) ist ein bildgebendes Verfahren, das vor allem in der medizinischen Diagnostik zur Darstellung von Struktur und Funktion der Gewebe und Organe im Körper eingesetzt wird. Es basiert physikalisch auf den Prinzipien der Kernspinresonanz (NMR), (…) und wird daher auch als Kernspintomographie bezeichnet (umgangssprachlich gelegentlich zu Kernspin verkürzt). (…)

Mit der MRT kann man Schnittbilder des menschlichen (oder tierischen) Körpers erzeugen, die eine Beurteilung der Organe und vieler krankhafter Organveränderungen erlauben. Sie basiert auf (…) sehr starken Magnetfeldern sowie magnetischen Wechselfeldern im Radiofrequenzbereich, mit denen bestimmte Atomkerne (meist die Wasserstoffkerne/Protonen) im Körper resonant angeregt werden, wodurch in einem Empfängerstromkreis ein elektrisches Signal induziert wird. (…)

Im Gerät wird keine belastende Röntgenstrahlung oder andere ionisierende Strahlung erzeugt oder genutzt.[30]

Und dieses Gerät machte mir schon ein wenig Kummer im Vorfeld – eine enge Röhre gehört nicht zu meinen Lieblingsaufenthaltsorten; wenn man dann noch fixiert, ist das noch weniger erstrebenswert. Also nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und ließ mich trotzdem hineinschieben. Und auf einmal zeigte es sich, dass die von meiner Mutter früher erlaubten Folgen von „Raumschiff Enterprise“ und „Raumpatrouille Orion“ sich doch irgendwann mal auszahlen. Die mir im Vorfeld als total nervig geschilderten Geräusche (man kriegt sogar Wachs in die Ohren) erinnerten mich nämlich frappant an die Sound-Effekte auf der Brücke der „Orion“ oder „Enterprise“. Also machte ich die Augen zu und war eine halbe Stunde auf der Brücke – im Kampf gegen Frogs und Klingonen.

Danke, Zwei-Sender-Fernsehen, danke Mama für das Erlauben der Sendungen. Jetzt endlich hat es sich bezahlt gemacht.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Elvis und die Frauen

 

Lieber Salamander,

 

für einen Vortrag über Elvis, Magie und nordische Mythen musste ich mich auch mit Elvis und seinen Filmpartnerinnen beschäftigen. Also versuchte ich eine Auswertung der Elvis-Filme nach magisch-historisch-kritischen Gesichtspunkten.

Es gibt 31 Spielfilme mit Elvis aus den Jahren 1956 bis 1969.[31] Wenn man genauer analysiert, wer mit Elvis wirklich als „Partnerin“ zusammengespielt hat, so kommt man auf folgende Liste von 39 Damen. Die Zahl der Damen ist größer als die Zahl der Filme, denn jemand wie Elvis ist mit einer Frau pro Film natürlich nicht zufrieden …

 

Name[32]

Jahr

Titel

Anne Helm

1962

„Follow That Dream“

Annette Day

1967

„Double Trouble

Ann-Margret

1964

„Viva Las Vegas

Barbara Eden

1960

„Flaming Star

Carolyn Jones

1958

„King Creole“

Celeste Yarnall

1968

„Live a Little, Love A Little“

Deborah Walley

1966

„Spinout

Debra Paget

1956

„Love Me Tender“

Diane McBain

1966

„Spinout

Dodie Marshall

1967

„Easy Come, Easy Go

Dolores Hart

1957

1958

„Loving You“

„King Creole“

Donna Douglas

1966

„Frankie and Johnny

Hope Lange

1961

„Wild in the Country

Ina Balin

1969

„Charro!

