Homo Magi Archiv Wöchentliche Ansichten eines Magiers über den Jahreslauf und die Welt Teil 16
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Vegetarische Tomatensuppe
Lieber Salamander,
es tut mir fast leid, dass ich das neue heidnische Jahr mit so etwas
banalem wie einem Text über Essen eröffne. Aber was soll ich tun, brennt
das Thema doch in mir.
Zur Erklärung: Ich bin ein absoluter Anti-Gourmet. Meine Mutter kocht
okay, aber großartige Küche ist anders (was nicht heißen soll, dass ich
meine Mutter nicht liebe & nicht das meiste toll finde, was sie zaubert
– aber da bin ich halt Sohn und nicht objektiv). Dazu kommt, dass ich in
einer längeren Phase meines Lebens von Astronautenkost leben musste
(ohne im Weltraum gewesen zu sein) und danach mein Geschmackssinn so
herunterreguliert war, dass ich alles gerne aß, was nicht zu aggressiv
schmeckte (will heißen: roher Mozzarella, Nüsse ohne Salz, Sojamilch –
alles Dinge, die gut schmecken, aber sie sind eben auch frei von
Geschmacksverstärkern und ähnlichem). Als würde das alles nicht
ausreichen, musste ich 15 oder mehr Jahre meines Lebens sehr aufpassen,
was ich aß und bin mit dem Kleingedruckten auf Nahrung vertraut. Damit
das nicht langt, bin ich noch gegen Kokosnüsse allergisch (und reagiere
ganz schlecht auf Kokosöl, weil mich der Geruch … keine Details).
Nun ist es aber so, dass die letzten Jahre die Nahrungs-Diktatur immer
schlimmer wird. Erst musste alles „light“ sein oder wenigstens nach
einem Fizzelchen Zitrone schmecken. Als das vorbei war, gab es Taurin
und Koffein in vielen Getränken und das war gut oder gefährlich, je
nachdem welcher Lehrmeinung man folgte. Das war das Schöne an Tabak:
Graduell wurde ab Mitte der 80er Jahre jedem Deppen klarer und klarer,
dass Tabak ungesund ist. Und dass man früher stirbt, wenn man raucht –
nicht zwingend in der 1:1-Verbindung, aber doch so statistisch merkbar.
Beim Essen ist das anders. Da kann jeder Depp jeden Mist verkünden, weil
es offensichtlich keine wissenschaftliche Möglichkeit gibt, hier
irgendetwas nachzuweisen (oder weil man die gigantisch gestiegene
Bevölkerung nicht anders ernähren kann als mit Ekel-Fleisch und
widerlichen Pampen). In meiner Lebenszeit hat sich die Weltbevölkerung
fast verdoppelt – wenn Fleisch deutlich „teurer“ herzustellen ist als
z.B. Getreide (was irgendwie logisch ist), dann macht der Verzicht auf
Fleisch Sinn, um mehr Menschen zu ernähren. Das wäre ein schöner Ansatz,
einen, den ich verstehen und wahrscheinlich sogar unterstützen könnte.
Aber dem ist nicht so. Die Argumentation ist eine andere – weniger
humanistisch, dafür aggressiv und zum Teil unvernünftig.
Wir wollen immer dasselbe: Unsterblichkeit bei Gesundheit. Und nicht
Gleichverteilung und Gerechtigkeit. Der Vegetarier fühlt sich moralisch
gut und gesund, der Veganer fühlt sich moralisch gut und gesund und
dabei redewillig. Der Glutenfeind hat noch nie ein Gluten (Glutem?)
gesehen, aber das ist nicht schlimm, viele Ausländerfeinde schaffen das,
ohne je mit einem Ausländer geredet zu haben.
Ich schweife ab. Zurück zum Thema und meiner Verärgerung.
Ich will mich nicht verarschen lassen. Und ich will meine eigenen
Entscheidungen treffen dürfen, gerade bei Ernährung. Und leider sind in
meiner Erfahrung die Nicht-Fleisch-Esser meist aggressiver als die
Fleisch-Esser. Auch bei der Informiertheit gibt es Unterschiede – anders
sind Aufdrucke wie „vegetarisch“ auf „passierten Tomaten“ nicht zu
erklären. Obwohl es angeblich Umsatz-steigernd wirkt, was weniger über
die Tomaten als ihre Konsumenten aussagt.
„Ohne Tierexperimente“ auf einem Sack Kartoffeln, „Gluten-frei“ auf
Wasserflaschen, „natürlicher Anbau“ auf Esskastanien, „vegetarisch“ oder
„vegan“ auf passierten Tomaten. Das passt in eine Zeit, in welcher der
Papst progressiver ist als viele US-Politiker.
Dein Homo Magi
Religionen an sich sind nicht böse
Lieber Salamander,
im Moment geht eine Terrorwelle durch Westeuropa. Und immer wieder wird
vor dem Islam gewarnt.
Religionen an sich sind nicht böse. Es gibt moralisch bessere und
moralisch schlechtere, es gibt glaubwürdiger und unglaubwürdigere. Mit
Ideologien geht es mir genauso. Es gibt welche, die finde ich von der
Grundidee her strunzdumm, andere finde ich schön, fast schon
idealistisch, aber wir Menschen sind dafür nicht gemacht. Das gilt auch
für einige Religionen, die ein Menschenbild zu Grunde legen, das ich mit
dem vorhandenen Material an Humanoiden unrealistisch finde.
Aber Religionen an sich sind nicht von Grund auf böse. Sie und die sie
repräsentierenden Wesen/Gottheiten existieren nicht in einem Limbo und
harren darauf, dass es Wesen gibt, die sich ihnen anschließen. Obwohl es
ein schönes Fantasy-Motiv ist, dass Götter nur so mächtig sind, wie die
Zahl ihrer Anhänger groß und mächtig ist. So, als könnte man einen Gott
schwächen, wenn man die Zahl seiner Gläubigen reduziert. Das mag
realweltlich so aussehen, wenn man sich die Geschichte betrachtet, aber
wie ist dann das „Schlafen“ der heidnischen, nordischen Götter über
Jahrhunderte zu erklären? Gab es Restgläubige, die das Feuer am Brennen
hielten und darauf warteten, dass wir es wieder schüren? Vielleicht
schon. Aber auch das ist eine Glaubensfrage, keine Frage, die man
rational diskutieren sollte.
Der Islam ist nicht böse. Es sind die Menschen, die sich selbst dem
Islam verschreiben und Dinge tun, die böse sind. Alles Taten, die das
Strafrecht abdeckt – Mord ist strafbar und verwerflich, egal, von wem
und aus welchen Motiven er heraus begangen wird. Natürlich gibt es
Situationen – Notstand, den Schutz von Unschuldigen und das
„Tötungsrecht“ des Staates, wenn Todesurteile in der Strafordnung
möglich sind – in denen das anders zu diskutieren ist. Der Polizist, der
schießt, um einen Mord zu verhindern, handelt nicht als Mörder, sondern
er will einen Mord verhindern. Bei Todesurteilen bin ich anderer Meinung
als die Mehrheit … es gibt für mich zwar Gründe, einen Menschen zu
töten, aber ich maße mir das Recht nicht an, darüber eine Entscheidung
zu treffen.
Städte zu bombardieren, um damit Menschen dafür zu bestrafen, dass
einige (wenige) unter ihnen Städte sprengen, das ist der falsche Weg.
Es bleibt uns nur, das zu tun, was die Franzosen auch versuchen: Weiter
auf die Straße gehen, weiter unser Leben leben und mit aller Kraft gegen
das vorzugehen, was hinter diesen Verbrechen (ja, es sind Verbrechen,
das ist für mich undiskutabel) steckt: Angst. Terroristen sind
ängstliche Menschen. Sie stellen sich nicht den Problemen der Welt,
sondern sie versuchen, das zu vernichten, was ihrer Meinung nach die
Grundwurzel allen Übels ist. Und wenn das in ihrer eingeschränkten Sicht
die westliche Welt mit ihren Werten und Idealen ist, dann ist das eben
ihr Ziel.
Natürlich haben wir in den letzten Jahrzehnten einiges falsch gemacht –
wir als westeuropäische Wertegemeinschaft. Waffenhandel,
Stellvertreterkrieger, mangelnde Entwicklungshilfe, Ausbeutung der 2.
und 3. Welt. Aber es gibt Ideale, die wir die ganzen Jahrzehnte (meist)
hochgehalten haben: Freiheit, Demokratie, Humanismus. Wir müssen uns auf
diese besinnen, um uns klar zu werden, was uns stärkt.
Und ganz ehrlich: Wir können, nein, wir müssen allen möglichen Wesen
dafür danken, dass nicht ein irrer Attentäter mit einem Thors-Hammer
oder einem Pentagramm um den Hals einen Bombengürtel trägt und diesen
zur Explosion bringt. Die Hausdurchsuchungen, die Fahndungen, die Hetze
in den Medien – können wir uns dem erwehren? In dem gesellschaftlichen,
unorganisierten Zustand, dem wir uns als „organsierte Heiden“ gerade
befinden? Wahrscheinlich nicht. Nein: sicherlich nicht. Wir haben (noch)
wenig Fürsprecher, haben noch zu wenig selbst von dem vorgelebt, was wir
dann einfordern müssten: Solidarität.
Ich versuche, diese Überlegung immer im Hinterkopf zu behalten, wenn es
darum geht, eine bestimmte Glaubensrichtung per se zu verdammen. Es ist
schwer, aber es muss gehen. Sonst haben wir den Kampf um den Humanismus
verloren. Endgültig.
Dein Homo Magi
Rodolfo
Lieber Salamander,
der Herbst geht schon in den Winter über, und Du hast noch keine
richtigen Leseempfehlungen von mir für die kalten Monate bekommen. Gut,
dann beginnen wir damit.
„Ich – Rodolfo – Magier“ von Otto F. Beer ist bis jetzt an mir
vorbeigegangen. Ein Wühltisch und ein „Zufall“ haben es möglich gemacht,
dass ich den im Paul Zsolnay-Verlag erschienenen Hardcover günstig
erstehen konnte (damals erschienen in der wohlfeilen Reihe „Die
phantastischen Romane“, herausgegeben von Phantastik-Fachmann Franz
Rottensteiner).
Inhaltlich geht es um einen Varieté-Zauberer, der sein Leben vom Ende
der 20er Jahre in Österreich über den Kriegsausbruch (den er in Italien
erlebt) bis in die späten 70er-Jahre beschreibt. So findet sich der
Vater, der sich von der Familie abwendet, aber im SS-Ahnenerbe
einsteigt. Dann kommt der Krieg, eine Internierung in Frankreich, später
der Kontakt nach Amerika und eine Verabredung mit John F. Kennedy.
Nun ist Rodolfo aber nicht nur ein Kartenzauberer, sondern er kann
wirklich Magie – anfangs schafft er es nur, kleine Gegenstände
verschwinden und wieder auftauchen zu lassen. Später marschiert er durch
Wände, bewegt Gegenstände mit der Kraft seiner Gedanken und kann ein
wenig die Zukunft vorhersagen. Gerade diese Aussage gegenüber Präsident
Kennedy macht eine Einflussnahme auf die Weltpolitik unmöglich – denn
das Attentat auf Kennedy in Dallas sieht er nicht vorher.
Rodolfo hat schöne Frauen, Affären, Ehen, aber keine Kinder. Er ist in
Hollywood, in Wien, in Nizza und an den Stätten der Schönen und Reichen.
Sein Leben wird aber immer von einer zweiten, magischen Ebene
durchdrungen – wunderschön seine Anwesenheit in einem Treffen von
Pseudo-Esoterikern in den frühen 60ern. Witzig, ohne verletzend zu
werden, und dazu großartig erzählt.
Am Ende wird einiges klar und unklar. Für mich als Leser stellen sich
eigenartige Fragen: Ist er wirklich tot? War er vielleicht schon immer
der unsterbliche Graf von St. Germain, der nur mal wieder in eine
menschliche Hülle schlüpft?
Man legt das Buch während des Lesens nicht weg, aber am Ende ist man
begeistert, wenn man durch ist. Mit solchen Werken kann der Winter
kommen.
Dein Homo Magi
Zombies und Gefühlsvampire
Lieber Salamander,
am Wochenende war ich auf einer Fortbildung. Und als ich mal probeweise
in einer Trance versank und eigenartige Visionen hatte (gelogen: es ist
alles wahr) konnte ich sie sehen: die Gefühlsvampire.
Es ging um eine Rückführung, Erinnerungen an die Szenen einer Jugend und
Kindheit, die wohl nicht sehr prickelnd gewesen sein kann. Und während
vorne versucht wurde, ganz vorsichtig in die tieferen Schichten des
Bewusstseins vorzudringen, um einem Menschen zu helfen, saßen SIE im
Kreis herum. Mit großen Augen und offenstehenden Mündern, fast schon
sabbernd, lauschten sie aufmerksam jedem Wort aus einem fremden Leben,
das hier vor ihnen ausgebreitet wurde.
Jedes Wort aus der intimsten Schicht wie Honig vom Löffel ableckend und
dabei die Augen gierig, fast orgiastisch, verdrehend – so folgten sie
jedem Wort hingebungsvoll, hatten Freude daran, wie sie tiefer und
tiefer und tiefer in fremdes Leid hinabtauchten.
Erschreckend.
Aber irgendwann wurde mir klar, was hier passiert. Denn das Lösen
fremder Blockaden durch fremde Gewalt und fremdes Leid – das kennt man
doch aus dem Fernsehen. Da werden in jedem Krimi und in jeder
Vorabendserie erfundene oder echte Geheimnisse aufgedeckt. Und unsere
Medienindustrie flankiert das mit Promi-Berichten und Promi-Spielshows
und Promi-News. Aber im Gegensatz zum Fernsehen ist man hier im
Stuhlkreis ganz nahe dran, kann die Angst riechen, die Tränen fast schon
schmecken.
Ich hatte leider keinen Holzpflock dabei.
Dein Homo Magi
Am Kreuzweg der Zeit
Am Kreuzweg der Zeit steht seit uralten Zeiten
die Kneipe, die lang‘ vor uns Menschen bestand.
Von dort führen Straßen und Wege und Pfade
in jedes am Anfang erschaffene Land.
Wo bemooste Pfeiler, Zinken am Baume,
metallene Schilder die Straßen markier’n,
wo Lieder, Gedichte, Sinnsprüche, Zauber
für wissende Wege und Tore tradier’n.
Früh hier nackte Sohlen den Boden verehrten,
flog SPQR als der Römer Geleit.
Vandalen, Awaren, Zigeuner wie Kelten,
sie alle hier reisten im Ablauf der Zeit.
Kreuzritter mit Weihrauch und Goden mit Runen,
drei Wicca-Touristen und Avalons Brut,
Templer und Ketzer, Häretiker, Hexer,
Stella Matutina und Silberweg-Blut.
Ein Bier an der Theke wird jedem geboten,
die Münze ist Silber, doch langt auch ein Lied.
Das Gastrecht ist ehern und uralte Sitte –
Wer weiß schon, was hier nach dem Fortgang geschieht?
Der Ort hier – so hell wie die Kerze im Fenster –
spendet dem Wanderer klärendes Licht.
Drum wartet nicht länger, los: bucht eure Betten!
Die Kneipe am Kreuzweg ist Ostara Pflicht!
Zeitrechnung
Lieber Salamander,
in meinen Bemühungen, einen Asatru-konformen Kalender bzw. eine
entsprechende Zeitrechnung zu entwickeln, lasse ich mich durch nichts
bremsen. Mein erster Versuch, von dem ich heute berichten will, ist die
Einführung eines Neuner-Systems in der Zeitrechnung. Die 9, nicht die
12, ist doch die heilige Zahl der Asatru!
Folgende beeindruckende Verhältnistabelle ergibt sich, wenn man sich dem
Thema nähert:
Ich hoffe, das Verständnis ist einfach. Eine Sekunde (linke Spalte)
passt 60 x in die Minute (bei „Sekunde“ mit dem Finger nach rechts
fahren, bis unten „Minute“ steht). So geht das dann immer weiter;
fünfstellige Zahlen habe ich ignoriert, das Verhältnis bleibt dann
gleich.
Und was ergibt sich? Man kann die Verrechnung in unserem Kalender nicht
einfach auf Asatru umschalten. Nur zwei Mal sind die Faktoren im
Neunersystem abbildbar: im Verhältnis von Sekunden zu Stunden und im
Verhältnis von Minuten zu Tagen (3600 bzw. 1440).
Aber das lässt sich einfach (und völlig unmythologisch) erklären. Im
ersten Fall (Sekunden zu Stunden) ist der Faktor eigentlich 60 Sekunden
pro Minute und 60 Minuten pro Stunde. Aber als Faktoren sind die 60
jeweils 3 * 4 * 5, damit ist am Ende die 9 in den kombinierten 3 * 3 * 4
* 4 * 5 * 5 enthalten. Bei dem Verhältnis Minuten zu Tagen setzt sich
die 1440 aus 24 * 60 zusammen, also 2 * 2 * 2 * 3 und 3 * 4 * 5. Und
hier ist die 3 wieder zwei Mal enthalten (2 * 2 * 2 * 3 * 3 * 4 * 5), so
dass der Faktor 9 entsteht. Also ist die 9 zwar enthalten, aber nur
durch mathematische Kombinationen.
Und wo soll man aus der „Edda“ herleiten, dass die heilige Zahl 9
natürlich im Verhältnis von Sekunde zu Stunde versteckt ist … schwierig.
Aber für die Uhrzeit habe ich eine Lösung. Zumindest beim Ziffernblatt
ist es einfach, die 12 Stunden auf dem Ziffernblatt mit 9 Ziffern
abzudecken. Der Faktor wäre dann x 1,33 (eigentlich x 4/3, da ich die
Periodezahl hier nicht darstellen kann. Also sähe das für die Uhrzeit so
aus:
Alte Zeit
Asatru-Zeit
1:00
1:20
5:00
6:40
6:00
8:00
8:00
10:40
Super, oder? Und die Ankündigung, ein Morgensonneritual wäre um 5.00 Uhr
Frühstück dann ab 6.00 Uhr wird mit dieser Umrechnung für die Asatru
viel akzeptabler …
Dein Homo Magi
Selbstdiagnose
Lieber Salamander,
letzte Woche hatte eine eigenartige Sichtung: Einen in sich
geschlossenen Regelkreis der Heilung. Dieser Regelkreis sah
folgendermaßen aus:
Der Heiler diagnostizierte erst selbst, was er hatte.
Dann behandelte er sich selbst.
Dann evaluierte er seine Erfolge.
Feststellung: Die Symptome waren fort, die Heilung war also erfolgreich.
Da der Regelkreis der Heilung funktioniert hat, konnte er jetzt
hinausgehen, um eine von ihm an anderen diagnostizierte Heilung bei
anderen zu behandeln. Am Ende stellte er dann selbst fest, ob (und
meistens: dass) es geklappt hat. Zurück auf Feld 1.
Für mich ist das kein Regelkreis der Heilung, sondern ein in sich
geschlossenes System des Selbstbetrugs. Und wieder einmal bin ich
erschrocken vom Umgang mit der Gesundheit anderer Menschen. Wer sich
selbst betrügen will – bitteschön. Aber bevor man das anderen tut,
sollte man wenigstens fünf Minuten lang die Vernunft walten lassen und
sich irgendwie eine 4-Augen-Situation mit ins Boot holen, damit man
jemand anders hat, der einen auf Fehler hinweist, die man wegen des
Balkens im eigenen Auge nicht sehen kann.
Zuviel erhofft, vermute ich.
Dein Homo Magi
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben
Viele Ruhestätten bergen
tote Dichter deutscher Zunge.
Sie sind nicht mehr und Thalias Odem
fließt nicht mehr aus ihrer Lunge.
Hoffmann, wo deine Verse schlafen,
im Schatten alter Klostermauern,
da kann im Idyll verwoben
dein Grab den Zeitlauf überdauern.
Wispernd spricht dort nur die Erde,
Steine geben schweigend Kunde,
Bäume, Hecken, selten Blumen
bilden letzte lauschend‘ Runde.
Manchmal dringt auch leises Säuseln,
dringt nah Wasser aus dem Grunde.
Schließ ich meine Augen bringt es
aus Arkadien frohe Kunde.
Du Uhland-Freund, Eulalia-Deuter,
warst oft verfemt – trotz deiner Gabe.
So ist es gut, dass dich am Ende
der Flügel schützt von Corveys Rabe.
Der Wunder größtes ist die Liebe,
der Wunden größte: Einsamkeit.
