Homo Magi Archiv Wöchentliche Ansichten eines Magiers über den Jahreslauf und die Welt Teil 14
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Perverse Videos
Hallo Salamander,
ich habe bei einem nach einer kriegsfähigen Frauenpopulation benannten
Weltnetz-Anbieter (German language rulez!) einen Film bestellt. Es
handelt sich um die wunderschöne „Father Brown“-Verfilmung mit Alec
Guinness. Nein, bitte nicht mit den Verfilmungen mit Heinz Rühmann
verwechseln. Die haben mit den Romanvorlagen von Chesterton nichts, aber
auch wirklich nichts zu tun.
Nun, dieser Film ist auf Englisch. Ich habe ihn mir auf die Arbeit
schicken lassen, damit ich daheim nicht immer zur Post rennen muss, weil
das Zeug keiner annimmt. Alles lief gut, aber leider war folgende E-Mail
des WNA (Weltnetz-Anbieters) zu langsam:
Ihre Bestellung
303-1495690-5808315 enthält den folgenden Titel, der nur über den
Spezialversand für Artikel ohne Jugendfreigabe ausgeliefert werden kann:
„Father Brown [UK Import]“.
Und es geht gleich weiter mit eigenartigen Informationen:
Die Übergabe der Sendung
erfolgt ausschließlich eigenhändig.
Das heißt, der Empfänger
muss persönlich anwesend sein, um die Lieferung gegen Vorlage eines
gültigen Personalausweises oder Reisepasses entgegenzunehmen. Dabei
werden Identität und Volljährigkeit des Empfängers überprüft. Bitte
beachten Sie, dass eine vom Empfänger erteilte Vollmacht zum Empfang
seiner Sendungen, die als Spezialversand für Artikel ohne Jugendfreigabe
versendet werden, nicht gilt.
Bitte stellen Sie
sicher, dass die angegebene Person die Sendung heute persönlich mit
einem gültigen Lichtbildausweis entgegennehmen kann.
Also kam es, wie es kommen musste. Die Briefträgerin erschien auf der
Arbeit, schrie meinen Namen den Flur hinunter und teilte lautstark mit,
dass diese „Video-Lieferung“ leider „nur an volljährige Empfänger
ausgegeben werden kann“. Während meine Kollegen sicherlich gerade
darüber nachdachten, ob ich mehr auf gefesselte Knaben, Sex mit Gemüse
oder Nasalsex spiele, durchwühlte ich mein Gehirn nach peinlichen
Informationen. Es gab keine. Ich habe dann (ein wenig nervös) das Paket
aufgerissen, aber drinnen war nur der „Father Brown“. Uff.
Was ist da jetzt geschehen? Ich klicke den Link[1] der
entsprechenden E-Mail und lese:
Innerhalb Deutschlands
ist eine Lieferung von Filmen und PC- & Videospielen, die mit „Keine
Jugendfreigabe gemäß §14 JuSchG“ gekennzeichnet sind (oder gar keine
Alterseinstufung erhalten haben), an Minderjährige nicht möglich.
Amazon.de versendet solche Titel ausschließlich als Spezialversand für
Artikel ohne Jugendfreigabe.
Branntwein,
branntweinhaltige Getränke und Lebensmittel, die Branntwein in nicht nur
geringfügiger Menge enthalten, versendet Amazon.de ebenfalls
ausschließlich mit Spezialversand für Artikel ohne Jugendfreigabe.
Branntwein & „Pater Brown“ sind eine knallige Mischung. Und sie werden
auch gleich behandelt, weil englische Filme ohne deutsche Altersfreigabe
immer, immer, immer pornografisch oder gewaltverherrlichend sein müssen.
Die Briten sind so, die können nicht anders.
Also werde ich mir voller Wehmut einen Wermut über die Nieren gießen,
während ich „Pater Brown“ goutiere. Prost.
Dein Homo Magi
Gemeinsam kochen
Hallo Salamander,
meine Mutter lebt in dem Glauben, dass Jungs nicht kochen lernen müssen.
Auch nicht waschen oder putzen. Das hat sicherlich mehr Schwierigkeiten
in meinen Beziehungen erzeugt als jeder andere Faktor meiner Herkunft
und Erziehung.
Ich kann nicht kochen. Ein Mangel, der mich lange Jahre geärgert hat
(aber auch nie genug, um mich selbst zu motivieren, aktiv etwas dagegen
zu unternehmen). Inzwischen bin ich entspannt in einem Alter angekommen,
wo man sich durch genug Lebenserfahrung zu behelfen weiß.
Mein Vater konnte kochen. Er erzählte immer ganz stolz, dass er als
junger Mann Kochen gelernt hat, um mit seinem geringen Gehalt (als
Auszubildender in den frühen 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts) über
die Runden zu kommen. Es gab auch insgesamt einen (in Zahlen: 1) Versuch
meines Vaters, meinem Bruder und mir eine Mahlzeit oder ähnliches
zuzubereiten.
Ziel: Herstellung von Karamellbonbons
Vorgehen: Didaktisch den Jungs erst erklären, dass es etwas Leckeres
gibt, wenn sie helfen. Dann Arbeitsschritt für Arbeitsschritt erklären
und dazu handeln.
Ergebnis: Ein zerstörter Topf, eine karamellisierte Masse, die man nur
mit dem Hammer trennen konnte, Schnittwunden auf der Innenseite meiner
Lippen, weil wir versucht haben, die süßen Teilchen, die da
absplitterten, trotzdem zu lutschen.
Auswertung: Nie wieder kochen lernen mit Papa. Nie wieder
Karamellbonbons in Mamas Küche.
Fazit: Was du nicht selbst kannst, solltest du keinem anderen erklären.
Gilt für Karamellbonbons wie für Magie.
Dein Homo Magi
Dumas
Hallo Salamander,
ich muss lernen, eindeutiger zu kommunizieren.
Warum? Zu meinem Wegzug wurde ich ein paar Mal gefragt, was ich mir
wünsche. Ich sagte immer nur, dass ich mir nichts mehr wünsche als die
Zeit, um endlich meinen „Lesekanon“ aufzufrischen. Besonders die
ungekürzten Ausgaben der von mir früher so geschätzten
Abenteuer-Jugendbücher würden mich reizen.
Platz 1 meiner internen Wunschliste wäre „Die drei Musketiere“ von
Dumas. Ein Roman, prallvoll mit einprägsamen Szenen, eine wundervolle
Geschichte um Mut und Männerfreundschaft. Ich habe mir das Buch am Ende
selbst gekauft. Irgendwie scheint es nicht angekommen zu sein, was ich
mir eigentlich wünsche (nein, ich hätte mir auch Fragen gewünscht, die
mehr sind als nur ein „wie stellst du dir dein Leben vor?“; es waren
also nicht nur materielle Dinge).
Was wünscht man sich, wenn man „weg“ geht? Dumas habe ich genannt (und
letzte Woche erhielt ich ein Buch unter Hinweis auf meinen Buch-Wunsch,
also geht es doch). Ich weiß es nicht genau. Es ist ein wenig der Wunsch
nach ein wenig mehr Achtung vor meiner Entscheidung, den Wohnort zu
wechseln. Aber es sind auch Dinge wie eine Umarmung zum Abschied oder …
Ach. Ich weiß es nicht wirklich. Der Dumas war nebenbei großartig. Jetzt
ist es „Die Schatzinsel“, die ich morgens und abends auf dem Zug zu und
von der Arbeit lese. Mal sehen, was dann kommt. Mir geht es gut dabei
und das ist alles, was für mich im Augenblick zählt.
Dein Homo Magi
Rotes Licht
Hallo Salamander!
Heute hatte ich das Glück, im Zug auf dem Weg zur Arbeit einen der
schönsten Sonnenaufgänge zu erleben, die ich je gesehen habe.
Erst: Dunkelheit. Dann ein wenig neblige Helligkeit. Aus diesem stieg
ein rotes, zum Teil wirklich blutrotes Licht auf, das sich an den Wolken
spiegelte, bis der ganze Horizont in ein tiefes Rot gehüllt war. Meine
Großmutter hat mir früher immer erklärt, dass der Himmel deswegen so rot
sei, weil die Engel Kekse backen. Aber heute war das Gefühl überhaupt
nicht das von Freude oder einer Vorbereitung auf die Weihnachtszeit mit
am Ofen schaffenden Engeln, sondern das eigenartige Gefühl einer großen
Bedrohung, die am Horizont aufzog.
Ich weiß nicht – war es meine Müdigkeit? Oder war es das
Naturschauspiel, das wirklich Himmel und Erde mit einem roten Licht
überzog, das ich in dieser Heftigkeit noch nie gesehen hatte. Ich war
sprachlos, hatte mein Buch im Schoß liegen und schaute minutenlang nur
aus dem Fenster.
„Morgenröte“ klingt so zahm, das trifft meine Erfahrung nicht. Es war
auch kein Gleißen, nicht nur ein Strahlen oder Leuchten, es war einfach
rotes Licht, das wie Blut aussah. Und das war auch mein Eindruck: Ein
blutroter Himmel, soweit das Auge blickte. Wenn jetzt noch ein Reiter in
Begleitung von Wölfen und vielen Kriegern über den Horizont erschienen
wäre, so hätte es mich nicht überrascht. Nicht im Mindesten.
Dein Homo Magi
Hinweise
Lieber Salamander,
gestern stieg ich einen Zug ein, der von A nach B fahren sollte. Ziel
war C, mein Wohnort, der auf der Strecke liegt.
Auf dem Bahnsteig stand groß „ICE von A nach B“, am Wagen selbst stand
„ICE von A nach B“ und in dem „Ihr Reiseplan“ auf meinem eroberten
Sitzplatz stand die Fahrtstrecke von A nach B, natürlich mit Halt in C.
Der Zug fuhr los und der Schaffner kontrolliert meine Monatskarte von A
nach C. Alles in Ordnung.
Eine Stunde später ertönte die Durchsage: „Nächster Halt D“. Das war die
völlige Gegenrichtung von dem Ort, wo ich hinwollte. Ein Gespräch mit
dem Schaffner, der doch meinen Fahrschein kontrolliert hatte, ergab zwei
Hinweise:
Die Wagenanzeige sei kaputt, die hätte halt den falschen Zug angezeigt.
Sie hätten im Zug doch mehrfach angesagt, dass dies nicht der Zug sei,
der angezeigt und angesagt sei. Für den falschen „Ihr Reiseplan“ gab es
keine Erklärung. Ich wurde an die Information der Bahn verwiesen.
Treppe runter. Lauf lauf lauf. Schlange stehen.
„Nein, das sei unmöglich.“ Immerhin eine profunde Erkenntnis der
Bahn-Mitarbeiterin. Sie war dann aber ganz freundlich – nicht zuletzt,
weil ich den „Ihr Reiseplan“ vorzeigen konnte (Fahrplanwechsel war am
Tag vorher, daher wirkte das noch glaubhaft, dass ich den nicht Tage
vorher eingesammelt habe). Ich bekam dann auf dem „Ihr Reiseplan“ mit
Stempel der „DB Station & Service AG“ handschriftlich bescheinigt:
„aufgrund falscher Anzeige in A zur Fahrt von D zurück nach A“, das Ding
war dann also mein Fahrtausweis.
Nach längerer Zeit war ich wieder in A. Dann stieg ich in den richtigen
Zug nach C. Aber ab jetzt werde ich vorsichtiger sein … „don’t judge a
book by it’s cover“ hieß es schon in „Fahrenheit 451“. Nur weil „Zug“
draufsteht, muss es ja kein Zug sein, oder?
Dein Homo Magi
Heimat
Hallo Salamander,
seit meinem Umzug „weg aus der Heimat“ denke ich immer wieder über
obskure Fragen nach.[2]
Eine davon ist die Rolle von Heimat als „erworbener Eigenschaft“.
Werden wir in eine Heimat geboren, die uns „im Blut steckt“? Immerhin
gibt es mehr als eine nationalistische Gruppe in der Geschichte, die das
für sich in Anspruch nimmt – und mehr als eine indigene Bevölkerung, die
deswegen auf „ihr Land“ pocht (was nicht heißen soll, dass ich ihre
Ansprüche lächerlich machen will). Dass diese Argumentation immer wieder
gefährlich ist, weiß ich als aktiver Freund der Science Fiction
spätestens seit Jack Vance und „Der graue Prinz“. Den Inhalt hier jetzt
zu rekapitulieren würde den Rahmen dieser Meldung sprengen.
Aber: Ich glaube nicht daran, dass Heimat uns im Blut steckt. Erstens
müssten wir dann alle das Gefühl haben, in ein Tal in Ostafrika
zurückzukehren, wo unsere Menschenform entstanden ist (und so wie
Elefanten müssten wir, wenn der Tod naht, dorthin ziehen …). Zweitens
wären wir dann nicht mehr als Aale oder Lemminge – Instinkt-getrieben
auf der Suche nach einem Laichort oder Ort für die Leiche, um dort die
Erfüllung zu finden. Das widerspricht meinem Menschenbild.
Also erwerben wir das Gefühl von Heimat. Wir nehmen es in uns auf in den
ersten Jahren unseres Lebens – das Licht, das über die Berge scheint,
das Wasser, das einen bestimmten Geruch hat, der Wind, der den Geruch
von Blumen aus den Bergen bringt.
Ich gebe zu, dass ich diese „großen Gefühle“ selten hatte. Gebe ich zu.
Jetzt bin ich 48 und habe meine heimatliche Region das erste Mal „so
richtig“ verlassen. Das bringt mein Gehirn ganz schön zum rotieren,
ehrlich. Aber Antworten habe ich nicht. Vielleicht noch nicht. Ich melde
mich.
Dein Homo Magi
Cokaygne
Lieber Salamander,
in einem höchst unterhaltsamen Buch („Die englische Utopie“ von A. L.
Morton; erschienen in Berlin 1958, Originaltitel „The englisch Utopia“)
las ich ein Gedicht namens „Das Land Cokaygne“.
Das Buch alleine ist eine längere Betrachtung wert, die ich mir jetzt
erspare. Der Autor war englischer Marxist[3],
sein Buch aus dem Jahr 1952 erschien 1958 auf Deutsch in Berlin – „Satz
und Druck: Karl-Marx-Werk“, so lange musste ich im Buch herumsuchen, bis
ich einen Hinweis darauf fand, dass das Buch in der ehemaligen DDR
erschienen ist. Eine schöne, marxistisch geprägte Geschichte der Utopie,
die dadurch verwundert, dass eben (wie gesagt) ein Lügengedicht über das
Märchenland Cokaygne enthalten ist.
Dieses Gedicht stammt aus dem 13.
Jahrhundert; Nachklänge auf diese Zeilen („Far out to sea and west of
Spain/There is a country named Cockaygne./No place on earth compares to
this/For sheer delightfulness and bliss.”[4])
findet man bis zu Tolkien und seinem glücklichen Land im Westen.
Überrascht war ich auch, dass sich dieses Land ebenso in der „Carmina
Burana“ findet[5],
die ich (in der musikalischen Umsetzung von Carl Orff) sehr schätze:
one Latin poem of the twelfth century (Carmina Burana 222) is
spoken by an abbas Cucaniensis, an “abbot of Cockaygne” who
presides over drinking and gambling, and the descriptions of the two
abbeys in Cockaygne, which invert the usual norms of religious
life.
Der Eintrag in der englischen Wikipedia zum Komplex lautet „Cockaigne“[6],
und dort gibt es einen lustigen Magiebezug:
Cockaigne is the home of Narda, the wife of Mandrake the Magician
(created by Lee Falk), most recently mentioned in The Phantom (also by
Lee Falk) in the Sunday series shown on May 19, 2013. Mandrake and Narda
are visiting Kit „The Ghost Who Walks“ and Diana Walker.[7]
Ein Treffen zwischen Mandrake und „Phantom“, das alles mit Bezug zu
Cockaigne. Aber die versteckten Hinweise hören nicht auf – jetzt wird es
noch einmal eigenartig. Die genaue Stelle in der „Carmina Burana“ zu
Cockaigne lautet nämlich:
13. Ego sum abbas (I
am the abbot)
Ego sum abbas Cucaniensis
et consilium meum est cum bibulis,
et in secta Decii voluntas mea est,
et qui mane me quesierit in taberna,
post vesperam nudus egredietur,
et sic denudatus veste clamabit:
(Baritone and Male Chorus)
Wafna, wafna!
Wafna, Wafna!
Wir verstehen uns. Mehr
gibt es nicht zu sagen.
Dein Homo Magi
Rente
Hallo Salamander,
bei der Klärung meines Versicherungskontos für die Rentenversicherung
fragt man mich (natürlich unter Nummer 13):
Haben Sie im Beitrittsgebiet eine berufsbezogene Zuwendung an
Ballettmitglieder in staatlichen Einrichtungen erhalten?
Die Erläuterungen (auch dafür gibt es ein eigenes Hinweisblatt)
schreiben dazu wenig klärend:
Betrifft nur Versicherte, die vor dem 1.1.1976 geboren sind.
Einzutragen sind Zeiten des Bezuges einer berufsbezogenen Zuwendung an
Ballettmitglieder im Beitrittsgebiet.
Wie viele Prozent der deutschen Bevölkerung sind 1975 und früher geboren
und waren angeblich oder tatsächlich Teil eines Balletts in der DDR,
dass es sich lohnt, für sie eine eigene Frage im
Rentenversicherungsbogen einzufügen? Oder war die Mitgliedschaft im
Ballett in der DDR zwingend, so dass ganze Jahrgänge im Tütü
Rentenversicherungszeiten erworben haben?
Ich weiß es nicht. Seufz. Aber die Vorstellung … hat was.
Dein Homo Magi
Denkmäler
Hallo Salamander,
am Weihnachtstag stand der Besuch des Hermannsdenkmals auf dem Programm.
Nicht nur wegen seiner heidnischen Bedeutung als großer Sieg der
germanischen Verteidiger über die römischen „Besatzer“, sondern auch
wegen einer oberflächlichen Ähnlichkeit mit meinem Vornamen und
deswegen, weil ich es einfach noch nie gesehen habe.
Diese Bildungslücke zu schließen war trotz Wind und Regen eine einfach
zu lösende Aufgabe. Das Denkmal war da, bewegte sich nicht und war
ausgesprochen gutwillig, sich besuchen zu lassen. Dass alle
touristischen Angebote geschlossen waren, überrascht am Heiligabend
nicht. Auch, dass sie erst im Februar oder März wieder ihre Tore öffnen,
war gut plakatiert und inhaltlich auch irgendwie nachvollziehbar.
Kaum war der Punkt erreicht, dass man gegen Vier des Nachmittags das
Denkmal und den verwaisten Parkplatz verlassen wollte, tauchte an der
Einfahrt ein holländischer Reisebus samt zwei begleitenden
Personenkraftwagen auf. Diese Holländer wirkten auf die Entfernung wie
die Teilnehmer einer Kaffeefahrt, die sich auf die Kombination Denkmal,
Restaurant und Toilettenbesuch zu freuen pflegten.
Es erschien klüger, die Stätte der Anbetung heidnischer Helden zu
räumen, bevor die Touristen den biblischen Heuschrecken gleich über ein
abgeerntetes Feld herfielen – denn hier zu holen gab es nichts, und als
ich weg war sogar gar nichts. Arme Touristen, deren Urlaubsplanung aber
offensichtlich fehlerhaft ist. Seeeehr fehlerhaft. Deswegen haben Heiden
auch Kalender mit christlichen Feiertagen – damit so etwas nicht
passiert.
Dein Homo Magi
Kein Kalender
Hallo Salamander,
die „moderne Technik“ hat jetzt mich (wenn auch nur in geringen
Bereichen) erwischt. 2014 wird das erste Jahr in meinem Leben sein,
seitdem ich schreiben kann, indem ich mir keinen Taschenkalender gekauft
habe.
Die Informationen waren einfach redundant. Ich habe alle Geburtstage im
Outlook, alle Kontaktdaten zumindest im Handy (und in Kopie im Outlook),
Termine regelt mein Arbeitgeber über den Server. Und jetzt alles
doppelt, nein eher dreifach zu speichern, machte dann keinen Sinn.