Joan Blackman

1961

1962

„Blue Hawaii“

„Kid Galahad“

Joan Freeman

1964

„Roustabout

Joan O’Brien

1963

„It Happened at the World’s Fair“

Jocelyn Lane

1965

„Tickle Me

Judy Tyler

1957

„Jailhouse Rock“

Julie Adams

1965

„Tickle Me

Juliet Prowse

1960

„G. I. Blues

Laurel Goodwin

1962

„Girls! Girls! Girls

Lizabeth Scott

1957

„Loving You“

Lola Albright

1962

„Kid Galahad“

Marlyn Mason

1969

„The Trouble with Girls

Mary Ann Mobley

1965

1965

„Girl Happy

„Harum Scarum

Mary Tyler Moore

1969

„Change of Habit

Michele Carey

1968

„Live a Little, Love A Little“

Nancy Sinatra

1968

„Speedway“

Pamela Austin

1964

„Kissin’ Cousins

Pat Priest

1967

„Easy Come, Easy Go

Quentin Dean

1968

„Stay Away, Joe“


 

Shelley Fabares

1965

1966

1967

„Girl Happy

„Spinout

„Clambake

Stella Stevens

1962

„Girls! Girls! Girls

Sue Anne Langdon

1966

„Frankie and Johnny

Suzanna Leigh

1966

„Paradise, Hawaiian Style

Tuesday Weld

1961

„Wild in the Country

Ursula Andress

1963

„Fun in Acapulco

Yvonne Craig

1964

„Kissin’ Cousins

 

Okay. Die nächste Frage war, was aus den Damen geworden ist. Immerhin sind die Filme über 44 Jahre her – da könnte man eigentlich erwarten, dass die meisten Schauspielerinnen inzwischen verstorben sind. Aber das Gegenteil ist der Fall: Elvis-Partnerinnen scheinen sehr langlebig zu sein. Tot (oder verschollen) sind nur folgende 8 Damen (von 39):

 

Name

Tot?

Carolyn Jones

1983

Deborah Walley

2001

Dodie Marshall

??? Verschollen.[33]

Hope Lange

2003

Ina Balin

1990

Judy Tyler

1957. Starb bei der Heimfahrt von den Filmaufnahmen.

Juliet Prowse

1996

Quentin Dean

2003. War seit Ende der 60er Jahre „verschwunden“.

 

Ein guter Schnitt mit 31 Überlebenden (79 %). Schon gar wenn man überlegt, dass die Damen beim Filmen 20 Jahre und älter waren, also alles Jahrgänge ab ungefähr 1949+.

 

Wenn man die Langlebigkeit betrachtet, dann stellt sich die Frage, ob es denn da Personen gab, die eine wichtige Rolle für Magie, Esoterik, Heidentum etc. gespielt haben oder noch spielen – immer davon ausgehend, dass Elvis irgendeinen mentalen Einfluss auf ihr weiteres Schicksal hatte. Und tatsächlich wird man fündig:


 

Name

Anmerkungen

Barbara Eden

Jeannie aus „Bezaubernde Jeannie.

Carolyn Jones

War Mortica Addams in „The Addams Family“.

Celeste Yarnall

Hatte einen „Star Trek“-Auftritt.

Debra Paget

Heute eine wiedergeborene Christin („Born again Christian“).

Dolores Hart

Ist heute Nonne, ihre Lebensgeschichte wurde verfilmt als „God Is the Bigger Elvis“.

Julie Adams

Hauptdarstellerin in „Creature From The Black Lagoon“.

Laurel Goodwin

Spielt im „Star Trek-Pilot „The Cage mit.

Pat Priest

Ist Marilyn Munster in „The Munsters“

Ursula Andress

Das Bond-Girl aus „Dr. No

Yvonne Craig

War Batgirl in „Batman“, außerdem das berühmte „Orion Slave Women“ in „Star Trek“

 

Beweisen tut das nichts. Aber es ist … seltsam, oder?

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Satanic Mechanic

 

 

 

Hallo Salamander,

 

kürzlich bin ich mit dem Zug an der Auslage eines Hifi-Geschäfts vorbeigefahren. Der Zug blieb stehen, die Durchsage kündete „Leider weiß ich noch nicht, warum wir gerade zum Halt gekommen sind.“ Also ließ ich den Blick schweifen.

Ich mache es kurz: Jetzt weiß ich endlich, was die Liedzeilen aus „Rocky Horror“ („Sweet Transvestite“) mir sagen wollten:

So you got caught with a flat, well, how about that?
Well babies, don't you panic.
By the light of the night when it all seems alright
I'll get you a satanic mechanic.