Manch Lied von dir liegt gut vergessen,
doch mancher Vers lockt durch die Zeit.
So manchmal wünscht sich meine Seele
du würd’st dich einmal nur erheben
und mir, du bartgeschmückter Heros,
ein paar Reime übergeben.
Jahresende
Lieber Salamander,
das Jahr endet. Draußen ist nichts davon zu merken, dass es irgendwann
mal Winter werden könnte. Früher waren es die russischen
Wettermaschinen, heute ist es die globale Erwärmung. Die Erklärungen
passen sich den Zeitläufen an, ohne dabei besser oder glaubhafter zu
werden. So ist das halt mit dem Leben – die Geschichten werden nicht
besser, aber sie verändern sich immerhin.
Ähnlich ist das mit der Magie, mit dem Zauber allgemein. Meine Hexereien
verändern sich. Ich lasse mich weniger von den Gefühlen leiten, sondern
setze mehr und mehr mein Gehirn ein. Wobei ich lustigerweise dabei mehr
auf den Bauch vertraue. Das klingt auf den ersten Blick paradox, nicht
wahr?
Ich habe gelernt, meinem Bauch zu trauen und bestimmte Dinge nicht zu
tun oder lieber etwas Zeit vergehen zu lassen, bevor ich handle. Die
Geschwindigkeit ist aus vielen Dingen raus – jener Wunsch, sofort
zuzuschlagen oder zu beißen, der Wille, eine Auseinandersetzung hier und
jetzt und sofort zu beenden. Mein Bauch rät dann oft zur Besonnenheit,
was in den meisten Fällen sinnvoll ist.
Mein Verstand hat in den letzten 30 Jahren gelernt, dass Magie nicht
heißt, dass man etwas schnell lösen muss. Keine Feuerbälle mehr,
begleitet von irisierenden Farben, glühendheißen Blitzen und Musik von
Devo. Zumindest nicht, wenn es nicht nötig ist. Sondern einfach Dinge
tun, die andere Dinge verändern. Kleine Impulse setzen, die im Laufe von
Stunden, Tagen oder Wochen zu mehr und mehr werden und am Ende riesige
Effekte erzielen, die man ihnen nicht gleich zugetraut hätte.
Ein wenig wie der Flügel des Schmetterlings, der einen Sturm auslöst.
Komisch, aber Bilder, die ich vor 30 Jahren nicht verstanden habe,
fallen langsam in das Puzzle. Altersweisheit oder einfach nur ein
Lernprozess. Ich weiß es nicht und eigentlich ist es mir auch egal. Der
Erleuchtung ist es egal, wie du sie erlangst, um ein brillantes Bonmot
zu zitieren.
Magie nur mit den Händen. Das habe ich vor 30 Jahren geträumt, als ich
das erste Mal „Der Rabe“ mit Vincent Price gesehen habe. Alle Bücher,
alle Kurse, alle Veranstaltungen, alle Rituale – sie haben mir mehr an
Göttlichem gegeben, aber die wahre Lehre an Magie war für mich Vincent
Price. Und die Lehre, dass man nicht immer die Effekte braucht, um etwas
zu erreichen. Die Effekte sind nur für die Beobachter (wie die
Schokoladentünche auf der Wiederbelebungspille in „Die Braut des
Prinzen“).
Mal sehen, was die Zukunft bringt. Ich bin heiter.
Dein Homo Magi
Steinkreise
Lieber Salamander!
Wenn man sich ein paar Stunden gönnt, um sich ein wenig mit Esoterik,
Heidentum, Steinkreisen und Wicca zu beschäftigen, dann kann man das
auch entspannt tun, wenn man einen DVD-Player samt Fernseher besitzt.
Denn: „Children of the Stones“, eine englische Fernsehserie für Kinder
aus dem Jahre 1976, bietet all das.
1.
Gute Schauspieler
Hauptdarsteller Gareth Thomas ist ein aus vielen Serien (u.a. „Blake’s
7“ und „Star Maidens“ – deutsch als „Die Mädchen aus dem Weltraum“,
gemeinsam mit Pierre Brice) bekannter Mime. Bis in die kleinsten Rollen
ist die Serie gut besetzt – glaubhafte Schauspieler in glaubhaften
Rollen.
2.
Tolle Musik
Unfassbar gute Sachen, erinnern irgendwie an eine Mischung aus „2001“,
Kirchenmusik und Horror-Filmen der 90er.
3.
Tolle Titel
Es geht um einen Steinkreis. Und die Titel der sieben Folgen spielen von
„In den Kreis“ über „Kreis der Angst“ bis „Geschlossener Kreis“ mit
dieser Symbolik.
4.
Bilder
Die Serie wurde in Avebury gedreht – inmitten eines Steinkreises. Ich
will nicht zu viel über die Handlung verraten (es ist eine Kinderserie –
aber spannend!
Ich zitiere die englische Wikipedia: “The series is
today considered a landmark in quality children‘s drama and has been
called »the scariest programme ever made for children«.”[1]).
Aber die stehenden Steine sind immer wieder Thema. Und die Aufnahmen –
Luftaufnahmen, Standfotos, Filmsequenzen zwischen den Steinen – setzen
diese Megalithbauten unfassbar gut in Szene.
5.
Der Rahmen
Wicca. Archäologie. Geschichte. Wiedergeburt. Kreise.
Angucken. Es gibt eine nette Box davon, die sollte man sich leisten. Und
keine Angst vor dem Englisch: Die Bilder alleine sind es eigentlich
wert.
Dein Homo Magi
Veteranen der Sprache
Lieber Salamander,
dass die deutsche Sprache immer mehr mit Anglizismen (eher:
Amerikanismen) überschwemmt wird, ist leider wahr. Ein schönes Beispiel
fand ich beim Versuch, eine Software zu ordern, im Internet (nein, ich
schreibe nicht Weltnetz, der Begriff ist mir zu Nazi-affin):
In meiner Organisation
gibt es keine Richtlinie oder Intention, die Mitarbeiter aufgrund von
ethnischer Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht, Nationalität, Religion,
Alter, Behinderung, Geschlechtsidentität, Familienstand,
Schwangerschaft, sexueller Orientierung, politischer Zugehörigkeit,
Gewerkschaftsmitgliedschaft oder Veteranenstatus bei der Einstellung,
dem Arbeitsentgelt, dem Zugang zu Weiterbildung, der Beförderung, der
Kündigung und/oder des Ruhestandes diskriminiert.[2]
Abgesehen vom holperigen „in meiner Organisation“ und der sehr nervigen
„Geschlechtsidentität“ ist es besonders der Veteranenstatus, der mich
überrascht. Veteranen?
Beim Suchen im Internet (ich schreibe nicht googeln, weil ich Google
nicht dafür verwende) findet man schnell, dass amerikanische Firmen
(Beispiel: youtube[3])
das 1:1 vorgeben. Also: Wer einmal übersetzt hat, ist als Quelle immer
viel billiger als eine eigene Übersetzung.
Der Online-Duden schreibt zum Veteranen[4]:
Oldtimer stelle ich nicht ein (eigentlich ja „Altzeiter“ auf Deutsch),
und eine lange Dienstzeit bei der Bundeswehr ist irgendwie niemals
Entscheidungskriterium. Wenn man in die USA schaut, dann ist das sehr
wohl so. Aber dann müsste man ja mehr tun, als nur übersetzen – man
müsste auch nach dem Sinn fragen. Und das machen Amerikaner prinzipiell
nicht, und uns wird es Stück für Stück aberzogen.
Sogar Veteranen der Sprache wie mich.
Dein Homo Magi
Folge der Kalebasse
Hallo Salamander,
eine Kalebasse ist eine Kürbisflasche beziehungsweise ein
Flaschenkürbis. Schön ist, dass das englische Wort „gourd“ wie Gurke
klingt und geschrieben auch so aussieht, aber einen Kürbis bezeichnet.
Da ist wohl irgendein Gemüse-feindlicher Stamm links abgebogen, während
die Gemüse-Richtig-Benenner rechts abgebogen sind. Und bis heute gibt es
also die Sprachtrennung Gurke/Gourd, die sicherlich keine Kriege
hervorgerufen hat. Aber bei der Kalebasse geht es dann wieder – die
heißt auf Englisch „calabash“.
Ein anderer Begriff ist das englische „dipper“ – eine Kelle. Das
Sternbild Großer Wagen heißt auf Englisch „the great dipper“, also
eigentlich irgendwie „Riesenlöffel“. Der Große Wagen wiederum ist nur
ein Teil des Großen Bären. Was ich nicht wusste, sind die tollen Namen
der sechs hellen Sterne: Alioth, Mizar, Benetnasch, Megrez, Phekda,
Merak und Dubhe.[5]
Arabische Namen … im Moment politisch nicht so gewollt, dass wir uns
daran erinnern, wie wichtig die Araber immer wieder für uns waren. Mit
dem Großen Wagen (der als „Polweiser“ dient), findet man leicht den
Polarstern.
Der „Drinking Gourd“, also die Kalebasse, war der Tarn-Name (oder
einfach der Name in ihrer Sprache?) für den Großen Wagen. So kommen wir
zum „Follow the Drinking Gourd“, also einem „Folge den Sternen“. Denn
für die Sklaven in den US-Südstaaten waren die Sternbilder wichtige
Hinweise auf ihrem Weg in den Norden. Und als ich kürzlich auf einer CD
das Lied „Follow the Drinking Gourd“ hörte (und erst „Drinking God“
verstand, was eine Menge über mich aussagt), fing ich an, das zu
hinterfragen.
Und ich fand eine gute Erklärung:
The American folksong Follow the Drinking Gourd was first published in
1928. The Drinking Gourd song was supposedly used by an Underground
Railroad operative to encode escape instructions and a map. These
directions then enabled fleeing slaves to make their way north from
Mobile, Alabama to the Ohio River and freedom. Taken at face value, the
„drinking gourd” refers to the hollowed out gourd used by slaves (and
other rural Americans) as a water dipper. But here it is used as a code
name for the Big Dipper star formation, which points to Polaris, the
Pole Star, and North.[6]
Auch wenn die neuere Forschung wohl erbracht hat, dass das Lied nicht so
authentisch ist, wie es auf den ersten Blick erscheint[7]
- die Geschichte dahinter scheint zu stimmen.
Und dann fällt der Kopf in den Nacken und man schaut hinauf in den
Sternenhimmel. Dann überlegt man sich, wie viele Lieder von Sternen
handeln. Wie viele Weihnachtslieder verehren den Stern, und nicht den
Messias? Mithras ist ein Sonnengott, wie auch Baldur. Man kommt sofort
ins Nachdenken.
„Der große Wagen bringt dich heim“ … vielleicht schreibe ich das Lied ja
noch.
Dein Homo Magi
Unsterbliche
Frauen
Lieber Salamander,
gerade hatte ich sie für
ein Rollenspiel mental reaktiviert: Ayesha, „she who must be obeyed“.[8]
Ich sage nur so viel: Fantasy, Frauen, Fehden.
Nachdem meine arme
Abenteuergruppe im Rollenspiel die Information verdaut hatte, dass eine
untote Vor-Ägypterin einen Auftritt hatte, war ich dann fast schon
erschrocken, als ich am letzten Abend des Spielewochenendes meine
E-Mails anschaute – ich hatte Post von Ayesha. Kein Scherz. Sie schrieb
mir:
Mit einem tiefen Blick in Ihr LinkedIn-Profil, kann ich Ihnen sagen,
einen sehr guten Ruf haben, dachte ich, diese Gelegenheit kann für Sie
von Interesse sein, wenn nicht Ich entschuldige mich für das Eindringen.
Ich bin Ayesha Gaddafi die Tochter des ehemaligen Führer von Libyen
(Col. Muammar Gaddafi), habe ich Business-Vorschlag, sucht derzeit
Seriöse Firma / Person, die wie mein Partner agieren. Kindly wieder zu
mir zu mehr Information.
Regards
Ayesha Gaddafi
Email:ayeshgadd@gmail.com
Nun gut. Ich habe gar keinen LinkedIn-Account deswegen dort kein Profil.
Wahrscheinlich gilt hier „no news is good news“, denn mein guter Ruf
sorgt dafür, dass sie eindringen will (eigentlich müsste das sexistisch
interpretiert umgekehrt … lassen wir das). Der ehemalige Führer („s“
fehlt) hat wirklich eine entsprechende Tochter, sie lebt im Oman.[9]
Wie soll der Business-Vorschlag einer Diktatorentochter aussehen? Und
was antworte ich „kindly wieder zu mir“ für mehr Informationen?
Ayesha, altes Haus - bist du wirklich unsterblich? Doofe
Gesprächseröffnung. Und irgendwie will ich nicht unsterblich werden,
wenn der ehemalige lybische Führer damit verknüpft ist. Irgendwie ist
das … unrein.
Verwirrt bin ich trotzdem. Aber das ist wahrscheinlich am Ende nur einer
jener Zufälle, mit denen Gott uns beweisen will, dass es ihn gibt.
Dein Homo Magi
Wenn ich aus dem Fenster schaue
Lieber Salamander,
wenn ich auf der Arbeit aus dem Fenster schaue, sehe ich zwar nicht die
Externsteine, aber ich muss nicht weit mit dem Auto fahren, um sie zu
besichtigen. Und da ich jeden Tag den Lokalteil der Zeitung lese, bin
ich eigentlich gut informiert über das, was dort passiert – dachte ich.
Das mag natürlich daran liegen, dass ich kein Drache bin.
Wie? Nun, das Internet hilft uns weiter. Also:
Während alle Augen auf
Flüchtlingskrise, Terroranschläge, Sex-Mob und andere globale Krisen
gerichtet sind, vollziehen sich auf der geistigen Ebene erstaunliche und
mutmachende Veränderungen. Knotenpunkte der Leylinien (=Drachenlinien)
werden von den negativen Energien befreit und richten sich neu aus. Das
alte verkrustete System unter der Herrschaft bestimmter Kreise hingegen
siecht in seinen letzten Zügen dahin und versucht verzweifelnd mit False
Flag Aktionen einen Dritten Weltkrieg anzuzetteln. Gezielte Sticheleien
wie die Sex-Mobs an Silvester in ganz Europa gehören zu ihrer Strategie
und sollen die verschiedenen Bevölkerungsgruppen gegeneinander
aufhetzen, was letztendlich in bürgerkriegsähnlichen Zuständen enden
soll, damit dann hinterher die „Befreier“ ihre Eine-Welt-Regierung unter
dem Applaus der Bevölkerung durchsetzen können.
Dabei verlieren die
Eliten langsam den Überblick, da immer mehr Menschenseelen aufwachen und
das perfide Spiel durchschauen, was eine enorme lichtvolle Energie auch
für die Erde freisetzt und eine Verschiebung der Energiestruktur auf der
Erde zum Wohle aller Lebewesen in Gang bringt. Diese globale
Verschiebung wurde u.a. möglich durch die Befreiung einiger
Leylinien-Knotenpunkte, die bis zuletzt wichtige energetische Eckpfeiler
der dunklen Mächte waren.[10]
Aha. Die Mächte hinter den Sex Mobs speisen ihre Energie aus
Leylinien-Knotenpunkten. Schon klar. Aber was hat das mit mir zu tun?
Der
Leylinien-Knotenpunkt und Kraftort „Externsteine“ im Teutoburger Wald
befindet sich momentan in einem dramatischen Befreiungs- und
Transformationsprozess. Die Externsteine wurden vor Jahrtausenden wegen
seiner außergewöhnlichen dort strömenden Energien von den dunklen
Mächten zur Implementierung ihrer Dominanz und zur Ausdehnung ihres
kriegerischen Einflusses auf der Erde kurzerhand „zweckentfremdet“
(…). Leylinien werden traditionell auch Drachenlinien genannt
und sind im ursprünglichen Sinne „Lichtlinien“ und „Hellwege“, an denen
in germanischer und keltischer Zeit Drachen die Funktionen von Wächtern
übernahmen. Drachen waren also in vorchristlicher Zeit nichts „Böses“
(…). Erst die Christen später verteufelten Drachen und machten aus ihnen
Ungeheuer und schlangenartige Wesen. Der griechische Drakon, von dem
diese Bezeichnung herrührt, war ein Archont, dessen Strafen so drastisch
waren, dass man sie drakonisch nannte. Umso erfreulicher, was derzeit
bei den Externsteinen vor sich geht:
„Über die Externsteine
haben bis jetzt mehr als 100.000 Drachen die Erde verlassen und fliegen
heim. Es ist ein Exodus ohnegleichen und er dauert an. Die Drachen sind
sehr froh, endlich frei zu sein. Sie sind von den Archonten gezwungen
worden die Kontenpunkte
[sic!] der Leylinien zu bewachen und im Sinne der Archonten dort die
(dunklen) Strukturen einzuprogrammieren. Jetzt sind diese Knotenpunkte
ohne Energie und Programmierer.“ Quelle: Leylines-Informant[11]
Abgesehen von sprachlichen Eigenartigkeiten (und den großartigen
Kontenpunkten an den Ley-Linien) bleibt die Frage, wie die Externsteine
vor Jahrtausenden von dunklen Mächten übernommen wurden (wahrscheinlich
lange bevor sie als Kultort genutzt wurden) – um dann erst jetzt Sex
Mobs damit zu organisieren.
Denken wir einen weiteren Moment nach: Drachen passten früher auf die
Leylinien auf und erst die Christen haben sie verteufelt. Aha. Siegfried
und andere Drachentöter als vorchristlichen bzw. klar heidnischen Mythen
… alles Tarnung, vermute ich mal. Und 100.000 Drachen haben die Erde
schon über die Externsteine verlassen – nachts, weil man sie dann nicht
sieht, vermute ich. Komisch, dass keiner meiner Kollegen irgendwas davon
mitbekommen hat.
In China übrigens, wo
der Drache mit Wasser und Fruchtbarkeit in Verbindung gebracht wird,
gilt er auch heute noch als Glücksbringer. Im deutschen Sprachraum wird
der Drache auch als Lintwurm bezeichnet [lint = leuchtend (!), dies also
der Zusammenhang zu den Lichtstationen (=Leylinien).[12]
Wir lassen das mit „lint“ als „leuchtend“ mal stehen, obwohl es meinen
Suchaktionen nach falsch ist. Ist trotzdem lustig. Weiter:
Es wird sich zeigen, was
jetzt passiert. Bis leider auf kleinere Attentate wie heute in Istanbul
wird es den von einigen Schwarzsehern vermuteten Genozid an 5-10
Millionen Deutschen nicht geben. Die meisten Migranten werden sich nach
der Umstellung größtenteils wieder Richtung Heimat begeben. Sie sind
gesellschaftlich noch rund 150 Jahre hinter uns und brauchen die
Familienstrukturen um sich wohl zu fühlen. Das fehlt ihnen hier u.a.
Zudem bleiben die Willkommensgeschenke, die ihnen von bezahlten
Schleusern versprochen wurden wie Auto, Wohnung und Geld vom Staat aus.
Die Kriminellen und Söldner von Sylvester, die für die Sex-Mobs
verantwortlich sind, verschwinden spätestens sobald die Zahlungen aus
USA und Saudi-Arabien ausbleiben.[13]
Die bösen Kräfte sind an anderer Stelle tätig. Die Behauptungen über
Migranten hier sind nicht nur Quatsch, sondern dumm. Wie ist man denn
gesellschaftlich noch rund 150 Jahre hinter uns und welche
Familienstrukturen sind gemeint? Eltern, die ihre Kinder gemeinsam groß
ziehen? Ehen nur zwischen unterschiedlichen Geschlechtern? Kein
Missbrauch von Kindern für Sex? Oder die abendliche Gemeinschaft vor dem
Fernseher? Die Fußball-Fans? Und – waren nicht gerade die dunklen Mächte
an den Sex-Mobs schuld – Saudis stecken hinter dem Missbrauch der
Externsteine und die USA kämpft heimlich gegen Drachen?
Die Neuprogrammierung
der neuen Knotenpunkte und der Leylinien hat noch nicht begonnen, es
liegt dort entweder ruhig oder baut sich erst noch auf. Bis das gesamte
neue Netz steht, wird es noch einige Zeit dauern. Um das neue Gitternetz
der Erde aufzubauen, braucht es noch viele erwachende Menschen mit
Klarheit, Bewusstheit und mit einem offenen Herzen.[14]
Ja sicher das. Entweder es hat noch nicht begonnen oder es ist ruhig
oder es baut sich auf. Oder es ist alles wahr oder es ist alles falsch
oder es ist alles Blödsinn. Oder alles alles davon. Oder.