Schon vor vier oder fünf Jahren war es so, dass die älteren Herren in
meinem Umfeld (vulgo: die Schlaraffen) alle technisch besser ausgerüstet
waren als ich. Mein Diensthandy lockte damals nur müdes Lächeln hervor,
mein fehlender tragbarer Computer führte fast dazu, dass man den Hut
herumgehen ließ, um mich technisch „aufzurüsten“.
Jetzt also: Kein Kalender. Keine unlesbaren Notizen mehr am Rand, keine
falschen Anrufe mehr zum Geburtstag, weil ich einen Namen (oder ein
Geburtsjahr) in meiner krakeligen Handschrift nicht lesen konnte. Aber
auch keine wertvollen Listen mit allen Mondterminen und europäischen
Feiertagen hinten im Kalender, keine bunten Bilder mehr auf dem
Kalender, zu denen man lustige Fragen gestellt bekam („Science Fiction?
Was ist das denn?“). Ich vermisse ihn, buche ihn mental aber (wie die
Schiefertafel und den Schulfüller) ab.
Mach es gut, alter Freund.
Dein Homo Magi
Ich hatte mich kurz gelangweilt
Welche alte Edda-Strophe
Der Nickname ist (auch ohne Rasse)
Der Tabak schädigt Raucherlungen
Wenn ein sprechendes Pferd den Raum betrifft – ist dann Ed da?
Kartensoftware für Nordeuropa?
Ängste alphabetisch
Hallo Salamander,
manchmal ist es schon lustig, was man so online findet. Da las ich (für
ein Rollenspiel in der Gegenwart) eine Liste von Phobien[9],
natürlich auch die Liste unter „Z“. Das sind nicht viele Phobien, aber
die Liste ist toll:
·
Zelophobie – Angst vor Eifersucht
·
Zemmiphobia – Angst vor Nacktmullen
·
Zeusophobie – Angst vor Gott/Göttern
·
Zoophobie – Angst vor Tieren
Alphabetisch steht die Angst vor Göttern hinter der Angst vor
Nacktmullen.
Der Nacktmull ist in seiner Gattung ziemlich alleine und ziemlich
hässlich, dafür lebt er auch nur in den Halbwüsten Ostafrikas.[10]
Sein größter Feind ist die Rötliche Schnabelnasen-Natter, deren Link auf
Wikipedia in das Daten-Nichts führt.[11]
Es ist eine hässliche Schlange und ich mag keine Schlangen. Der
Nacktmull auch nicht.
Aber der Nacktmull scheint eine Lobby zu haben, die dafür gesorgt hat,
dass er vor Zeus in diese Liste der Phobien kommt. Darauf schließen
lässt die Präsenz des Nacktmulls in der Populärkultur:
Aufgrund seiner von vielen Menschen subjektiv empfundenen
Hässlichkeit hat der Nackmull auch schon Eingang in die
Populärkultur gefunden. So wurde er unter anderem als Maskottchen bei
einer Radio-Show der
NRJ Group verwendet. Weiterhin entstanden auch Lieder und
Comics mit dem Nacktmull. Es gibt in der Disney-Zeichentrickserie
Kim Possible einen sprechenden Nacktmull namens
Rufus.[12]
Aha. Wer Angst vor Rufus, dem sprechenden Nacktmull hat, der liegt
alphabetisch noch knapp vor der Angst vor Zeus, dem Herren des Olymp.
O tempora, o mores!
Dein Homo Magi
Kreppband retten
Lieber Salamander,
kürzlich war ich bei einem Vorstellungsgespräch. Und natürlich gab es
(in Deutschland macht man in diesem Bereich sowieso jeden Blödsinn mit)
in der ersten Phase ein „Assessment Center“.
In einem Raum (ohne Getränke, wie ich sofort erfahren durfte) saß mir
eine Mitarbeiterin gegenüber, die mir zwei Aufgaben stellte. Teil 1 war
ein Sprachtest (englisch), Teil 2 war die Erstellung einer Konzeption.
Zeit: eine halbe Stunde. Wichtig sei, dass auf alle verwendeten
Materialen mein Name kommt und dass alles an Materialien mit abgegeben
wird. Pruhahah.
Also machte ich schnell den Test und malte dann (ohne Hilfe des
„Methodenkoffers“ – ein pädagogisches Relikt aus den 80ern, mit bunten
Papierwolken, Kleber, Stecknadeln und solchem Kram – mir reichten drei
farbige Stifte und die Wandzeitung) meine Konzeption zur danach
geplanten Präsentation auf die Wandzeitung.
An irgendeinem Punkt nahm ich mein Konzeptpapier (liebevoll vollgemalt
von mir), klebte es an den Pfeiler, damit ich beide Hände zum Malen frei
hatte. Dann hängte ich das Papier wieder ab, entfernte das Kreppband und
fragte höflich, ob ich das Kreppband auch mit meinem Namen beschreiben
und dann abgeben muss (weil: verwendete Arbeitshilfe und abzugeben). Die
Mitarbeiterin war völlig überfordert. Dann habe ich das Krepppapier am
Ende eben nicht „benamst“ und abgegeben.
Ich habe die Stelle nicht bekommen. Hätte ich nur das Klebeband
abgegeben. Mist.
Dein Homo Magi
Tod
Lieber Salamander,
es gibt keinen perfekten Tod. Wie immer man stirbt, es wird immer
Menschen geben, die es sich für einen anders gewünscht haben. Und da man
keinen Toten befragen kann, ob er mit seinem „Abgang“ zufrieden ist,
bleibt dieses letzte Mysterium eben dieses.
Manche wünschen sich, dass ihr Tod ihnen vorher die Gelegenheit gibt,
Abschied zu nehmen. Andere möchten am liebsten herausgerissen werden –
keine traurigen Worte, keine Schmerzen. Man wird einfach morgens auf der
Couch gefunden, vor dem laufenden Fernseher, oder im Lesestuhl, den Kopf
auf die Brust gesunken, ein gutes Buch im Arm.
Oft ist es aber nicht so. Oft sterben wir, entrückt von unserer
Lebenswelt. Ich möchte gerne „in meinem Leben“ sterben. Umgeben von den
Dingen, die mir wichtig sind und den Menschen, die mir etwas bedeuten
und denen ich etwas bedeute. Nicht allein, nicht umgeben von Geräten,
nicht an einem Ort, wo die Technik über die Gefühle herrscht. Sondern im
vertrauten Umfeld.
Und ich möchte keine Vorwarnung, dass ich noch vier Wochen Zeit habe.
Das blockiert doch nur die eigene Umwelt im Umgang mit einem, ohne einem
selbst Energie oder Kraft zu geben, etwas zu klären. Es macht doch nur
alles schwerer. Ich möchte so leben, dass es keine Stapel von
unerledigten Gesprächen gibt, wenn ich gehe. „Hüben und drüben ein
lebendiger Mensch“, um ein wenig Gustav Meyrink zu kolportieren.
Die letzte Grenze, der Tod, ist für mich genauso rätselhaft wie der
Beginn meines Lebens. Beides liegt in den Händen jemand anderes. Und da
liegt es gut.
Dein Homo Magi
Sabbern
Lieber Salamander,
verzeih, dass ich mich ein paar Tage nicht gemeldet habe. Aber ich bin
damit beschäftigt, mich selbst vollzusabbern, weil ich online ein
Exemplar von „Spirits, Starts and Spells“ geschossen habe (Untertitel:
„The Profits and Perils of Magic“).
Nicht nur, dass mich das Thema sehr interessiert.
Nicht nur, dass mein Lieblingsautor L. Sprague de Camp (samt Frau
Catherine) der Autor dieses Buches ist.
Nein, es ist noch signiert. Von beiden.
Sabber.
Dein Homo Magi
Nachschlag: Lyon Sprague de Camp
Hermann Ritter
„When people ask me what pen names I write under, I
reply: With a name like mine, who needs one?”[13]
Am
6.11.2000 verstarb L. Sprague de Camp, etwas mehr als ein halbes Jahr
nach seiner geliebten Frau Catherine.
Geboren wurde de Camp am 27.11.1907 in New York. 1930 erhielt er seinen
Abschluss in „Aeronautical Engineering“ am „California Institute of
Technology“. 1933 folgte dann sein MS in „Engineering“. Seine
Veröffentlichungskarriere begann 1937 und endete mit seinem mit einem
Hugo belohnten biographischen Opus „Time & Chance“ 1997. Die meiste Zeit
seiner 60jährigen Schriftstellerkarriere war er freiberuflich tätig.
Neben seiner Tätigkeit als Autor phantastischer Literatur (Horror,
Fantasy und Science Fiction) verfasste er diverse Hintergrundwerke
(nicht nur über phantastische Literatur); seit seinen ersten Erfolgen
als Schriftsteller war er im Fandom aktiv.
Er erhielt viele Preise für sein Werk: 1953 den „International Fantasy
Award“, 1976 den „Gandalf Award Grand Master of Fantasy“, 1978 den „Nebula
Award Grand Master“, 1984 den „World Fantasy Special Award“ und 1997
einen „Hugo Award“.
De Camp & Conan
„I did not invent Conan; but I am probably the one
person most responsible for the Conan boom.“[14]
In den 50er Jahren kam de Camp in Kontakt mit den Conan-Geschichten von
R. E. Howard (1906-1936). 1951 nahm er Kontakt zum Howards Agenten auf
und fand in den hinterlassenen Unterlagen drei bisher unveröffentlichte
Conan-Geschichten. In den folgenden Monaten überarbeitete de Camp diese
und veröffentlichte sie in der von Greenberg herausgegebenen
fünfbändigen Conan-Reihe. 1953 überarbeitete er einige
Howard-Geschichten, in denen Conan nicht der Hauptheld war, in
Conan-Geschichten (sie erschienen später als „Tales of Conan“). Und er
überarbeitete den ersten Conan-Roman, der nicht von Howard war („The
Return of Conan“ von Björn Nyberg).
1966 erwarb der Howard-Fan Glenn Lord weitere Reste von Howards
Nachlass. In ihm fanden sich sechs weitere Conan-Stories (eine war
fertig, fünf existierten in unterschiedlichen Stadien der
Fertigstellung). Zusammen mit Lin Carter arbeitete de Camp diese
Geschichten in den Conan-Kosmos ein. Mit „Conan the Buccaneer“ und
„Conan of the Isles“ begann dann de Camp mit dem Schreiben eigener
Conan-Romane ohne Rückgriff auf Vorlagen von Howard.
De Camp hat sich immer große Mühe gegeben, den Hintergrund von Conans
Welt einheitlich zu gestalten. Ein gutes Beispiel dafür ist sein Artikel
„Hyborianische Technik“, in dem er versucht, die der Welt zu Grunde
liegende Technik zu beschreiben. In den Geschichten fügte er immer
wieder Zwischenteile ein, um sie im Zeitablauf des Conan-Kosmos zu
verorten.
De Camp & Humor in der Fantasy
„‘They say the surest topics in fiction are religion,
royalty, sex, and mystery. For a best-seller, you could combine them
all, by beginning a story: ‘My god!’ cried the queen.
‘I’m pregnant! Who done it?’“[15]
De Camp gilt – nicht zu Unrecht – als einer der wenigen Fantasy-Autoren,
die humorige Geschichten schreiben können. Lange vor dem Pratchett-Boom
schrieb er Geschichten, die unterhaltend, gut geschrieben und lustig
waren. Sein Ruhm in der Fantasy begründete sich – wegen seiner anderen,
daher oft übersehenen Leistungen, vielleicht ein wenig unbegründet –
früh auf diese Werke. Strassl schrieb über ihn: „De Camps Mischung von
Humor und Kritik – wie er selbst meint, meist fälschlich als Satire
verstanden – wird oft mir Mark Twain verglichen. Sein Roman »Lest
Darkness Fall« (...) aus dem Jahre 1939 nach dem Muster von Twains »A
Connecticut Yankee in King Arthurs Court« (...), in dem ein Archäologe
in das 6. Jahrhundert nach Rom zurückversetzt wird, wo er mit seinem
modernen Wissen versucht, den Untergang aufzuhalten, ist sicherlich
einer von den de Camps erfolgreichsten Romanen.“[16]
Und sein Schriftstellerkollege Heinlein schrieb: „L. Sprague de Camp ist
meiner Meinung nach der einzige zeitgenössische Autor auf dem Gebiet der
Science Fiction und Fantasy, dessen Werk in seiner Gesamtheit (ich kann
mich jedenfalls an keine Ausnahme erinnern) durchgehend humorvoll ist.“[17]
Sehr bekannt sind seine mit Fletcher Pratt gemeinsam verfassten Romane
und Kurzgeschichten. Für ihren Ruf prägend waren die Geschichten um
Harald Shea und die Kunst der „Mathemagie“. Mit Hilfe dieser
Gedankentechnik wandert Shea in die Welt der Asen („The Roaring Trumpet“,
1941), in Spensers „Fairie Queene“ („The Mathematics of Magic“, 1941),
Ariosts „Orlando Furioso“ („The Castle of Iron“, 1941), die finnische
Kalevala („Wall of Serpents“, 1953) und in irische Mythen („The Green
Magician“, 1954). Die letzte Kooperation mit Pratt – „Tales from
Gavagan’s bar“, 1978 – ist eine Sammlung von einer Art urbaner Mythen
mit Fantasy-Twist. Hexen, fliegende Elefanten, magische Brillengläser –
die Geschichten, die einem hier am Tresen erzählt werden, sind wirklich
sehr eigenartig.
Auch alleine hat de Camp es immer wieder geschafft, einen humorvollen
Stil durchzuhalten. Ein gutes Beispiel ist sein Roman „The Fallible
Fiend“ (1973). Er schildert die klassischen Versatzstücke der
Dämonenbeschwörung mal aus einer anderen Sicht – aus der des Dämonen.
De Camp & Sekundärliteratur
My three unfulfilled ambitions are to sing in tune, to
play decent tennis, and to speak good grammatical German. But I fear
these goals are forever out of reach.”[18]
Neben seiner Tätigkeit als Autor von Romanen und Kurzgeschichten war es
besonders de Camps Arbeit als Autor von Sekundärliteratur, die ihn in
der Szene bekannt gemacht hat. De Camp hat sich den ihn interessierenden
Themen von zwei Seiten aus genähert.
Auf der einen Seite gab es seine Faszination für fremde Kulturen, sein
Interesse an Sprachen und Geschichte. Immer wieder unternahm er Reisen,
um vor Ort einen Eindruck von dem zu erhalten, was er beschreiben
wollte. 1954 erschien „Lost Continents“, in dem er sich mit
untergegangenen Kulturen a la Lemuria und Atlantis auseinandersetzt.
1963 folgte „The Ancient Engineers” über die Ingenieur-Leistungen der
frühen Zivilisationen. 1972 kam dann „Great Cities of the Ancient
World“, das unter dem Titel „New York lag einst am Bosporus” einen
Achtungsverkaufserfolg in Deutschland hatte.
Diese Bücher zeichnen sich durch ihr profundes Fachwissen aus. Und sie
sind amüsant erzählt. De Camp schafft es immer wieder, den Bogen
zwischen den Fakten und den Schilderungen der phantastischen Literatur
zu schlagen.
Die andere Hälfte seiner Sekundärwerke beschäftigt sich mit der
phantastischen Literatur und ihren Autoren. Neben dem immer wieder in
Neuauflagen erscheinenden „Science-Fiction Handbook“ von 1953 sind dies
besonders sein Werk über Howard („Dark Valley Destiny, The Life Of
Robert E. Howard“, 1963) und „Lovecraft: A Biography“ von 1975. Ohne de
Camp und seine Arbeit mit und über Howard und Lovecraft wären diese
Autoren sicherlich nicht das, was sie heute sind: Meilensteine. Und de
Camp war für mich auch einer dieser Meilensteine, der letzte lebende
Autor eines „Golden Age of Heroic Fantasy“, das mit ihm untergegangen
ist.
Zitierte Literatur von
de Camp
„Die Chronik von Poseidonis“, Rastatt, 1980²
„Thalia – Gefangene des Olymp“, Frankfurt (Main), Berlin, Wien, 1973
„Hyborianische Technik“ in Strassl (Hrsg.)
„Magira 29/30“, o.O., 1978
„Time & Chance”, Hampton Falls, 1996
Weitere Hinweise zu de Camp finden sich unter der offiziellen Website
www.lspraguedecamp.com.
Künstliche Sprachen
Hallo Salamander,
da ich wieder einmal mein Wissen über Volapük auffrischen wollte, habe
ich mich eine Weile mit künstlichen Sprachen beschäftigt (und nein, ich
meine nicht Klingonisch). Ich war überrascht, dass Volapük nicht (wie
von mir immer vermutet) die erste wirklich synthetische Sprache ist,
sondern Solresol. Noch verblüffter war ich, dass es von dieser Sprache
einen klaren Bezug zum Science Fiction-Film gibt.
Ich muss ein wenig ausholen. Volapük ist eine künstliche Sprache, die
jenen Stellenwert einnahm, der heute von Esperanto ausgefüllt wird. Das
Motto war „Einer Menschheit – eine Sprache“ oder auf Volapük „Menade bal
– Püki bal!“[19]
Volapük ist eine Sprache, die „irgendwie“ kontinentalgermanisch klingt.
Das „Vater Unser“ auf Volapük liest sich so:
O Fat obas, kel binol in süls,
paisaludomöz nem ola!
Kömomöd monargän ola!
Jenomöz vil olik,
äs in sül, i su tal!
Bodi obsik vädeliki givolös obes adelo!
E pardolös obes debis obsik,
äs id obs aipardobs
debeles obas.
E no obis nindukolös in tentadi;
sod aidalivolös obis de bad.
Jenosöd![20]
Wenn man das laut liest, klingt es doch ein wenig wie eine Beschwörung,
oder?
Solresol hingegen war eine Sprache, die 1817 von Jean Francois Sudre
entwickelt wurde. Die Idee war eine Weltsprache auf musikalischer
Grundlage. Eine faszinierende Idee:
Das Besondere an Solresol ist, dass man sich nicht nur sprechend,
sondern auch singend, pfeifend, mit Flöten oder sonstigen
Musikinstrumenten verständigen kann. Schreiben kann man in Buchstaben-
oder in Notenschrift. Man kann die einzelnen Tonsilben auch durch Zahlen
ersetzen (do – 1, re – 2...), mit unterschiedlichen Farben
oder Handzeichen darstellen oder – besonders nützlich für die
Kommunikation mit gleichzeitig Seh- und Hörbehinderten – durch Druck auf
bestimmte Punkte der Hand des Gesprächspartners vermitteln.[21]
Das klingt schon sehr irre, oder? Noch eigenartiger wird es, wenn man
liest, dass in „Unheimliche Begegnung der dritten Art“ die Kommunikation
mit den Außerirdischen auf Basis von Solresol erfolgt ist.[22]
Es macht Sinn, dass Außerirdische keine bestimmte Sprache sprechen, die
einer Nation, einem Volk zuzuordnen ist. Und warum nicht Solresol?
Und überhaupt: Warum schaffen wir Menschen es nicht, so miteinander zu
kommunizieren?
Dein Homo Magi
Vertane Chancen
Lieber Salamander,
Irgendwie habe ich immer darauf
gehofft, dass es mir in diesem Leben noch einmal vergönnt ist, „Devo“
live zu sehen. Das waren die Helden meiner Jugend. Die erste LP, die ich
mir gezielt selbst gekauft habe, war „Freedom of Choice“; die erste LP
von ihnen, die ich mir (auf einem Ramschtisch) auf Verdacht gekauft
habe, war „New Traditionalists“. Begeistert hat mich alles, was die
gemacht haben. Bis heute.
De-Evolution. Alles ist wahr.
Mein ehemaliger Ami-Chef (als ich
noch für Amis arbeitete …) erzählte immer gerne, dass „Devo“ in den
ersten Jahren des Rollenspiels auf den Treppen von Rollenspiel-Gigant
„TSR“ abhingen und sich da herumdrückten. Irgendwie war das immer eine
lustige Geschichte, dass die Band, die mich am meisten beeinflusst hat,
meine obskuren Hobbies teilt.
Jahrelang war es still um sie. Jetzt
fingen sie wieder an, sich ein wenig in der Welt herumzubewegen. Ich
hatte sogar das Newsletter abonniert … aber es sollte nicht sein, ein
Fünftel der Originalbesetzung ist fort:
Bob Casale of Devo. Born: July 14th, 1952 .