Denn gegenüber, sozusagen am Bahngleis, stand das deutlich an der Auslage zu lesen: „HiFi, Stereo”. Und darunter groß: „Satanlagen“.

Offensichtlich handelt es sich dabei um Antennen, mit denen man diabolische Befehle empfangen kann. Oder um Plattenspieler, mit denen man Platten rückwärts hören kann. Oder Aufzeichnungsgeräte für paranormale Tonbandstimmen (gibt es die eigentlich noch, wo das Tonband doch fast verschwunden ist?).

„Satanlagen. Wow.“ Ich zwinkerte, aber die Aufschrift war immer noch da. Was ein fehlender Bindestrich anrichten kann.

Dann fuhr der Zug weiter.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Paranormale Tonbandstimmen

 

Hallo Salamander,

 

ich habe die Frage selbst aufgeworfen. Seit dem Tod von Lou Reed[34] höre ich mal wieder die CDs seiner Witwe Laurie Anderson. In ihrem Stück „Example #22“ heißt es:

beispiele paranormale tonbandstimmen. was sind paranormale tonbandstimmen? es sind stimmen unbekannter herkunft. es sind paranormaler tonbandstimmen.

Ich war überrascht, dass es dazu heute noch aktuelle Informationen gibt.[35] Und ich bin überrascht, was hier als Weisheit weiter gegeben wird:[36]

Frage 2 : Könnt Ihr den Menschen helfen , durch Eure Tonbandstimmen?

6,4- 7,7der Dinge etwas, ja Hartmut

8,9-10,2nicht für jeden, macht für sieben an

10,2-12,8für wen ist hajo, für den eine sieben hilft

19,2Paninja liebt das Volk

20,5 -21,8wir haben die Briefpost nachgeschickt

23,1-24,4Internet die schwimmende

24,4-endees lag an dir

Alle Tippfehler sind aus dem Originaltranskript.

 

„Internet die schwimmende“. Das konnte Monty Python besser.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Externsteine

 

Hallo Salamander!

 

Passend zum Ende des heidnischen Jahres war ich das erste Mal in meinem Leben an den Externsteinen.

 

Wow. Boom. Päng. Poff.

 

Es ist ja selten, dass mir die Worte ausgehen. Aber dieses Mal ist es so. Nur so viel: Trotz Schwindel und Höhenangst und Stock war ich auf beiden Felsen ganz ganz ganz ganz oben und habe geguckt.

 

Boom. Bäng. Zaff. Poff.

 

Entschuldigung. Ich war (und bin) sprachlos.

 

Dein Homo Magi


 

Ewiges Suchen

 

Ach wäre das ewige Suchen

doch eines Tages vorbei

und wehte der Wind leise säuselnd

mir jede Antwort herbei.

 

Das Schreiten von Leben zu Leben

und dort noch von Jahr zu Jahr;

das ewige Ringen und Sinnen

was kommen wird und was war.

 

Die Schleier der Zeit vor den Augen,

Klammern aus Stahl um den Geist,

und immer erneut wieder lernen,

was man seit Leben schon weiß.

 

Um viele Äonen zu schlafen

bis das Elysium harrt,

und dort bis zum Ende der Zeiten

güldene, glückliche Wart.

 

Die Rast, die vergönnt, ist nicht lange,

ich greife wieder zum Stab

und wiege das sterbliche Schicksal

gegen das Gut, das ich hab.

 

Ich schreite, ein Lied auf den Lippen,

durch dunklen Tann hin zum Licht,

das Leben wurd‘ mir übergeben,

darum fürcht‘ ich die Sterblichkeit nicht.


 

Als die Ahnen …

 


Eichen, Eiben, lichte Lücken,

Sonnenseen im dunklen Tann,

Holler, Hasel, bunte Blumen,

trotzten tausend Jahre lang.

 

Hier erhoben grimm die Götter

weise wirkend hoch ihr Haupt,

sprachen Sätze, kiesten Kunde,

was verbogen, eh‘ erlaubt.