Dein Homo Magi
Abschied von Telefonnummern
Lieber Salamander,
heute ging ein alter Freund von mir in Rente. Okay, irgendwie der aktive
Teil der Altersteilzeit oder so etwas. Auf jeden Fall war er heute das
letzte Mal an seinem Arbeitsplatz.
Seine Telefonnummer am Arbeitsplatz gehört zu den weniger als zehn
Telefonnummern, die ich auswendig kann. Früher war mein Gedächtnis
besser. Vielleicht war es auch so, dass die drehbare Wählscheibe an
unseren Telefonen einfach dazu führte, dass man das Muskelgedächtnis
mehr in die Nummern eingebunden hat. Die waren für mich noch Jahre
später rekonstruierbar, wenn ich überlegte, was meine Finger für
Bewegungen gemacht haben. Die Nummer meine Mutter, die alte
Arbeitsnummer meines Vaters, die Telefonnummer meiner magischen
Ausbilderin (im Ausland), mein eigenes Handy, zwei oder drei Freunde,
dann noch die Arbeitsnummer jenes Freundes. Mehr Sachen kann ich in dem
Bereich nicht auswendig.
Okay, ich hatte zwischendurch einen Gedächtnisverlust und ich werde auch
älter. Trotzdem war es heute schmerzhaft, ein letztes Mal die Nummer
anzurufen und mich von der Nummer und vom Anrufen auf seinem
Arbeitsplatz zu verabschieden. Wie oft hatte ich früher seine Kollegin
mit der netten Stimme am Telefon (versetzt), dann immer mal wieder
seinen Chef (der auch glauben muss, dass ich der schwule Liebhaber war).
Es war immer nett. Ein paar Sätze morgens, 30 Jahre oder so.
Wir werden alle älter. Und jener Freund ist auf den Tag genau neun Jahre
älter als ich. Eine magische Zahl, die 9. Aber auch ein Indiz dafür,
dass ich irgendwann in das Rentenalter komme. Nur nicht in 9 Jahren,
weil ich zu jener Alterskohorte gehöre, deren Rentenbeiträge von unseren
Eltern aufgebraucht und verschleudert worden sind. Mit 65 gehe ich
sicher nicht in Rente, wenn ich noch Arbeit habe. Über vorher brauche
ich nicht nachdenken – außer mein Jahreslos der „Aktion Mensch“ spuckt
die Sofortrente aus. An Hobbies hätte ich genug zu bieten, um die Zeit
zu füllen. Aber der soziale Rahmen der Kollegen würde mir fehlen.
Komisch. Ein Brief an eine alte Telefonnummer. Quersumme 2. 11 Ziffern.
Unbrauchbarer Datenmüll in meinem Gehirn. Ab heute. Wie so vieles
andere. Das Gefühl, einen Joystick in der Hand zu halten. Die
Drehscheibe eines Wähltelefons. Die Verpackung von „Raider“.
VHS-Kassetten. Die alte Klarsichtfolie, die früher zwischen Käsescheiben
war. Ein Radio mit magischem Auge.
Vom Winde verweht.
Eine Lehrstunde in Vergänglichkeit.
Dein Homo Magi
Eigene Siege
Lieber Salamander,
die Berichterstattung über Nordkorea macht mir immer ein wenig Angst.
Nicht wegen der Nordkoreaner (die sind weit weg) oder deren Atomwaffen
(die sind weit weg), sondern wegen der Überlegungen, die man dabei für
und über sich selbst anstellen muss.
Die Nordkoreaner wurden mal Opfer eines richtigen guten Netz-Witzes.
Okay, ich weiß nicht, ob die Nordkoreaner überhaupt außerhalb der Clique
der schlimme-Frisuren-Träger Internet haben, aber mal angenommen, sie
hätten das: Da ging es darum, dass die Nordkoreaner durch deren
Geheimdienst immer wieder so geschickt in Fußballspiele reingeschnitten
worden sind, das am Ende für den nordkoreanischen Fernsehschauer klar
war, dass in Wirklichkeit Nordkorea Fußballweltmeister ist.
Und dazu dann Kim-Il-Andscharo als Fußballgott und Lichtgestalt
schlechthin (korrupter als mancher Fußballmanager ist der auch nicht).
Und natürlich ist das deswegen lustig, weil man den Nordkoreanern das
zutraut – die sind irgendwie die Antwort auf das Rumänien der
70er-Jahre, nur auf einem anderen Kontinent. Und wir als Überlebende
Wiedervereinigung bangen ein wenig mit den Südkoreanern davor, dass
deren nordkoreanische DDR zusammenbricht.
Aber mal ganz ehrlich – wissen wir, ob alle Fußballübertragungen, nein,
überhaupt alle Sportveranstaltungen wirklich weltweit identisch
übertragen werden? Würden wir je erfahren, dass die Peruaner seit 1970
glauben, sie hätten jede Weltmeisterschaft im Handball gewonnen? Oder
dass es Sportarten geben könnte, deren Landes- und Kontinentligen bei
uns völlig ausgeblendet werden?
Sind wir zum Beispiel bei Faustball Lachplatte des Kontinents, weil
unsere Mannschaft da andauernd peinlich verliert? Glauben nur wir, wir
würden guten Fußball spielen – und der Rest ist über die Medien längst
manipuliert? Was ist mit Tennis, sowieso eine Sportart, der ich zutiefst
misstraue – das könnte man für kleines Geld fälschen, zwei Spielerinnen
in kurzen Höschen, dazu ein maximal 300 gelangweilte Personen
umfassendes Stadium. Das ist doch in einer halben Stunde mit dem
billigsten Flashmob der Geschichte gefälscht. Okay, Snooker ist noch
billiger zu fälschen – aber da glaube ich sowieso nicht – von Darts
wollen wir erst nicht reden, das kann für jede Nation der Welt mit
unterschiedlichen Siegern in derselben Kneipe gedreht werden.
Nordkorea ist nur lustig, wenn man nicht zu lange über die Realität
nachdenkt. Und: Ist wirklich wahr, was wir über Nordkorea denken? Oder
ist das vielleicht ein blühendes Land voller glücklicher Menschen, und
wir dürfen da nicht hin, um nicht die Wahrheit zu erkennen?
Ich weiß es nicht. Und das ist im Zeitalter der (angeblich) totalen
Information schon wieder Balsam für die Seele.
Dein Homo Magi
Abschied
Lieber Salamander,
manches Mal liest man Texte, hört man Lieder, die so gut sind, dass man
Tage, nein Wochen lang keine einzige Zeile mehr zu Papier bekommt, weil
man genau weiß, dass man selbst nie nie nie einen solchen Effekt
erreichen kann. So ging es mir bei „Wenn das Eisen mich mäht (Abschied)“
von Josef Luitpold (Text) und Béla
Reinitz (Musik), gesungen von Ernst Busch:
Wenn das Eisen mich mäht,
Wenn mein Atem vergeht,
Sollt stumm unterm Rasen mich breiten.
Lasst das Wortgespiel,
‘s war kein Held, der da fiel,
War ein Opfer vergangener Zeiten.
‘s war einer, der nie nach Völkermord schrie,
War ein Bürger kommender Zeiten.
Wenn das Eisen mich mäht,
Wenn mein Atem vergeht,
Sollt stumm unterm Rasen mich breiten.
„Bekannt geworden ist es durch Ernst Busch, dem dieses
Lied viel bedeutete, und der es sich als Abschiedsgruß für seine eigene
Beerdigung wünschte.“[15]
Ernst Busch, alter Sack, und schon wieder hast du ich
voll ins Herz erwischt.
Dein Homo Magi
Rita
Lieber Salamander,
da habe ich jahrelang „Lovely Rita“ von den Beatles gehört – und jetzt
muss ich feststellen, dass die Beatles damit offensichtlich entweder
dokumentieren wollen, dass sie von nordischem Glauben keine Ahnung haben
oder sie hatten vor, in Melodie und Text ein übles Wesen zu preisen.
Wie bitte? Die Beatles? Noch einmal: Die Beatles sind keine Asatru und
können keine Runen lesen. Sonst wäre ein Lied wie „Lovely Rita“
unmöglich, denn „rita“ ist eine „pejorative Bezeichnung für einen
Unhold/Übeltäter“.[16]
Zu dem bösen Fremdwort heißt es in der Wikipedia:
Als Pejorativum (Pl.:
Pejorativa) oder Pejorativ (Pl.: Pejorative) (zu
lat. peior ‚schlechter‘) wird in der
Sprachwissenschaft, namentlich in der
Semantik, ein sprachlicher Ausdruck dann genannt, wenn er das
mit ihm Bezeichnete „implizit abwertet“. (Das zugehörige Adjektiv
pejorativ bedeutet ‚abwertend‘.) Ein Pejorativum ist demnach keine
grammatikalische
Wortart, sondern deutet auf die Absicht des Sprechers hin,
mit einem solchen Ausdruck etwas oder jemanden bewusst schlechter
darzustellen. Hinsichtlich der
Wortbildung sind Pejorativa oftmals durch bestimmte Vor- oder
Nachsilben gekennzeichnet. Ausdrückliche Pejorativa sind
Schimpfwörter; ähnlich einem Pejorativum ist ein
Dysphemismus. Das Gegenteil eines Pejorativums ist die
Affirmation.[17]
Wieder zwei Dinge gelernt: Etwas über Rita und die Beatles und eine
Fremdwortlektion frei Haus dazu. Und dann sage einer, Runenbücher würden
nicht bilden.
Dein Homo Magi
Herzliche Segenswünsche
Hallo Salamander,
meine Mutter räumt daheim auf. Ob sie noch einmal umziehen will und wird
– wer weiß. Aber jetzt hat sie die Glückwunschkarten zu meiner
Konfirmation wieder gefunden. Nein, das müsste man eigentlich in
Anführungsstrichen setzen, das wieder gefunden. Sie wusste sicherlich
über 30 Jahre lang sehr genau, wo die Karten lagern. Kein Mensch hat sie
vermisst, aber jetzt sind sie wieder da.
Also, Konfirmationskarten. Drauf: In den 70er-Jahre-Modefarben Lila und
Dunkelrot eine Art Kreuz, darunter „Herzliche Segenswünsche. Darin dann
Grüße der katholischen Nachbarsfamilie und eine krakelige
Handschriftennotiz von mir zum Geschenk: „Meister des Grauens“. Ich
erinnere mich: Das war eine gebundene Ausgabe von klassischen Grusel-
und Gespenstergeschichten. Sogar an das Titelbild kann ich mich
erinnern.
Zur Konfirmation?
Von Katholiken?
Das macht mir jetzt Angst. Noch mehr als der Gedanke an meine Mutter,
die mit der Grubenlampe auf der Stirn im Keller nach alten Bildern und
Briefen sucht. Gru-se-lig.
Dein Homo Magi
Bürgerkrieg und Enterprise
Hallo Salamander,
mal wieder habe ich im Auto Arbeiterlieder gehört, so auch das schöne
„Hans Beimler, Kamerad“, gesungen von Ernst Busch. Irgendwie war ich
neugierig, die Lebensdaten von Hans Beimler zu erfahren. Das tat ich –
aber was durfte ich in der Wikipedia über seine Nachfahren erfahren:
Der am 28. April 1921 in
München geborene Sohn Beimlers Johann wurde 1937 in Moskau wegen
angeblicher Teilnahme an der Vorbereitung eines Attentates auf Stalin
verhaftet, später vermutlich wegen seines bekannten Vaters freigelassen
und konnte nach Mexiko fliehen. Dort wurde Johanns Sohn Hans Anthony
Beimler geboren, der später als Drehbuchautor für Fernsehserien wie
Star Trek: The Next Generation
und
Deep Space Nine arbeitete.[18]
Die deutsche Wikipedia hilft einem jetzt nicht weiter, wenn man etwas
über Hans Anthony Beimler erfahren will, aber in der englischen Version
wird einem weiter geholfen:
Beimler gained a position on the staff of television series
Fame as a screenwriter, and went on to work for shows such as
Knightwatch before gaining a staff position on
Star Trek:
The Next Generation.
Beimler wrote multiple episodes of, and worked as a story editor and
co-producer for, The Next Generation from 1988 to 1990. (…) He was then
co-executive producer, director, and writer for the short-lived series
TekWar, before working on
Star Trek:
Deep Space Nine from 1995 to 1999. He had an uncredited appearance
as a
holodeck character in the series‘final episode, „What You Leave Behind“.[19]
„What You Leave
Behind“ – das, was man hinter sich lässt. Das passt doch zur Familie
Beimler, zur Geschichte der deutschen Republik und ein wenig auch zu
„Raumschiff Enterprise“. Der Drang hinaus, der steckt in beidem, im
Revolutionär wie im Raumschiffkapitän.
Seine Heimat musst er
lassen
Weil er
Freiheitskämpfer war
Auf Spaniens blut'gen
Strassen
Für das Recht der
armen Klassen
/: Starb Hans, der
Kommissar. :/[20]
Dein Homo Magi
Erinnerungen
Lieber Salamander,
meine Mutter hat angefangen, in meinem Elternhaus ein wenig aufzuräumen.
Jetzt fand sie 40 Jahre alte Umschläge mit Mitteilungen meines Vaters.
Wir waren damals als Kinder mit Mutter im Urlaub, er war arbeiten. Also
gab er uns für jeden Tag eine Wundertüte mit – so waren diese auch
benannt, aktuell schaue ich gerade auf eine „Spezial-Wundertüte“. Darauf
der Hinweis: „Beim Mittagessen zu erbrechen!“
Enthalten sind sein Passfoto, seine Visitenkarte, eine Postkarte meiner
Heimatstadt – der Rest ist im Lauf der Zeit verschwunden. Ich weiß sogar
noch genau, wie: Tag-genau. Denn er hatte von seinen Dienstreisen immer
fremde Währung mitgebracht. Diese schenkte er uns tageweise als
Taschengeld, sortiert nach Land.
Heute undenkbar: Fremde Währung aus vielen Ländern, die heute in der
Euro-Zone sind. Ganz schön schwer vorstellbar, dass es damals nicht sehr
weit war, wenn man 8 oder 10 fremde Rechnungen mit einer Autofahrt
einsammeln wollte. Und natürlich war das meiste „konvertierbare
Währung“, also keine der schönen Münzen aus obskuren Ostblockländern.
Heute alle in der Euro-Zone, wenn ich das mal so nachschieben darf.
Mein kleiner Bruder und ich waren jeden Tag auf der Bank, um die Münzen
und kleinen Scheine umzuwechseln. Mal war es weniger als eine Mark, mal
ein paar Mark für uns beide. Und das Geld haben wir dann brüderlich
geteilt und sind losgezogen. In mir hat dieses Geld ein Sammelgebiet
begründet, das mich bis heute begleitet. Ich habe von den Einnahmen
„Perry Rhodan“-Comics gekauft. Und das allein war ein wichtiger
Grundstein für mein späteres Leben, den man Vater damit mitfinanziert
hat. Danke dafür.
Dein Homo Magi
Heute früh
Lieber Salamander,
heute früh saß ich beim Arzt. Ein Facharzt – da bin ich manchmal morgens
der Einzige, der entspannt herumsitzt. Nach 30 Jahren in solchen
Wartezimmern habe ich einen entspannten Umgang mit meiner Erkrankung
gewonnen, so dass mir das keine rechte Angst mehr einflößt. Ich nutze
die Zeit, um mich beim Klatsch und Tratsch über europäische
Fürstenfamilien auf den aktuellen Stand zu bringen. Ansonsten sitze ich
und lese.
Die Praxis öffnet vor 8.00 Uhr, aber die Ärzte haben erst ab 8.00 Uhr
Sprechstunde. Wegen der Parkplätze und wegen der Entspannung, die eine
zu frühe Anreise bringt, war ich schon um 7.30 Uhr da. Also saß ich im
Wartezimmer und las Zeitung, als nacheinander die Patienten
eintrudelten. Ein Paar machte mich aufmerksam. Sie war maximal Anfang
20. Wächserne Haut, geschwollene Tränensäcke, zittrige Stimme und
zitternde Hände. Offensichtlich war sie stark untergewichtig, so dass
ich mir meinen Teil schon zusammenreimen konnte. Auf jeden Fall hatte
sie schreckliche Angst. Er schien ihr Freund zu sein, dabei sah er
mindestens zehn Jahre älter aus als sie. Zurückweichender Haaransatz,
teures Rasierwasser, teurer Anzug, Lederschuhe. Er führte sie um 7.55
Uhr in den Warteraum. Nachdem sie saß, sprang er sofort wieder auf und
fragte (ziemlich laut) an der Anmeldung nach, wie lange es dauern würde,
bis „sie“ dran käme. Man meinte, dass würde bestimmt noch 20 Minuten
dauern. Glücklich lächelnd eilte er wieder zu uns in das Wartezimmer und
verkündete ihr, dass es ihr doch bestimmt recht sei, wenn er noch einmal
kurz verschwände. Er würde nur „schnell“ in die Firma fahren, sich
einloggen (Zitat: „Damit meine Arbeitszeit beginnt“), ein paar E-Mails
checken, seine Jacke im Büro aufhängen und dann wäre er „gleich“ und
„rechtzeitig“ wieder hier. Sie schaute ihn aus traurigen Augen an, die
nur Verwirrung und Angst zeigten. Ohne ihre Antwort abzuwarten,
verschwand er.
Da ich als nächster aufgerufen wurde, konnte ich nicht mehr zu ihr
rübergehen und ihr zuraunen, dass sie das Arschloch in den Wind schießen
soll, wenn es ihr ein wenig besser geht. Oder eher: Dass sie das
Arschloch in den Wind schießen soll, damit es ihr ein wenig besser geht.
So kann ich es nur schreiben: Junge Frau, wenn du das liest, weg mit dem
Kerl. Er ist deiner nicht würdig. Und nicht erwachsen.
Dein Homo Magi
Comics und Tätowierer
Lieber Salamander,
eines Tages fand ich einen Zettel im Briefkasten, dass mein Paket bei
„Drakdar“ abzuholen sei. Nun gut, ich wohne noch keine drei Monate in
dem Haus, also muss man nicht wissen, wer „Drakdar“ ist. Nach Durchsicht
aller Klingelknöpfe wurde aber schnell klar, dass weder im Haus noch
links oder rechts daneben eine Familie diesen Namens lebt. Auch keine
mit einem ähnlichen Namen, um die nächste Frage gleich abzuarbeiten.
Nicht auffindbar.
Also fragte ich den Nachbarn von untendrunter, der seit drölfzig Jahren
in dem Haus wohnt und jeden kennt. „Nie gehört.“ Ich sah mein Paket voll
mit amerikanischen Superheldencomics schon in Paraguay enden, weil es
auf seiner Odyssee zum Kunden, den es nicht gibt, immer weiter befördert
wird. Dann wurde mein Nachbar nachdenklich und meinte, dass der Laden
vom Tätowierer nebenan eigentlich „Drakken“ heißt.
Okay, ich wollte es überprüfen. Ein Drakken ist eigentlich ein
Drachenschiff, und das wäre mir an der breiten Glasfront neben meiner
Haustür sicher nicht entgangen. Also musterte ich das Schild erneut.
Kein Drachenboot, aber verschlungene Symbole. Zwanzig Meter
zurücktretend und die Glasfront kritisch musternd erkannte ich, dass die
Bordüren die Buchstaben für Drakken bilden. Eine eigenartige Art der
Tarnung, aber nicht clever genug, um mich zu täuschen.
Also nahm ich meinen Mut zusammen und ging hinein. Sofort verstummten
alle Gespräche und wenige Atemzüge später auch das Geräusch des
surrenden Tätowiergerätes (ich nenne es intern „Bohrer“, weil es
aussieht wie ein Zahnarztgerät). Alle starrten mich an. 90 % der im Raum
befindlichen untätowierten Haut befand sich auf meinem Körper, wobei ich
fairerweise Vorhäute und Liderinnenseiten abgezogen hatte. Rechnerisch
abgezogen, nicht von meinem Körper.
Ich räusperte mich, was die Aufmerksamkeit weiter auf mich zentrierte.
„Guten Tag.“ Die Blicke wanderten an mir herunter. Einverstanden, ich
kam gerade von der Arbeit – Jackett, weißes Hemd, flotter Hut, Rucksack.
Aber das konnte doch nicht alles Unverständnis erklären, das mir hier
entgegenschlug.
In meiner rechten Hand hob ich nun den Zustellzettel hoch und zeigte ihn
allen Anwesenden. „Wenn Sie Drakken sind, dann haben Sie mein Paket.“
Ein „Keiner bewegt sich, bis ich meine Ware habe“ hätte auch gewirkt.