Deceased: February 17th, 2014
As an original member of Devo, Bob Casale was there
in the trenches with me from the beginning. He was my level-headed
brother, a solid performer and talented audio engineer, always giving
more than he got. He was excited about the possibility of Mark
Mothersbaugh allowing Devo to play shows again. His sudden death from
conditions that lead to heart failure came as a total shock to us all.
-Gerald Casale, Devo founder[23]
Mist.
Dein Homo Magi
Raum, Zeit und Bahn
Hallo Salamander,
jeden Morgen fahre ich fast eine Stunde mit der Bahn hin zur Arbeit,
jeden Abend eine Stunde zurück. Die Strecke verläuft ziemlich von West
nach Ost beziehungsweise abends in die Gegenrichtung.
Und jetzt im Frühling, kann ich erkennen, wie Raum und Zeit
zusammenhängen. Deutlich, denn ich beobachte den Sonnenaufgang jeden Tag
ein wenig später auf der Strecke. Die Bahn gibt auf dieser Strecke ein
sehr gutes Uhrwerk ab, und der Raum wird hier zum Gradmesser für die
Zeit. Erst war es dunkel, als ich ausstieg. Dann wurde es schon licht,
wenn ich aus dem Zug stieg. Jetzt näherte der Sonnenaufgangspunkt Tag
für Tag mehr meinem Startbahnhof, bis ich jetzt sogar daheim bei Licht
losgehen kann. Und abends kann ich den gegenläufigen Effekt beobachten.
Eigenartig. So, als würde der Sonnenaufgang sich Mühe geben, mir jeden
Tag einen neuen Teil der Landschaft in seinem sanften Licht zu
enthüllen. Eine eigenartige Methode, aber sehr schön. Sehr, sehr schön.
Dein Homo Magi
Mitbewohner der Welt
Hallo Salamander,
Im sehr unterhaltsamen „The Coming of the Fairies” von Sherlock
Holmes-Erfinder Sir Arthur Conan Doyle las ich kürzlich folgenden
Absatz:
At the same time, the perennial mystery who so many „flowers are born to
blush unseen,” and why Nature should be so lavish with gifts which human
beings cannot use, would be solved if we understood that there were
other orders of beings which used the same earth and shared its
blessings.
Wenn es wirklich andere Wesen gibt, die vernunftbegabt sind, und die mit
uns diesen Planeten nutzen (Doyle meine Feen und Elfen) – dann haben wir
uns in den letzten hundert Jahren ja ganz schön Mühe gegeben, sie an den
Rand zu drängen.
Mist. Der Ansatz ist schön. Passt auch zum viktorianischen Zeitalter mit
seiner fortschreitenden Industrialisierung und der Sehnsucht der
Menschen nach etwas „anderem“ da draußen. Anders ist es für mich nicht
zu erklären, dass ein großer Denker wie Doyle auf die gefälschten
Elfenfotos reingefallen ist (wäre eine Geschichte für sich wert). Aber
wir haben nichts gelernt. Ab und an liest man zwar mal Artikel über
Straßen in Island, die wegen einer Feen-Warnung verlegt oder erst gar
nicht gebaut werden. Aber wir? Wir erfassen zwar die Kultplätze in
Büchern, aber wir tun wenig (lies: nichts) dafür, diese Plätze zu
erhalten.
Natürlich liegt das daran, dass wir unserem Hunger nach immer weiterem
Wachstum Rückzugsraum nach Rückzugsraum erobern. Wenn es Feen gab – dann
sind sie sicherlich längst vor uns irgendwohin geflohen, wo sie ihre
Ruhe haben.
Seufz. „… and shared its blessings“ klingt heute eher wie ein Fluch, den
wie eine Verheißung.
Dein Homo Magi
Triticale
Hallo Salamander,
ich dachte immer, dass man für die Serie „Star Trek“ bei den Tribbles
deren Ernährungsgewohnheiten erfunden hat. Wer sich nicht erinnern kann:
Quadrotriticale
ist ein perennierendes
Getreide. Es handelt sich um ein
Hybrid aus
Weizen und
Roggen, hat einen hohen Ertragswert und eine bläuliche Farbe.
Es ist das einzige zur Anpflanzung auf dem
Sherman-Planeten geeignete
irdische Getreide. (…)
2267 lagern mehrere Tonnen
Quadrotriticale, die für die
Kolonisation des
Sherman-Planeten vorgesehen sind auf der
Raumstation K-7. Der Bestand wird jedoch von
Tribbles befallen und vollständig vernichtet. Die gefräßigen
Tiere verenden aber zum
großen Teil daran, weil das Getreide zuvor von
Arne Darvin
vergiftet worden ist.[24]
Voller Schrecken (oder Erheiterung) musste ich feststellen, dass dies
ausnahmsweise mal nicht reine Science Fiction ist. Es gibt das zu Grunde
liegende Getreide wirklich:
×Triticale (auch: ×Triticosecale) ist ein
Getreide. Es ist eine
Kreuzung aus
Weizen (Triticum
aestivum L.) als weiblichem und
Roggen (Secale
cereale L.) als männlichem Partner. Der Name ist aus TRITIcum und seCALE
zusammengesetzt. Die umgekehrte Kreuzung ergibt
Secalotricum. Geschmack und Inhaltsstoffe der Triticale
liegen zwischen denen von Weizen und Roggen. Seine
Grannen sind ca 3–5 cm lang und vierkantig.[25]
Das ist irgendwie nicht so ohne, wenn man sich damit weiter beschäftigt:
Bei der Kreuzung entsteht eine
Hybride. Die Kreuzungsnachkommen sind hochgradig steril.
Deshalb müssen die
Chromosomensätze durch Behandlung der Keimlinge mit
Colchicin, dem
Alkaloid der
Herbstzeitlosen, künstlich verdoppelt werden, um fertile
Pflanzen zu erhalten (sogenannte „primäre” Triticale).
Zugelassene marktübliche Sorten gehen heutzutage immer auf Kreuzungen
Triticale x Triticale (so genannte „sekundäre” Triticale) zurück.
Triticale wurde gezüchtet, um die Anspruchslosigkeit des Roggens mit der
Qualität des Weizens zu verbinden. Erste fertile Triticale wurden im 19.
Jahrhundert gefunden. Die gezielte Züchtung wurde erst nach der
Entdeckung des Colchicins in den 1930er Jahren möglich, z. B. in
Schweden,
Schottland und der
UdSSR. Die ersten Triticalesorten mit weiter Verbreitung wurden
in Polen gezüchtet.[26]
Und:
Der Bekanntheitsgrad von Triticale in der Bevölkerung ist immer noch
relativ gering, obwohl weltweit Deutschland der drittgrößte Produzent
ist und die Erntemenge fast dieselbe Größenordnung wie Roggen hat.[27]
Und – essen wir das Zeug? Mit Abstrichen: ja. Man muss ein wenig suchen
im Netz, aber man findet Antworten:
Triticale findet in großem Umfang Verwendung als kostengünstig und
umweltgerecht produziertes, proteinreiches Körnerfutter in der Tiermast.
Der Eiweißgehalt eines Kornes liegt bei 10-13% und 3-4% Lysin. Neben der
überwiegenden Anwendung als Futtergetreide kann es auch für die
menschliche Ernährung (Backwaren, Bier, Breie) genutzt werden. Brot wird
allerdings wegen der teilweise ungünstigen Backeigenschaften in der
Regel aus Gemischen mit Weizen bzw. Roggen erzeugt.[28]
Oops. Eine fertile Züchtung, mit der wir noch keine 100 Jahre Erfahrung
haben. Und die irgendwann Tribbles umbringt. Oops.
Dein Homo Magi
Eigenartigkeiten
Hallo Salamander,
das Leben drängt mir immer wieder Fragen auf, die ich nicht beantworten
kann. Also zerbreche ich mir den Kopf darüber, bis ich eine Antwort
gefunden habe … oder sie dir vorwerfe.
Sind jene Alben, die in den Hügeln wohnen und gerne heimlich uns
knipsen, die wahre Bedeutung für das Wort Fotoalben? Und wenn ja – gibt
es auch Phonoalben?
Wenn man sie einpflanzt und regelmäßig gießt, was wächst dann aus Selt-Samen?
Und: Will ich das wirklich wissen?
Und fordert mich ein heidnisches Auto in der christlichen Fastenzeit
auch morgens mit „Fasten your seat belts“ auf? Oder heißt es dann „Heathen
your seat belts?“
Oder haben Wikinger-Langschiffe keine Sitzgurte und daher auch keine
Ermahnung?
Ich weiß es nicht. Aber ich forsche weiter.
Dein Homo Magi (der den 01. April definitiv verpasst hat)
Schlumpfischlumpf
Hallo Salamander,
ich gestehe es freimütig: Ich sammele Schlümpfe. Oder um genauer zu
sein: Figuren aus einem bestimmten Material in einer bestimmten Größe,
die meistens von den Firmen „Schleich“ oder „Bully“ hergestellt werden.
Sicherlich hat das was mit meinem Alter zu tun. Die ersten Schlümpfe
wurden 1969 hergestellt, von „Schleich“. Und zwar gleich der
Normalschlumpf, der Goldschlumpf, der Sträfling und Papa Schlumpf.[29]
Das sagt eine Menge über die erwartete Sozialstruktur von Schlumpfhausen
aus, oder? Ein Ort, indem ¼ Rentner und ¼ Verbrecher sind. Also liegt
Schlumpfhausen wohl irgendwo in Florida.
Zurück zum Thema: Ich selbst bin also vier Jahre älter als die
Schlümpfe, was vielleicht erklären kann, wie die Weihnachtsgeschenke in
den Jahren ab 1969 aussahen: schlumpfig.
Und im Laufe der Jahre begann ich, meine Sammlung auszubauen. Ich habe
mir fest vorgenommen, keine Figuren über das Internet zu bestellen.
Seufz. Stand heute[30]
erzielte der Suchbegriff „Schlumpf“ bei Ebay 13.927 Treffer. Da nicht
alle Angebote nur einen Schlumpf umfassen kann man sich ungefähr
ausrechnen, was auf mich zukäme, wenn …
Nein, ich bin kein Komplettist. Ich stöbere auf Flohmärkten und in
Sammlermärkten, fachsimpele mit anderen Sammlern und gebe nie nie nie
mehr als ein paar Euronen für eine Figur aus. Es ist ein Hobby, mehr
nicht. Und das ist auch gut so.
Im Laufe der Zeit bildete meine Schlumpf-Sammlung auch einen Querschnitt
durch die Geschichte des deutschen Jugendzimmers. Neben den Figuren, die
inhaltlich zu den Schlümpfen gehören (Johann, Pfiffikus und natürlich
der böse Zauberer Gargamel samt Katze) kamen bald weitere Figuren und
Figurengruppen hinzu.
Asterix und Obelix. Die Pichelsteiner. Sniks, eine Art roter und grüner
Weltraumschlümpfe. Biene Maja. Sesamstraße. Garfield. Pumuckl. Ganz viel
Figuren von Disney – die Comic-Figuren um Mickey Maus, aber auch ganz
viele Figuren aus Disney-Filmen (und natürlich Elliot das
Schmunzelmonster sowie Winnie Pooh, Peter Pan und das Krokodil,
Pinocchio und seine Grille und alle sieben Zwerge). Die Warner-Toons wie
der Roadrunner und Daffy Duck. Max und Moritz. Popeye. Petzi Bär und
Seebär. Alf. Tim und Struppi samt Begleitern in den unterschiedlichsten
Ausführungen und Kostümen. Der kleine Prinz. Yakari. Alice im Wunderland
und der Hutmacher.
Und Fernseh-Figuren zu den Serien meiner Kindheit und Jugend. Das
Sandmännchen, Ost wie West, brav in einem Regal vereint. Äffle und
Pferdle. Die Mainzelmännchen. Wum und Wendelin – samt einem Wum auf
seinem roten Kissen. Die Figur ist fast so etwas wie selten, weil sie
zweiteilig ist.
Dann natürlich Heidi in der gruseligen Zeichentrickversion meiner
Jugend, die Figuren zu „Captain Future“ (den man sich nicht noch einmal
anschauen sollte, wenn man ihn in guter Erinnerung behalten will) und
Wicki samt Konsorten. Nicht zu vergessen: Snoopy und Charlie Brown.
Ein wichtiges Thema ist auch Lurchi (was dich nicht verwundern dürfte).
Ich habe meine Mutter immer überredet, bei „Salamander“ einzukaufen –
wegen der Schuhe, aber noch mehr wegen der großartigen Hefte. „Und im
Land schallt’s lange noch …“ Vor einigen Jahren kamen die Sammelbände
neu heraus, da konnte ich meine Lücken füllen. Lurchi und auch Mecki,
das waren wichtige Prägungen meiner Kindheit.
Eine letzte große Gruppe sind dann die Werbefiguren. Der Michelin-Mann.
Das Lefax-Männchen. Obskure Dinge wie Jan Cux, Sigamuc und Putzi von der
AOK. Alles schön in Kisten im Keller, damit ich sie in den nächsten
Wochen und Monaten in Ruhe in Regale räumen kann. Ehrlich.
Und zum Schluss: Keine Fantasy-Elfen. Ich wiederhole mich:
Keine-Fantasy-Elfen. Keine Frauen mit wallendem Haar auf Einhörnern.
Keine Harfe-spielenden geschlechtslosen Elfen mit riesigem Schwert an
der Seite. Keine putzigen Drachen mit runden Augen. Das ist was für
Kinder.
Dein Homo Magi
Fremdenzimmer
Hallo Salamander,
ich wundere mich auf Dienstreisen immer, dass es Orte gibt, in denen
„Fremdenzimmer“ angeboten werden und solche, in denen es „Gästezimmer“
gibt.
Ist das ein obskurer Versuch einer Tourismusbehörde, die eigenen Zimmer
zu füllen, in dem man die Fremden sofort als Gäste tituliert? Oder ist
das eine getarnte Fremdenfeindlichkeit, denn immerhin gibt es das übel
beleumdete „Fremdgehen“ neben dem „Traue keinem Fremden“, von der
„Fremdenbehörde“ nicht zu reden. Der Gast hingegen darf auf
„Gastlichkeit“ im „Gästebett“ hoffen, während die Angst vor der
„Gastritis“ nur wenig verbreitet scheint.
Ich selbst habe mir in Jahren des Überlegens die Theorie zu eigen
gemacht, dass ich lieber „Fremde“ als „Gäste“ in mein Hotel einladen
würde. In meinem privaten Bereich halte ich es anders herum. Fremde habe
ich ungern in der Wohnung, Gäste gerne. Aber wenn ich einen Gasthof
(auch wieder so ein Wort – gibt es Fremdenhöfe?) hätte, dann würde ich
lieber Fremde einladen. Denn Gäste sind Menschen, die dort zahlen, um
untergebracht und verpflegt zu werden. Der Fremde hingegen … kann ein
Freund werden.
Und so waren alle meine Gäste früher Fremde, jetzt sind sie Freunde. Was
das Problem der Zimmer-Benennung nicht löst.
Was sagt die „Edda“:
Mit Schimpf und Hohn verspotte nicht
Wohl gesprochen.
Dein Homo Magi
Einer meiner Lieblingszauberer ist tot
Hallo Salamander,
er starb in der Nacht auf Beltaine. Er ging, nachdem seine große Liebe
wenige Wochen vorher gegangen war. Seine große Liebe … Man liest immer
davon, dass Menschen dem geliebten Menschen ins Grab folgen, weil sie
nicht alleine sein wollen. So war es auch hier; ein anderes Beispiele
wäre einer meiner Lieblingsautoren, L. S. de Camp.[32]
Der „große Zauberer“ hatte Talent. Sein Witz war mir schon früh
aufgefallen – ich kannte die Hörspielaufnahmen, die heute kaum jemand
kennt, und kann bis heute die wichtigsten Witze zitieren. Dann gab es
die Fernsehauftritte, die mich immer fesselten. Sein Gesang, sein
nasaler Ton, die wie nicht geprobt wirkenden Auftritte. In einer Zeit
ohne „policital correctness“ konnte man Herrn Neger noch Neger nennen
und man durfte im Fernsehen trinken (und auch rauchen, obwohl das nicht
seine Passion war).
Er war ein Zauberer, der Freude und Spaß zu jenen Menschen brachte, die
etwas einfacher gestrickt schienen. Doch auf einer zweiten Ebene
lieferte er Unterhaltung mit Niveau; der Witz verbarg sich hinter einer
ersten Ebene der Höflichkeit, die man durchdringen musste, wenn man ihn
verstehen wollte.
Im Alter wurde er nicht milde, aber er zog sich immer weiter zurück. Ab
und an trat er noch auf, meist in der Rolle als „er selbst“. Lieder
waren über ihn geschrieben worden, seine Bücher mit lustigen Geschichten
und Aphorismen werden heute noch immer wieder gelesen und zitiert. Was
will man mehr.
Jetzt ist er von uns gegangen. Pass in Walhall schön auf die Bembel auf!
Heinz Schenk ist tot.[33]
Dein Homo Magi
Verloren in den Gluten
Hallo Salamander,
diese Woche war ich auf einer Fortbildung. Es gab während der zwei Tage
freie Getränke; zielgruppengerecht Kaffee und (mich sehr überraschend)
vier Sorten Milch. Ich ließ meinen Blick schweifen und war vom Angebot
verwirrt, überrascht und verärgert. Was bot sich mir Milch-mäßig dar?
Erstens: Die lächerliche fettarme Milch; Vollmilch hat etwa 3,5 bis 3,8
% Fettanteil, dieser wird hier auf 1,5 % runterreduziert. Ich habe ja
schon mehrmals erzählt, dass ich meinen Auszubildenden diese Milch
verboten habe, denn sie macht ja Fettarme. Sic transit gloria mundi.
Zweitens: Kaffeesahne. Das Gegenteil der Fettarme: Hier wird die Milch „aufkonzentriert“;
der Fettgehalt beginnt bei 10 %.
Drittens: Hafermilch. Ich lasse mich hier mit den Verkündern der wahren
Lehre nicht auf Diskussionen ein, sondern zitiere Wikipedia:
Getreidemilch sollte nur von Erwachsenen als Milchersatz konsumiert
werden. Vor der Ernährung von Kleinkindern und Säuglingen mit
Getreidemilch wird vom Forschungsinstitut Dortmund für die Ernährung
allergiegefährdeter Säuglinge, der Ernährungskommission für
Kinderheilkunde und dem Forschungsinstitut für Kinderernährung
ausdrücklich gewarnt, da Mangelerkrankungen und Wachstumsstörungen
auftreten können. Getreidemilch enthält insbesondere zu wenig
hochwertige Proteine, Calcium und bestimmte Vitamine (…), diese können
jedoch zugesetzt werden.[34]
Viel deutlicher kann man nicht werden, ohne sich verklagen zu lassen.
Viertens: Sojadingsbums; die Namenswahl ist nicht meine Idee, denn:
In der Europäischen Union darf Sojamilch im Handel nur unter anderen
Bezeichnungen, wie Sojadrink, verkauft werden. So steht in der
europäischen „Verordnung (EWG) Nr. 1898/87 des Rates über den Schutz
der Bezeichnung der Milch und Milcherzeugnisse bei ihrer Vermarktung“
in Artikel 2 (1), dass „die Bezeichnung ‚Milch‘ ausschließlich dem
durch ein- oder mehrmaliges Melken gewonnenen Erzeugnis der normalen
Eutersekretion, ohne jeglichen Zusatz oder Entzug, vorbehalten“ ist.[35]
Die normale Eutersekretion … ja, die fehlt mir bei Soja (obwohl ich das
Zeug als Schokodrink echt gerne mag).
Und: Um mich völlig zu verwirren standen noch kleine Schilder
„Gluten-frei“ davor, die aber leider beweglich waren und sich wohl auch
schon bewegt hatten. Ist die Kaffesahne frei von Gluten? Oder die
Hafermilch? Und wo ist die normale Milch, wenn man sei sucht?
Irgendjemand, irgendeiner muss doch noch normale Milch wollen, so mit
dem normalen Fettgehalt und durch die normale Eutersekretion (cooler
Begriff) gewonnen. Bitte, irgendeiner. Irgendwo.
Nein. Keine Chance.