 

Als die Ahnen noch gezogen

weiland wandelnd durch den Wald;

hielten Hof in heilg’gen Hainen,

gaben Gaben hin beim Halt.

 

 

 

 

 

Ach die Ahnen, denen dräute

Göttergeist im freien Feld –

wir vertrieben alte Orte

Fortschritt fordernd von der Welt.

 

Heute heulen wilde Wölfe

Mondes Muster nächtlich nie.

Keine Krieger beugen bange

Hohe ehrend gern das Knie.

 

Saumselig sind sterblich‘ Schritte,

meiden Moore, flieh‘n die Flur.

Kleine Geister, glaubt die Götter

weilen wild‘ im nächt‘gen nur?

 

Grabt im Keller, sucht auf Straßen,

holt im Hochhaus klare Kraft –

Götter gleißen Weisheit wirkend,

dort, da Göttlichkeit sie schafft.



 

Alte Sitte

 


Trägt der Nordmann bunte Westen

und zwei Blumen am Revers,

setzt er sich dann gegen Gegner

stets mit Löffeln nur zur Wehr,

singt er dabei Heimatlieder,

wenn er wandern geht an Land,

malt dann heidnische Symbole

mit den Füßen in den Sand.

 

Träumt vom fernen Heimatlande

Daheim, an seinem wilden Fjord.

Singt laut schrecklich lange Lieder –

denn sein Herz, das sehnt sich fort!

Plündert nur sehr widerwillig,

fühlt wie das Opfer seinen Schmerz.

Im Traum, da tut er Lieder singen,

und macht mit Christen einen Scherz.

 

Refrain:

/: Hei-ho, die Energien fließen,

hei-ho, wir spüren’s in der Mitte!

Hei-ho, zurück zu uns’ren Wurzeln,

hei-ho, vorwärts, alte Sitte! :/

 

Sind die Klorollen umwickelt

in deinem Asatru-Mobil?

Zur Musik von Bert & Cindy

nähern wir uns dann dem Ziel.

Blumengesteck und Tagesdecken

sind tatsächlich unser Ding.

Nur mit Pril-Blumen am Auto

nähern wir uns dann dem Thing.

 

Refrain:

 

Spinat gibt es zum Abendessen,

denn das Eisen ist gesund!

Abends dann am Lagerfeuer:

Afri-Cola in den Schlund!

Nach dem Frühstück einen Sprechkreis,

hier hat jeder selbst die Wahl –

dürfen Frauen auch mitsprechen

dann in uns’rem Ritual?

 

Refrain:

 

Doch wenn nachts die Donner rollen

Und am Himmel zuckt der Blick,

hält es uns, wir stolzen Heiden,

dann nicht länger auf dem Sitz.

Während draußen Sterne funkeln

gehen wir dann früh ins Bett –

morgens sind wir ausgeschlafen

und zu uns’ren Frauen nett.



 

Der Kreis

 


Der Kreis, der ist nicht Asatru,

und sie versteinert starren

bringt einer seine Klampfe mit –

Wicca, das sind Gitarren.

Der Opferdolch, er ist verpönt

und niemand schützt den Osten,

Hauptsache der Asatru

kann 14 Mete kosten.

 

Refrain:

Obwohl den Kreis der Wicca teile

ham wir keine Vorurteile.

Doch was nicht historisierend

ist für viele irritierend.

Dank Phoenix, Arte, BBC

irrt sich der wahre Nordmann nie.

Er kennt den Wert der wahren Quellen

und muss sich niemals Fragen stellen.

 

Die Wikinger ha’m nie geduscht,

und konnten nicht rasieren,

d’rum würde eine Dusche nie

dem Asatru passieren.

Das Buch? Verpönt! Ist Pfaffenspuk,

das kann kein Mensch gebrauchen.

Leif E. war in der neuen Welt,

nur deshalb darf man rauchen!

 

Refrain:

 

Das Vinland ist uns wohl bekannt,

darum wird Wein gelitten.