Der jüngere Tätowierer stutzte, dann bewegte er sich vorsichtig hinter
die Theke und holte meine Comiclieferung hervor. Ebenso vorsichtig
übergab er mir die Waren. Wenn ich jetzt geschrien hätte „Wenn alle
vernünftig sind, muss kein Blut fließen“, dann wäre es perfekt gewesen.
War es nicht. Irgendwie war es trotzdem cool.
Mit meinem Paket verließ ich lächelnd den Laden. Jetzt noch die
Superheldencomics lesen und nicht nur nachspielen und der Tag war super.
Dein Homo Magi
Ostara
Lieber Salamander,
es gibt Dinge, die mein Bewusstsein so überschwemmen, dass ich dann
tage- oder gar wochenlang nicht schreiben kann. Okay, natürlich schreibe
ich trotzdem, aber ich schreibe nicht dir.
Ein solches Ereignis war für mich Ostara. Natürlich könnte ich mich
jetzt einfach aus der Affäre ziehen und nur ein „wow“ schreiben.
Wow.
Macht man nicht. Natürlich bin ich als Mitveranstalter auch in der
Position, dass ich gerne etwas Nettes über die Veranstaltung lesen und
schreiben möchte. Aber dieses Mal habe ich das überhaupt nicht nötig.
Wer da war, der weiß, dass es toll war. Wer nicht da war, wird es hören.
Diejenige, die uns und/oder mich vorher nicht mochten, mögen mich auch
jetzt nicht. Das ist predigen vor tauben Ohren, weil da schlechte
Vorerwartungen befriedigt werden müssen, die nur in den Gehirnen der
Zuhörer vorhanden sind. Haken dran.
Dieses Mal kann man sich wirklich zurücklehnen. Alles richtig gemacht.
Schirmchen in den Cocktail stecken, am Strohhalm ziehen und glücklich
grinsen. So und nicht anders macht man das.
Programm? Keine Ahnung. Hatte zu tun.
Gäste? Großartig.
Ritual? Der Anfang war gut gemacht und sah toll aus, das Ende war ein
wenig chaotisch aber trotzdem voller Energie. Was will man mehr.
Haus? Unheimlich kooperativ.
Mitveranstalter? Ein Traum.
Anmerkungen: Nachts kam ein Gast zu mir und bat mich um fünf Minuten
meiner Zeit. Die gab ich ihm gerne. Dann erklärte er mir, dass er mich
fragen möchte, ob ich bereit wäre im Falle seines Ablebens (das
möglichst lange auf sich warten lassen möge) seine Grabrede zu halten.
Da hatte ich Pipi in den Augen. Zugesagt habe ich natürlich.
Der Rahmen war da. Die Burg. Die Sterne. Der Zauber. Da sind solche
Gespräche möglich. Mehr will ich nicht, aber auch nicht weniger.
Dein Homo Magi
Beraubte Ware
Hallo Salamander,
beruflich war ich jetzt gezwungen, mich mit einem Begriff
auseinanderzusetzen, den ich so vorher noch nie gehört hatte: Beraubte
Ware. Und den findet man nicht im Duden und nicht in der Wikipedia,
sondern nur nach Suchen. Dann liest man:
Kleiderkammern,
Sozialkaufhäuser und Hilfsorganisationen sammeln Gebrauchtkleidung, um
sie an Menschen mit wenig Geld weiter zu geben. In der Regel sortieren
sie die bei ihnen abgegebene Kleidung vollständig durch. Oft mit
ehrenamtlichen Kräften. Sie behalten aber nur die wirklich guten Stücke.
Was dagegen von schlechter Qualität ist oder sich für Projektpartner im
Ausland nicht eignet, wird wieder verpackt und an die Seite gestellt.
Doch wohin damit? Häufig
werden diese Reste an andere Sammler weitergegeben. Oder einfach in die
Container anderer Sammelorganisationen eingeworfen, in dem Glauben,
damit noch etwas Gutes getan zu haben. Doch genau das Gegenteil ist der
Fall: Denn jetzt stehen andere Sammler vor der Frage, ob und wie sie die
Reste eigentlich los werden.
Gewerbliche
Textilverwerter lehnen es nämlich häufig ab, diese so genannte „beraubte
Ware“ abzunehmen. Denn nur das Verwerten von gut erhaltenen Sachen ist
für sie rentabel. Fehlen diese Anteile, rechnet sich das Sortieren nicht
mehr. „Wer sich die Rosinen herauspickt, soll sich auch um das kümmern,
was übrig bleibt“, ist deshalb die einhellige Meinung der
Alttextil-Branche.[21]
Also lernt man neue Begrifflichkeiten, wenn man sich mit Textilrecycling
beschäftigt. Und dann sage noch jemand, ich würde nicht in der
Bildungsarbeit tätig sein.
Dein Homo Magi
Kathedrale aus Toilettenhäuschen
Lieber Salamander,
eigentlich besitze ich ein ausbaufähiges Humorkonzept. Trotzdem bin ich
immer ein wenig baff, wenn ich solche Dinge lese:
Toilettenhäuschen, die
von der Decke hängen, an der Wand liegen oder ordentlich in einer Reihe
stehen: Der Künstler Andreas Slominski hat in den Hamburger
Deichtorhallen eine raumfüllende Installation aus mehr als hundert
mobilen Kunststoff-WCs geschaffen. Die Schau ist bis 21. August zu
sehen.
„Andreas Slominski ist
ein Meister der Doppelstrategien, der die Grenzen zwischen Kunst und
Alltag verwischt“, sagte Direktor Dirk Luckow in
Hamburg.
Auch die
Innenausstattung der mobilen Toilettenhäuschen wie das Urinal, ein
Toilettensitz oder der Papierrollenhalter wurden an den Wänden wie bunte
Tafelbilder oder im Raum wie Skulpturen arrangiert.
„Andreas Slominski lädt
ein zum Staunen, ist geistreich und gleichzeitig erheiternd“, sagte
Luckow. So könne das Arrangement der Toilettenhäuschen in der 3800
Quadratmeter großen Deichtorhalle auch an eine Kathedrale erinnern: Die
in einer Reihe aufgestellten blauen Toilettenhäuschen wären demnach das
Hauptschiff, die an der Decke schwebenden Häuschen der barocke
Kronleuchter und die roten Toilettenhäuschen symbolisierten das Rot der
Kardinäle. Einzelne Häuschen könnten auch an einen Sarg oder einen
Beichtstuhl erinnern, den manche Menschen auch als „Seelenklo“
bezeichneten.[22]
Wenn das ein Steinkreis aus Toiletten wäre, den er da nachbaut, oder
eine Wikinger-Schiffssetzung, dann wüsste ich wenigstens sicher, dass
ihm jemand dafür einen auf den Hinterkopf gibt. Zumindest verbal. So ist
das nur ein weiterer Punkt in einer langen Kette, der die Entfremdung
zwischen normaler Menschen und moderner Kunst beschreibt. Das ist nicht
mal mehr lustig, das ist gut bezahlte Volksverarschung. Und ein weiterer
Tropfen in jenem Becken, der zu Unmut und einem Misstrauen gegen „die da
oben“ führt.
„Andreas Slominski ist
ein Meister der Doppelstrategien, der die Grenzen zwischen Kunst und
Alltag verwischt“
Unfassbar weise Worte. Kotz.
Dein Homo Magi
Tote Freunde im Netz
Lieber Salamander,
am Wochenende wurde ich mal wieder gefragt, warum ich auf Anfragen bei
Facebook nicht antworte. Meine Standard-Antwort „ich habe gar keinen
Account“ griff, aber ich überlegte mir, was da eigentlich technisch im
Hintergrund passiert ist, dass alle glauben, ich wäre Kunde dieser
Firma.
Also ging ich suchen. Und ja: Es gibt einen Eintrag auf meinen Namen,
der auch zwei Freunde hatte – beides Menschen, die ich kannte. Dann
rätselte ich eine Weile, gab meine E-Mail-Adresse und ein paar (wie ich
finde: doofe) Passwörter ein und hatte auch bald Zugang zu „meinem“
Konto. 153 Freundschaftsanfragen, kein Bild von mir, zwei Beiträge:
Meine Geburt (anhand des Geburtsdatums eingetragen) und meine Verlobung
2008. Jetzt grübelte ich kurz: Einfaches Passwort, Konto vor der
(ersten) Hochzeit eingerichtet, zwei Leute, die auch Gäste auf der
Hochzeit waren als (einzige) Freunde eingetragen. Ich vermute, man
wollte mir ein Hochzeitsgeschenk machen und ich habe im Vorfeld wohl
(mal wieder) gesagt, was ich vom Fratzenbuch halte, nämlich nichts. Man
(ja, ich habe einen Verdacht) ließ den Plan fallen, vergaß aber
irgendwie, den ganzen „Account“ zu löschen.
Das übernahm jetzt ich, acht Jahre zu spät, aber immerhin. Erst las ich
brav alles über „Konto dauerhaft löschen“. Dann kam die nächste
Aufforderung: „Du bist kurz davor dein Konto dauerhaft zu löschen. Bist
du sicher? If so, fill the following:“ Ja, es war wirklich zweisprachig,
ich habe das nicht erfunden, obwohl es alle meine Vorbehalte gegen FB
untermauert.
Dann kam: „Bitte wähle alle Fotos aus, auf denen ein Tiger angezeigt
wird.“ Es kamen 7 Bilder, auf denen 3 keinen einzige Tiger, 2 einen
Tiger und 2 mehrere Tiger anzeigten. Ich markierte also die 2 Bilder mit
„ein Tiger“ und bekam sofort eine Fehlermeldung. Bei der nächsten
Abfrage habe ich dann alles markiert, was irgendwie Blumen hatte, obwohl
„eine Blume“ gefragt war, und schon war ich weiter. Logisch war das
nicht, aber das verlangt ja keiner. „Dein Konto wurde deaktiviert und
wird innerhalb der nächsten 14 Tage endgültig gelöscht. Wenn du dich in
den nächsten 14 Tagen für dein Konto anmeldest, kannst du deinen Antrag
auf Löschung widerrufen.“
Habe ich nicht vor. Und ab dann sind meine Aussagen und meine Handlungen
identisch – ich habe keinen Facebook-Account, auch keinen geschenkten.
Dein Homo Magi
Margot Honecker
Lieber Salamander,
zum Tode von Margot Honecker war ich neugierig: Ist sie die letzte
Ministerin aus der Zeit der DDR (und damit meine ich die Jahre vor der
Regierung Modrow beziehungsweise de Maziere), oder leben da noch welche?
Immerhin ist das Geschichte, über 25 Jahre her und doch Teil unserer
deutschen Biographie.
Als erstes musste ich eine Menge über den Ministerrat der Deutschen
Demokratischen Republik lernen.[23]
Dann lernte ich einige Ministerien kennen, von denen ich noch nie in
meinem Leben gehört hatte. Der Reihe nach.
Der Vorsitzende des
Ministerrates
Willi Stoph (1914-1999), verstorben[24]
Der Minister für
Auswärtige Angelegenheiten
Oskar Fischer (*1923)[25]
Der Minister für
Verkehrswesen
Otto Arndt (1920-1992), verstorben[26]
Minister für Post und
Fernmeldewesen
Rudolph Schulze (1918-1996), verstorben[27]
Minister für Kultur
Hans-Joachim Hoffmann (1929-1994), verstorben[28]
Ministerin für
Volksbildung
Margot Honecker (1927-2016), verstorben[29]
Minister für Hoch- und
Fachschulwesen
Hans-Joachim Böhme (1931-1995), verstorben[30]
Minister für
Wissenschaft und Technik
Herbert Weiz (* 1924)[31]
Minister für
Gesundheitswesen
Ludwig Mecklinger (1919-1994), verstorben[32]
Minister für
Umweltschutz und Wasserwirtschaft
Hans Reichelt (* 1925)[33]
Minister der Justiz
Hans-Joachim Heusinger (* 1925)[34]
Minister des Innern
Friedrich Dickel (1913-1993), verstorben[35]
Ministerium für Staatssicherheit
Erich Fritz Emil Mielke (1907-2000), verstorben[36]
Minister für Nationale Verteidigung
Heinz Keßler (* 1920)[37]
14 Ministerien, darunter nur eine Frau – Margot Honecker. Von
Gleichberechtigung in den oberen Rängen war die DDR also von der BRD und
ihrer angeblichen Ideologie weit entfernt. Aber: In der BRD waren es
Anfang 1989 nebenbei 14 Ministerien (so ein Zufall), darunter ebenfalls
nur eine Frau.[38]
1989 gab es in der DDR 14 Minister, davon waren zwei früher Mitglieder
der NSDAP (Reichelt und Weiz). Und was für ein Altersdurchschnitt – kein
Wunder bei den Geburtsjahren (1907, 1913, 1914, 1918, 1919, 1920 [2],
1923, 1924, 1925 [2], 1927, 1929, 1931). Von 82 Jahren bis zu „jungen
Leuten“ von 58 und 56. Das erklärt auch, warum 9 schon verstorben sind
(von der Altersstruktur her müssten das mehr sein, aber offensichtlich
gab es doch eine gute Gesundheitsversorgung für die „oberen Zehntausend“
in der DDR). Aber 27 Jahre nach dem Ende des „anderen Deutschlands“
leben immer noch 5 Minister der ehemaligen DDR. Eine parallele Welt, ein
zweiter Staat, der noch lebende Staatsträger hat. Wenn das keine
Alternativwelt ist, dann weiß ich nicht, was … der älteste lebende
Minister ist Jahrgang 1920, immerhin der Verteidigungsminister. Ich
werde also hoffentlich noch das Jahr erleben, wenn die alle tot sind.
Nicht, weil ich sie nicht leiden kann – sondern, weil ich jünger bin.
Und dann bleibt nur die Erinnerung an die Zustände vor dem Fall der
Mauer. Aber ich habe mich daran gewöhnt, dass kein junger Mensch mehr
über „Geh doch nach drüben“ lachen kann.
Älter werden heißt auch, dass man realweltliche Bezüge verliert. Bei
solchen Überlegungen lerne ich etwas über Geschichte und Politik, über
mich – und über meine Eltern- und Großelterngeneration. Ich ziehe den
Hut vor meinen Ahnen und entschuldige mich mental für manchen doofen
Spruch.
Dein Homo Magi
Ritual in Berlin
Lieber Salamander,
vor ein paar Wochen war ich samt Frau zu einem Wochenende in Berlin.
Eingeladen hatten eine Handvoll Berliner Heiden, von daher war das kein
Museums- oder Einkaufsbesuch. Ich musste für die Rückfahrt meine Lektüre
im Bahnhof kaufen, so voll war unser Tagesplan.
Ich wollte unbedingt mal wieder nach Berlin. Nicht, weil ich Berlin so
toll finde (anderes Thema), sondern weil der zehnte Todestag meines
Vaters und sein 85. Geburtstag hinter mir lagen. Dazu gibt es eine
Geschichte: Mein Vater war in den letzten Kriegswochen Hitlerjunge in
Berlin. Er hat mir (fast: leider) einiges davon erzählt. Und ich habe es
jahrelang nicht geschafft, Berlin mit diesen Augen zu betrachten, die er
mir damals lieh.
Jetzt ging es. Und Samstag waren wir auf einem sehr kraftvollen Ritual,
irgendwo draußen in der Uckermark. Eine wunderschöne, wild romantische
Gegend. Nette Gastgeber, eine tolle Stimmung. Perfektion. „Total bliss“.
Beim Blot habe ich es geschafft, auf Papa einen Schluck aus dem Horn zu
nehmen. Danach machte ich einen langen Blick über die Felder, die
Wiesen, hinauf zu den Gipfeln der Bäume. Schlagartig ging es mir besser
– ein später Schluck, werter Vater, aber einer, der aus der Seele kam
und im Herzen ankam.
Dein Homo Magi
Zeit & Uhr & Fahrt
Hallo Salamander,
wenn ich als Kind mit meiner Großmutter Zug gefahren bin, dann wurden
die Aussagen über unsere Bewegung noch über erreichte Orte gemacht. Es
ging brav die Strecke entlang – Cölbe, Buchenau, Biedenkopf. Dann wusste
ich schon, dass wir fast da sind. Irgendwann kam dann der Wohnort meiner
Großmutter, Laasphe (noch ohne „Bad“).
Heute sehe ich im Zug immer wieder Menschen, die nicht ihre räumliche
Bewegung mit einer räumlichen Orientierung abgleichen (in welche
Richtung bewege ich mich wie schnell und wo bin ich gerade?), sondern
eine Raum-Zeit-Blase bemühen – „Wir sollten in fünf Minuten da sein.“
Verspätungsinfos der Bahn auf das Handy, Computerseiten mit
Zugverspätungen, Leuchttexte im Zug, die einem mitteilen, wo man ist, wo
man hin will und wo man als nächstes hin kommt.
Dabei unterschätzen die Menschen aber, dass hier zwei
Dimensionskoordinatensysteme verknüpft werden, die schwer zu überschauen
sind. Das eine ist die Zeitkonstante – wir bewegen uns alle gleich
schnell vorwärts in der Zeit, das ist von Geburt bis Tod so. Dazu kommt
dann die räumliche Ortsveränderung in mehreren Dimensionen, gekoppelt an
Geschwindigkeit in einer bestimmten Richtung. Ich weiß, dass der Zug
nicht pfeilgerade gleich schnell fährt, aber das ist doch das Prinzip,
das dahinter steht.
Hier werden also das Zeitsystem und das räumliche System verknüpft –
schon normalerweise eine Leistung, die meine Neuronen beschäftigt. Nun
ist die Zahl der Informationen, die auf uns einströmen, in den letzten
Jahrzehnten deutlich größer geworden, ohne dass unser Gehirn größer
geworden wäre. Musik, Filme, mehrere Anzeigen, laute Unterhaltungen und
mitgehörte Mobilfunktelefongespräche, all das führt dazu, dass man mehr
Informationen bei mehr Störungen aufnehmen will, während man im Zug
unterwegs ist.
Deshalb schaue ich brav weiterhin in gedruckte Fahrpläne, weiß immer,
was auf dem letzten Bahnsteigschild stand und bin mir ganz sicher, dass
die Bahn mit ihren Zügen nicht beamt. Wenn der letzte Bahnhof Cölbe war,
dann ist Laasphe noch nicht dran. Egal, wie spät es ist und was die
Bahn-App sagt. Wir können noch nicht da sein. Punkt.
Mit den jungen Magiern ist es so ähnlich. Mehr Informationen bei mehr
Störungen, aber weniger Macht. Zumindest von meiner Warte aus, der ich
die alten Wegzeichen und Schilder noch lesen kann.
Dein Homo Magi
Mein neues Buch …
Lieber Salamander,
ich bin eigentlich eher etwas zurückhaltend, was Werbung für meine
eigenen Werke betrifft. Nein, jetzt keine Versuche, mich davon zu
überzeugen, dass das der Versuch ist, Lob einzusammeln. Wer in über 30
Jahren nur zwei Lesungen macht, der macht keine offensive Werbung für
seine Bücher, um damit Lob einzutreiben. Punkt.
Also: Das Thema ist esoterisch. Und ich zitiere den Werbetext, um mir
nichts nachsagen zu lassen:
Es ist paradox: Wohl
niemand kann sich der Faszination der Vergangenheit entziehen – und
gleichzeitig wird sie in den seltensten Fällen ungebrochen reflektiert.
Der Nationalsozialismus
bzw. seine Manifestation in der deutschen Geschichte ist nicht nur ein
weltpolitisches Phänomen 1933–45, dessen mahnende Reflexion heute
wesentlicher Bestandteil des bundesdeutschen Erinnerungsnarrativs ist.
Die völkischen, faschistischen und nationalsozialistischen Diskurse und
Gesellschaftsentwürfe selbst und ihre post-faschistischen Wiedergänger
haben eine populärkulturelle Dimension: Es zieht sich ein roter Faden
von den völkischen Utopien zur Selbstästhetisierung der faschistischen
Diktaturen in Europa – und von diesen zu den modernen
rechtskonservativen bis rechtsradikalen Epigonen, die sich im Rahmen des
verfassungsrechtlich Möglichen aus beider Zeichen- und Mythenvorrat
bedienen.