Und die Gluten? Was wollen die mir sagen? Auch dazu gibt es einen
Kommentar, der voll ins Bild passt:
Eng verlor sich ein Busen in schweifendes Felsengewinde,
Scyllas liebliche Ruhe, wohin vor den Gluten des Himmels
Und des Meers sie entwich, wann Sol in der Mitte des Umlaufs
Machtvoll schien, von der Scheitel die kürzesten Schatten erstreckend.
Diesen verfälscht sie zuvor mit mißgestaltenden Giften
Trübend, und sprengt ihm Seime, gedrückt aus schädlicher Wurzel;
Dann im Gewirr seltsamer Beschwörungen tönet sie dreimal
Neunfach kehrende Worte mit magischer Laute Gemurmel.[36]
Ab in die Gluten!
Dein Homo Magi
Beiboote
Hallo Salamander,
kürzlich sah ich (mal wieder nach Geschenken für meine Neffen schauend;
beim Stöbern in Spielzeug immer eine Super-Ausrede) ein Modell der
Rettungskapsel aus „Star Wars“. Ich habe das Bild mal eingefügt:
Mein Vorschlag an den Verkäufer: Kaufen, auspacken und auf einem
Flughafen mit den Worten „Für Allah!“ in die Menschenmenge werfen. Wir
waren uns einig: Gäbe zwar „publicity“ für „Star Wars“, käme aber wohl
nicht so gut an.
Schade.
Dein Homo Magi
Paradies
Hallo Salamander!
Wenn es eine Auferstehung gibt, dann stellt sich mir die Frage, in
welchem Alter ich für die Auferstehung vorgesehen bin. Hätte es Sinn
gemacht, in jugendlichem Alter abzutreten, damit ich „drüben“ mit einem
sportlichen Körper und frischen Reflexen punkten kann? Oder ist es
sinnvoller, in der Mitte des Lebens, noch gut in der Kraft aber schon
reifer, den Abgang zu wählen, um „drüben“ dann aus der Lebensmitte
schöpfend für immer weiter zu existieren? Oder sollte ich warten, bis
Altersweisheit mich geehrt, aber das Alter selbst meinen Körper so
gebeugt hat, dass ich nur noch als tattriger Greis das ewige Leben
genießen kann?
Die erste Option habe ich schon überlebt, die zweite stellt sich mir
gerade, ist aber nicht wirklich Teil meiner zu klärenden Fragen für eine
weitere Planungssicherheit in Bezug auf meine Existenz.
Die Frage stellt sich mir trotzdem, wenn ich die Möglichkeit der
Wiedergeburt im Paradies (oder wie immer der Platz heißen mag) in
Betracht ziehe. Werden wir alle, egal wie alt wir beim Tode waren, in
einem bestimmten körperlichen Alter wiedergeboren? Egal, ob wir als
Kind, als Jugendlicher, als Erwachsener oder als Greis wiedergeboren
würden – irgendjemand wäre unsicher, weil er vor diesem Alter verstorben
ist und mit dem „neuen“ Körper nichts anzufangen weiß und jemand anders
würde nöhlen, weil ihm die Erfahrungen, die er in seinem Leben gemacht
hat, nicht mehr anzusehen sind. Wenn der zu ehrende Greis genauso alt
aussieht wie der junge Hüpfer, dann ist der Sinn der Lebenserfahrung
wohl ernsthaft in Frage gestellt.
Ich glaube, dies ist eines der schlagendsten Argumente gegen eine
Auferstehung „im Fleische“. Denn wenn eine Religion sicher wüsste, dass
wir „drüben“ mit dem Körper eintreffen, den wir im Moment des Todes
besitzen, dann würde man eine Sterbewelle zwischen 45 und 55 nicht
unterdrücken können (wobei sich dieses vorgeschlagene Alter auf die
Bevölkerung der Industrienationen beim momentanen Stand der
wissenschaftlichen Technik bezieht).
Meine Hoffnung und Erwartung ist, dass ich wählen könnte, wenn es eine
Auferstehung „im Fleisch“ wirklich gibt, damit ich den einen oder
anderen kleinen Fehler korrigieren könnte (gerade in Bezug auf die
Weiterexistenz von buschigen Nasenhaaren im Paradies bin ich ein wenig
eigen). Aber eine echte Antwort ist das auch nicht. Ich bin für
sachdienliche Hinweise dankbar.
Dein Homo Magi
Bunte Rücken
Hallo Salamander,
früher gab es das Wort „gender“ noch nicht. Einverstanden, es gab das
Wort schon, aber im Deutschen noch in einer Art ungeborenem Zustand. Wir
wussten, was das Geschlecht ist, aber irgendwie … war es uns als
Jugendlichen (vor der Pubertät!) noch ziemlich egal. Denn es gab keine
oder nur wenig Probleme damit.
Unterschiedliche Umkleideräume, unterschiedliches Spielzeug,
unterschiedliche Toiletten – und natürlich unterschiedliche
Jugendbücher! Wo kämen wir Jungs denn auch hin, wenn wir gezwungen
worden wären, Pferdebücher zu lesen oder uns mit Dolly, Polly, Britta,
Glitta, Ina oder Tina zu beschäftigen? Wir bestiegen Raumschiffe,
winkten noch einmal in die Menge und stiegen dann auf einem
Flammenstrahl auf, dem Horizont entgegen. Und damit wir dabei keinen
Fehler machten, gab es die farbigen Rücken der Bücher.
Ein rosa beschriebener Rücken wies darauf hin, dass dieses Buch für
„Mädchen“ war. Und ein blauer Rücken verkündete unverkennbar, dass hier
die „Jungen“ mit Literatur bedient wurden. Das war unsere Rettung, sonst
wären wir Kerle vielleicht heute lebensuntüchtige Ponyhof-Verehrer – und
nicht die harten, tollen Kerle mit dem geraden Kinn, die wir werden
sollten.
Bei mir haben die Jugendbücher alles richtig gemacht und alles falsch.
Ich habe Jahrzehnte gebraucht um mich von dem Dünkel zu lösen, dass alle
Literatur, die Frauen gerne lesen, automatisch schlecht ist oder einfach
nur „falsch“ für mich. Aber es ist immer noch so, dass ich der
„Frauenliteratur“ schlechthin wenig abgewinnen kann. Okay, das ist auch
schon größeren Geistern als mir passiert.
Aber bis zu meinem Tode werde ich dann auf irgendwelchen Treffen nach
dem dritten Bier über „Mark Brandis“ oder „Raumschiff Monitor“ reden
können. Mit Jungs, mit wem sonst. Und nur mit den Jahrgängen um mich
herum – meiner Alterskohorte, die sich um mich herum und mit mir
gemeinsam der Klippe des Lebens nähert. Aber immerhin … es gibt
schlimmere Unterhaltungen.
Dein Homo Magi
Wal
Hallo Salamander,
ich finde Wale hochinteressant. Mehrere Male schon habe ich dir
geschrieben, wenn mir etwas dazu einfiel. Entweder hatte ich mal wieder
die Walgesänge gehört, oder ein interessantes Buch über das Thema Wale
gelesen.
Dieses Mal hatte ich mich nicht länger zurückgehalten und mich dazu
bereit erklärt, an erster Front den armen, riesigen Säugetieren zu
helfen. Endlich wollte ich (ganz offiziell) für sie arbeiten. Da ich
jetzt näher an der Küste wohne, bot sich das irgendwie an.
Natürlich habe ich dafür gesorgt, dass ich nicht auf irgendeine
Öko-Abzocke reinfalle. Das kennt man ja inzwischen: Cooler Briefkopf,
Kontonummer, und das ganze Geld geht dann nicht an das erklärte Ziel,
sondern landet in irgendwelchen obskuren Finanzkanälen auf den Cayman-Inseln,
Guadeloupe oder Castrop-Rauxel. Von daher habe ich sogar bei der
Telefonnummer angerufen, die auf dem offiziell wirkenden Brief vermerkt
war. Der Mann auf der Gegenseite sprach sehr gutes Deutsch (ist heute
weiß Gott kein Ausscheidungskriterium mehr, aber man weiß ja nie), ging
auch gleich an das Telefon und bestätigte alle Angaben aus dem
Schreiben. Ich war beruhigt. Trotzdem habe ich den Absender noch
gegoogelt, fand sein Foto im Internet (älterer Herr, Brille) und war
erst einmal beruhigt. Ich hätte wissen müssen, dass es dabei nicht
bleiben kann, denn bis dahin lief alles viel zu einfach.
Für unseren ersten Hilfseinsatz gab es einen Sammelort, wo man zu
nachtschlafender Zeit erscheinen musste. Der Ort war eine Grundschule –
was ich irgendwie passend fand. Vor einer Metzgerei oder gar einem
Fischgeschäft hätte ich mich viel weniger gerne getroffen. Es gab Kaffee
und dann wurden die verschiedenen Posten beim Helfen für die Wale
genannt. Ich hätte aufmerksamer zuhören sollen, aber ich hatte erst
einen Kaffee und es war früh am Morgen.
Ich wurde dann Beisitzer. Bei der Europa-Wahl. Ich sah sicherlich in
meinem für die Wellen und Wogen gedachten Neopren blöde aus, aber ich
habe das durchgezogen. Immerhin hatte ich unterschrieben und war gierig
darauf, das für das Ende versprochene Bargeld einzusammeln (steuerfrei,
keine Fragen). Aber irgendwie doof kam ich mir schon vor.
Für die Stichwahl habe ich mich gleich wieder freiwillig gemeldet. Und
zum Stechen bringe ich dann mein großes Schwert mit. Vielleicht stimmt
das ja wenigstens.
Dein Homo Magi
Kreise, die heilen
Hermann Ritter
Der organisatorische
Rahmen
Zwei Tage begab ich mich in eine Fortbildung zum Thema „Kreise, die
heilen“ – eine Arbeit mit systemischen Ritualen mit Daan van Kampenhout.
Der organisatorische Rahmen ist schnell erklärt: zwei Tage; am ersten
Tag neun Stunden inklusive zwei Stunden Pause, am zweiten Tag acht
Stunden inklusive zwei Stunden Pause.
Die Räumlichkeiten waren nicht optimal. Man wünscht sich genügend Platz
für einen Stuhlkreis oder Ring für die etwa 70 TN, aber das ist wohl zu
viel verlangt. Das „esoterische Handtuchwerfen“, das Freihalten von
Plätzen nahe am „Meister“ führte zu für mich nervigen Szenen, weil ich
weiß, dass man das anders (und besser) organisieren kann. Wenn man dann
selbst noch in der dritten Reihe sitzt, weil der Raum nicht einmal für
einen durchgehenden zweiten Kreis groß genug war, dann fühlte man sich
manchmal mehr als Zuschauer, denn als Beteiligter. Gefreut hätte es
mich, wenn die Veranstaltung eine Art „lounge“ besessen hätte. So
zerstreute man sich zum Essen oder in den Pausen durch die zwei
entgegengesetzten Eingänge. Und für mein Gefühl waren es zu wenige
(Damen-)Toiletten für eine Veranstaltung dieser Größe.
Die Verpflegung war gut; überrascht war ich vom Angebot von Ingwerwasser
und drei Sorten Milch (aber keine davon „normale Milch“).
Die Übersetzerin war sehr bemüht, aber im Verlauf der Fortbildung gab es
immer wieder (ärgerliche) Szenen, wenn Deutsche meinten, sie müssten mit
dem holländischen Lehrer auf Englisch reden, um ihr Schulenglisch zu
präsentieren, während selbst Daan nicht verstand, was sie wollten – und
gleichzeitig viele im Publikum um eine Übersetzung bitten mussten, weil
sie gar kein Englisch sprechen.
Und noch etwas: Gefreut hätte ich mich eingangs über ein Handy-Verbot.
Einige Handys klingelten während der Veranstaltungen; so etwas kann man
kontrollieren, wenn man es von Anfang an unterbindet. Später wies Daan
darauf hin, aber da waren die Störungen schon geschehen.
Begrüßung und
Vorstellungsrunde
Der Duz-Zwang, mit dem man gleich zur Begrüßung empfangen wurde, hielt
sich durch. Da wir alle Namensschilder trugen, war es auch nicht schwer,
das durchzuhalten … auch wenn man meistens überhaupt nicht mit dem Namen
angesprochen wurde. Irgendwie vermied man das Schielen auf die
Namensschilder fast schon peinlich berührt, so dass bis zum Ende kaum
jemand meinen Namen aussprechen musste oder durfte.
Gefühlt waren 80 % der Teilnehmenden Frauen. Ob das daran liegt, dass
das Thema nur oder eher Frauen anspricht oder ob Daan als „little gay
boy“ (seine Wortwahl) da eher anziehend wirkt – ich weiß es nicht. In
einer Vorstellungsrunde am ersten Tag, bei der man eigentlich nur seinen
Vornamen sagte, waren von 70 Personen 10 männlich (plus der Referent).
Etwa die Hälfte aller Teilnehmenden war zum ersten Mal zu einer solchen
Veranstaltung mit Daan angereist. Am zweiten Tag waren noch 68
Teilnehmende da; von diesen einige Neuankömmlinge, die von der
bisherigen Arbeit nichts mitbekommen hatten. Der Männeranteil sank am
zweiten Tag auf 8 Männer.
Einige Teilnehmende waren am zweiten Tag nicht wiedergekommen, andere
waren neu dazugekommen. Sehr störend war, dass bis zum Vormittag des
zweiten Tages neue Teilnehmende anreisten, die völlig unverfroren in
eine Aufstellung reinplatzten und den Ablauf oder auch mal eine
Meditation störten. Eine Gruppe, die auf einer Fortbildung von zwei
Tagen nicht konsistent bleibt, lernt nicht gemeinsam. Witze und kurze
Anspielungen, die wir am ersten Tag gemeinsam „gelernt“ hatten,
funktionierten am zweiten Tag nicht mehr.
Zum Programm
Das Programm war sehr anspruchsvoll. Nach einer Einführung am ersten Tag
ging es nach einer kurzen Teepause gleich in die erste Aufstellung, der
noch vor der Mittagspause eine zweite Aufstellung folgte. Nachmittags
dann noch einmal drei Aufstellungen und der Tag war vorbei.
Am zweiten Tag gab es eine kurze Einführung, dann zwei Aufstellungen bis
zur Mittagspause, zwei weitere Aufstellungen nachmittags und nach einer
letzten Pause ein gemeinsames Ritual und ein Abschlussritual.
Theoretisches
Am Anfang gab es einen kurzen Theorieteil. Laut Daan haben seine „systemic
rituals“ zwei Pfeiler. Der erste ist der Schamanismus. Er selbst hatte
mit 18 Jahren Malaria und ist daran fast gestorben. In der Folgezeit
spürte er eine „Traumveränderung“. Als er Jahre später ein Buch über
Schamanismus las, fühlte er, dass das für ihn passte. Schamanismus ist
für ihn ein „way of living“, der mit Kommunikation zu tun hat – der
Kommunikation mit Menschen, Pflanzen, eigenen und anderen Seelen („spirits“).
All das ist „poetic, mysterious“, „a way to feel connected“.
Die Verbindung zu anderen Dingen wird durch Rituale stärker.
Schamanismus beruht für ihn viel auf „prayer, singing, drums, rattle“.
Er lebt in der Vorstellung, dass „ancestors“ Hilfe von außen bringen.
Der zweite Pfeiler ist für ihn die Familienaufstellung. Aus beiden schuf
er die „systemic rituals“. Er glaubt, dass die Aufstellung immer alle
betrifft; nicht nur die Aufstellenden und wohl auch nicht nur die
Stellvertreter – „The work is for you“.
Daan betonte mehrmals, dass die „systemic rituals“ gleichermaßen für
religiöse und nicht-religiöse Weltanschauungen gelten.
Daan benutzt für seine Arbeiten Trommel und Gesang. Um seine Gesänge im
Traum aufzunehmen, schläft er mit einem Aufnahmegerät am Bett. Die
Ritualleitung macht er blind; seine Lehrer hätten auch im Dunkeln
gearbeitet. Dazu benutzt Daan noch einen „mirror“, einen Bronzespiegel,
der als Fokus für die Gruppe dient. Wie ein sozialpädagogischer
Sprechstein wird er am Beginn jeder Einheit herumgereicht und jeder sagt
seinen Namen, dann reiht er den Bronzespiegel weiter. Daan reinigt den
Spiegel immer nach den Veranstaltungen.
Bei der Rassel aus dem Hodensack eines Tieres (die Cheyenne benutzen so
etwas zum Heilen) und der Rassel, deren Penisform er eindeutig
vorführte, bin ich mir nicht so sicher, ob ich nicht (wie alle anderen)
veralbert worden bin. Wer soll einen Heiler ernst nehmen, der eine
Skrotum-Rassel in der Hosentasche trägt? Aber mir wurde später von einer
Fachfrau versichert, dass es bei den Schamanen einen Zusammenhang
zwischen Albernheit und Heilung gibt.
„Prayer“ benutzt Daan wie den „NLP-term“ „setting a focus“, versteht es
aber wie eine „invitation“, Einladung an Wesen, am Ritual teilzunehmen.
Er setzt auch ein Farbrad für manche Rituale ein. Dort ist in der Mitte
Grün; der Osten ist gelb, der Süden rot, der Norden weiß und der Westen
schwarz.
Daan hatte verschiedene Lehrer aus verschiedenen Traditionen
(Schamanismus, Judentum …). Aufstellungs-Papst Bert Helling ist für ihn
nur „Bert“; Daan erklärt aber, dass er im Gegensatz zu ihm z.B. Bewegung
in der Aufstellung zulässt und sich ein wenig von ihm absetzt. Später
nennt er als Lehrer einen Indianer, einen Samen, einen Chassiden und
Hellinger.
Vor der Veranstaltung konnte jeder mit einem Anliegen einen Brief bzw.
eine E-Mail an Daan schreiben. Dieser destilliert aus jedem Brief ein
bis zwei Sätze heraus, die er dann benutzt, um das Problem zu
bearbeiten. „Auf meine Art mache ich mir die meiste Arbeit vor dem
Seminar.“
Der erste Tag
Begonnen hat die Veranstaltung mit einem sehr schönen Einstieg mit
Trommel und Gesang (seine Augen sind eigentlich immer entfokussiert, was
es interessant macht, ihm zuzuschauen). Dazu kommt, dass er eine sehr
gute Stimme hat, die dazu beiträgt, die Trance der Teilnehmenden zu
vertiefen. Der Spiegel wurde herumgereicht und jeder nannte seinen
Namen.
Die ersten zwei Aufstellungen waren am ersten Vormittag. Die erste
Aufstellung bestand nur aus Frauen, bei der zweiten ging es um eine
Familie mit Ehemann und zwei Kindern. Um die Probleme der Familie
aufzulösen, wurden für jeden der drei Männer um sie herum zur Heilung
drei Heiler (Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft) gestellt. Lag es am
eklatanten Männermangel oder an meinen traurigen Augen – ich wurde
gleich als der jüngere Sohn aufgestellt.
Nach der Mittagspause ging es mit einer erneuten Spiegelrunde bis zu
einer Kaffeepause mit zwei weiteren Aufstellungen weiter.
Vor der ersten nachmittäglichen Aufstellung gab Daan den Hinweis, dass
man nach der Aufstellung die Steller nicht ansprechen soll, weil sie
dann sehr verletzlich seien.
Die erste Aufstellung beschäftigte sich mit einem „archetypical image“,
nämlich einem Vater, der sich durch Selbstmord der Familie entzogen
hatte. Ich spielte den Sohn, war also eng einbezogen in eine
Aufstellung, die für alle (besonders für die aufstellende Tochter) sehr
anstrengend war. Und ausgerechnet hier gab es (nach Daans vorhergehendem
Hinweis) keine Chance, die Frau danach anzusprechen. Sie verbrachte die
nächste Aufstellung in Tränen oder zumindest nur mit Mühe die Kontrolle
behaltend, nach der Pause kam sie nicht wieder. Ich wüsste gerne, was
aus ihr und ihrer Geschichte geworden ist, die nach der
Gruppenaufstellung darin bestand, dass wir ihren Vater auf die andere
Seite begleitet/geleitet haben.