Der Met, das Bier, dazu ein Korn,

darum wird nicht gestritten.

Und irgendwo in Uppsala

gab’s früh T-Shirt Maschinen,

weil nur im echten Baumwoll-schwarz

kann man den Asen dienen.



 

Die Nornen

 

Die Nornen, die das Schicksal weben,

besitzen Macht über das Leben,

und ihre Herzen sind beladen

mit Wissen um des Schicksals Faden.

Gewirkt aus grauen Spinnenfäden

erreichen ihre Bänder jeden,

und binden, was die Welt sonst trennt;

auf das man durch das Band erkennt,

wessen Seele wem verbunden,

wessen Herz für viele Stunden,

nur in seiner Brust laut schlägt

doch wo anders sich bewegt,

weil es dort, so fern geschieden

findet Platz zum niederliegen,

findet Platz, um auszuruh‘n,

und dort Schlag um Schlag zu tun,

was es kann und selten kennt –

das, was man Glück und Liebe nennt.

Die drei Frauen spinnen, weben,

stricken, flicken alle Leben,

und manches Schicksal hier verrinnt

am Stoff, aus dem die Träume sind.


 

Einmal noch, bevor ich sterbe

 


Einmal noch, bevor ich sterbe,

will ich einen Zauber weben.

Alle jene soll er grüßen

die berührten je mein Leben.

Er soll ihnen Bilder schenken

und die alten Lieder singen,

aus dem Zauber meines Lebens

ihnen einen Abglanz bringen.

 

Einmal noch, bevor ich sterbe,

will ich auf die Klippen steigen,

wo die Väter ihren Söhnen

fremde, ferne Küsten zeigen.

Will in blaue Wellen schauen,

will von fernen Ländern träumen,

deren Städte, deren Äcker

jene fernen Küsten säumen.

 

Einmal noch, bevor ich sterbe,

will ich beim Feind die Schuld begleichen,

weil mit den Zeiten vor den Augen

alte Feinde Freunden gleichen.

Will mich nicht der Narben schämen,

die die Jahre eingegraben,

denn ich weiß, dass Feind wie Freunde

selber von mir Narben tragen.

 

Einmal noch, bevor ich sterbe,

will ich deine Lippen küssen

die von Liebe und vom Leben

mehr als jeder Seher wissen.

Kann nur hoffen drin zu finden

Kraft für einen Neubeginn,

denn die Bläue ihrer Tiefe –

sie gibt meinem Leben Sinn.



 

Lila Segel

 

Unter den lila Segeln ihrer Traurigkeit

segelt mein Schiff die Küste entlang.

Oft scheute ich das Meer, lauschte nur

hinaus über der Brandung Klang.

 

Die Borde ist mir gut vertraut,

dort stehe ich und schaue nur

und wähne hinterm Horizont

von El Dorado eine Spur.

 

Den Anker lichten wir heut Nacht

und lassen alles, was uns teuer,

und fahren auf die hohe See,

nur der Wind bewegt das Steuer.

 

Und wenn wir dann vom Meer verschlungen

oder an einem Riff zerschellt,

dann sind wir ganz und gar verschwunden

vor den Augen aller Welt.

 

Doch vielleicht, wer weiß es wirklich,

finden wir der Sel’gen Strand,

finden hinter Wasseröde

eine Art verheiß’nes Land.

 

Dort dann werden wir uns betten,

irgendwo, weit fern von hier,

und können dort für immer träumen,

von Göttern, Wundern und von Ihr.


 

Der Schnitter mit der kalten Sense

 


Der Schnitter mit der kalten Sense

mäht durch das Leben, wo er will.

Das Werk, das wir nicht aufgezogen,

steht eines Tages einfach still.

Man sucht den Freund und sieht noch Spuren,

man hat sein Lachen noch im Sinn.

Doch alle ungesagten Worte

wehen im kalten Wind dahin.

 

Der Kreis, den Mond und Sonne bilden,

rollt wie ein Wagen Berg hinab –

und mancher Freund aus uns’ren Reihen

fährt mit im Wagen bis zum Grab.