Einmal mehr erweist sich
die fantastische Literatur als Seismograf gesamtkultureller
Zusammenhänge, finden das psychologische Spiel mit Archetypen der
Fantasy und die allegorische Qualität der Science-Fiction als
Ideenliteratur zu großer Wirkung zusammen. Deshalb gilt gerade für
diesen literarischen Bereich in besonderem Maße: Ob affirmative
faschistoide Allmachtsfantasie, weltanschaulich taubstumme Naziästhetik
im Actionfilm oder geschliffene Satire – die Verarbeitung von
totalitär-nationalsozialistischen Versatzstücken in der Popkultur bedarf
dringend der Decodierung, damit der Umgang mit der Zeitgeschichte
differenziert erfolgt.
Das ist auch die
Intention dieses Buches: Diesem tumben Raunen sollen ein paar helle
Beiklänge beigemischt werden, in die braunverdunkelten Geister ein
kleines Flämmchen der Aufklärung getragen werden. Nicht mehr – aber auch
nicht weniger.
Der Inhalt:
·
Wenn’s doch nur um Julius Caesar ginge. Vorwort
·
Hermann Ritter: Die geheime Weltregierung tagt in Tibet
·
Johannes Rüster: Ein Volk, ein Reich und|oder ein Führer? Von der
Faszination nationalsozialistischer Alternativwelten
·
Dierk Spreen: Rechtsextreme Populärkultur. Zum mediensoziologischen und
medienethischen Verständnis der Print-Science-Fiction-Serie Stahlfront[39]
Ritter, Rüster, Spreen,
Haitel (Hrsg.), Heute die Welt – morgen das ganze Universum
Hermann Ritter, Johannes
Rüster, Dierk Spreen, Michael Haitel (Hrsg.)
ISBN 978 3 95765 049 8 –
EUR 11,90 (DE)
eBook-ISBN 978 3 7396
5212 2 – EUR 5,99 (DE)
Mein erstes Buch, bei dem meine Mutter rundum stolz auf mich ist …
Dein Homo Magi
Butterblume
Lieber Salamander,
dem Delling als Gott der Butter sollte die Butterblume heilig sein. Aber
zuerst muss man klären, welche der allgemein Butterblume genannten
Pflanzen dafür in Frage kommen. Immerhin haben wir die Wahl zwischen dem
scharfen Hahnenfuß, der Sumpfdotterblume, dem Scharbockskraut, der
Trollblume und dem gewöhnlichen Löwenzahn.[40]
Fangen wir mit den einfachen Entscheidungen an: Die Trollblume ist raus.
Nicht nur wegen des Namens, der einem Gotte nicht gut zu Gesicht steht.
Sondern auch wegen ihrer Verwendung (gegen Skorbut) und wegen ihres
Auftauchen in einem einzigen Wappen, nämlich im heutigen Polen.[41]
Warum kein Skorbut? Das ist eine Seefahrerkrankheit und Delling ist
ziemlich sicher kein Schutzgott der Seefahrt oder Seefahrer. Habe ich
was gegen Polen? Nein, aber eine Pflanze, die nur ein einziges Mal in
einem Wappen tradiert wird, kann keine wichtige kultische Bedeutung
gespielt haben.
Nächste Eliminierung: Der scharfe Hahnenfuß, denn: „Giftig sind alle
Pflanzenteile (…).“ Und: „Eingenommen verursacht der Saft Brennen im
Mund, Brechen, Magen- und Leibschmerzen,
Durchfall, allgemeine Körperschmerzen, konvulsivische Anfälle,
Betäubung, Schwindel Abnahme der Herzleistung und Dyspnoe.“[42]
Nichts für Delling.
Machen wir weiter. Behalten wir die „Edda“ und deren isländische
Herkunft als grundlegende Quelle aller nordischen Weisheit im Auge, so
fällt auch das Scharbockskraut aus, denn: „Das Scharbockskraut ist
schwerpunktmäßig in Nord- und Mitteleuropa beheimatet. Es kommt aber
auch in Kleinasien und in Nordafrika vor, meidet aber in Europa den
äußersten Norden.“[43]
Haken dran.
Es bleiben Sumpfdotterblume und gewöhnlicher Löwenzahn übrig. Machen wir
jetzt einen Positivabgleich. Nach Lesen beider Beschreibungen bleibt die
Sumpfdotterblume, denn hier liest man unter „Die Sumpfdotterblume im
Aberglauben“ folgendes: „Wie viele andere Frühlingspflanzen galt auch
die Dotterblume bei vielen Völkern als Dämonen abwehrend. An Walpurgis
gesammelt und vor die Tür des Viehstalles gestreut, sollte sie die Hexen
abhalten. Man gab sie auch dem Vieh zu fressen, damit die Butter das
ganze Jahr eine schöne, gelbe Farbe hat. In Dänemark, Schweden und in
Irland galt die (an Walpurgis bzw. Georgi gesammelte) Pflanze ebenfalls
als zauberkräftig.“[44]
Gelbe Butter? Walpurgis und Zauber? Die ist dem Delling heilig. Sicher.
Heil Delling!
Dein Homo Magi
Kaltgerätestecker
Lieber Salamander,
da wacht man eines Tages auf und stellt fest, dass man überhaupt nicht
genau weiß, was denn ein Kaltgerätestecker ist. In der Anwendung weiß
ich es schon und ich konnte es mir auch erklären, ohne allzu viel Unsinn
zu sagen, aber ich wollte es wissen. Das ist nicht immer das Gleiche wie
es sich erklären zu können. Also, auf zu Wikipedia, dem Quell des
unnützen Wissens:
Kaltgerätestecker nach
der Norm IEC 60320 C13 werden für den Stromanschluss von Geräten
verwendet, welche im Betrieb keine nennenswerte Wärme entwickeln (z. B.
Computer, Peripheriegeräte etc.). Die maximale Temperatur an den
Verbindungsstiften des Steckers darf 70°C nicht überschreiten. Der
maximale Stromdurchfluss ist auf 10 A festgelegt. Kaltgerätestecker
passen nicht in Warm- oder Heißgerätebuchsen.[45]
Also wurde ich neugierig und wollte wissen, was in der blöden Norm IEC
60320 eigentlich drin steht. Ganz ehrlich: Ich habe es nicht geschafft,
während mein Hals immer mehr anschwoll, weil ich mich geärgert habe. Die
Verweise auf der Wikipedia führten mich auf eine längere Reise von
Kaltgerätesteckern zu Steckern zu Haushaltsgeräten zu europäischen
Normen, aber nicht zur guten Norm IEC 60320. In der Schweiz kann man sie
herunterladen (280 Franken)[46],
auch die dazugehörige VDE-Norm kann man kaufen (37,31 Euro)[47].
Aber das war nicht mein Ziel, ich wollte freie Information.
Und für jemand wie mich, der gerne recherchiert: Die IEC ist die
„International Electrotechnical Commission“[48],
da ist für Deutschland die „Deutsche Kommission Elektrontechnik
Elektronik Informationstechnik im DIN und VDE“ Mitglied[49]
- auf deren Seite bringt die Suche nach ICE 60320 kein Ergebnis.[50]
Warum wird da so ein Geheimnis drum gemacht? Der obskure Biologismus,
der in anderen Texten längt zu Verboten geführt hätte, wird hier
geduldet, okay:
Um mehrere Geräte von
einem Gerät aus gemeinsam zu schalten, werden auch Netzanschlusskabel
mit beidseitiger Gerätesteckverbindung (1 × „männlich“, 1 × „weiblich“)
gefertigt. Ein Beispiel ist das Netzkabel zum Anschluss eines Monitors
an einen PC. Die Steckrichtung ist immer so gewählt, dass stets
Berührungsschutz gewährleistet ist; das speisende Gerät trägt also eine
Einbaubuchse (weiblich), das gespeiste Gerät einen Einbaustecker.[51]
Männliche und weibliche Geräte … und was ist mit den anderen Formen von
Sexualität als Kaltgerätestecker in Kaltgerätedose?
Aber das ist doch kein Grund, die Wartung der Seite einzustellen und
alle Verbindungen zu Quellen zu kappen ... oder?
Aber warum führt der Wikipedia-Verweis auf
„Steckertypen nach IEC 60320 (englisch)“ zu „The page you were looking
for appears to have been moved, deleted or does not exist.“?[52]
Mysteriös.
Was verbirgt sich wirklich hinter dem Geheimnis um den
Kaltgerätestecker? Was soll die Verneblung um IEC 60320 C13?
Menschenexperimente? Siedlungen auf dem Mars? Eingänge ins Erdinnere am
Pol?
Wenn ich mich nächste Woche nicht melde … du weißt Bescheid.
Dein Homo Magi
Blitz und Fußball
Hallo Salamander,
manches Mal passieren Dinge, die mich nicht überraschen – denn ich bin
ja auch Zauberer. Aber alle anderen Menschen sind verwirrt, wenn so
etwas passiert. Beispiele? Bitteschön:
Durch einen
Blitzeinschlag während eines Jugend-Fußballspiels in Rheinland-Pfalz
sind 33 Menschen teils schwer verletzt worden, darunter 29 Kinder. Bei
dem am stärksten verletzten Mann handele es sich laut Polizeiangaben
nicht – wie zunächst angenommen – um den Schiedsrichter des
E-Jugend-Spiels, sondern um einen 45-jährigen Betreuer. Er musste nach
einem Herzkreislauf-Stillstand reanimiert werden. Der Schiedsrichter kam
mit leichten Verletzungen davon.
Von allen Kindern und
Erwachsenen seien noch vor Ort Elektrokardiogramme geschrieben worden,
um die Herzfunktionen zu überprüfen, sagte ein Polizeisprecher. Bei den
Kindern im Alter von neun bis elf Jahren und zwei Elternteilen seien die
Ergebnisse auffällig gewesen. Sie wurden vorsorglich ins Krankenhaus
gebracht und gelten als leicht verletzt. Zwei Notarzt- und fünf
Rettungswagen sowie alle Freiwilligen Feuerwehren aus der Umgebung waren
im Einsatz.
Das Spiel war zum
Zeitpunkt des Blitzschlags gerade beendet. „Es gab Zeugen zufolge keinen
Regen und keinen dunklen Himmel“, sagte der Polizeisprecher. Ein
Meteorologe des Deutschen Wetterdienstes (DWD) sagte, zur Zeit des
Unglücks seien zwar drei Gewitterzellen in der Region zu beobachten
gewesen. Allerdings hätten diese den betreffenden Landkreis nur am
äußeren Rand gestreift.[53]
Für mich keine Überraschung. Da war der alte Donnerer wohl aufgeweckt
worden, als die Menge laut „Thor! Thor! Thor!“ schrie. Dann hat er halt
geblitzt – und sich wieder hingelegt. Würde ich genauso machen.
Dein Homo Magi
Enkeltrick
Hallo Salamander,
kürzlich waren wir mit einem befreunden heidnischen Paar und deren
Nachwuchs in der Stadt unterwegs. Keine schlimmen Vorgaben, nicht eine
einzige davon heidnisch, sondern einfach nur ein Besuch, der eigentlich
zum Konsumieren von Eis gedacht war, abends aber in einer Gaststätte
endete. Da diese sich mit Schnitzel und Steaks profiliert, könnte man
sie als gutbürgerlich bezeichnen.
Irgendwann wurde – die Kneipe war voll – dem Kind die Wartezeit zu
lange. Also bot ich mich an, mit ihm draußen zu spielen. Erst eine Runde
herumtollen, dann Ladenfenster anschauen und als letztes der Besuch der
Wippe. Kenne ich alles, mache ich gerne, hatte ich schon mit Sohnemann
und Neffen, von daher …
Auf dem Rückweg dann das Passieren der Wirtin und jener Satz, der sich
wie ein eisiger Dolch zwischen mein Rückenmark schob (gelogen, aber das
würde passen): „Ihr Enkelsohn?“ Ich schaute kurz an ihr herunter, dann
an mir, dann an dem Kind. Wäre legal und kein Problem. Ich bin über 50,
mein (Was-auch-immer-)Sohn ist Anfang 20, der könnte sehr wohl ältere
Geschwister oder natürlich auch schon Kinder in dem Alter des
Krabbeltiers zu meinen Füßen haben.
Und da ich nicht Rockstar oder Schauspieler oder Politiker bin, der mit
60+ noch eine 30 Jahre jüngere Frau findet, die mich dann angeblich
trotz langsamerer Bewegungen und faltiger Haut wegen mir und meiner
Persönlichkeit (!?!) ganz toll findet, um dann von mir geschwängert zu
werden, die Hälfte meines nicht vorhandenen Vermögens zu erhalten und
sich nach zehn Jahren von mir zu trennen, ist davon auszugehen, dass ich
bereit bin, meine altersgemäße Rolle auszuleben.
Großvater.
Das erklärt natürlich, warum ich in den letzten Jahren alle Kleinkinder
auf die Knie bekam und (wieder) weiß, wie man Windeln wechselt.
Meine Schläfen werden grau, Märchen vorlesen und Lieder singen kann ich
noch. Horrido! Auf in den Kampf, ihr kleinen Racker! Der magische
Großonkel hat noch Termine frei.
Dein Homo Magi (d.Ä.)
Schwur
Hallo Salamander,
heute jährt sich der Anschlag auf Hitler vom 20. Juli 1944. Und da
stellt sich die Frage, was uns die Umstürzler von damals heute noch zu
sagen haben – das Wort „Putschisten“ vermeide ich mal wegen der
aktuellen Geschehnisse in der Türkei.
Also bin ich ein wenig auf die Suche gegangen, um ein paar
Selbstzeugnisse zu finden. Und da fand ich auch ihren vorher
abgeleisteten Schwur. Der Text des Schwurs der Widerständler lautet:
Wir glauben an die
Zukunft der Deutschen.
Wir wissen im Deutschen
die Kräfte, die ihn berufen, die Gemeinschaft der abendländischen Völker
zu schönerem Leben zu führen.
Wir bekennen uns im
Geist und in der Tat zu den großen Überlieferungen unseres Volkes, das
durch die Verschmelzung hellenischer und christlicher Ursprünge in
germanischem Wesen das abendländische Menschentum schuf.
Wir wollen eine Neue
Ordnung, die alle Deutschen zu Trägern des Staates macht und ihnen Recht
und Gerechtigkeit verbürgt, verachten aber die Gleichheitslüge und
fordern die Anerkennung der naturgegebenen Ränge.
Wir wollen ein Volk, das
in der Erde der Heimat verwurzelt den natürlichen Mächten nahebleibt,
das im Wirken in den gegebenen Lebenskreisen sein Glück und sein Genüge
findet und in freiem Stolze die niederen Triebe des Neides und der
Missgunst überwindet.
Wir wollen Führende, die
aus allen Schichten des Volkes wachsend, verbunden den göttlichen
Mächten, durch großen Sinn, Zucht und Opfer den anderen vorangehen.
Wir verbinden uns zu
einer untrennbaren Gemeinschaft, die durch Haltung und Tat der Neuen
Ordnung dient und den künftigen Führern die Kämpfer bildet, derer sie
bedürfen.
Wir geloben:
untadelig zu leben -
gewissenhaft zu dienen -
unverbrüchlich zu
schweigen -
und füreinander
einzustehen.[54]
Schlimm … und dann wieder großartig.
Die Vorreiterrolle Deutschlands in Europa, die naturgegebenen Ränge in
der Gesellschaft, die „Neue Ordnung“ und die „künftigen Führer“. Alles
überkommene Konzepte, muffig riechend aus dem Schrank der deutschen
Geschichte hervorgezerrt, wenn ich sie jetzt anschaue. Aber: neben den
hellenischen und christlichen Überlieferungen wird das germanische
genannt, ein Volk, das „sein Genüge findet“.
Wenn der Widerstand erfolgreich gewesen wäre – alles wäre mir lieber
gewesen als noch fast ein Jahr NS-Diktatur. Ob sie sich hätten am Ende
durchsetzen können, wer weiß. Aber sie waren Widerstand, mutig und auf
eine bestimmte Art edel. Deswegen hebe ich heute mein Glas auf sie – ich
würde sie nicht wählen, wenn sie in einer Demokratie antreten würden.
Aber als Widerständler gegen ein unfassbar schlimmeres System kann ich
mich vor ihnen verbeugen.
Dein Homo Magi
Aphorismus der Woche
„Sei sparsam! Hasse nicht, wo du mit Verachtung auskommst.“
Roda Roda
Bombenstimmung
Lieber Salamander,
da geht man eines Abends aus dem Haus, um eine Runde Computer zu
spielen. Die Umschreibung „Computer spielen“ ist total „out“, aber ich
nenne es immer noch so, auch wenn wir an Konsolen sitzen und das ganze
Gerät kein PC ist, sondern … egal.
Um meinen Wohnsitz herum fand gerade eine Stadtlauf statt, so eine Art
Marathon-Lauf für Minimalsportler. An allen Ecken gab es Wasserflaschen
für umsonst und die Möglichkeit, sich auszuruhen. Ich schlenderte in
Richtung des geparkten Autos, das wegen des Andrangs für den Stadtlauf
ein wenig weiter fort geparkt war. Irgendwann kam der erste Krankenwagen
in Sicht, dann das THW, endlich ein weiterer Krankenwagen, ein
Polizeikordon … ich schaffte es bis zum Auto, obwohl ich ein wenig über
den Aufwand verwundert war, der hier für einen Stadtlauf verwendet wird.
Ich rief meinen Gastgeber aus dem Auto (Freisprechanlage!) heraus an, um
ihm mitzuteilen, dass ich wegen des Marathons später kommen würde.
„Marathon – Pustekuchen!“ meinte dieser. Er erzählte mir, dass man eine
Bombe aus dem 2. Weltkrieg gefunden habe. Nun warte man auf den
Minenräumtrupp und die Heilsarmee und die Notärzte und einen Helikopter
und weitere Hilfskräfte, damit nach dem Räumen des umliegenden Gebäudes
die Bombe entschärft werden kann.
Natürlich versuchte ich, meine Frau zu warnen. Aber weder konnte ich
zurückfahren – der Polizeigürtel – noch sie anrufen – das überlastete
Mobilfunknetz. Ich bin dann Spielen gefahren. Auch irgendwie aus einem
weitläufigen Fatalismus heraus, denn Bomben explodieren wann sie wollen,
nachdem man sie 60 oder mehr Jahre gelagert hat. Und mehr Absicherung
als das, was ich gerade hinter mir gelassen hatte, war nicht möglich.
Anstatt Nägel zu kauen (hätte ich vor 30 Jahren vielleicht getan) gab
ich mich dem Schicksal (Fatum, Wyrd …) hin und harrte der Dinge, die da
kommen.
„Der Mensch denkt, Gott lenkt.“ Ist manchmal auch für Nicht-Christen
wahr. Passiert ist nichts. Keinem.
So weit, so gut. Aber ein Aspekt ließ mich nicht los und verwirrte mich
noch so, dass ich das Ganze von einer anderen Seite betrachtete. Und bei
diesen Überlegungen ging es nicht nur um die zeitliche Nähe des letzten
Kriegs, der einem durch die Bombe ins Gedächtnis gerufen wurde, sondern
auch über die Koinzidenz zwischen der Schlacht von Marathon und dem
Zweiten Weltkrieg. In Erinnerung an den ersten Kampf läuft die Hälfte
der Besucher, während die andere wegen der Folgen des zweiten Kampfes
ihre Häuser räumen müssen. Irgendwas stimmt da nicht mit der Wahrnehmung
von Krieg.
Dein Homo Magi
Ars Magna
Lieber Salamander,
beim Blättern im „Ars Magna“ (1982) von Arnold & Wilhelmine Keyserling
war ich mehr als überrascht. Ich hatte zwar erwartet, hier verquaste
Esoterik zu finden – immerhin ist der Autor der Sohn von Hermann
Keyserling, der mir nicht durch durchdachte Weltgebäude aufgefallen ist.
Aber das hier … Ein Versuch eines großen Werkes, das alle Wege der
Esoterik verbindet:
Das erste Kapitel
bestimmt das Rad der Mitte, den Ursprung der Astrologie als qualitativen
Raum-Zeit-Rahmen des Bewusstseins. Dieses Wissen stammt aus dem Süden
der Erde, wahrscheinlich aus Afrika, die älteste Tierkreisdarstellung
wurde von Frobenius entdeckt und später auf 8 000 v. Chr. Datiert. Der
phänomenologische Zugang zur Astrologie zeigt, wie jeder Mensch eine
besondere Kombination der Weltelemente darstellt und diese kennen muss,
um Wassermannzeitalter Mitarbeiter der Erde und des Kosmos zu werden.[55]
Um Mitarbeiter des Kosmos zu werden, muss man weiterhin
seine vier Tore
verstehen, die zur Offenbarung führen und von denen jedes durch eine
andere Kultur eröffnet wurde.[56]
Diese Tore wären:[57]
Osten
Inspirationen
Chinesen
„Buch der Wandlungen“
Norden
Mathematik
Pythagoras Numerologie
Westen
Mystik
Inder
Yoga
Süden
Seelischer Zusammenhang
Indianer/Altgermanen
Ich blätterte weiter, suchte nach dem Zusammenhang zwischen Indianern
und Germanen. Aber erst fand ich eine Karte der Erde, in denen den
Längengraden der Erde jeweils astrologische Symbole zugeordnet werden.[58]
Das ist dann schon sehr eigenartig, wenn man sich die Erläuterungen
anschaut:
In den
Jungfrauländern Ozeaniens und
Hawaii vereint der Gesang Menschen und Götter, die Rückbindung im
Zeichen Fische versteht die Heilung im religiösen Sinn als Finden des
Einklangs mit der göttlichen Welt.