Die Trommel leitete zur vierten Aufstellung über. Dieses Mal ging es zur
Stärkung einer Vater-Sohn-Beziehung um die Bildung einer Väterkette, in
der ich der Urahn war. Ich hatte große Schwierigkeiten, bei dem zu
sprechenden Satz „Ich bin dein Vater“ nicht „Ich bin dein Vater, Luke“
zu sagen. Und ich hätte mich an einer Stelle sehr gefreut, wenn ich den
Mut gehabt hätte, den Männern links und rechts von mir die Hände auf die
Schultern zu legen, um einen gemeinsamen „Hawa Nagila“ zu beginnen. Man
kann nicht alles haben. Aber in der Pause bin ich dann zu Daan, um ihm
den nicht gemachten Star Wars-Witz zu erzählen. Er entpuppte sich als
Star Trek-Fan. Er meinte dann, als ich ging, wir sollten uns als zwei
Fans eigentlich umarmen … was wir taten. Von hinten fühlte ich mich
durch die Blicke jener Frauen erdolcht, die ihn nicht umarmen durften.
Man kann nicht alles haben; schon gar nicht, wenn man nicht weiß,
welcher Captain der „Enterprise“ der beste ist.
Die fünfte Aufstellung war für mich die schlimmste. Eine Teilnehmerin
suchte einen Mann, der mit ihr auf Augenhöhe leben kann. Daan bekam die
Kurve ganz gut hin, eben nicht die Frau damit zu konfrontieren, dass sie
wohl eher Schwierigkeiten mit ihrem Selbstbild hat. Er lud die Frauen
ein, sich im Raum in einer Reihe nach ihrem Selbstbild/Verhältnis zu
Männern sortiert aufzustellen. Er münzte das Thema in „Würde“ um, was
der Aufstellung wenigstens einen gewissen Erfolg gab – obwohl meinen
Wahrnehmungen nach das männliche Publikum zumindest skeptisch blieb.
Mit dieser Aufstellung endete der erste Tag.
Der zweite Tag
Am zweiten Tag stellte ich fest, dass viele andere mitschreiben, was in
den Aufstellungen passiert – aber in Sicht war niemand außer mir, der
die zwischendrin gegebenen Infos des eigentlich Fortbildenden
aufschrieb. Das war aber wohl auch nicht das Thema: Die Aufmerksamkeit
richtete sich auf den Referenten; so, als würde einen die reine
Reproduktion von Äußerlichkeiten (z.B. Nachtrommeln und Nachsingen)
einen qualifizieren, den schamanischen Teil des Rituals durchzuführen.
Nach einer kurzen Einführung gab es eine Verkaufsinformation von Daan
zum Büchertisch; nachher könne man sich seine Käufe auch signieren
lassen.
Inhaltlich begann es wieder mit einer Runde des kreisenden Spiegels,
bevor wir Aufstellung Nummer 6 begannen. Ärgerlich war hier für mein
Gefühl von Ritualen, dass durch das weiterhin stattfindende, nervende
Zuspätkommen nicht einmal alle Anwesenden Teil der Ritualrunde waren.
Ich halte das für eine Nicht-Respektierung des magischen und heiligen
Rahmens eines solchen Rituals; außerdem glaube ich überhaupt, dass
Kokettiererei der falsche Umgang mit Schamanen ist.
Inhaltlich ging es um einen Sohn, welcher der „Internet-Sucht“ verfallen
ist. Daans Deutung war interessant: Unsere Seele und unser Verstand sind
noch nicht weit genug dafür, das Internet mit allen seinen
Begleiterscheinungen liefert neue Probleme, mit denen wir den Umgang
noch nicht gelernt haben. Bei dieser Aufstellung war Kokettiererei auch
auf anderer Ebene ein Thema: Es ging um die leidige Frage, wie schlecht
man Englisch reden kann. Eine sehr gute Übersetzerin war anwesend,
trotzdem mussten einige Teilnehmer in gruseligem Pseudo-Englisch ihre
Kommentare abgeben. Das führte soweit, dass Daan mit einem „Du kannst
Deutsch reden“ dazwischen ging. Genützt hat es wenig.
Lustig war die Szene, in der ein Mann seine Gefühle mit dem Satz „Meine
Augen schwitzen“ umschrieb, um nicht zugeben zu müssen, dass er weint.
Kannte ich noch nicht.
Gefragt, warum er den Farbkreis nicht eingesetzt habe, meinte Daan, dass
er immer ankündigt, wenn er diesen einsetzt. Nach einer Runde mit der
Rassel ging es dann zur siebten Aufstellung. Als wäre der Hinweis auf
den Kreis die Vorbereitung gewesen, ging es nun um eine Arbeit mit dem
farbigen Kreis. Der Norden stellt den Winter dar, der Osten den
Frühling, dann der Süden mit dem Sommer und der Westen mit dem Herbst.
Für Daan steht dann der Norden für die Ahnen, der Osten für die Geburt,
der Süden für das Leben und der Westen für den Tod.
Das Thema waren diese Mal Kriegstote, die in einer Familie noch präsent
sind. Und ich durfte den Urahn spielen. An dieser Stelle war ich
ausgesprochen dankbar dafür, dass ich vor wenigen Wochen am Grab meines
gefallenen Großvaters war. Mein Leben ist (zumindest ganz sicher, was
das betrifft) im Reinen, von daher war ich gegen die vielen hysterischen
Szenen gewappnet. Es gab Frauen, die wirklich hysterisch schluchzten,
schrien und sich vor Krämpfen schüttelten.
Ist ein Pseudo-Kraftgewinn ein Kraftgewinn? Nein. Wer stark in ein
Ritual geht und stark daraus hervor geht, der hat wahrscheinlich etwas
gelernt – und sei es nur, zu wissen, wie stark er ist. Wer sich im
Ritual absichtlich schwach und weinerlich gibt, um dann (wenig
überraschend) geheilt oder besänftigt zu werden, der hat nichts gelernt,
weil er nicht in der Lage war, in seine Stärke und mit seiner Stärke zu
gehen. All jene Teilnehmenden (okay, es waren nur Teilnehmerinnen), die
hier zum Teil sehr theatralisch gelitten haben, gehören für mich zu
jenen Pseudo-Lernern.
Nach einer weiteren Pause lieferte Daan einen Vortrag über Tod und
Übergang nach, sozusagen im Nachgang der Aufstellung eben. Und dann
sahen wir uns übergangslos in eine zweistündige Mittagspause entlassen.
Nach dem Essen begann Daan mit einer Trommelrunde, bevor wir die achte
Aufstellung begannen. Hier begann Daan mit der Mischung von realen
Figuren (Vater) mit Kräften (Bär). Es ging um eine Konstellation Vater –
Tochter und Ehemann. Schon bei der Aufstellung kam es zu krassen
Gefühlsäußerungen. Schlimmer waren für mich nicht jene, die bei der
Aufstellung mitgewirkt haben, sondern die paar Psycho-Vampire oder
Psycho-Touristen, die mit weit aufgerissenen Augen jede Gefühlsregung,
jede Träne, jedes verzerrte Gesicht am liebsten mit spitzer Zunge vom
Gesicht ablecken wollten, um es nachzuempfinden. Fremder Schmerz, fremde
salzige Tränen, fremde Schreie in sich aufsaugend, um damit die eigene
Leere zu füllen.
Daan nannte die Technik des „voice-dialog“, um sich auf schamanischen
Reisen anderen mitteilen zu können. Als er dann den Begriff der
„Gestalt“ nutzte, den ich aus ganz anderen Zusammenhängen kenne, hatte
er mich dann endgültig verloren. Der Hinweis auf den Fachbegriff „mein
inneres Team“ aus dem Publikum half mir dann ein wenig weiter.[38]
Die neunte (und letzte) Aufstellung beschäftigte sich mit Trennung und
deren Verarbeitung. Danach wurde getrommelt und es gab eine (letzte)
Pause.
Das große Ritual zum Schluss nannte sich „Die vier Arten der Liebe“ und
wurde im Kreis dargestellt. Als Kraft wurden im Inneren zwei
ausgestopfte Kolibris („Großeltern Kolibris“) hinterlegt, die Daan mit
einem Freund zusammen bei einer Museumsauflösung erworben hatte.
Jedes Segment des Kreises, jedes Viertel also beschreibt in dieser
Konstellation laut Daan eine andere Art der Liebe. Die Kolibris in der
Mitte waren eine Art nicht-enden-wollende Quelle der Kraft. Der
Außenkreis, also die Fläche um den Kreis herum, war der „Ort der
Erkundigung“. Der Osten stellte den Fokus der Liebe dar („Raubvogel“ war
Daans Stichwort dafür), die Liebe für den anderen, die spezielle Liebe.
Der Süden stellte die Fülle dar, die Liebe durch Sinneswahrnehmungen.
Der Westen war die Dunkelheit, die wir sehen, wenn wir die Augen
schließen. Eine innere Welt, die Selbstliebe. Der Norden stellte die
universelle Liebe dar, die durch Wesen wie Buddha und Jesus symbolisiert
wird; der Norden stand auch für die Liebe zu Gott. In der Mitte waren
die Kolibris als Kraftquelle in der Aufstellung durch vier Menschen
symbolisiert, die jeder einen Aspekt darstellten. Der Tausch war
erlaubt, und so wurde ich nach wenigen Augenblicken von der Person für
die universelle Liebe ausgetauscht. Den Rest des Rituals verbrachte ich
damit, als Liebesschenker für Menschen zu dienen, die an meinen Händen
weinten, glücklich strahlten oder es einfach nur mit geschlossenen Augen
genossen. Es war wirklich Energie unterwegs, die da floss.
Was hat es mir gebracht?
Erstens: Ich war völlig überrascht von der Menge an Energie, die an
einigen Stellen im Raum unterwegs war. Ganz ehrlich: ich war schon bei
offiziellen „heidnischen Ritualen“, wo bei mehr Teilnehmenden weniger
„los war“ als bei Daan in einigen seiner Aufstellungen.
Zweitens: Ich habe gelernt, dass ich viele Dinge in Bezug auf meine
Familie und meine Freundschaften richtig gemacht habe. Eine Menge
Menschen haben hier Verletzungen oder Ängste oder Unsicherheiten an
Stellen, die ich für mich mit mir geklärt habe. Es tat gut, das
bestätigt zu bekommen – und ebenso gut tat es, ein wenig von der eigenen
Sicherheit weiterzugeben.
Drittens: Nicht alle pädagogischen Ansätze, die ich für „schmutzig“
halte (so wie Hellinger und seine Familienaufstellung) müssen es für
immer bleiben. Aber das habe ich im Heidentum und in der Magie schon
länger immer wieder diskutiert, von daher war der Transfer interessant,
wie das in einem Thema funktioniert, das mich „professionell“ betrifft.
Anmerkungen
Gefehlt hat mir pädagogisch der Hinweis darauf, dass alle Informationen
über die privaten Hintergründe der Aufstellungen vertraulich bleiben.
Verwundert war ich darüber, dass es keine Verweigerer für eine
Aufstellung gab. Meiner Ansicht nach gibt es in einer gesunden Gruppe
immer Verweigerer … aber das fand hier nicht statt. Noch viel
ärgerlicher war, dass es überhaupt keine Nachbereitung für die
Aufstellungen gab. In mindestens einem Falle (siehe oben) wäre das
meiner Ansicht nach dringend nötig gewesen. Zum Thema der Nachreisenden
habe ich mich schon mehrfach geäußert; ich halte das ebenso für
pädagogisch unmöglich.
Eine Teilnehmenden-Liste hätte mich auch gefreut – und sei es nur eine,
bei der man entscheiden kann, ob man drauf steht.
Und die Fortbildung an sich hatte keine Rückmeldeoption – man konnte an
keiner Stelle einen Bogen ausfüllen oder etwas zurückmelden. Überhaupt …
der Charakter der Veranstaltung war nicht einmal ein Zwitter zwischen
Fortbildung und Seminar, sondern es war sicher keine Fortbildung.
Interessant war es trotzdem, aber …
Wachs in meinen Händen
Hallo Salamander!
Mein Leben ist voll von eigenartigen Geschichten. Eigentlich habe ich
nichts dagegen, gibt mir das doch später im Nach-Leben (ich hoffe auf
einen Platz in Reihe 163.449 in Folkwang) Gelegenheit, die abzusitzenden
Jahrzehntausende mit etwas Unterhaltung zu füllen.
Vor einigen Jahren war ich als Sozialarbeiter bei einer Privatschule
tätig. Der Unterricht begann morgens um 8.00 Uhr, die meisten Kollegen
kamen erst gegen 7.50 Uhr. Ich war schon damals ein Frühaufsteher und
wenn ich zusätzlich durch Schmerzen um den Schlaf gebracht wurde, dann
ging ich auch mal früher arbeiten. Wie an jenem Morgen, als ich um 6.15
Uhr die aufschloss. Eigentlich war mein Ziel die
Unterrichtsvorbereitung, aber so weit kam ich nicht.
Der Flur war beleuchtet, die Alarmanlage war aber nicht losgeschlagen.
Während ich noch überlegte, ob ich wegen möglicher Einbrecher die
Polizei rufen solle, ertönte von innen ein Schrei „Halt!“ Ich blieb im
Türrahmen stehen. Um die Ecke kam mein Schulleiter in Leggings und
T-Shirt, dazu zwei weiche Haushaltspuschen mit Kuschelfell obendrauf. In
der Hand ein Schrubber.
Ich schaute ihn fragend an. Er mich auch. „Was wollen Sie denn hier?“,
fragte er mich. „Das könnte ich Sie genauso fragen“, antwortete ich. Er
lachte. Dann erklärte er mir, dass er beschlossen habe, den Boden neu zu
wachsen und zu polieren. Da das mit einer professionellen Firma zu teuer
würde, beschloss er das selbst zu machen. Da er nicht am Wochenende
arbeiten wolle, wäre nur die Zeitspanne von 3.00 Uhr morgens (wachsen)
bis 7.00 Uhr morgens (polieren) geblieben. Ich schaute ihn wohl etwas
skeptisch an, als er mir das erklärt hatte. „Das klingt irre?“, hakte er
nach. Ich nickte bestätigend. Er seufzte nur und meinte „Ich glaube, ich
muss mir eine andere Stelle suchen.“ Drei Monate später war er fort. Ich
habe ihm versprochen, nie einem der Kollegen davon zu erzählen, dass er
und ich nachts nicht schlafen können und daher beide arbeiten gehen – er
morgens um 3 Uhr zum wachsen, ich um 6 Uhr aber nicht zum schrumpfen.
Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da …
Dein Homo Magi
Scharfe Bremsung
Hallo Salamander,
auf einmal war es so weit. Im Zug roch es nach heißgelaufenen Bremsen,
die Lüftung ging aus, das Licht flackerte- und auf einmal standen wir
mitten zwischen zwei Bahnhöfen im Tunnel. Das Licht file immer wieder
aus und von draußen kam kein Licht herein. Die Fenster kann man in
modernen Zügen nicht öffnen, so dass wir keine Chance hatten, die
muffige Außenluft in unser Abteil zu lassen. Aber da wird es schnell
warm drin, wenn die Lüftung nicht läuft.
Dann griffen die ersten zu ihren Handys – kein Netz. Kein Internet,
keine SMS, keine Telefonmöglichkeit. Wenn jetzt bärtige, schmutzige
Gesichter mit angefeilten Zähnen vor dem Fenster aufgetaucht wären – in
meinem Wagen wären sicherlich einige tot umgefallen.
Endlich griffen doch die erlernten Regeln der Zivilisation. Hemden
wurden glatt gestrichen, Taschentücher nervös zwischen den Fingern
zerknüllt. Dann kam die erlösende Durchsage. Weil ein Signal
„zurückgefallen“ war, musste der Zugführer eine Notbremsung hinlegen.
Diese endete dann mitten im Tunnel.
Nicht nur das Signal war zurückgefallen. Meine Mitreisenden erreichten
die Bronzezeit erst wieder, als der Zug in das Tageslicht zurückkehrte.
Dein Homo Magi
Räumen
Hallo Salamander,
im Innen wie im Außen oder „hüben und drüben ein ganzer Mensch“, das
sind die beiden Achsen, die mein (magisches) Leben bestimmen.
So ist es mal wieder Zeit, aufzuräumen. Und man beginnt als echter
Magier (und als jemand, der sich dafür hält) im Keller. Nein, nicht in
meinem Unterbewusstsein, sondern im echten Keller. Muffige Kartons zu
Elektronikgeräten, die man in den letzten fünf Jahren nicht umgetauscht
hat, können zerkleinert und beseitigt werden. Alte Schulunterlagen
können weg, ebenso Unterlagen aus dem Studium. Nach über 20 Jahren
dürfte die Aktualität fragwürdig sein; gar nicht sollte man darüber
nachdenken, warum man Dinge von Umzug zu Umzug mitschleppt, die in über
20 Jahren kein Mensch (einen selbst eingeschlossen) ansehen wollte.
Endlich konnte ich auch meine Schlumpfsammlung mal sortieren, zwar nur
im Keller in Regalen, aber damit ist ein erster Schritt gemacht. Nein,
nicht lachen: Ich vermute, dass jeder gute Magier eine geheime Sammlung
hatte. Merlin hatte einen Keller voll mit Sammeltassen, Dr. Dee verbarg
in einem düsteren Kerker über 500 Trachtenpuppen und Fu Manchu war
bekannt für seine Sammlung von lustigen Mitbringseln aus San Franciso.
Und wer die Bierfilze im Lama-Kloster Tushoptang noch nicht gesehen hat,
der weiß nicht, was wahre Weisheit ist.
In meinen Räumen herrscht langsam wieder Ordnung. Dank meinem Räumen.
Dein Homo Magi
Feen
Hallo Salamander,
im täglichen IC gibt es eine Ecke im Wagen 9, die für Behinderte gedacht
ist; eine Sitzecke für Rollstuhlfahrer, zwei Stühle für
Schwerbehinderte. Dort sitze ich oft, weil ich da ohne Reservierung und
mit Gehstock immer einen Platz finde. So auch gestern. Aber da teilte
ich mir die Behindertenecke mit einem Rollstuhlfahrer, der bald mit mir
in ein kurzes Gespräch kam, da ich auf seine Sachen aufpasste, während
er auf die Toilette rollte. Kein Problem.
Zwischen uns setzte sich dann irgendwann ein Mann Mitte 40 in der
Kleidung eines 20-jährigen, dazu eine bunte Mütze und ein (Verzeihung)
etwas einfältiger Gesichtsausdruck. Er hatte eine Stimme wie Marlene
Dietrich nach zwei Packungen Zigaretten und war offenkundig ein wenig
verwirrt. Oder schlicht.
Als der Schaffner kam, rief der Mann ganz laut „Ich bin die ICE-Fee. Und
ich bin unsichtbar, daher können sie mich überhaupt nicht
kontrollieren.“
Mit einem wissenden Lächeln kontrollierte der Schaffner den
Rollstuhlfahrer und mich, dann ging er seiner Wege. Die ICE-Fee lächelte
glücklich, verabschiedete sich brav von uns beiden und ging laut falsch
singend den Gang entlang, in die entgegengesetzte Richtung, die der
Schaffner eingeschlagen hat.
Alle anderen im Wagen dachten sicherlich darüber nach, warum der Mann
nicht kontrolliert worden ist. Ich wunderte mich nur, warum die ICE-Fee
in einem IC fährt. Alles andere erschien mir logisch.
Dein Homo Magi
Mittsommer
Hallo Salamander,
innerhalb von wenigen Tagen durfte ich den ultimaten heidnischen
Kulturschock erleben.
Mittsommer 1: Mit einer Gruppe sehr netter Heiden im Osten der Republik,
irgendwo bei Magdeburg. Ein gemeinsames Ritual, gemeinsames Sumbeln,
gemeinsames Trinken, viele Gespräche. Einziger Kritikpunkt: Ich hätte
wirklich ein „My little Pony“-T-Shirt dabei haben sollen, um das
monotone Schwarz in der Asatru-Kleidung mit einem pinken Fleck zu
unterbrechen.
Mittsommer 2: Beruflich nach Barcelona, ohne dass jemand vorher einen
Blick in den Kalender geworfen hätte. Dort Johannesfest am Strand von
Barcelona, also das große Mittsommerfest der Spanier. Etwa eine Million
Menschen drängten sich bei fast 30 Grad am Strand, es gab Feuerwerk,
Musik und überall Cocktails und Bier. Menschen tanzten, Menschen sangen,
Menschen küssten sich, Menschen feuerten Raketen ab.