Mancher starb, stark wie ein Baume,

manch einen stürzt der Blitz dahin.

Froh der, der bliebe bis zum Ende –

manch einer ging schon zu Beginn.

 

Alter Freund, wir seh’n uns wieder

an einer sonnenlosen See.

Du wirst unten auf mich warten,

wenn ich am letzten Ufer steh‘.

Und der Fährmann mit dem Nachen

nimmt uns die Münzen aus der Hand.

Und du wirst mich dann begleiten

in ein ew’ges Sommerland.

 

 

 

 

Der Gott, der uns das Leben schenkte,

der holt uns auch zu sich zurück.

Der Faden, welcher unser Leben,

ist ein klar begrenztes Stück.

Daher hört, die hier versammelt,

was meine Lehre aus dem ist:

Wirklich gegangen ist nur jener,

den keiner hier von euch vermisst.



[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Kontinent, 10.12.12

[2] https://en.wikipedia.org/wiki/Daimon_Hellstrom, 10.12.12

[3] Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Althochdeutsches_Schlummerlied; 21.01.2013

[4] ebenda

[5] S. 158 f.

[6] Ebenda, S. 159

[7] Angaben nach http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_P%C3%A4pste; 18.03.2013

[8] www.syntropia.de/naturspiritualitaet-heute-p-7998.html

[9] Jim Butcher „Erlkönig“, S. 101 f.

[10] … okay, das sind die Finnen. Polka?

[11] Philip Hoare „Leviathan oder Der Wal“, Hamburg, 2013 (Org. 2008), S. 378 f.

[12] http://de.wikipedia.org/wiki/Schokokuss, 25.06.13

[13] http://de.wikipedia.org/wiki/Pippi_Langstrumpf, 25.06.13

[14] http://de.wikipedia.org/wiki/Sarotti, 25.06.13

[15] Und den Herren T.K. und C.A., die bei der irren Idee mitgewirkt haben …

[16] http://de.wikipedia.org/wiki/Karotte, 25.06.13

[17] http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Gucky, 25.06.13

[18] „Diesem liegt das lateinische brocchus, broccus‚ hervorstehend (bei Zähnen) zugrunde“ (http://de.wiktionary.org/wiki/Brokkoli, 25.06.13)

[19] Ooops: „Der Name Rheum rhabarbarum stammt vom mittellateinischen Wort rheu barbarum in der Bedeutung einer fremdländischen Wurzel: rheum für Wurzel und barbarus für ausländisch, fremd. Das deutsche Wort Barbar hat mithin denselben lateinischen Ursprung wie die Pflanzenbezeichnung Rhabarber.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Gemeiner_Rhabarber, 25.06.13)

[20] www.zeit.de/1990/46/auftrag-aus-dem-weltall, 02.07.2013

[21] https://de.wikipedia.org/wiki/Panazee (12.07.2013)

[22] Leider fiel mir die Solvay Conference als Kern des Bösen erst zu spät ein (https://en.wikipedia.org/wiki/Solvay_Conference; 11.07.2013)

[23] http://www.gesetze-im-internet.de/heilprg/BJNR002510939.html (22.07.2013)

[24] ebenda

[25] ebenda

[26] http://www.religio.de/therapie/heilprak.html (22.07.2013)

[27] ebenda

[28] ebenda

[29] http://en.wikipedia.org/wiki/Anna_Domino; 23.08.2013

[30] http://de.wikipedia.org/wiki/Magnetresonanztomographie, 27.09.2013

[31] https://en.wikipedia.org/wiki/Elvis_Presley_filmography, 27.09.2013

[32]  … natürlich nach Vornamen sortiert. Elvis-Girls hatten keine Nachnamen, oder?

[33] http://elviswomen.greggers.net/marshalldodie.htm, 27.09.2013

[34] http://de.wikipedia.org/wiki/Lou_Reed; 06.11.2013

[35] www.tonbandstimmen.de; 06.11.2013

[36] www.jenseitsstimmen.net/22500098ac0db1b13/22500098ac0c9ef01/index.html; 06.11.2013

 

 

 

 


 

 

 


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