Die Länder von Widder
bis Jungfrau [Arabien/Persien bis Ozeanien/Hawaii, HR] haben ihren
Schwerpunkt in der Intimität; jene von Waage bis Fische [Westamerika bis
östlicher Mittelmeerraum, HR] haben diesen in der Öffentlichkeit, in
ihnen wird die Weltpolitik entschieden.[59]
Endlich kommt dann die von mir lang gesuchte germanisch-indianische
Verbindung:
Doch heute ist es
möglich, die germanische und indianische Zählweise als Einheit zu
schauen. Die germanische Kabbala, der »Futhork« [sic], hatte als
Grundsymbol die Hagalrune, das Chi. Sie bedeutet: der Atem schwingt im
Heiligen All. Sie besteht aus folgenden Runen:
Hagal
Is
Not Eh
Man Yr
Die Is-Rune, die
Grundlage des Ich, ist die innere Achse des Chi. Nur wenn diese auf die
Erdmitte bezogen ist, dann wird der Mensch aufrichtig durch seine
senkrechte Achse und fähig, die Offenbarung zu aktualisieren. Die
Man-Rune zeigt, dass der Mann aus dem Nagual empfängt, von oben, und
seine Vision im Tonal verwirklicht. Die Yr-rune veranschaulicht, dass
die Frau von unten aus der Erde empfängt, vom Tonal her, und deren
Bedürfnisse versteht. Beide zusammen in der Zwillingskreuzigung schaffen
die Voraussetzung der Verbindung von Himmel und Erde, Hagal. Der gleiche
Zusammenhang wird im Schöpfungsmythos der Navaho beschrieben, wo Erster
Mann und Erste Frau, nachdem sie im Aufstieg aus dem Dunkel auf die
fünfte Stufe des Menschen gestiegen waren, sich im Hogan mit den Köpfen
gegeneinander nach Ost und West legten, um in ihren heiligen Gedanken
das Werk der Zivilisation mit der Schaffung des Tierkreises zu beginnen.[60]
Um Mitarbeiter des Kosmos zu werden, fehlen mir grundlegende Gaben – so
die Fähigkeit, meinen Intellekt auszuschalten. Oder sind mir
grundlegende Parallelen zwischen Navaho und Nordisch-Gläubigen in den
letzten Jahren entgangen? Ich werde darauf achten (müssen), wenn wir das
nächste Mal mit dem Methorn in der Hand um das Medizinrad tanzen und
dabei auf Navaho für Baldur chanten.
Ob ich einen astrologischen Tierkreis als Grundlage der Zivilisation
ansehe – nein. Vielleicht bin ich auch deswegen „raus“.
Dein Homo Magi
Internationale Probleme
Lieber Salamander,
manche Probleme sind so eigenartig … die hatten wir nicht, bevor wir
Netz bekamen und die Welt zum Dorf wurde.
Ich bestelle ein (englischsprachiges) Buch bei einem Anbieter online;
der Anbieter sitzt in England. Das Buch kam nicht, obwohl die
Frachtverfolgung ein „ausgeliefert“ ergab, wenn man online alle Daten
eingab. Also rief ich die Kontaktseite des Händlers auf und schrieb
(nach Angabe der Bestellnummer, meiner Adresse, der Beschreibung der
bestellten Ware) unter „To: Customer Service (orders-de)“ als Hinweis
folgende unfassbar eindeutige Mitteilung: „Buch nicht hier ...“.
Am nächsten Tag (einem Sonntag) bekam ich mit dem Betreff „Re: Rückfrage
zur Lieferung einer Bestellung“ folgende E-Mail vom Anbieter:
Ich bin froh, das zu
hören, bitte genießen.
Mit freundlichen Grüßen
Audrey
Kundendienst
So kann man höflich einem in die Fresse schlagen. Aber böse kann ich
überhaupt nicht sein, eher amüsiert. Und ich genieße mein fehlendes
Buch. Was bleibt auch sonst.
Dein Homo Magi
Alarm! Okkultismus!
Hallo Salamander,
bei einer Veranstaltung für die Motorradfahrer Gottes (anderes Thema)
konnte ich ein Exemplar der Broschüre „Alarm! Okkultismus!“ (Untertitel:
„Hände weg von Okkultismus und Aberglauben“[61])
vom Gabentisch entgegen nehmen.
Gleich war ich gefesselt:
„Wieviel Unwissenheit
und oft sogar Leichtsinn bestehen gegenüber dem Wirken dämonischer
Mächte, die unter dem Schein der
Hilfe viele Menschenleben, ganze Familien und ihre Nachkommen der
ewigen Verdammnis entgegenführen.
Wie viele könnten wieder
froh, glücklich und gesund werden, wenn sie erkennen wollten, dass
ihre Not die schreckliche Folgen bewusst oder unbewusst
eingegangener Bindungen mit dämonischen Mächten ist.“[62]
Verdammnis für mich, meine Familie und alle meine Nachkommen … uff. Und
wenn man mitmacht bei den Okkulten:
„(…) dann aber verfallen
sie in Schwermut bis zur Nervenzerrüttung, in Verzweiflung bis zum
Selbstmord.“[63]
„Ein Heer von Kranken
leidet unter diesen Folgen des Aberglaubens, und alle Heilmittel der
Ärzte versagen. Es sind auch keine organischen Krankheiten, sondern
Folgen der Zaubereisünden an dämonisierten Menschen.“[64]
Das macht schon Angst. Zaubereisünde … zum Glück habe ich die
Organisation, bei der es Sünde gibt, vor Jahrzehnten verlassen.
Neugierig bleibe ich trotzdem: Was ist denn alles gefährlich? Also:
„Irrlehren und Sekten“[65]
– „In vielen Kirchen und Organisationen werden Irrlehren festgehalten,
die im Widerspruch zu den Fundamental-Wahrheiten der Bibel stehen.“[66]
Da bin ich nicht Zielgruppe, vermute ich.
„Teufelsdienst“[67]:
bin ich raus, ungefährlich.
Aber selbst wenn man diese beiden Klippen umschifft hat, bleiben genug
Probleme.
·
Akupunktur[68],
ebenso Akupressur[69]:
Habe ich nie ausprobiert, halte das aber nicht für okkult.
·
„Auf den Vogelschrei achten“[70]:
Unschuldig.
·
„Auf Zahlen achten“[71]:
Ich finde schon, dass die 42 eine wichtige Zahl ist. Und Ernie und Bert
haben auch Lieblingszahlen … alle verdammt bis in alle Ewigkeit.
·
Beschwörungen wie „Hals- und Beinbruch“[72]:
Ich kann noch ganz viele andere Grußsprüche, bin also doch beim Teufel.
·
Besprechen von Krankheiten[73]:
Da geht es nicht um das Besprechen von Krankheiten, sondern um das
Besprechen von Krankheiten.
·
Biorhythmen[74]:
Bin ich raus, halte ich auch nicht für okkult.
·
Gruppendynamik, genannt werden Selbsterfahrungsgruppen, Sianon-Gruppen,
Kreativitäts-Workshops. „Manchmal werden auch Decknamen wie
»Erwachsenenbildung« usw. verwendet.“[75]
Treffer, erwischt. Ich mache oft Erwachsenenbildung, bin also tief drin
in den Zaubereisünden.
·
„Heilmagnetopathie“[76]:
Ägypten?
·
„Heilung durch Telepathie, d.h. Fernheilkunst“[77]:
Keine Ahnung, vielleicht ist Reiki gemeint. Oder das Gesundbeten … ach,
das waren ja die Christen.
·
Homöopathie[78]:
Satan! Satan! Satan! Endlich einer Meinung mit den irren Christen.
·
Horoskope[79]
und „Auf die Gestirne achten“ („Dazu gehört auch das Tragen von
Monatsringen und Sternzeichen.“[80]).
Ich vermute, dass der „Zodiac Killer“ auch Superchrist ist, der Frauen
jagt, die Sternzeichen tragen … Hitler hat Horoskope gelesen, aber das
mache ich im Wartezimmer beim Arzt auch, wenn die Adelszeitschriften
durch sind.
·
Hypnose – „Die alte heidnische, orientalische, dämonische Kunst der
Suggestion und der Hypnose, die von den ältesten Völkern zum Zwecke der
Wahrsagerei schon angewandt wurde, ist unter dem harmlosen Gewand der
sogenannten »modernen Wissenschaft« wieder neu aufgetaucht.“[81]
Äh, das lasse ich mir gerade beibringen. Satan, ich hör dich rufen!
·
„Magische und andere okkulte Heilmethoden“ – u.a. auch
Reflexzonenmassage[82].
Pruahahahaha.
·
„Meditative Praktiken“, inklusive Yoga und Autogenes Training[83].
Denn: „Menschen, die Yoga üben (…), öffnen sich immer, wenn auch
unwissend, einer fremden Geisteswelt und den Mächten, die
dahinterstehen.“[84]
Lasse ich mal unkommentiert.
·
Pendeln[85]:
Nie ausprobiert, mir egal.
·
Psychoanalyse[86]:
Ausprobiert, hat gewirkt, einige meiner Trauma(ta) zu beseitigen. Ist
nicht bei Gott, das weiß ich, aber auch nicht beim (christlichen)
Teufel.
·
Spiritismus – „Umgang und Verkehr mit den Geistern von Verstorbenen“[87]:
Jedes Ahnen-Gedenken, jeder „Wake“ ist da eingeschlossen, oder?
Schuldig.
·
Suggestion – „Fernsuggestion oder Autosuggestion“[88].
Kein Kommentar.
·
„Tagewählen“[89]:
Am Samstag kommt das Sams – sind das auch Satanisten? Das Sa vorne
könnte ja für SA stehen …
·
Tischrücken[90]:
Quatsch.
·
Wahrsagen[91]
– „Kartenlegerinnen, Zigeuner, Hellseher (…), durch (…) Bleigiessen,
Münzenwerfen, Traumdeuten (…). Darunter fällt auch das Feststellen einer
Krankheit durch die Augen-Irisdiagnose.“[92]
Jetzt wird noch der Zigeuner in mir beleidigt. Rassisten!
·
Wünschelruten, damit verbunden Erdstrahlen[93]:
Ich bin ein Freund der Geomantie, kann sie aber nicht ganz
nachvollziehen, wenn es um Erdstrahlen geht. Aber ich würde das Recht
daran zu glauben verteidigen.
·
Zauberei – hier aber bezogen auf das (total langweilige) 6. und 7. Buch
Moses.[94]
Ich habe einmal versucht, die Schwarte zu lesen. Unerträglich.
·
Zaubersegen[95]:
Schuldig.
·
„Zeichendeuterei“ („Man glaubt an Zeichen, die Glück oder Unglück
bringen sollen, wie Glücksschweine, Glückspilze […], Amulette, Hufeisen,
vierblättrige Kleeblätter, […] Schornsteinfeger (…]“)[96]:
Schuldig.
Liebe Nachkommen, leider
seid ihr wegen mir für immer verdammt. Keine Nachkommen? Glück gehabt.
Meine Familie? Ach, die
werden das aushalten (müssen).
Mein Gott, was habe ich
über die Broschüre gelacht. Und mit „mein Gott“ ist nicht der Gott des
Alten Testaments gemeint. Was wohl auch Sünde ist. Egal. Zum Glück – und
Hals- und Beinbruch!
Dein Homo Magi
Jupiter-Rauschen
Hallo Salamander,
seitdem es keine Radios mehr gibt, bei denen man am Rand endlos
weiterdrehen kann (bis hin zum Polizeifunk – zumindest in meiner
Jugend), kann man das Rauschen des Jupiters nicht mehr empfangen. Nein,
kein griechischer Gott, der mir Anweisungen schickt, sondern ein
Radiophänomen:
Jupiter-Bursts (auch DAM
für decametric radio emission) sind natürliche
Radiosignale im
Kurzwellenbereich, die vom Planeten
Jupiter ausgehen. Die Signale wurden 1955 von
den beiden amerikanischen Astronomen
Kenneth Franklin und
Bernard Flood Burke entdeckt.
Die stärksten
Jupiter-Bursts entstehen, wenn
vulkanische Aktivität auf seinem Mond
Io Gas in die
Magnetosphäre des Jupiter schleudert. Dabei
entstehen
Plasmawellen, die je nach Konstellation auf der
Erde empfangen werden können. Der genaue Entstehungsmechanismus ist noch
unbekannt.
Es gibt L-Bursts (long)
und S-Bursts (short). L-Bursts tönen wie Brandungswellen und S-Bursts
wie das Flattern einer Fahne im Wind.
Die Signale sind
aufgrund ihrer Frequenz und ihrer hohen Signalstärke einfach zu
empfangen. Sie eignen sich darum besonders gut für Amateurbeobachtungen
und Schulprojekte, beispielsweise mit der durch das Projekt
Radio JOVE der amerikanischen Luft- und
Raumfahrtbehörde
NASA bereitgestellten Hard-
und Software.[97]
Irgendwie prosaisch. Auch ein Teil von den Dingen, die uns moderne
Geräte vermissen lassen. Lustig ist, dass ich bei der Recherche darauf
gestoßen bin, dass die Seite www.jupiterrauschen.de der Telekom gehört.
Da steht:
Diese Homepage wird zur
Zeit überarbeitet. Schauen Sie doch mal wieder vorbei![98]
Habe ich. War langweilig.
Naja, gestern durften wir auf einer Party eine Musikcassette mit den
Fingern aufdrehen, weil das Band raus war. Wann habe ich das das letzte
Mal gemacht? Vor zwanzig Jahren, würde ich vermuten. Dann wird man
esoterisch ganz rührselig. Ohne Tonbänder – was wurde denn aus den
paranormalen Tonbandstimmen. Ja, so etwas gab (und gibt) es:
Tonbandstimmen – engl.
als electronic voice phenomenon (EVP) bezeichnet – sind
Hörereignisse innerhalb akustischer Aufzeichnungen, die als
gesprochene Sätze oder Satzfragmente interpretiert werden können und
denen von einigen Menschen eine außergewöhnliche Bedeutung beigemessen
wird. Unter wissenschaftlichen Testbedingungen konnten bisher keine
Auffälligkeiten reproduziert werden, welche über die Auswirkungen
technischer Unzulänglichkeiten der Aufnahmegeräte hinausgingen.
Bislang ist nicht
eindeutig definiert, ob das eigentliche Phänomen im
technisch-physikalischen (Hypothese: Das Vorkommen des den
Tonbandstimmen zugrunde liegenden Schalls ist unerklärlich) oder rein im
informellen (Hypothese: Tonbandstimmen stellen eine Art unerklärlichen
Informations-Feedback dar) Bereich liegen soll.
Vor allem Anhänger
esoterischer Strömungen glauben, dass sie auf diese Weise mit
den
Seelen Verstorbener oder
anderen Entitäten kommunizieren. Der Physiker
Ernst Senkowski (1922–2015)
prägte hierfür den Begriff der instrumentellen Transkommunikation. Das
stellt nichts anderes dar, als eine moderne, säkularisierte Form des
Spiritismus. Andere Verfechter von Tonbandstimmen gehen
lediglich von einem der
Wissenschaft bislang unbekannten Vorgang aus und erhoffen
sich weitere Erkenntnisse durch umfassendere methodische Untersuchungen.[99]
Und wir sind in Deutschland, auch dafür gibt es einen Verein:
Der
Verein für Transkommunikations-Forschung (VTF) e.V. (1975
gegründet) hat die Aufgabe, die Erforschung der Tonbandstimmen zu
fördern, indem er jeden ernsthaft Interessierten durch Information und
Beratung in den Stand versetzt, durch eigene Experimente selbst solche
Stimmen zu erhalten, und indem er bestrebt ist, alle Personen,
Institutionen usw. zu erreichen, welche wissenschaftlich, technisch oder
auf andere Weise helfen können, sowie durch Öffentlichkeitsarbeit.[100]
Was ist mir jetzt lieber – dass ein Verein esoterische
Gerätemitteilungen erforscht, oder dass die Telekom das Jupiterrauschen
als Internetseite verwalten will? Beides eigenartige Wege, aber
irgendwie auch typisch Deutsch. Und ein Zeichen dafür, dass Geräte nicht
einfach verschwinden, sondern weitere ihre Bedeutung im
Massenbewusstsein haben.
Irgendwie auch beruhigend.
Dein Homo Magi
Der ewige Brunnen
Lieber Salamander!
Es war mal wieder Zeit, mich mit Gedichten zu beschäftigen. Ja, ich lese
Gedichte. Nicht unbedingt das, was man heute Lyrik nennt, sondern
Gedichte. Also habe ich auch die fast 1000 Seiten von „Der ewige
Brunnen“[101]
durchgelesen, ohne mich dabei zu langweilen.
Erstaunt war ich dabei vom nordischen Inhalt vieler Gedichte. Einige
Stücke sind hier klar im Thema, könnten heute noch bei Feiern verlesen
werden. Auf Quellenangaben zum Buch habe ich jetzt hier verzichtet, die
Sachen sind online anhand Autor und Titel leicht auffindbar. Oder du
leistest dir „Der ewige Brunnen“ – etwas, das du nicht bereuen wirst.
Zum Inhalt: Felix Dahn hat mich nicht überrascht, immerhin ist mir seit
dem ersten Versuch „Kampf um Rom“ zu lesen klar, dass der Mann
germanische Mystik ausatmet (aber schreiben, schreiben kann er nicht).
Gefunden habe ich von Felix Dahn „Hagens Sterbelied“ und „Der stolze
Gast“. Letzteres hat auch einen arg schönen Schluss:
»Ha, Tod dem Frevler,«
klang es wieder und alle Klingen wurden bloß.
»Zu spät,« sprach er vom
Thron hernieder: »der alten Götter Macht ist groß.
Blickt aus zum Strand!
Hört ihr es schallen? Hie Thor und Odhin! tönt‘s mit Wucht,
Und meine Drachenschiffe
wallen mit stolzen Wimpeln in die Bucht.
Mein ist das Reich: und
in drei Stunden, Herr Bischof, räumet Ihr das Land.
Doch du, mein Weib, das
sich verbunden dem Flüchtling arm und unbekannt,
Die schönste
Nordlandskrone legen will auf die weiße Stirn‘ ich dir,
Denn Sigurd bin ich von
Norwegen und Meer und Inseln dienen mir.«
Dann gibt es noch Agnes Miegel mit „Die Nibelungen“:
„In der dunkelnden Halle
saßen sie,
sie saßen geschart um
die Flammen,
Hagen Tronje zur Linken,
sein Schwert auf dem Knie,
die Könige saßen
zusammen.“
Schöne Reime, schwere Sprache. Dazu gibt es aber noch lustige
Fundstücke. So schrieb
Johann Wolfgang von Goethe im „Der getreue Eckart“:
„(…) Sie kommen. Da
kommt schon der nächtliche Graus
Sie sinds, die
unholdigen Schwestern. (…)
Die Hulden, sie kommen
von durstiger Jagd,
Und laßt ihr sie
trinken, wie’s jeder behagt,
Dann sind sie euch hold,
die Unholden. (…)“
Über die Holden und Frau Holle habe ich schon einiges gehört, der
Hinweis auf Goethe ist mir bis jetzt entgangen.