Und vor mir, in der warmen Sommernachtluft, das Mittelmeer. Hier waren
sie alle gesegelt – die Phönizier, Römer, Griechen, Punier. Es war ein
großartiger Moment und ich erwartete fast, einen hölzernen Bug am
Horizont auftauchen zu sehen. Er kam nicht.
Ich sah kein „My little Pony“-T-Shirt, aber man kann nicht alles haben.
Dein Homo Magi
Suchbegriffalarm
Hallo Salamander,
endlich habe ich den neuen, magischen Namen gefunden, nachdem ich immer
gesucht habe. Damit bin ich im Internet ein wandelndes
Alleinstellungsmerkmal – und cool klingt er auch noch!
Die Quelle ist das Buch „Spirits, Stars, and Spells“ von L. Sprague de
Camp und Catherine C. de Camp (New York, 1966). Dort heißt es (S. 181)
über jemand, der zu viele Bücher über Kabbalistik und die Zahlenwerte &
Bedeutungen von Buchstaben gelesen hat:
A Californian believer named Edward L. Hayes dutifully worked over his
name until he transformed it to Tharnmidsbe L. Praghustspondgifeem, and
finally petitioned the courts to give him an even longer, more
auspicious label.
Der Name ist eine Bombe: Keine Treffer bei Google, kein Buchhinweise bei
Amazon. Das heißt nicht nur, dass das von mir gelesene Buch digital noch
nicht erfasst ist (Amazon verweist sonst auf jedes Dreckszitat; also
gibt es noch wichtige Gründe für gedruckte Bücher – unter anderem, dass
man da noch lustige Dinge finden kann). Es heißt auch, dass es noch
Internetorte gibt, die Brachland sind. Unerschlossen. Noch nicht von
Suchparametern durchpflügt. www.praghustspondgifeem.de.
Danke, Tharnmidsbe. Du hast meinen Tag gerettet und mir den Glauben an
das Buch zurückgegeben.
Dankbar, Dein
Cowboys am Morgen
Hallo Salamander,
ich fahre morgens eine Stunde mit dem Zug zur Arbeit (und dieselbe
Strecke abends retour, nur damit das Mal gesagt ist).
Morgens gehe ich früh zum Bahnhof. Am Bahnhof: ein gepflegter Herr Mitte
50. Cowboyhut, weißer, gepflegter Schnurrbart. Am Cowboyhut zwei
silberne Sheriffsterne. Eine Hose mit braunen Lederstreifen am Rand. Ein
Hemd mit Fransen an den Ärmeln. Ein Gürtel mit braunem Leder, vorne ein
Sheriffstern in Bronze als Zierde. Lederjacke. Auf dem Fahrrad hinten
ein Korb und zwei Fahrradtaschen an den Seiten des Gepäckträgers. Mit
dem Fahrrad fährt er von Mülleimer zu Mülleimer und holt Pfandflaschen
raus. Ich sehe ich nicht mittags trinken, wenn ich mal in der Stadt
unterwegs bin. Aber er ist offensichtlich darauf angewiesen,
Pfandflaschen einzusammeln.
Ich fahre eine Stunde Zug. Zweite Klasse, Geschäftsleute mit
Mobiltelefon und Klappcomputer, emsiges Geschwätze bis zum Zielbahnhof.
Aussteigen.
Ein völlig anderer Bahnhof. Verschmutzungsgrad ungefähr zwanzig Mal so
hoch wie am Startbahnhof. Draußen vor dem Bahnhof: ein gepflegter Herr
Mitte 50. Cowboyhut, weißer, gepflegter Schnurrbart. Am Cowboyhut zwei
silberne Sheriffsterne. Eine Hose mit braunen Lederstreifen am Rand. Ein
Hemd mit Fransen an den Ärmeln. Ein Gürtel mit braunem Leder, vorne ein
Sheriffstern in Bronze als Zierde. Lederjacke. Ein Rucksack und zwei
Plastiktüten sind sein Gepäck, in das er Pfandflaschen einräumt.
Rein körperlich würde man den spätmorgendlichen Cowboy nicht mit dem
frühmorgendlichen Cowboy verwechseln. Aber alles andere (Habitus,
Kleidung, Aufgabe) sind identisch.
Drei Thesen:
Erstens: Man sammelt in Deutschland nur Pfandflaschen, wenn man Cowboy
ist. Weil es keine Büffel mehr gibt. Ist unwahrscheinlich.
Zweitens: Die geheime Organisation der Bettler, Scherenschleifer und
Straßenmusikanten hat Kleidungsregeln für jede Untergruppe ausgegeben.
Straßenmusiker nur als Mayas mit Panflöte oder als „Kelly
Family“-Verschnitt. Bettler nur als billiger Zigeuneroper-Abklatsch. Und
Flaschensammler nur als Cowboys. Ist unwahrscheinlich.
Drittens: Die Zwerge, die immer den Hintergrund der Welt auf- und
umbauen (letzteres nur, wenn ich nicht gerade hinschaue), sind knapp an
Bildern und Schauspielern. Daher werden Rollen am Start- und am Zielort
eingesetzt. Klingt gut.
Ich bin mir aber nicht abschließend sicher – und hoffe darauf, dass die
gOdBSuS (geheime Organisation der Bettler, Scherenschleifer und
Straßenmusikanten – kurz gOd) sich bei mir meldet und alles aufklärt.
Dein Homo Magi
Weise
Hallo Salamander,
wenn der „Stein der Weisen“ auf Englisch „The Philosopher’s Stone“
heißt, aber nicht alle Philosophen Weise sind und nicht alle Weisen
Philosophen, wenn die Heiligen Drei Könige eigentlich Weise aus dem
Morgenlande oder genauer Sterndeuter oder noch genauer „magi“ sind[39],
sind dann alle die Begriffe
·
Philosoph
·
Weiser
·
Heiliger König
·
Sterndeuter
·
Magier
austauschbar?
War dann Plato ein Heiliger König, Ernesto Cardenal eigentlich
Sterndeuter, Rudolf II. Magier, Kopernikus Philosoph und John Dee ein
Weiser?
Eigenartige Dinge passieren bei Übersetzungen. Aber „Stein der
Sterndeuter“ hat was …
Dein Homo Magi
IBAN
Hallo Salamander,
ich kann lesen. So lese ich auch mehrmals täglich den neuen Begriff
IBAN. Inhaltlich ist mir schon klar, was das sein soll (nicht nur, weil
meine Bank bei jedem Kontoauszug vier Extraseiten auswirft, um mich auf
den neuesten Stand zu bringen). Auch Wikipedia hilft:
Die IBAN (englisch
International Bank Account Number, deutsch ‚Internationale
Bankkontonummer‘) ist eine internationale, standardisierte Notation für
Bankkontonummern. Sie wird durch die ISO-Norm
ISO 13616-1:2007 Teil 1
beschrieben.[40]
Sich jetzt tiefer in die Materie zu begeben, ist echt schwierig.
Natürlich kann man auf der Seite der ISO nachschauen[41],
aber der Preview funktioniert nicht, den Text selbst könnte ich für 58
CHF kaufen. Ein wenig Recherche (und das meine ich ernst) gibt dann
immerhin eine (wenn auch englischsprachige) Erklärung.
Vorsicht, jetzt wird es eigenartig!
The International Bank Account Number (IBAN) is an internationally
agreed system of identifying
bank accounts across national borders to facilitates the
communication and processing of cross border transactions with a reduced
risk of
transcription errors. It was
originally adopted by the
European Committee for Banking Standards (ECBS), and later as an international standard
under ISO 13616:1997. The current standard is ISO 13616:2007, which
indicates
SWIFT as the formal registrar. Initially developed to facilitate payments
within the
European Union, it has been implemented by most European countries and many
countries in the
developing world, especially in the
Middle East and in the
Caribbean. As at June 2014, 64 countries were using the IBAN numbering system.
The IBAN consists of up to 34 alphanumeric characters, as follows:
·
ISO 3166-1 alpha-2 country code – two letters,
·
check digits – two digits, and
·
Basic Bank Account Number (BBAN) – up to 30 alphanumeric characters
for a country-specific.
The check digits enable a
sanity check of the bank account number to confirm its integrity before
submitting a transaction. The BBAN format is decided by each national
banking community: it must be of a fixed length for the country and
comprise
case-insensitive alphanumeric characters. It includes the domestic bank account
number, branch identifier, and potential routing information.[42]
„Sanity Check? “ Hey, obwohl Wikipedia hier auf der falschen Fährte ist
mit seinen Verweisen auf einen Schnelltest[43],
die erste Quelle ist das Lovecraft’sche Horror-Rollenspiel „Call of
Cthulhu“, wo „Sanity Checks“ zur Spielroutine gehörten.[44]
Aber das alles beweist doch nur, dass die Banken wenig Interesse haben,
ihre Grundregeln zu verraten (sonst würde es kein Geld kosten
herauszufinden, nach welchen Prinzipien meine Überweisungen erfolgen –
immerhin zahle ich für den Kontoservice schon).
Und ich bin jetzt sicher, dass die Banken meine geistige Gesundheit (Sanity)
überprüfen; basierend auf einem Begriff aus einem Horror-Rollenspiel
über die Großen Alten.
Als letztes: Obwohl sich Superchristen über angebliche 666-Strichkodes
aufregen, ist ihnen das entgangen: „I ban“ – „Ich banne“.
Dämonenbekämpfung am Bankautomaten.
Dein Homo Magi
Eigenartige Orte
Hallo Salamander!
In de Camps „Spirits, Stars, and Spells“[45]
stieß ich unter dem Hinweis auf die Rosenkreuzer auf die Stadt Damcar:
He also visited the secret city of Damcar in Arabia, where he
translated the imaginary Arabic „Book M“.
(S. 154)
Ich war neugierig.
Abgesehen davon, dass ich nach einer extensiven Suche im Netz mehr über
die Band „Secret Chiefs 3“ weiß, die offensichtlich „Book M“ und Damcar
ebenfalls verknüpft, führt die weitere Suche in die Wüste, denn die
Suche im Internet erweist sich als … eigenartig. Die „Oriental Apostolic
Church of Damcar“[46]
ist ganz woanders, nämlich nicht in der arabischen Wüste:
The Office of the Metropolitan Catholicos, His Beatitude, Tau Mikael
III Basilides, is located in South Central Lower Michigan.[47]
Michigan. Aha. Das gab es aber noch nicht, als … die Quelle ist sowieso
eigenartig.
Denn seine Herrlichkeit Tau hat noch viel mehr Titel:
I, The Most Reverend Valdiveso Paschal Matthews, in ecclesia, Tau
Mikael III Basilides, by the grace of the Eternal, Metropolitan
Catholicos of The Oriental Apostolic Church of Damcar, Sovereign
Catholicate of the Inland Seas, following the ancient custom of Our
August Predecessors in the One Undivided Church in accordance with
Article 50 of the Council of Mayence (813 A.D).,the teachings of
Richard, Duc de Palatine, and the canons and traditions of the Oriental
Apostolic Church of Damcar, Hereby declares[48]
Haken dran. Immerhin habe ich so gelernt, dass der „Pfadfinder“ von
Cooper im Original „The Pathfinder, or The Inland Sea“ heißt. Hat mit
Damcar nix zu tun, aber mit Michigan auch nicht.
Das Ende der Suche ergibt dann ein Hinweis aus einem Buch von 1614 aus
Kassel über die Stadt Damcar.
Wikipedia
schreibt nicht gerade nett über die Ortsangabe:
This place remains a mystery — it did not become Damascus, but is
somewhere not too far from Jerusalem.[49]
Aha. Wo auch immer man das „Buch M“ auftreiben kann … ich werde es mit
diesen Angaben nicht finden. Und suche dann schon einmal nach „Buch N“.
Das ist weiterführender.
Dein Homo Magi
Wir spechen Deutsch
Hallo Salamander,
nur weil es manchmal Dinge gibt, die man nicht glauben mag, diese
Mitteilung.
Also: Ich lese den Newsletter der Duden-Sprachberatung. Und da steht
doch tatsächlich online bei der Anmeldung[50]:
Ja, ich möchte den Duden-Spachberatungs-Newsletter
erhalten, eine Abmeldung ist jederzeit möglich.
Die Hervorhebung stammt von denen. Also habe ich mich auf deren Seite
gleich zu Wort gemeldet[51]:
Mein Anliegen: Ich möchte eine inhaltliche Rückmeldung zu Ihrer Website
abgeben
Meine Nachricht: Sehr schön:
„Ja, ich möchte den Duden-Spachberatungs-Newsletter erhalten, eine
Abmeldung ist jederzeit möglich.“
Meine Muttersprache ist also eine Spache.
Nachdem meine Anfrage jetzt fast zwei Wochen her ist, ohne dass ich eine
Rückmeldung erhalten habe (oder die Seite geändert worden ist), streiche
ich Dudens Sprachkompetenz aus meinem Gedächtnis, sp(r)eche ab jetzt nur
noch Deutsch mit Homo Magi-Akzent und amüsiere mich königlich.
Pruhahah. Spache.
Dein Homo Magi
Weißes Rauschen
Hallo Salamander,
gestern bin ich auf dem Weg in den Bahnhof einem Herrn nachgelaufen, der
mit zwei großen Plastiktüten beladen war.
Ich konnte ihn nur von hinten sehen. Ein schäbiger Mantel, ausgetretene
Schuhe, eine wirre Frisur. Und dann die beiden Tüten, die eine voll mit
leeren Plastikflaschen. Also war es nicht schwer, ihn einzuordnen: Ein
Penner, ein Obdachloser, ein Vino. Wie immer man „sie“ nennen will, alle
Bezeichnungen sind unfair, weil sie in keiner Weise erfassen, warum sie
so sind, wie sie sind. Alkoholismus? Eine psychische Erkrankung?
Arbeitslosigkeit, Armut, Wohnungsverlust?
Keine Ahnung. Aber was ihn von den anderen unterschied, die ich in den
Tagen vorher beobachtet habe, war die zweite Tüte. Aus ihr drang „Lärm“.
Ich näherte mich unauffällig und ging einige Schritte hinter ihm eine
Weile ebenso einfach entlang wie er.
Nach einer Weile war mir klar, was ich da hörte. Es war kein Lärm, es
war ein Kofferradio. Und dieses Kofferradio war so eingestellt, dass es
zwischen zwei Stationen empfing. Ab und an waren Stimmen zu hören –
unzusammenhängende Silbenfetzen. Dazwischen immer das Rauschen zwischen
zwei Stationen, ein Knattern, nicht unähnlich dem, was ich früher vom
Jupiter kenne.[52]
Der Herr vor mir machte keine Anstalten, den Sender einzustellen.
Vielleicht gibt es einen Punkt in der Welt, wo er sauberen Empfang hat.
Oder mehrere. Und er orientiert sich nicht mit den Augen, sondern anhand
der Verzerrungen aus dem Radio, die ihm sagen, wie nahe er den
Strahlenquellen ist. Oder er ist ein gut getarnter Außerirdischer, der
aus dem weißen Rauschen Mitteilungen vom Mutterschiff empfängt.
Vielleicht ist das Radio aber auch ein Sinnbild für sein Leben: Nicht
justiert, nicht eingestellt, frei im Spiel der Strahlen.
Irgendwie erhaben.
Dein Homo Magi
Der große Schlumpf
Hallo Salamander,
heute stand ich in der Pause mit meinen Kolleginnen im Hof, eine
rauchen. Ich gebe es zu: Ein Laster, aber aus sozialen Gründen manchmal
fast schon ein Zwang.
Auf einmal heben sich um mich herum die Köpfe in den Nacken. Ich schaue
nach oben: Der große Schlumpf! Rote Mütze, rote Hose, blaue Haut, weißer
Bart. Er schwebt über uns hinweg, leicht im Wind taumelnd, bevor ihn die
Gasfüllung weiter und weiter nach oben zieht, unseren Blicken sich
langsam entziehend.
Die Auflösung war dann banal. Im Nachbarhaus wohnt ein
Luftballonverkäufer, der jeden Tag in die Innenstadt geht, um Kindern
die gasgefüllten Ballons in der Form von populären Figuren zu verkaufen.
Eine Figur ist „Papa Schlumpf“ oder „Oberschlumpf“, und jener war ihm an
diesem Morgen entkommen und driftete langsam aus dem Hof gen Himmel.
Wahrscheinlich hatte er sich beim Befüllen mit Gas gelöst, aber die
Freiheit genoss er dann sehr, um uns einen Blick zuzuwerfen und fröhlich
taumelnd als kleiner Punkt nach oben zu entschwinden.
Danke, Papa Schlumpf.
Dein Homo Magi
Abrahamitischer Satanismus
Hallo Salamander,
im Umgang mit dem Islam spricht man jetzt viel darüber, dass man mit dem
(gemäßigten) Islam den Schulterschluss der „abrahamitischen Religionen“
suchen sollte. So, als könnte man ex cathedra zwischen guten Christen
und schlechten Christen, guten Moslems und schlechten Moslems und guten
Juden und schlechten Juden unterscheiden, indem man nur jene einlädt,
die sich der Verständigung öffnen – aber bitte schön nur der
Verständigung mit den Glaubensbrüdern a la Ringparabel.
Was sind eigentlich jene abrahamitischen Religionen? Wikipedia hilft:[53]
Als abrahamitische, abrahamische oder Abrahams Religionen werden
jene
monotheistischen
Religionen bezeichnet, die sich auf
Abraham, den
Stammvater der
Israeliten nach der
Tora (Gen
12,1-3 EU)
bzw. den Ibrahim des
Koran, und seinen Gott beziehen.
Die Bezeichnung wird üblicherweise als Oberbegriff für die drei
großen
Weltreligionen verwandt, die sich auf den „Abrahamsbund“
zurückführen:
·
Das
Judentum: Alle Juden sind für die Bibel „Kinder
Abrahams“, also eine Abstammungseinheit.
·
Das
Christentum: Für das
Neue Testament hat
Jesus Christus an denen, die an ihn glauben,
Verheißungen Abrahams erfüllt und sie in die Gotteskindschaft
einbezogen, so dass auch sie Anteil an den biblischen Verheißungen für
das Volk Israel erhalten.
·
Der
Islam: Dort gilt
Ibrahim ebenfalls als Stammvater
aller
Ismaeliten,
die noch vor dem Erben
Isaak in der Bibel die Zusage
Gottes auf Nachkommenschaft und Segen erhalten. Er ist im
Koran außerdem
nach
Adam der erste
Prophet, der allen Menschen den einzigen wahren
Gott verkündet und zugleich Vorbild ihrer Glaubenstreue und
Gerechtigkeit ist.
Soweit, so gut.
Zwei Fragen drängen sich dem Heiden in mir auf.
Erstens: Was heißt es politisch, wenn die Christen jetzt den
Schulterschluss zu Moslems und Juden suchen? Die großen Kirchen
schrumpfen, von daher ist es offensichtlich wichtig, einen Konsens zu
schaffen, der Mehrheiten erzeugen kann. Das kann mir politisch nicht
gefallen.
Zweitens: Abrahamitische Religionen … wäre das nicht auch was für
Satanisten? Immerhin meinen die denselben Gott wie die Christen in der
Bibel. Selbe Quelle, nämlich Wikipedia:[54]
Der Begriff Satanismus bezieht sich
etymologisch auf Satan und damit auf den
Kulturraum der monotheistischen Religionen
Judentum,
Christentum und
Islam.
Ein Bündnis der vier Gruppen wäre interessant … aber das wäre sicher
weltanschaulich ein Grund, sich als Heide da rauszunehmen. Und so kann
man sich die Politik auch schön reden.
Dein Homo Magi
Schuhfetischisten
Hallo Salamander,
das schöne Schild lockte mich in den Laden. Dem Besitzer und einzigen
Mitarbeiter präsentierte ich sofort mein Problem. Ich hatte da einen
längeren Text, der jetzt schon unter zu langen Sätzen litt. Dazu kam,
dass ich mich nicht entscheiden konnte, an welchen Stellen ein Umbruch
nötig wäre. Natürlich ist es unmöglich, wenn man eine ganze Seite nur
mit 7 oder 8 endlos langen Sätzen füllt, die dann noch nicht einmal
zugunsten der Lesbarkeit von einem Absatz unterbrochen werden.