Abschließend etwas, das lokal hier wichtig ist: „Wo Bismarck liegen
soll“ von Theodor Fontane. Nicht wegen dem Bezug auf Bismarck, sondern
wegen dem Hinweis auf Widukind, die Sachsen und die Macht des Waldes:
„Nicht in Dom oder
Fürstengruft,
Er ruh’ in Gottes freier
Luft
Draußen auf Berg und
Halde,
Noch besser tief, tief
im Walde;
Widukind lädt ihn zu
sich ein:
„Ein Sachse war er, drum
ist er mein,
Im Sachsenwald soll er
begraben sein.“
Der Leib zerfällt, der
Stein zerfällt,
Aber der Sachsenwald,
der hält,
Und kommen nach
dreitausend Jahren
Fremde hier des Weges
gefahren
Und sehen, geborgen vorm
Licht der Sonnen,
Den Waldrand in Epheu
tief eingesponnen,
Und staunen der
Schönheit und jauchzen froh,
So gebietet einer:
„Lärmt nicht so! –
Hier unten liegt
Bismarck irgendwo.“
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Dein Homo Magi
Wildschwein
Hallo Salamander,
am Wochenende fuhr ich nach einem Ritual als Beifahrer durch einen
dichten, dunklen Wald, irgendwo im Osten der Republik. Die Straße war
dunkel und schwer zu übersehen, daher fuhr mein Fahrer nur mit
gemächlichen dreißig Stundenkilometern über den Asphalt.
Hinter uns näherte sich der klassische Eingeborene, der uns natürlich
überholen musste. Er selbst war auch nicht schnell, vielleicht fünfzig
Stundenkilometer insgesamt. Aber es reichte für das, was kommen sollte.
Es tat einen Schlag, der Wagen vor uns schlingerte, kam dann mit
Warnblinklicht zum Stehen. Ich hatte noch gesehen, dass er „etwas“
gerammt hatte – nur was das war, hatte ich nicht erkennen können.
Wir fuhren auch rechts ran – nicht zuletzt, weil die Straße vor uns mit
Plastikteilen und Splittern übersät war. Vater und Sohn bei mir im Auto
ließ ich zurück und stieg aus. Mir war zu 90 % klar, dass wir kein Kind
auf einem Skateboard gerammt hatten, aber für eine absolute Sicherheit
dafür hätte ich meine Hand nicht ins Feuer gelegt. Und ob der
Minderjährige auf der Rückbank das sehen muss, wage ich zu bezweifeln.
Also stieg ich aus. Mitten im Nirgendwo in einem dunklen, düsteren Wald.
Zwei Schritte nach vorne sah ich rechts schon etwas im Wald liegen.
Menschengroß, mit zuckenden Extremitäten. Es war ein großes Wildschwein,
eine Bache. Es dauerte eine Weile, bis die Zuckungen aufhörten. Dann
signalisierte ich dem Fahrer unseres Autos, dass ich noch etwas zu
erledigen hätte. Der Fahrer des Wagens vor uns kam mir kreidebleich
entgegen. Ich konnte ihn beruhigen und ihm mitteilen, dass er „nur“ ein
Wildschwein überfahren hatte. Dann räumten wir gemeinsam den Müll seines
Kotflügels vom Weg und beseitigten ein paar Splitter des Blinkers. Als
letztes überredete ich ihn noch, sich unsere Autonummer aufzuschreiben –
man weiß nie, was nachher noch von der Polizei alles an Informationen
erwartet wird, wenn man seine Aussage macht.
Dann, erst dann kehrte ich in das wartende Auto zurück. Ich erzählte
kurz meine Geschichte und erklärte dem Minderjährigen auf der Rückbank,
warum ich nicht wollte, dass er „es“ sieht. Sein Vater und er meinten
zwar übereinstimmend, das wäre kein Problem gewesen – aber das ist
einfach zu sagen, nachdem klar ist, dass es „nur“ in Tier war. Das
10%-Kind auf dem Skateboard-Problem meiner Wahrnehmung wird dadurch
nicht besser.
Verdammt, ich war nicht einmal froh, dass es dann ein Tier war. Ich war
nur traurig. Angst, dass das Tier nur verletzt ist und mich angreifen
könnte, hatte ich keine. Ich näherte mich dem Tod, das war mir klar.
Warum, das ist eine Frage, die ich mir seitdem immer wieder stelle. Als
Banshee fühle ich mich sonst nämlich eher ungeeignet.
Dein Homo Magi
Der ewige Brunnen II
Lieber Salamander!
Überhaupt darüber zu berichten, dass ich „Der ewige Brunnen“ gelesen
habe, war für mich eine Überwindung. Ich musste das Buch nämlich neu
kaufen, obwohl ich es einmal besessen hatte. Es war das Geschenk zu
irgendeinem Geburtstag, gefühlt zwischen dem 14. und dem 19.
Die Schenkerin war das Problem: Meine faschistoide Großtante. Jede
Familie sollte eine haben und in meiner Jugend hatten auch viele
Familien eine. Die wurden zentral irgendwo geschnitzt und dann auf die
Familien verteilt. So kamen wir zu meiner Großtante.
Die Gedichte fand ich schon damals schön. Aber ich konnte das Buch nicht
von der Schenkerin trennen, die über die „andere Blutmischung der Juden“
schwafelte und eigenartige Vorurteile gegen bedruckte T-Shirts und Jeans
hatte. Auch hier gilt: Aus dem Satz gab es damals für viele Familien ein
Exemplar. Übrig geblieben aus dem Krieg und in Familien abgeworfen.
Später hat Geld, das ich über Umwege von ihr bekam, dazu geführt, dass
eigentlich ich am Siegeszug von George R. R. Martin in Deutschland
schuld bin (okay, das ist nicht ganz wahr, aber 10 % würde ich mir schon
gönnen). Eine andere Geschichte. Sie verdarb auf jeden Fall meinen
Zugang zu deutschen Gedichten, weil ich beim Lesen immer das Gefühl
hatte, ihre Stimme zu hören (und ja, sie konnte verdammt viele davon
auswendig). Also habe ich es gelassen.
Und jetzt, fast 40 Jahre später, habe ich wieder zu „ihren“ Gedichten
gefunden. Nicht zu ihr, aber irgendwie macht es das einfacher, damit
umzugehen, dass sie zu meiner Familie gehörte. Dichtung kann heilen.
Dein Homo Magi
In der Kirche
Hallo Salamander!
Vor einigen Wochen war ich über das Wochenende bei meiner Mutter. Das
ist nicht verwerflich.
Am Sonntag fuhr ich dann heim. Wir hatten das Programm so vorbereitet,
dass ich morgens mit ihr frühstücken konnte, bevor sie in die Kirche
geht. Dann fragte sie, ob ich sie hinfahren würde. Kein Problem, lag auf
dem Weg. Die Begründung war, dass sie ein Paket mitnehmen müsse. Ich
habe das Paket später in den Händen gehabt – es war ein Karton mit
Wolle. Wahrscheinlich hätte man es mit zwei Fingern den ganzen Weg
tragen können. Aber ich bin ein guter Sohn.
Am Ziel fragte sie, ob ich nicht noch schnell mit rein … Ich antwortete,
dass ich am Eingang einer Kirche zu Staub zerfallen würde. Meine Mutter
war von dem Argument nicht überzeugt (ehrlich: ich auch nicht), so dass
mir wenig Ausreden blieben. Ich ging also mit.
Drinnen war es so wie bei meiner Konfirmation, gefühlt vor 35 Jahren.
Der Dritte-Welt-Stand steht woanders, der Pfarrer sieht anders aus, aber
der Rest – von den Fenstern bis zum Gestühl und hinauf zur Orgel – ist
identisch. Sogar der Geruch ist noch derselbe.
Und links, in der fünftletzten Reihe, saß dasselbe Ehepaar wie vor 35
Jahren, immer noch fröhlich lächelnd und mich nett grüßend. Bevor ich
darüber nachdenken konnte, ob das Christentum vielleicht wirklich
bewahrend und konservierend auf glückliche Liebe wirkt, fiel mein Blick
auf zwei ältere Frauen. Ich stutzte, dann fiel mir auf, dass es Mutter
und Tochter sein mussten – die Mutter erkannte ich wieder, um 30 Jahre
gealtert, die Tochter konnte ich nur rekonstruieren, denn sie war in den
30 Jahren um 60 Jahre gealtert. Aus der jungen, ausgesprochen
gutaussehenden Frau war ein farb- und geschlechtsloses Etwas geworden,
das mich aus stumpfen Augen anschaute. Also verwarf ich meine Theorie,
küsste meine Mutter zum Abschied, drückte ein paar Hände und ging
wieder.
War nicht so schlimm, wie gedacht. Aber sie hatten auch keinen Knoblauch
aufgehängt, um sich vor mir zu schützen.
Dein Homo Magi
Dan Cooper
Lieber Salamander,
manchmal sind die Wege des Universum eigenartig. Da erhielt ich von
einem Freund den ersten Band der „Dan Cooper“-Gesamtausgabe geschenkt.
Coole Comics aus Belgien – eine wundervolle Handlung um einen Piloten,
mit einigen Science Fiction-Elementen am Anfang.[102]
Früher habe ich die begeistert verfolgt und auch heute noch üben sie
ihren Reiz auf mich aus.
Dann kam in der Zeitung der Artikel, dass der Flugzeugentführer Dan
Cooper (der nie ein Flugzeug entführt hat, egal) endlich für tot erklärt
worden ist. Man ging immer davon aus, dass er sich nach der Comic-Figur
benannt hat.
Ich meine, der Typ kann nicht allzu helle gewesen sein:
Dan Cooper und D. B.
Cooper sind
Pseudonyme für einen
Flugzeugentführer, der am 24. November 1971 über
dem
Pazifischen Nordwesten über der
Gebirgskette der südlichen
Kaskaden aus einer
Boeing 727 sprang, nachdem er zuvor ein
Lösegeld in Höhe von 200.000
US-Dollar (entspräche heute etwa 1.160.000 US-Dollar) erhalten
hatte.
Weder zur Identität noch
über das Verbleiben des Entführers tauchten schlüssige Anhaltspunkte
auf, und es gibt etliche sich widersprechende Theorien darüber, was nach
dessen Absprung geschah. Die einzigen Hinweise in diesem Fall sind drei
Bündel verwitterter Banknoten, die ein Kind 1980 am sandigen Flussufer
des
Columbia River ausgegraben hatte und die später als Teil des
Lösegelds identifiziert wurden, sowie ein Teil eines Schildes, das
vermutlich von der hinteren Treppe des Flugzeuges stammt, von der Cooper
abgesprungen war. Das
FBI führt den Fall Cooper
unter dem Codenamen „Norjak“.
(…) Bis heute ist der
Fall nicht aufgeklärt.[103]
Wer mit einem vollen Geldbeutel, aber ohne entsprechende arktische
Schutzkleidung, über den Kaskaden aus einer Boeing springt, der ist
nicht die hellste Kerze auf dem Kuchen. Man ging auch immer davon aus,
dass er in der Luft erfroren ist (der Fundort des Geldes spricht dafür).
Aber es kommt noch eigenartiger. Am nächsten Morgen las ich dann das
schöne Online-Magazin „Protodimension Magazine 19“[104],
ein total gut gemachtes Horror-Rollenspiel-Fanzine. Und wer spielte eine
wichtige Rolle in einem Beitrag: Dan Cooper (der
Flugzeug-nicht-entführer). Eigenartig, oder?
Dein Homo Magi
Heidnische Überlappungen
Lieber Salamander,
diese Woche saß ich in einem Arbeitskreis mit einem Alt-68er, der mir
durch seine dogmenhaften Einwürfe ziemlich auf den Geist ging. Als er
dann irgendwann meinte, dass alle Probleme nur von Fehlfunktionen der
Frontallappen her rührten, war es um meine Beherrschung geschehen.
Ich meinte (laut), dass das gegenüber der indigenen Volksgruppe
herabmindernd wäre. Sie würden sich nicht mehr Lappen nennen, weswegen
man nicht von Frontal-Lappen, sondern von Frontal-Samen sprechen müsste.
Betretenes Schweigen. Dann machte der Dogmen-Schleuderer weiter, als
wäre nichts geschehen; intern hatte er seiner Volldeppen-Liste nun
meinen Namen vorgeführt. Aber mir ging es danach besser. Eine Art
Bullshit-Bingo auf höherem Niveau, das einem beweist, dass man noch
nicht tot ist.
Dein Homo Magi
Fundraising
Lieber Salamander,
frühen waren die Fund Raiser noch Spendensammler, und die Zahl der
Leihwörter aus der englischen Sprache verschonte den sozialen Bereich
weitest möglichst. Vielleicht lag es daran, dass die Haie und Hyänen,
die das Englisch in die Werbung geschleust haben, zu Recht vermuteten,
dass bei der Klientel im Sozialbereich nicht genug zu holen sei.
Ich bin ein wenig gefangen in den letzten Tagen bei dem Sprachspiel, das
sich zwischen Fund und Pfand abspielt. Auf der einen Seite die großen
Banken, die mit Steuermitteln subventioniert werden (alleine dies lässt
mich darüber nachdenken, wo die RAF ist, wenn man sie mal braucht).
Alles hungernde Bankmitarbeiter, die jetzt sicherlich bei den
Filialschließungen unser Mitleid verdient haben, nachdem sie vorher
jahre- und jahrzehntelang Teil des Systems waren, das uns völlig
sinnlose Anlagen und Aktienpakete angedreht hat.
Auf der anderen Seite die (meist männlichen) Wesen mit großen Taschen
und verschmierten Rollkoffern, die auf der Suche nach Pfand sind. Sie
durchwühlen mit ungeschützten Händen Mülleimer, suchen in Büschen und
sammeln alles ein, was sie dann für kleines Geld an Automaten abgeben
können, um sich etwas zu trinken zu kaufen.
Bizarr ist doch, dass die ganzen Ökosystem-Retter, die sonst immer laut
trommeln, jetzt ganz still sind. Woher kommt denn der Pfand? Den werfen
andere fort. Und die Pfandsammler erfüllen doch nur eine (ökologische?)
Funktion, weil andere vorher Müll erzeugt haben. Viel lieber wäre mir,
wir hätten Parkwächter, die mit Knüppeln bewaffnet gegen
Unterführungspinkler und Glas-in-Büsche-Werfer vorgehen, während wir
außerdem genug Geld als Sozialstaat ausgeben, damit kein Mensch
gezwungen ist, Pfandgeld zu sammeln.
Fund oder Pfand. Wenn ich nicht vermuten würde, dass sich unsere
Gesellschaft längst entschieden hat, wer hier Opfer, wer hier Täter ist
– ich würde die Frage öffentlich stellen.
Oder beide Gruppen einfach mal für vier Wochen austauschen. Während ich
hoffe, dass unser Aktiensystem nicht zusammenbricht, wenn es vier Wochen
von Pfandsammlern geleitet wird, so denke ich doch, dass die Fundmanager
keinen Fund von Pfand machen.
Und nachher führen wir dann in kleinen Gruppen ein Gespräch über Würde.
Man darf träumen.
Dein Homo Magi
I wanna talk to reception
Lieber Salamander,
kürzlich klingelte abends um Elf mein Handy. Die Nummer kam mir bekannt
vor – ja! Meine Frau hatte von der Hotelnummer angerufen. Also ging ich
ran – etwas müde, etwas verwirrt, aber immer noch klar.
Eine Stimme mit starkem chinesischem Hintergrund sprach den uralten Satz
zu mir: „I wanna talk to reception.“
Zwei Dinge fielen mir sofort ein. Erstens: Meine Frau hatte keinen
chinesischen Akzent, wenn Sie englisch spricht. Zweitens: Sie war heute
nicht im Hotel und überhaupt nicht beruflich unterwegs, sondern daheim –
letzte Sichtung vor einigen Stunden.
Also schaltete ich auf Englisch um und versuchte der Dame klar zu
machen, dass ich nicht die Rezeption des Hotels sei. Warum ich dann ans
Telefon gegangen sei? Weil Sie mich angerufen habe. Aber Sie hätte doch
die Rezeption angerufen?
Ich verzichtete darauf, der Dame den logischen Zirkelschluss
vorzuhalten, dass Sie ja erst hatte mit der Rezeption sprechen wollen,
als Sie zu mir sprach, also ein zukünftiges Ziel festlegte, dass in
diesem Moment ihrer Ansicht nach noch nicht erreicht war.
Zurück zur Diskussion.
Ich bin nicht die Rezeption. Warum meine Nummer dann angewählt würde,
wenn Sie wählt?
An diesem Punkt war ich es leid. Ich machte ihr klar, dass ich nicht die
Rezeption war und wünschte ihr eine schöne restliche Nacht. Natürlich
ich damit die Chance verpasst, ihr zu erklären, dass man in Deutschland
die Rezeption dadurch erreicht, dass man kleine Zettel mit den eigenen
Wünschen beschriftet und die in den Fahrstuhl wirft. Der Rest ergibt
sich dann schon. Wie gesagt: verpasste Gelegenheiten.
Nachts fiel mir auch die Existenz der Wiederwahltaste wieder ein. Meine
Frau hatte mich Tage vorher aus dem Hotel angerufen. Die Chinesin hatte
dann wohl die Nummern runtergescrollt, bis eine Mobilfunknummer
auftauchte, die nach Macht und Wissen aussah – meine.
Dann doch alles nachvollziehbar. Irgendwie.
Dein Homo Magi
Penisschnitzer
Lieber Salamander,
bei der „Langen Nacht der Religionen“ saß er neben mir: Der
Penisschnitzer.
Eine eigenartige Situation. Wir sollen eigentlich Werbung machen für
einen heidnischen Verein. Dafür war ein Programm organisiert worden, das
wirklich gut aussah. Die Räumlichkeiten waren ordentlich, der Platz
zentral, das Essen gut, die Bedienung freundlich. Aber ab und an wollte
ich mich für eine Raucherpause hinaus begeben, und da befand ich mich
dann im Rahmen der Schnitzgruppe.
Das man nicht in den Räumlichkeiten eines Restaurants schnitzt,
erscheint mir nachvollziehbar. Das ganze Schnitzen war professionell
organisiert, kein Zweifel. Aber der Herr neben mir schnitzte an einem
riesigen … Penis. Er sagte zwar, es würde später mal eine Götterstatue,
aber der Weg dorthin schien eine längere Beschäftigung mit einem
Holzpenis zu umfassen, den man wegen der besseren Handhabbarkeit
zwischen den Schenkeln festklemmt und dem man mehr und mehr die Form
eines männlichen Geschlechtsteils gibt.
Das alles vor dem Restaurant, ganz in bester Sicht von Passanten und
potentiellen Besuchern.
Eigentlich stellte ich bald fest, dass es mir egal ist. Wir (die
Schnitzgruppe und die Raucher) machten dann ein paar typische
Männerwitze, das man das Holz am besten nachher einölen muss und wie man
es hinbekommt, dass die regelmäßige Pflege auch wirklich verabreicht
wird und so weiter und so fort.
Aber heidnisch – ach, heidnisch war mir das egal. Ich habe im Nebel auf
einer Thingstätte gestanden und stand, als der Nebel sich hob, zwischen
lauter Neonazis. Im Laden eins bekennenden Nazis war ich, um ein Buch
als Beleg zu kaufen. Ich habe bei Veranstaltungen mitgewirkt, bei denen
Pferde gechannelt wurden, die nur hessische Vierzeiler konnten. Ich war
bei einem Ritual dabei, bei dem das Ozonloch geschlossen werden sollte.
Nackt stand ich an einem FKK-Strand und war Teil eines Wikka-Rituals.
Was kann mir noch peinlich sein? Wenig.
Und wenn wir durch das Heidentum näher an unserer Sexualität sind …
bitteschön. Dann eben auch Penisschwitzerworkshops. Aber das nächste Mal
auch so ankündigen, okay?
Dein Homo Magi
Gefahrenklassen
Hallo Salamander!
Die VBG als gesetzliche
Unfallversicherung vergibt Gefahrenklassen, damit eingeschätzt werden
kann, wie sicher oder unsicher eine Beschäftigung ist. Wenn ich in einer
Gefahrenklasse arbeite, in der nur gefährliche Berufe sind (ich würde
auf Löwendompteur und Organspender tippen) zahle ich mehr an Beitrag als
einem Beruf, der ohne körperliche Gefahren ist
(Verwaltungsangestellter). Das macht Sinn.
Jetzt bin ich Sozialarbeiter und zwar
schon eine Weile. Und da gibt es (ab 2017) eine neue
Gefahrenklasseneinordnung, die mir ein wenig – äh – suspekt erscheint.
Die Berufsgruppe, in der ich mich ab dann befinde, wird so beschrieben:
Unternehmen im sozialen, kulturellen und Freizeit-Bereich
Abenteuerspielplätze – Aquarien – Artistinnen und Artisten –
Automatenspielhallen – Bewirtschaftung von Sportanlagen – Billardsalons
– Erlebnisparks – Freizeitparks – Hundepensionen – Indoorspielanlagen –
Kabaretts – Kunstmalerinnen und Kunstmaler – Künstlerinnen und Künstler
der Bereiche Wort, Musik, bildende, darstellende Kunst – Minigolfanlagen
– Museen – Musicaltheater – Musikerinnen und Musiker – Orchester –
Partnerschaftsberatungen – Puppentheater – Regisseurinnen und Regisseure
– Sängerinnen und Sänger – Schauspielerinnen und Schauspieler –
Schriftstellerinnen und Schriftsteller – Seelsorge – Seilschwebebahnen –
Selbsthilfegruppen – Skilifte – Sozialberatungen – Spielstätten –
Sprechtheater – Stuntwomen und Stuntmen – Tänzerinnen und Tänzer –
Theater – Tierparks – Tierschutz, -pflege, -zucht und -dressur –
Tourneetheater – Transfergesellschaften (Beschäftigungs-,
Qualifizierungsgesellschaften) – Wildgehege – Zoos[105]
Mal ehrlich – Sozialarbeiter inhaltlich
im selben Bereich mit Aquarien, Hundepensionen, Kunstmalern und Theatern
einzustufen, erscheint mir zumindest erklärungsbedürftig. Aber hier geht
es ja um Gefahrenklassen. Und dann muss (!) die Frage erlaubt sein, wann
ich an meinem Arbeitstag ähnlichen Gefahren ausgesetzt bin wie bei der
Arbeit mit Skiliften, als Stuntmen oder im Wildgehege? Ich meine, was
tue ich den ganzen Tag, was mich in eine ähnliche Gefahrengruppe bringt
wie Stuntmen?
Oder: Wird mein Beruf zum 01.01.2017
neu gefasst? Darf ich mich jetzt wöchentlich von Skiliften stürzen, mich
für Filmaufnahmen mit Benzin übergießen oder in Zoos die Löwen hüten?
Ich weiß es nicht. Die Zeit wird es erbringen.
Hundepension. Keine Fragen.
Dein Homo Magi
Jahresende
Lieber Salamander!
Das heidnische Jahr ist wieder einmal gekommen und gegangen. Man sagt
zwar, beim älter werden würde sich die Zeitwahrnehmung verändern. Davon
merke ich noch wenig. Natürlich ist es so, dass mir immer noch nicht
klar ist, wie die Sommerferien in meiner Kindheit gefühlt acht Monate
gedauert haben, während heute ein Dreiwochenurlaub mental zu einem
Sieben-Tage-Ausflug wird. Aber das hat mit der Verkürzung von Zeitläufen
nichts zu tun, eher mit der Begeisterungsfähigkeit, die einem abgeht,
wenn man älter wird.
Was ich merke ist eine Nostalgie ungeahnten Ausmaßes beim Auswählen von
Literatur. Ich versuche jetzt manchmal Dinge erneut zu lesen, die ich
mit 12, 13, 14 schon einmal gelesen haben. In seltenen Ausnahmen stellt
sich das alte Lesegefühl wieder ein und ich bin noch einmal unterwegs
mit einem Raumschiff, jenseits des Asteroidengürtels, um dort Abenteuer
zu erleben. Diese seltenen Ausnahmen erlauben es aber ohne Reue, in die
Bücher aus meinen ersten Lesejahren erneut hinein zu schauen. Und man
vergisst doch einiges, was einem Jahrzehnte später als erneutes
freudiges Ereignis ein Lesevergnügen bereitet, das man schon fast als
vermisst abtat.
In der Magie ist es ähnlich. Die faden, an einem vorbeihuschenden
magischen Modeerscheinungen sind – dem technischen Fortschritt
geschuldet – online buchbar und multimedial, aber noch genauso
langweilig wie vor über 30 Jahren. Das mit dem Wein und den Schläuchen
fällt einem unvermeidbarerweise ein und man wird dann daran erinnert,
das man diese Weisheit von den eigenen Ahnen erhielt, ohne sie zu
würdigen. Jetzt bin ich in der Lage, die Weisheit zu erkennen. Was fade
schmeckt, kann molekulare Küche sein und sündhaft teuer. Es muss mir
schmecken, um mich glücklich zu machen. Bei der Magie ist es genauso.
Nur braucht man 30 Jahre Erfahrung, um das belegen zu können (aber nur
fünf Minuten Bauchgefühl, um es zu wissen).
Du siehst, kleiner Lurch, bei mir ist alles gut. Die Seele ist fröhlich.
Und wenn es dir Spaß macht, dann schreibe ich dir ein weiteres Jahr.
Kuss und Gruß, dein Maximus!
Dein Homo Magi
Willkommen in Night Vale
Joseph Fink & Jeffrey Cranor
„Willkommen in Night Vale“
Hobbit Presse Kletto-Cotta 2016
Drei Dinge weiß ich nach der Lektüre dieses Buches.
Erstens: Nie wieder eine lange Zugfahrt ohne ein Ersatzbuch. Das Buch
ist Langeweile pur und man wünscht sich ab spätestens Seite 50, das
irgendjemand im Wagen eine Rosamunde Pilcher liegen lässt, damit man
etwas lesen kann, was das Gehirn wieder in den Normalzustand bringt.
Zweitens: Nie wieder ein Buch lesen, auf dessen Cover Patrick Rothfuss
zitiert wird. Hier schreibt er: „Möglicherweise das beste Buch, das ich
in den letzten Jahren gelesen habe.“ Der Konjunktiv deutet an, dass es
eben halt möglicherweise das beste Buch ist. Also nicht sicher. Ich bin
mir sicher, dass es nicht das beste Buch ist, das ich in den letzten
Jahren gelesen habe. Aber bei den schlechtesten ist es dabei.
Drittens: Nie wieder ein Leseexemplar anfordern, weil einem der
Klappentext gefällt. Das muss man nämlich dann rezensieren.
Der Originaltitel fehlt, aber das mag darin liegen, dass Leseexemplare
anders ausgestattet sind als richtige Bücher. Spannender dürfte das Buch
auch nicht sein.
Man beginnt nicht mit dem Buch, sondern mit einem Interview von Patrick
Rothfuss mit den Autoren. Das sollte einem zu denken geben, ist es doch
ungewöhnlich. Dann beginnt das fast 400 Seiten lange Buch langatmig.
Achtung, das bleibt so. „Die Geschichte der Stadt Night Vale ist lang
und verschlungen (…).“ Das gilt leider auch für den ganzen Roman. Dahin
mäandernde Sätze, völlig langweilige Figuren und eine Handlung, die die
Bezeichnung nicht wert ist. Ist der Start noch ganz nett („Pfandhäuser
in Night Vale funktionieren so: Erstens braucht man einen Gegenstand zum
Verpfänden.“) und die Protagonistin erhält einen seltsamen Zettel, auf
dem „King City“ steht, den sie nie wieder abkriegt. Hmpf.
Und dann Absätze wie: „Sie wusste, dass Neunzehnjährige zum Beispiel
aufs College gehen. Sie wusste, dass andere Neunzehnjährige auf einem
schwierigen Arbeitsmarkt keinen Job finden und bei ihren Eltern wohnen.
Sie war froh, dass keines von beidem auf sie zutraf.“ (S. 9)
Nach vielen Verschlingungen und Verschlängelungen und nur lesend, weil
der Zug noch nicht angekommen ist, langweilt das Buch ein wenig herum.
Das Ganze wirkt so, als hätte Hunter S. Thompson auf Drogen versucht
einen Urban Fantasy-Roman zu schreiben ohne zu wissen, was dieses Genre
kann – aber alles zu zeigen, was das Genre nicht kann. Nämlich:
Langweilige Geschichten erzählen. Ab Seite 100 wünscht man sich einen
Zombie oder einen liebeskranken Vampir, ab Seite 200 sehnt man sich nach
einer Teenie-Vampirjägerin und ab Seite 300 möchte man hören, wie der
Held wohnt und wie seine Freunde sind.
Aber: Pappkameraden wohin man schaut, langweilige, unglaubhafte Städte
und eine gestelzte Handlung. Es hilft nicht, dass das Buch erst ein
Podcast war (habe ich nicht erfunden, steht so da drin). Aber hip und
trendy ist was anderes als gut zu lesen.
Am Kreuzweg der Zeit
Am Kreuzweg der Zeit steht seit uralten Zeiten
die Kneipe, die lang‘ vor uns Menschen bestand.
Von dort führen Straßen und Wege und Pfade
in jedes am Anfang erschaffene Land.
Wo bemooste Pfeiler, Zinken am Baume,
metallene Schilder die Straßen markier’n,
wo Lieder, Gedichte, Sinnsprüche, Zauber
für wissende Wege und Tore tradier’n.
Früh hier nackte Sohlen den Boden verehrten,
flog SPQR als der Römer Geleit.
Vandalen, Awaren, Zigeuner wie Kelten,
sie alle hier reisten im Ablauf der Zeit.
Kreuzritter mit Weihrauch und Goden mit Runen,
drei Wicca-Touristen und Avalons Brut,
Templer und Ketzer, Häretiker, Hexer,
Stella Matutina und Silberweg-Blut.
Ein Bier an der Theke wird jedem geboten,
die Münze ist Silber, doch langt auch ein Lied.
Das Gastrecht ist ehern und uralte Sitte –
Wer weiß schon, was hier nach dem Fortgang geschieht?
Der Ort hier – so hell wie die Kerze im Fenster –
spendet dem Wanderer klärendes Licht.
Drum wartet nicht länger, los: bucht eure Betten!
Die Kneipe am Kreuzweg ist Ostara Pflicht!
Die
Welt
Die Welt, sie stand in Flammen,
verbrannt war alles Sein,
verloren und vernichtet
im hellen Feuersschein.
So griffen dann Dämonen
nach meines Herzens Glut,
zu zerreißen und zu trinken,
mein Leben und mein Blut.
Sie rissen mir die Därme
aus meinem wunden Leib,
und fraßen meine Seele,
im Anbeginn der Zeit.
Bevor die Schmerzen kamen
erstarrte ich und fror,
am Ende alles Lebens,
das sich im Nichts verlor.
Oh Mutter, hör mein Rufen.
Gebrauche deine Macht!
Hättest du mich nie getrieben
hinaus in jener Nacht.
Im Haus des Gehängten schweigt man vom Strick
Mein Wagen lag am Straßenrand,
weit draußen in der Walachei.
Die Gegend war mir unbekannt,
die Karte hatt‘ ich nicht dabei.
Drum stieg ich aus und schritt voran;
die Dämmerung hernieder fiel.
Wie dankbar war ich endlich dann –
ein Wirtshauslicht wurde mein Ziel.
Ein Hammer hing als Zeichen dort.
Die schwere Holztür drückt‘ ich auf,
beäugte kritisch diesen Ort,
die Hand noch sichernd fest am Knauf.
Refrain:
Einäugig funkelte der Wirt
mich an mit seinem glühend‘ Blick,
und murmelt leis, doch hör‘ ich’s wohl:
„Im Haus des Gehängten schweigt man vom Strick.“
An den Tischen – zwanzig Mann,
und Schweigen liegt wie schweres Tuch.
Zwanzig Gesichter schau‘n mir zu,
schweigend – wie unter einem Fluch.
„Mein Wagen“, wispere ich leis,
und schreite forsch der Theke zu.
Die Maid taucht auf – „Heut‘ keine Speis!“
und klappt dabei die Karte zu.
„Ein Bier – und dann ein Telefon?“
„Beides führen wir hier nicht!“
Ich schau mich um und fühle schon
verdutzt entgleist mir mein Gesicht.
Refrain:
Grollend spricht der große Wirt:
„Mit sowas habt ihr hier kein Glück!“
Wendet den Blick und spricht zu sich:
„Im Haus des Gehängten schweigt man vom Strick.“
„Was habt ihr denn für einen Mann,
der verloren und durstig vor euch steht?“
Der Wirt schaut nachdenklich mich an.
„Verloren … ach … wir haben Met.“
Wie Eis, das laut und krachend bricht,
erhellen Mienen sich im Raum.
Aus manchen Augen bricht ein Licht,
so hell – ich kannte so was kaum.
Ein Grummeln hier, und dort ein Klang,
wie ein erster Ton der Melodie
die mein Vater leise sang,
als ich schlief auf seinem Knie.
Refrain:
Lächelnd fast der alte Mann,
aus einem Auge bricht ein Blick,
der mich berührt, und er spricht laut:
„Im Haus des Gehängten schweigt man vom Strick.“
Bald kamen die ersten und tranken mir zu,
ein Becher mit Met stand auf einmal vor mir.
Wir sprachen, wir tranken, und wie im Nu
wechselten wir vom „Euch“ zum „Dir“.
Vergessen mein Unglück, vergessen die Nacht,
die draußen die Menschen in Alpträume treibt.
Und langsam das Reden, das Singen erwacht,
die Erinnerung an die Sagen mir bleibt.
Die Stunden verschwinden in fröhlicher Schar.
„Wer sind diese Menschen?“ Vergessen die Frag‘.
Ich schwöre nur, es war alles wahr,
wir endeten erst, als klopfte der Tag.
Refrain:
Ein Auge, es blitzte nun unter ‘nem Hut –
er sprach: „Geht heim, genießt euer Glück.
Der Wagen ist heil und ihr seid es auch.
Im Haus des Gehängten schweigt man vom Strick.“
Lied des Things
nach „Die Partei hat immer recht“ (1950)
Bearbeitung: Hermann Ritter (2014)
Es hat uns alles gegeben,
Sonne und Wind und nie geizte es.
Wo es war, war das Leben,
Was wir sind, sind wir durch es.
Es hat uns niemals verlassen,
Fror auch die Welt, uns war warm.
Uns schützt der Vater der Massen,
Uns trägt sein mächtiger Arm.
Refrain:
Denn das Thing, denn das Thing,
das hat immer recht
Und Asatru, es bleibe dabei,
Denn wer kämpft für das Recht,
Der hat immer Recht
Gegen Lüge und Ausbeuterei.
Wer das Leben beleidigt,
Ist dumm oder schlecht,
Wer die Menschen verteidigt,
Hat immer Recht.
So aus Odin‘schem Geist
Wächst als Ring fest geschweißt
unser Thing, unser Thing, unser Thing.
Es hat uns niemals geschmeichelt.
Sank uns im Kampfe auch mal der Mut,
Hat es uns leis nur gestreichelt:
„Zagt nicht!“ und gleich war uns gut.
Zählt denn noch Schmerz und Beschwerde,
Wenn uns das Gute gelingt,
Wenn man den Ärmsten der Erde,
Freiheit und Frieden erzwingt?
Refrain:
Denn das Thing, denn das Thing,
das hat immer recht
Und Asatru, es bleibe dabei,
Denn wer kämpft für das Recht,
Der hat immer Recht
Gegen Lüge und Ausbeuterei.
Wer das Leben beleidigt,
Ist dumm oder schlecht,
Wer die Menschen verteidigt,
Hat immer Recht.
So aus Odin‘schem Geist
Wächst als Ring fest geschweißt
unser Thing, unser Thing, unser Thing.
Es hat uns alles gegeben,
Sumbeln und Bloten und den großen Plan.
Es sprach: „Meistert das Leben,
Vorwärts Asatru, packt an.“
Hetzen die Riesen zum Kriege,
Bricht euer Bau ihre Macht.
Zimmert das Haus und die Wiege,
Asatru, seid auf der Wacht!
Refrain:
Denn das Thing, denn das Thing,
das hat immer recht
Und Asatru, es bleibe dabei,
Denn wer kämpft für das Recht,
Der hat immer Recht
Gegen Lüge und Ausbeuterei.
Wer das Leben beleidigt,
Ist dumm oder schlecht,
Wer die Menschen verteidigt,
Hat immer Recht.
So aus Odin‘schem Geist
Wächst als Ring fest geschweißt
unser Thing, unser Thing, unser Thing.
Neubeginn
Es liegt in jedem Neubeginn
ganz innen tief ein Zauber drin,
welchen, wenn man lang ihn sucht,
man am Ende doch verflucht.
Weil, was am Ende man gefunden
nach suchend zugebrachten Stunden
ist kleiner, als man sich erhofft –
so ist es nun bei Zaubern oft.
Manchmal fühlt man sich betrogen
wenn der Zauber schnell verflogen,
flüchtig, wie halt Zauber sind,
weht er fort im ersten Wind.
Und man sieht ihn langsam steigen,
wie es ist den Zaubern eigen,
und er wird schnell klein und kleiner.
Oft fragt man sich so: „War da einer?
Oder hab ich nur empfunden,
dass den Zauber ich gefunden?“
Egal. Im nächsten Neubeginn
Steckt ein neuer Zauber drin.
[2]
http://stifter-helfen.de/cart/checkout; 19.01.2016
[3] Vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/YouTube; 20.01.2016
[4]
www.duden.de,
20.01.2016
[5]
https://de.wikipedia.org/wiki/Großer_Bär; 22.01.2016
[6]
www.followthedrinkinggourd.org/index.htm; 22.01.2016
[7] Ebenda;
https://en.wikipedia.org/wiki/Follow_the_Drinkin'_Gourd;
22.01.2016
[8]
https://en.wikipedia.org/wiki/Ayesha_(novel); 25.01.2016
[9] https://en.wikipedia.org/wiki/Ayesha_Gaddafi;
25.01.2016
[11] ebenda
[12] ebenda
[13] ebenda
[14] ebenda
[16]
„Runenkunde (4. Auflage)“ von
Klaus Düwel (Stuttgart/Weimar, 2008), S. 101
[17] https://de.wikipedia.org/wiki/Pejorativum;
17.03.2016
[18] https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Beimler;
06.04.2016
[19]
https://en.wikipedia.org/wiki/Hans_Beimler_%28communist%29;
06.04.2016; Auslassungen von mir
[20] „Beimler-Lied“,
zitiert nach
www.erinnerungsort.de/beimler-lied--28beimlerlied-29-_93.html;
06.04.2016
[22]
www.stern.de/lifestyle/andreas-slominski--kathedrale-aus-toilettenhaeuschen-6850072.html;
14.05.2016
[26]
https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Arndt; 22.05.16
[38]
www.info-kalender.de/tabel6.htm; 05.06.16
[39]
www.pmachinery.de/unsere-bucher/androsf-die-sf-reihe-des-sfcd/androsf-51-60/ritter-ruester-spreen-haitel-hrsg-heute-die-welt-morgen-das-ganze-universum;
14.06.16
[40] Vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Butterblume; 23.06.16
[41]
https://de.wikipedia.org/wiki/Trollblume; 23.06.16
[45]
https://de.wikipedia.org/wiki/Gerätestecker#Kaltger.C3.A4testecker_IEC-60320_C19.2FC20;
30.06.16
[47]
https://www.vde-verlag.de/normen/suchen/?rubrik=gruppe-6-installationsmaterial-umformer&fassung=schlussfassung&bereich=aktuell&sortiert-nach=vde-klassifikation&richtung=aufsteigend;
30.06.16
[49] ebenda
[51]
https://de.wikipedia.org/wiki/Gerätestecker#Kaltger.C3.A4testecker_IEC-60320_C19.2FC20;
30.06.16
[53]
www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-05/rheinland-pfalz-blitzeinschlag-fussballspiel-verletzte;
07.07.2016
[54]
www.stauffenberg1944.de/schwur_druck.html; 20.07.2016; zur
Kritik vgl. www.ruedigersuenner.de/Geheimes%20Deutschland.html;
20.07.2016
[55] S. 11
[56] ebenda
[57] Nach S. 11 f.;
Übersicht von mir
[58] S. 30
[59] S. 31,
Hervorhebung im Original
[60] S. 146 f.;
Runensymbole nicht reproduziert
[61] Paul F. Keine
„Alarm! Okkultismus!“, Beröa-Verlag, Zürich, 9. überarbeitete
Auflage, 1994
[62] S. 5
[63] S. 8
[64] S. 21
[65] S. 19
[66] S. 19
[67] S. 7
[68] S. 30
[69] S. 31
[70] S. 14
[71] S. 15
[72] S. 16
[73] S. 18
[74] S. 29
[75] S. 27
[76] S. 36
[77] S. 36
[78] S. 32
[79] S. 8
[80] S. 15
[81] S. 36
[82]
S. 18
[83]
S. 18; dito S. 22
[84]
S. 23
[85]
S. 16
[86]
S. 35
[87] S. 19
[88] S. 36
[89] S. 15
[90] S. 8
[91] S. 8
[92] S. 16
[93] S. 17
[94] Nach S. 16 f.
[95] S. 18
[96] S. 14 f.
[98]
www.jupiterrauschen.de/; 28.08.16
[100]
http://vtf.de/; 28.08.16
[101]
Ludwig Reiners „Der ewige Brunnen“, München, 1955
[104]
http://www.protodimension.com/zine/; 30.09.16
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