Anfangs war der Ladenbesitzer noch sehr freundlich, musterte aber –
einem Fetischisten gleich – immer wieder meine Füße und Schuhe. Ich war
anfangs noch irritiert, nahm dann aber seinen Tick schon als
Bestätigung, dass er mein Anliegen verstanden hatte, lauschte er doch
schon einige Minuten sehr angespannt.
Nervös wurde ich aber, als er hinter sich griff und einen Hammer nach
vorne zog. Ein großes Gerät, zwar mit einer Plastikkappe vorne über dem
Metallkpf, aber immer noch gefährlich aussehend. Ein letztes Mal
versuchte ich ihm mein vertracktes germanistisches Problem darzulegen.
Er blieb meinen Wünschen, meinen Hoffnungen gegenüber taub und machte
jetzt klare Hinweise darauf, dass ich anfangen soll, erste
Kleidungsstücke abzulegen.
In was für einen Tempel der Lust war ich geraten? Ich schaute mich um –
diverse Schuhe zeigten von den perversen Vorlieben des Ladenbesitzers,
die dieser sichtbar auslebte. Ein Schauern rannte meinen Rücken
hinunter. Einige Floskeln stotternd verließ ich den Laden und schwor mir
dabei, nie wieder den „Absatz-Sofort-Service“ von Herrn Schuster zu
betreten.
Er sieht nett aus, ist aber sprachlich eine Null.
Dein Homo Magi
Schmerzhafter Spam
Hallo Salamander,
heute bekam ich folgenden, wundervollen Spam:
Sehr geehrter Kunde,
--------------------------------------------------
Wir haben unregelmäßige Aktivität Ihrer Konto erkannt.
Zu Ihrem Schutz, beschränken wir es, bis Sie Ihre Angaben
Bestätigung.
Bitte laden Sie das angehängte Dokument und überprüfen Sie Ihre
Daten.
Wenn Sie diese E-Mail ignorieren Ihre Konto wird gesperrt.
--------------------------------------------------
Bitte verwenden Sie die Website auf dem Laufenden bleiben.
Nutzen Sie diese Gelegenheit, um unser Unternehmen und unsere
Reserven einzuführen.
Vielen Dank, Kundendienst.
Einführen von Reserven? Das tut bestimmt weh.
Löschen.
Dein Homo Magi
Nebel
Lieber Salamander,
der Herbst kündigt sich an – noch zurückhaltend in den frühen
Morgenstunden, wenn die Herbstnebel schwer auf den Feldern liegen. Die
Sonne ist noch kraftvoll, sie zerstrahlt den Nebel in wenigen Minuten.
Sie löst ihn auf, verweht die Schwaden und sorgt dafür, dass das
Sommerlicht sich noch einmal durchsetzt.
Aber es ist der Herbst, den ich für die Jahreszeit der Magie halte. Ob
es daran liegt, dass ich nächstes Jahr 50 werde, weiß ich nicht.
Vielleicht ist es das Gefühl, dass selbst bei einer Lebenserwartung von
100 Jahren die zweite Hälfte meines Lebens (und damit der Herbst)
beginnt. Eigentlich nicht.
Eher ist es der Nebel, der für mich für die Magie steht. Er ist wie eine
„tabula rasa“, auf der man aufzeichnen kann, was einem einfällt. Und
ähnlich wie die Wolken schafft er Bilder von unglaublicher
Eindringlichkeit – auch wenn diese oft nur in den Hinterstuben meines
Verstandes Sinn machen, denn nur für mich gestalten sich Schwaden und
Nebel zu Bildern von vergangenen und kommenden Ereignissen.
Prinz Eisenherz, der in den Nebeln seine Zukunft sieht … dieses Bild aus
dem gleichnamigen Comic hat mich früh beeinflusst, es prägte meine
Erwartung an Zeit und Magie. Warum sollte ich heute nicht in der Lage
sein, die Staffelei des Jahreskreises zu nutzen, um damit Bilder und
Wirklichkeiten zu schaffen?
Avalon ist nicht ohne Grund die Nebelinsel; ich will kein König der
Nebelinsel sein, aber als Besitzer eines netten Landhauses dort könnte
ich mich sehen.
Ach, der Herbst – der Nebel hängt auch schwer auf Gemüt und Seele. Aber
dann kommt wieder der Winter mit der Klarheit der Kälte und dann …
Panta rei.
Dein Homo Magi
Mondhunde
Hallo Salamander,
gerade habe ich mal wieder heidnische Musik gehört, komponiert und
gespielt von einem bekennenden Asatru. Und nein, es ist kein Metal oder
irgendwas anders. Eher … Weltraummusik auf der Orgel. Oder das, was ich
mir als Hintergrundmusik zu einem Ritual an einem leise plätschernden
Bach vorstelle.
Der Künstler trug jahrzehntelang in der Öffentlichkeit einen
Wikingerhelm, hieß mit Spitznamen „the Viking of 6th Avenue“ und hatte
daheim einen Altar für Thor. Achja, er war auch blind. Er starb in
Deutschland, wohin er 1974 zog, um hier die letzten 25 Jahre seines
Lebens zu verbringen.
Moondog ist vor 15 Jahren gestorben.[55]
Alles Gute – ich hoffe, du spielst in Folkwang.
Dein Homo Magi
Der graue Mausling in Tibet
Hallo Salamander,
als ich kürzlich auf meiner Couch entspannt „In den Fesseln von Shangri-La“
sah, war ich so begeistert von Frank Capras Werk, dass ich mir die
längere Dokumentation auf der DVD gleich auch noch angeschaut habe.
Unter anderem wurden Szenen gezeigt, die im Film keine Verwendung
fanden. Dabei war auch eine Version, in welcher der Schauspieler Fritz
Leiber einen Mönch spielt.[56]
Fritz Leiber – wow! Eine meiner Fantasy- und Horror-Ikonen.[57]
Autor von Meisterwerken wie „Die Sündhaften“, „Ein Gespenst sucht Texas
heim“, „Die programmierten Musen“ und „Herrin der Dunkelheit“, ein
absoluter Knaller. Aber … das erschien mir dann vom Alter her
unrealistisch. Und so war es dann auch, ich hatte Vater und Sohn
verwechselt. Über Fritz Leiber (Sohn) heißt es nicht umsonst in der
englischen Wikipedia:
Due to the similarity of the names of the father and the son, some
filmographies incorrectly attribute to Fritz, Jr roles which were in
fact played by his father, Fritz Leiber, Sr.
Fritz, Sr. was the evil Inquisitor in the Errol Flynn adventure film
„The Sea Hawk“ (1940) and had played in many other movies from 1917
onwards until the late 1950s.[58]
Naja, trotzdem ist der Film großartig. Und obwohl es Fritz Leiber
(Vater) nicht in den Film geschafft hat und damit die tolle Vernetzung
zu Fritz Leiber (Sohn) gescheitert ist … man kann nicht alles haben.
Manche guten Filme gibt es ohne Bonus-Informationen.
Trotzdem: Anschauen.
Dein Homo Magi
Samsara, Göttin des Getreides
Lieber Salamander,
immer wieder muss ich im heidnisch-magischen Grundlehrkurs, zu dem mein
Leben immer mal wieder mutiert, erkennen, dass Grundlagen des
esoterischen Lebens nicht gelernt sind.
Dabei ist es doch so einfach. Beginnen wir in der ersten Lektion bei den
Wochentagen und ihren heidnischen Namen:
Sonntag
Tag der Sonne
Montag
Tag des Mondes
Dienstag
Tag des Tiu/Tyr
Mittwoch
Tag des Odin
(aus dem englischen „Wednesday“ einfacher herauszulesen)
Donnerstag
Tag des Thor/Donar
Freitag
Tag der Freya
Samstag
Tag der Samsara
Komischerweise ist Samsara, die nordische Göttin des Getreides, mehr
oder weniger in Vergessenheit geraten. Aber wenn man sich der alten
Lieder entsinnt, dann kommt bei vielen Heiden die Erinnerung wieder: „Samsara
mit dem Sonnenkern“ und die „Urkraft des Keimes“[59],
daran kann sich jeder erinnern. Aber an die Göttin mit dem weizenblonden
Haar und den großen … Augen. Die Erinnerung ist verschwunden.
Schade. Man muss den jungen Leuten heute so viel lernen, damit sie das
Heidentum verstehen tun. Bitter.
Dein Homo Magi
Zu Ende und Beginn des heidnischen Jahres
Es liegt in jedem Neubeginn
ganz innen tief ein Zauber drin,
welchen, wenn man lang ihn sucht,
man am Ende doch verflucht.
Weil, was am Ende man gefunden
nach suchend zugebrachten Stunden
ist kleiner, als man sich erhofft –
so ist es nun bei Zaubern oft.
Manchmal fühlt man sich betrogen
wenn der Zauber schnell verflogen,
flüchtig, wie halt Zauber sind,
weht er fort im ersten Wind.
Und man sieht ihn langsam steigen,
wie es ist den Zaubern eigen,
und er wird schnell klein und kleiner.
Oft fragt man sich so: „War da einer?
Oder hab ich nur empfunden,
dass den Zauber ich gefunden?“
Egal. Im nächsten Neubeginn
Steckt ein neuer Zauber drin.
Andere Trommeln
Hallo Salamander,
es gibt Tage, da muss man immer wieder erfahren, dass es schon lange
Menschen gibt, die zu denselben Erkenntnissen gekommen sind, wie man
selbst:
Willst du alle Sprachen sprechen und die Sitten aller Völker
kennenlernen, willst du weiter reisen als je ein Reisender, willst du
mit allen Himmelsstrichen vertraut sein und machen, dass die Sphinx ihr
Haupt an einem Stein zerschmettert, so folge der Vorschrift des alten
Philosophen: Erkenne dich selbst![60]
Thoreaus „Walden“, aus dem dieses Zitat stammt, erschien 1854. Und
jetzt, 110 Jahre später, kann ich es immer noch mit Genuss lesen. Es ist
zeitlos – zeitlos lebendig und zeitlos wahr. Die Sprache ist weiterhin
schön – meine Übersetzung von Emma Emmerich und Tatjana Fischer[61]
liest sich flüssig, obwohl das Buch über 100 Jahre auf dem Buckel hat,
die Übersetzung auch schon 35 Jahre.
Aber manche Sätze bleiben wahr. Und so will ich mich daran machen, in
den nächsten Tagen dem Klang einer anderen Trommel zu folgen. Wenn ich
Glück habe, ist es die Trommel, nach der schon Thoreau marschiert ist:
Wenn jemand mit seinen Gefährten nicht Schritt hält, so tut er es
vielleicht deshalb nicht, weil er einen anderen Trommler hört.[62]
Dein Homo Magi
Farbenspiele
Während ich aufs Heilen warte
ließ ich wachsen meinen Barte.
Und als ich in den Spiegel schau:
Mist! Da war der Bart dann grau.
Wo in den vergang’nen Jahren
kopfwärts dunkle Haare waren
sind nun in der Lockenlücke
winzig kleine graue Stücke.
Auch am Hals bleibt nichts beim Alten –
Kinn an Kinn mit vielen Falten.
Wo rosig einst die Körperhaut
nun die Haut ein wenig graut.
Seufz, diese Farbe kann ich tragen,
doch ich muss es leider sagen:
Statt dem Grau auf dieser Reise
wär ich lieber weiß und weise.
Felder …
Felder stehen für die Nahrung,
Elysium für Göttlichkeit,
Mysterium für das Geheimnis,
Spiele für die Fröhlichkeit.
Nähren soll uns altes Wissen,
nähren wir der Menschen Geist;
vergessen niemals, dass dies
Lernen
bis zur letzten Reise heißt.
Doch: Im Vergleich zu jedem
Gotte
sind wir Menschen plump und
dumm.
Manchmal brennt ein
Wetterleuchten –
göttliches Mysterium.
Ferner Schatten schlanke Finger
Ferner Schatten schlanke Finger
tanzen auf dem Wiesengrund,
und sehr schläfrig liegt im Dunkel
der alte, heil’ge Steinenrund.
Dolmen steh‘n wie alte Zähne,
das Moos sie wie ein Kleid verziert,
wenn des Mondes volles Funkeln
sich auf ihnen fast verirrt.
Leise liegt das Gras, fast schlafend,
liegen Wald und Wiese hier,
und ganz leise, nicht mal wispernd,
wartet schweigend das Getier.
Wie in Hauch, ein leises Flüstern,
spricht der Hexer seinen Fluch;
und das Sternenzelt bedecket
alles mit dem klaren Tuch.
Und ein Gott erhört die Worte,
hört sie fern im Firmament,
hört den Fluch und den Gedanken,
der dem Fluche immanent.
Hebt die Hand mit einer Geste,
die man nur von Göttern kennt,
deutet nieder, auf die Wiese,
zeigt herab vom Firmament.
Wo gerade noch stand ein Hexer,
auf den Lippen seinen Spruch,
ist jetzt Ruhe, wieder Schweigen
und ein wenig Brandgeruch.
Wenn du rufst die alten Götter
auf der alten Steine Platz –
merke dir die weisen Worte,
Wunsch, nicht Fordern, sei dein Satz.
Lass die alten Götter schlafen,
halte dich vom Fordern fern,
denn die alten, weisen Götter,
hören nur dein Wünschen gern.
„Transuranic heavy elements may not be used where there
is life“
oder: Heidnische Elemente in Science Fiction-Fernsehserien
Vorbemerkung
Zum hundertjährigen Jubiläum der Science Fiction-Fernsehserien
(eigentlich dem ihrer Vorgänger, der „serials“ in den Kinos) habe ich
mich mit der Frage beschäftigt, ob der Esoterik-Boom sich auch in der
Populärkultur spiegelt. Ich habe mich mit dem Thema schon in Bezug auf
Literatur und Comics genähert, ich wollte die Untersuchung für mich mit
dem Medium Kino bzw. Fernsehen abschließen.
Die gewagte These war, dass die Science Fiction – im Unterschied zu
ihrem Bruder, der Fantasy – eben nicht der „logische Spielplatz“ für
fremde, heidnische Religionen ist, sondern eher ein Rückzugsort für
Minderheiten, die dort schon immer einen Platz fanden, um „fringe“-Ideen
auszuleben. Nicht umsonst fand der erste Fernseh-Kuss zwischen einer
Schwarzen und einem Weißen in „Star Trek“ statt, die expliziteste
Darstellung von Sexualität im „Doctor Who“-Offspin „Torchwood“.
Um nicht den Rest meines Lebens mit dem Studium von Fernsehserien
zuzubringen, habe ich mich in vielen Fällen darauf konzentriert,
sekundäres Material zu untersuchen. Das widerspricht zwar meinem
forscherischen Ehrgeiz, ist aber in Bezug auf verbleibende Lebenszeit in
Relation mit der Fülle der Serien nicht anders zu lösen.
Auch inhaltlich musste ich ein paar Eingrenzungen vornehmen. So
betrachte ich nur Serien aus dem Bereich Westeuropa/Nordamerika mit
mindestens einer Übersetzung ins Englische oder Deutsche, ebenso nur
Serien mit durchgehender Handlung (also keine „Twilight Zone“), keine
eindeutigen Kinder-Cartoons, keine Umsetzungen von Computer- oder
Sammelkartenspielen, keine Werbefilme für Spielzeug etc. Außerdem: Keine
Vampire, keine Zombies. Das ist keine Science Fiction, auch wenn ich
mich in Einzelfall gerne Horror & Phantastik gewidmet habe, wenn sich
das nicht vermeiden ließ. Und: Ich unternehme keinerlei Versuche, „Star
Trek“ oder „Dr. Who“ komplett zu erklären. Das sind in sich religiöse
Verehrungsformen, die ich als Häretiker nicht anzweifeln will (und hier
ist die Menge des Sekundärmaterials unendlich viel größer als die Menge
der Primärquellen).
Die Durchführung ergab dann, dass ich mit dem Jahr 2000 abbrechen
musste. Danach wird die Menge unübersichtlich, durch
Internet und Privatfernsehen verwischen Produktionsländer und -firmen,
während die Menge schier unermesslich steigt.
Heidnische Elemente in
Science Fiction-Fernsehserien[63]
Die 1910er
Die Geschichte der Fernsehserie beginnt mit den „serials“ für das Kino.
Die erste entstand 1910[64],
natürlich als Stummfilm. Genre-bezogen ist die erste namhafte Serie „Fantomas“
von 1913.
Genaue Aussagen über diese Ära sind aber schwierig, viele „serials“ sind
verschollen.[65]
Die folgende Liste gibt einen Überblick:
Interessant sind drei Aspekte. Erstens gab es zu dieser Zeit nur Filme
mit echten Schauspielern – Puppen, Zeichentrick, all das lag für das
Genre in der Zukunft. Zweitens gaben sich schon früh bekannte
Persönlichkeiten her, in Genre-Serien aufzutreten (als Beispiel möge
hier Harry Houdini dienen. Drittens war die Zahl der Menschen, die durch
die „serials“ erreicht wurden, sehr hoch.
So spricht das Poster zu „The Gray Ghost“: „A
tremendous ready-made audience of 10,000,000 People awaits each
episode.“[66]
Wegen der Spärlichkeit der überlieferten Quellen ist eine Deutung daher
schwierig – aber außer klaren Verweisen (und zwar durch Serientitel und
die Titel einzelner Episoden) auf Horror, Zauberei und so weiter gibt
diese Dekade heidnisch für dieses Thema nichts her. So ist der
titelgebende Homunculus der gleichnamigen Serie ein künstliches Wesen,
in „The Crimson Stain Mystery“ heißt die erste Episode „The Brand of
Satan“[67].
Aber dies wäre ein christliches Thema, kein heidnisches oder
esoterisches.
Neugierig machen Zusammenfassungen wie diese für „The
Trail of the Octopus“: „Carter Holmes, master criminologist, must help
the oft-kidnapped Ruth Stanhope to find the 9 daggers that will unlock
the secret of the cursed Devil's Trademark!
“[68]
Weitergehende Deutungen sind wegen des geringen Bestands für diese
Dekade kaum möglich.
Die 1920er
Es ist zu erkennen, dass die USA in diesem Jahrzehnt eindeutig den Markt
beherrschen. Und technisch kam es zu einer Weiterentwicklung: der Ton
hielt Einzug in die „serials“: „The Ace of Scotland Yard was a 1929
Universal
movie serial.
It was the first partial sound serial released by
Universal Pictures (although the 69th serial released, including the
silent serials).
Universal announced this as the first talking serial,
but that title is generally agreed to belong to
Mascot Pictures'
The King of
the Kongo (1929). It
was released in both sound and silent versions. The serial is presumed
to be
lost.“[69]
Auch für dieses Jahrzehnt ist es schwierig, etwas über die Inhalte der
Serien zu sagen. Viele, sehr viele sind verschollen, Informationen über
sie sind schwer oder überhaupt nicht aufzutreiben. In einigen Fällen
muss man aufgrund von übriggebliebenen Bildern oder Filmplakaten raten,
ob sie in das Genre gehören. Von den für dieses Jahrzehnt genannten
Serien existieren nur noch „The Hope Diamond Mystery“ und „The Power God“
vollständig, echte Folgerungen sind daher unmöglich.
Die 1930er
Die Geschichte und der „Boom“ der „echten“ SF-Serie beginnt in den
1930ern mit Serien wie „Buck Rogers“ und „Flash Gordon“, die –
wenigstens vom Namen her – auch in Deutschland bekannt sind.
Hier sind nicht alle Serien erhalten; auch sind diese Serien weiterhin
technisch und inhaltlich deutlich unter dem Niveau, dass wir heute
gewöhnt sind. Die Herkunft aus den Radio-Sendungen war nicht zu
verleugnen, ebenso war das neue Medium „Film“ noch nicht ausgetestet.
Gerade die „live“ gefilmten Folgen sind von einer unfreiwilligen Komik,
die heute aber nicht mehr begeistern kann. Technisch sind dies immer
noch keine Fernsehserien, sondern für das Kino produzierte „serials“.
In dieser Zeit zog der Ton in die „serials“ ein: „The Voice from the
Sky“ gilt als das erste „serial“ mit „full sound“.[70]
Neben immer noch bekannten Namen wie Bela Lugosi und Buster Crabbe
liefert uns dieses Jahrzehnt singende Cowboys (Gene Autry).
Okkultismus gibt es genug in dieser Dekade: „The Return of Chandu“ ist
reich an weißer und schwarzer Magie, einer ägyptischen Prinzessin und
einer Reise nach Lemuria. Dafür stammen die Bösewichte in „The Phantom
Empire“ aus dem unterirdischen Reich Murania, aber der Bösewicht in „The
Lost City“ ist dann wieder Lemurier.
Die 1940er
Erst nach dem Zweiten Weltkrieg (wenn auch langsam) begann der „Boom“
der SF-Serien, da das neue Medium des Fernsehens eine weitere
Verbreitung (und viel später: eine erneute Verwendung der Serien im
selben Medium) erlaubte. „Die erste Science-Fiction-Fernsehserie war
Captain Video and His Video Rangers,
die von 1949 bis 1955 von dem amerikanischen Fernsehsender
DuMont ausgestrahlt wurde.“[71]
Viele Serien haben nur einzelne Science Fiction-Elemente und sind nicht
das, was wir heute unter Science Fiction a la „Star Trek“ verstehen
würden.
Ein schönes Beispiel ist die Serie „Bruce Gentry“, über
die es in der Zusammenfassung der Handlung heißt: „Dr Benson, a friend
of charter pilot Bruce Gentry, kidnapped by the
masked mystery
villain,
the Recorder (who only issues orders through recordings), in order to
perfect the villain's flying saucers. Industrialist Paul Radcliffe hires
Bruce to investigate the saucers as he thinks they may have a commercial
use.
Necessary for the production of the flying saucers is a
mineral called Platonite. The Recorder's only source, an abandoned mine
on the land belonging to Jaunita [sic] and Frank Farrell, has run dry
and he needs to steal supplies from the US Government.“[72]
Beeindruckend klingen auch Zusammenfassungen wie diese
(für „Nyoka – Herrin der Beduinen“, im Original „Perils of Nyoka“):
„It's intrepid Nyoka and her friends versus Vultura, Queen of the
Desert, on a quest for the Golden Tablets of Hippocrates.“[73]
Der „mythologische Inhalt“ der Serien dieser Dekade war trotzdem eher
gering: „Captain Marvel“ alias „Shazam“ ist ein magischer Charakter,
aber seine Fähigkeiten beruhen auf der durch die griechischen Götter
bzw. ihrer römischen Äquivalente vergebenen Gaben während der Name Dr.
Satan für sich selbst spricht. Und er ist (wie andere Serien dieser
Zeit) eine Comicumsetzung, also ein Import in das neue Medium.
Immerhin hatte mindestens eine Serie Auswirkungen auf
die neuere Musik, nämlich „The Crimson Ghost“: „The horror punk band
Misfits adapted his visage as their skull logo, and he has appeared in the music
video for the song »The Number of
the Beast« by
Iron Maiden.“[74]
Eine echte Wirkungsmacht kann man daraus aber eigentlich nicht folgern.
Die 1950er
Die technische Entwicklung ging rasant weiter. „1953 wurde mit
Rocky Jones, Space Ranger zum ersten Mal eine
Science-Fiction-Fernsehserie produziert, die auf Film aufgenommen wurde,
so dass eine erhebliche inhaltliche und technische Qualitätssteigerung
möglich wurde.“[75]
Trotzdem sind wir immer noch im Zeitalter der Lücken –so von der ersten
„Buck Rogers“-Fernsehserie sind keine Aufzeichnungen bekannt.[76]
Und die Transformation vom „serial“ zur TV-Serie ist noch nicht richtig
vollzogen. „Commando Cody: Sky Marshal of the Universe“ war als TV-Serie
geplant, startete aber als „serial“.[77]
Das Ende der Kino- „serials“ war aber in Sicht, das Fernsehen hielt
seinen Siegeszug und 1956 endete die Produktion von „serials“.
Die ersten Puppen-Filme landeten im Genre. Aber esoterisch ist wenig zu
holen.
Die 1960er
Technisch war man mit dem Medium des Fernsehens in der
Massenunterhaltung angekommen – die Zahl der Serien stieg (von
gesellschaftlichen Faktoren begünstigt) immens an. Trotzdem sind aus
dieser Zeit immer noch einige Serien verschollen, d.h. es existieren
keine Folgen (wie z.B. bei „Target Luna“[78]
oder „The Big Pull“[79])
oder viele frühe Folgen sind verschollen (wie z.B. bei „Dr. Who“).
Die Puppenserien hatten sich am Markt durchgesetzt, die ersten
Zeichentrickfilme waren „angekommen“. Und: In den 60er begann der
„Siegeszug“ dessen, was wir heute als klassische Science Fiction im
Fernsehen verstehen. In Deutschland war dies 1966 nur „Raumpatrouille“
aus eigener Produktion, aber viele der in dieser Dekade produzierten
Serien werden zu „Science Fiction-Ikonen“ in der Wahrnehmung der
deutschen Zuschauer: „Invasion von der Wega“, „UFO“, „Nummer 6“,
„Raumschiff Enterprise“ …
In den englischsprachigen Ländern war die Welle
ungleich größer: „Batman was part of a wave of Sixties fantasy and
sci-fi shows that included Bewitched, I Dream of Jeannie, The Addams
Family, The Munsters, My Favorite Martian, and Star Trek. During the
Sixties, monsters and myths resurfaced as a part of the popular mind,
and an unprecedented Dionysian explosion capped off the decade.“[80]
Aber trotzdem war SF noch kein marktbeherrschender Faktor, zumindest
nicht in Großbritannien: „Science-fiction productions were rare and
almost always one-offs.
A for Andromeda
(1961) (…) and its sequel (The Andromeda Breakthrough, 1962) were
exceptions.
Britain's first commercial television network ITV to
explore science fiction for programming purposes in the early 1960s. A
proponent for such experimentation was Canadian-born producer Sydney
Newman, who had become Head of Drama at ABC. At ABC, Newman produced the
science-fiction serial Pathfinders In Space (1960) and its
sequels Pathfinders to Mars (1960) and Pathfinders to Venus
(1961) and oversaw the science-fiction anthology series Out of This
World (1962), the first of its kind in the UK. ITV also made an
attempt at children's science fiction, with its short-lived program
Emerald Soup (1963), which coincidentally aired the same night that
Doctor Who premiered.“[81]
Rein optisch sorgen die 60er-Jahre für eine klare Verbesserung bei den
Kostümen und ebenso verschaffen sie weiblichen Hauptpersonen größeren
Raum. Insgesamt waren die 60er aber nur ein müder Vorgeschmack dessen,
was in den nächsten Jahrzehnten aus dem Fernsehschirm auf die Retina der
Fans einwirken würde.
Der Mythos-Anteil ist bis auf eine Serie gering: Birdman (aus „Birdman
and the Galaxy Trio“) erhält seine Fähigkeiten vom ägyptischen
Sonnengott Ra[82],
„The Champions“ von einer hochstehenden Zivilisation in Tibet.[83]
Und der Chef von „World Space Patrol“ und „Fireball XL5“ heißt Steve
Zodiac, an Bord ist auch Doctor Venus.[84]
Aber das dürfte Zufall sein.
Die große Ausnahme-Serie ist bekannt: „Star Trek“ beschäftigte sich
relativ häufig mit Mythologie – in „Who Mourns for Adonais?“ wird das
Schicksal der griechischen Götter angesprochen, in „Bread and Circuses“
wird der christliche Glaube thematisiert und die (in späteren Serien
weiter ausgearbeitete) Religion der Klingonen könnte einem Asatru
gefallen.
Die 1970er
Die 70er waren für viele Serien ein „goldenes Zeitalter“: „The 1970s is
viewed by fans of the genre as a »golden age«.
Doctor Who was going through its strongest period with first
Jon Pertwee (1970–1974) and later
Tom Baker (1974–1981) in the leading role, already firmly
entrenched in the public consciousness.“[85]
Auch hier gibt es immer noch Lücken. So fehlen von „The Adventures of
Don Quick“ fünf der sechs Episoden.[86]
Und die Lücken bei „Dr. Who“ sind schon eine Legende für sich.
Die Dekade kam ohne Puppen aus … die Generation, die die entsprechenden
Serien als Kinder gesehen hatte, war für Nostalgie noch zu jung. Aber
spätestens mit den endlosen Wiederholungen würden sie einen neuen „hype“
erleben.
„Esoterisch“ sind die 70er eher arm. Die „Tomorrow People“ helfen bei
der Ankunft des „homo superior“[87],
der „Man from Atlantis“ kommt genau daher und „Battlestar Galactica“
enthält klassische christliche Züge (12 Planeten = 12 Stämme, Adam[a]
als Anführer), aber auch Ideen aus der Religion der Mormonen.[88]
Es gibt in der Serie auch klare astrologische
Anspielungen: „The twelve colonies are named after the
astrological signs of the Greek
zodiac;
for example,
Scorpia (Scorpio),
Caprica (Capricorn), and
Aquaria (Aquarius). Several of the characters in the series have names
or call signs corresponding to significant characters in Greek
mythology, including
Apollo,
Athena,
and
Cassiopeia.“[89]
Die beste Serie der Dekade bleibt für mich „Sapphire & Steel“ – nicht
nur wegen der großartigen Eröffnungszeile: „All irregularities will be
handled by the forces controlling each dimension.
Trans-uranic heavy elements may not be used where there is life. Medium
atomic weights are available – Gold, Lead, Copper, Jet, Diamond, Radium,
Sapphire, Silver, and Steel.“
[90]
Die Idee einer höheren Macht, welche Agenten mit Element-Fähigkeiten
ausschickt, um Zeit- und Kontinuum-Probleme zu lösen … war deutlich
ihrer Zeit voraus.
Die 1980er
In den 80ern verebbte der Science Fiction-Boom im Fernsehen ein wenig: „Longer-running
science-fiction series became few and far between.
Although
Doctor Who was still running, in terms of audience it was struggling to compete
with US imports in the genre which began to re-emerge following the
box-office success of contemporary films like the
Star Wars franchise. For the television channel controllers, these had the benefit
of transmission rights having a lower cost than any domestic
productions. Dr Who's place in the Saturday schedule was briefly lost
when it was moved to a weekday slot.“[91]
Und eine der bekanntesten SF-Serien starb einen (ersten) Tod: „The
original version of Doctor Who lasted until 1989.
Apart from a television movie in 1996, Doctor Who did not re-emerge in a
bigger budget version until 2005. Affected by rights issues for some
years, many of those behind the new series were fans of the show when
they were younger. Doctor Who returned to television screens on 26 March
2005, gaining a profile reminiscent of the earlier series at its peak.
“[92]
Erstaunlich ist, wie viele Science Fiction-Serien sich in dieser Ära mit
Religion beschäftigen. So haben die Außerirdischen in „Alien Nation“
eine gut entwickelte, eigene Religion. Und viele Kinder folgen eher dem
Schlachtruf aus „He-Man and the Masters of the Universe“ „By the Power
of Grayskull, I HAVE THE POWER“ als den christlichen Lebensregeln.
Erschreckend ist trotzdem, dass die deutsche Serie mit den meisten
mystischen Inhalten wohl „Unterwegs nach Atlantis“ nach Jugendromanen
von Johanna von Koczian ist. Dort finden sich nicht nur Atlantis,
sondern der Alchemist Edward Kelley, Rudolf II., den Pharao Echnaton,
der Graf von Saint Germain, eine Zeitmaschine und das Elixier für die
Untersterblichkeit.[93]
Die 1990er
Diese Dekade wurde von futuristischen Fahrzeugen („Super Force“) und
Öko-SF („Captain Planet“, „seaQuest DSV“) dominiert. Dazu kamen diverse
Spin-Offs zu Filmen, Neuverfilmungen … und gähnende Langeweile. Eine
Stimme in mir ist ganz glücklich, dass ich mit dieser Dekade ende. Und
eine andere Stimme muss zugeben, dass es unmöglich geworden ist, hier
auch nur einen Überblick zu behalten (außer, man macht das
hauptberuflich oder schläft nicht).
Mythen? Tausende. Und es werden immer mehr.
Nachbemerkungen
Und nun? Stummfilme. Oder deutsche schwarz-weiße Spielfilme. Oder alles
bis 1945. Der komische Film, bei dem jedes Jahr ein Engel auf die Erde
geschickt wird, um diese zu vernichten (und es dann nie schafft). Oder „Lumpacivagabundus“
in der Version von 1931. Oder mal wieder „Münchhausen“ mit Hans Albers.
Mal sehen.
[1]
www.amazon.de/gp/help/customer/display.html/?nodeId=193965011 ;
29.11.2013
[2] … okay, das tat
ich schon immer. Seufz.
[3]
http://en.wikipedia.org/wiki/A._L._Morton; 30.12.13
[4]
www.thegoldendream.com/landofcokaygne.htm; 30.12.13
[5] ebenda
[6]
http://en.wikipedia.org/wiki/Cockaigne; 30.12.13
[7] ebenda
[8]
www.classical.net/music/comp.lst/works/orff-cb/carmlyr.php;
30.12.13
[9]
http://phobien.ndesign.de/#note1; 13.01.2014
[10]
http://de.wikipedia.org/wiki/Nacktmull; 13.01.2014
[11]
ebenda
[12]
ebenda
[13]
„Time & Chance“, S. 36
[14]
„Time & Chance“, S. 308
[15] „Time &
Chance“, S. 366
[16] Walkera
„Vorwort“ in de Camp „Die Chronik von Poseidonis“, S. 9
[17] Heinlein
„Nachwort“ in de Camp „Thalia – Gefangene des Olymp“, S. 140
[18]
„Time & Chance“, S. 59
[19]
http://de.wikipedia.org/wiki/Volapük; 20.02.2014
[20]
www.omniglot.com/writing/volapuk.htm; 20.02.2014
[21]
http://de.wikipedia.org/wiki/Solresol; 20.02.2014
[22]
ebenda
[23]
www.clubdevo.com/ (19.02.2014)
[24]
http://de.memory-alpha.org/wiki/Quadrotriticale; 01.04.2014
[25]
http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%97Triticale; 01.04.2014
[26] ebenda
[27] ebenda
[28]
www.agrilexikon.de/index.php?id=triticale; 01.04.2014
[29]
www.mister-blue.de/schlumpf11/schlumpf07.php; 09.04.2014
[30] Ebay-Suche,
09.04.2014
[31] „Havamal“;
zitiert nach http://de.wikisource.org/wiki/Edda/%C3%84ltere_Edda/H%C3%A2vam%C3%A2l
(16.04.2014)
[32]
http://en.wikipedia.org/wiki/L._Sprague_de_Camp; 01.05.2014
[33]
www.spiegel.de/kultur/tv/heinz-schenk-ist-tot-blauer-bock-fernsehstar-a-967111.html;
01.05.2014
[34]
http://de.wikipedia.org/wiki/Getreidemilch; 10.05.2014
[35]
http://de.wikipedia.org/wiki/Sojamilch; 10.05.2014
[36] Ovid
„Metamorphosen“, 14. Buch;
http://gutenberg.spiegel.de/buch/4723/61, 10.05.2014
[37]
www.starwars-collectorbase.com/Collectorbase/DeAgostini/RaumschiffeUndFahrzeuge/046-rettungskapsel_tantive_IV.html;
10.05.2014
[38] Ich sage mal
inhaltlich nichts dazu und verweise nur auf
http://de.wikipedia.org/wiki/Inneres_Team (27.05.2014).
[39]
http://de.wikipedia.org/wiki/Heilige_Drei_K%C3%B6nige; 25.07.14
[40]
http://de.wikipedia.org/wiki/IBAN; 25.07.14
[41]
www.iso.org/iso/iso_catalogue/catalogue_tc/catalogue_detail.htm?csnumber=41031;
25.07.14
[42]
http://wpedia.goo.ne.jp/enwiki/ISO_13616; 25.07.14
[43]
https://en.wikipedia.org/wiki/Sanity_testing; 25.07.14
[44]
www.urbandictionary.com/define.php?term=san%20check; 25.07.14
[45]
L. Sprague de Camp & Catherine C. de Camp „Spirits, Stars and
Spells”, New York, 1966
[46]
http://church-of-damcar.org/; 23.07.14
[47]
http://church-of-damcar.org/?page_id=11; 23.07.14
[48]
http://knightsofsaintgeorge.org/constitution.html; 23.07.14
[49]
https://en.wikipedia.org/wiki/Fama_Fraternitatis; 23.07.14
[50]
www.duden.de/shop/newsletter; 27.07.14
[51] Anfrage:
16.07.14
[52] Nein, ich bin
nicht wahnsinnig: http://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2010/03/30/radio-jupiter-sendet-mysterioses/;
26.08.2014
[53]
http://de.wikipedia.org/wiki/Abrahamitische_Religionen#Tod_und_S.C3.BCnde;
27.08.2014
[54]
http://de.wikipedia.org/wiki/Satanismus; 27.08.2014
[55]
http://en.wikipedia.org/wiki/Moondog; 23.09.2014
[56] Wer es lieber
nachlesen will: www.afi.com/members/catalog/DetailView.aspx?s=&Movie=6322;
24.09.2014
[57] Für mehr:
http://de.wikipedia.org/wiki/Fritz_Leiber; 24.09.2014
[58]
http://en.wikipedia.org/wiki/Fritz_Leiber; 24.09.2014
[59]
www.aurorademeehl.de/index.php?action=auroradetails&titel=mehl;
26.09.2014
[60] Thoreau, S. 313
[61] Henry David
Thoreau „Walden oder Leben in den Wäldern“, Diogenes, 1979
[62] Thoreau, S. 316
[63]
Unter massiver Hilfe von
http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Science-Fiction-Serien;
27.11.2013 und http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_film_serials;
18.12.2013
[64]
Vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_film_serials;
04.12.2013
[65] Ich verdanke
viele Informationen der großartigen Seite www.silentera.com;
09.12.2013
[66]
http://en.wikipedia.org/wiki/File:The_Gray_Ghost.jpg; 04.12.2013
[67]
http://en.wikipedia.org/wiki/The_Crimson_Stain_Mystery;
11.12.2013
[68]
www.imdb.com/title/tt0010795/; 11.12.2013
[69]
http://en.wikipedia.org/wiki/The_ace_of_scotland_yard;
17.12.2013
[70]
laut http://en.wikipedia.org/wiki/The_Voice_from_the_Sky,
18.12.13
[71]
https://de.wikipedia.org/wiki/Science_Fiction_im_Fernsehen;
28.11.2013
[73]
www.imdb.com/title/tt0035181/; 19.12.2013
[74]
http://en.wikipedia.org/wiki/The_Crimson_Ghost; 20.12.13
[75]
https://de.wikipedia.org/wiki/Science_Fiction_im_Fernsehen;
28.11.2013
[76]
http://en.wikipedia.org/wiki/Buck_Rogers#1950.E2.80.931951_ABC_television_series;
06.01.2014
[77]
http://en.wikipedia.org/wiki/Commando_Cody:_Sky_Marshal_of_the_Universe;
07.01.2014
[78]
http://en.wikipedia.org/wiki/Pathfinders_in_Space; 17.04.2014
[79]
http://en.wikipedia.org/wiki/The_Big_Pull; 29.11.2013
[80]
Christopher Knowles „Our Gods wear Spandex”,
San Francisco, 2007, S. 147
[81]
http://en.wikipedia.org/wiki/British_television_science_fiction,
19.12.2013
[82]
http://en.wikipedia.org/wiki/Birdman_and_the_Galaxy_Trio;
28.11.2013
[83]
http://en.wikipedia.org/wiki/The_Champions; 28.11.2013
[84]
http://en.wikipedia.org/wiki/Fireball_XL5; 29.11.2013
[86]
http://en.wikipedia.org/wiki/The_Adventures_of_Don_Quick;
22.04.2014
[87]
http://en.wikipedia.org/wiki/The_Tomorrow_People#Original_series_.281970s.29;
23.04.2014
[88]
http://en.wikipedia.org/wiki/Religious_and_mythological_references_in_Battlestar_Galactica;
29.11.2013
[89] ebenda
[90]
www.clivebanks.co.uk/Sapphire%20and%20Steel%20Intro.htm;
24.04.2014
[93]
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Unterwegs_nach_Atlantis_%28Fernsehserie%29;
04.12.2013
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