Homo Magi Archiv Wöchentliche Ansichten eines Magiers über den Jahreslauf und die Welt Teil 17
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Jahre
Hallo Salamander,
zu Samhain ist es zwanzig Jahre her, dass ich meinen Freund, Ostara-Mitveranstalter
und Trauzeugen kennengelernt habe. Sagt er, und in solchen Dingen muss
ich ihm glauben. In den Jahren, in denen ich in einem Maelstrom des
organisierten, deutschen Heidentums zu versinken drohte, war er eine
ruhige Bank. Seine Erinnerung ist für diese Jahre besser als meine – und
was gibt es daran herumzudeuteln.
Damals war er der Gast und ich der Vertreter des Gastgebers. Heute, 20
Jahre später, machen wir gemeinsam Veranstaltungen. Eine schöne
Tradition, wenn man etwas von dem zurückgibt, was man früher bekommen
hat. Anders funktioniert die Weitergabe über die Generationen nicht.
In diesen 20 Jahren ist verdammt viel passiert. Beziehungen, Trennungen,
Arbeitsplatzwechsel. Mancher private Traum ist wie eine Seifenblase
zerplatzt, viele heidnische Projekte sind vom kalten Wind der Realität
verweht, zerstoben.
Fast alle von „damals“ leben noch, aber nicht mehr in der Szene. Sie
wünschen keinen Kontakt. Mich hat das viele Jahre verwirrt, wie man ohne
„das“ glücklich sein kann. Ein Verständnis keimt in mir für jene auf,
die nur die Ausrichtung ändern – vom charismatischen Christentum bis zum
Buddhismus habe ich alles gesehen, was das Heidentum an Ausgängen (oder
Eingängen) zu lässt, und ich muss das nicht nachvollziehen können, aber
ich kann es würdigen. Hingegen kein Verständnis habe ich für jene, die
ein Teil des Mysteriums waren, es aber nicht weiter verfolgen wollen.
Ich muss nicht alles verstehen … diese Erkenntnis braucht aber
Jahrzehnte, um in einem zu reifen.
Wir zwei sind noch da. Älter, grauer, aber immer noch mit dem Lachen des
weisen Narren auf den Lippen. Los, mal gucken, wo wir uns in 20 Jahren
treffen.
Danke.
Dein Homo Magi
Handykirchen
Lieber Salamander,
seit Monaten, nein seit Jahren bin ich nun Mitglied einer Gruppe von
Heiden, die sich regelmäßig trifft, zusammen Dinge tut und einen netten
Stammtisch betreibt. Genannt wird eine solche Gruppe „Herd“ – wegen des
gemeinsamen Feuers des Herdes, um das man sich sammelt. Nun, dieser Herd
trifft sich gerne für Veranstaltungen in der Wohnung einer kleinen
Familie, gelegen hinter den Bergen bei den sieben Zwergen.
Die Beschreibung ist nicht ganz fair, was die Anbindung an die Welt
betrifft, aber Stichwort wie „öffentlicher Nahverkehr“ fallen für diesen
Ort aus, auch wenn es – wie ich selbst getestet habe – Zugang zu einem
Pizza-Bringdienst gibt, was auf Anbindung an die Zivilisation schließen
lässt.
Der Weg dorthin ist aber nur auf der Karte einfach. Folgt man Geräten,
welche die Navigation erleichtern sollen – egal ob Navigationsgerät oder
Mobilfunktelefon – so stellt man fest, dass es nur zwei Möglichkeiten
gibt, das Ziel zu erreichen. Entweder, man folgt den Geräten. Dann
landet man immer auf einem Bergrücken zwischen meinem Wohnort und dem
Ziel. Hier gibt es dann wieder zwei Varianten: vorbei am Yoga-Institut
mitten im Wald oder vorbei an der Kirche oben auf dem Hügel. Die zweite
Variante heißt, dass man erst zehn Kilometer in irgendeine Richtung,
aber ebenerdig, fährt. Wenn man dann das Navi einschaltet, kommt man
„ebenerdig“ nach Hause oder hin. Warum: Keine Ahnung.
Irgendwann dachte ich mir, dass ich vielleicht die Zeichen nicht
verstehe. Das Yoga-Zentrum ist ein klarer Hinweis, aber die Kirche auf
dem Bergrücken, das ist doch schon fast gespenstisch, wenn ich da nachts
mal wieder daran vorbeigeleitet werde. Und das Yoga-Zentrum liegt
wenigstens laut Karte auf dem Weg, die Kirche ist … raus.
Also dachte ich mir: Geh doch mal gucken, ob dir nicht jemand was
mitteilen will. Und was fand ich über die Kirche:
Südwestlich des Kirchturms befindet sich auf dem Kirchengelände die
Wittekindsquelle, vermuteter Ort eines mittelalterlich-sächsischen
Quellheiligtums und sagenhafte Stelle des Quellwunders, das die
Überlieferung dem mittelalterlichen Sachsenherzog
Widukind zuschreibt. Widukind sei der Sage
nach über den Kamm des
Wiehengebirges geritten und habe ein Zeichen
Gottes erwartet, ob er den Glauben wechseln, sich dem militärisch
überlegenen
Karl dem Großen
ergeben und damit die
Sachsenkriege beenden solle. Daraufhin habe sein
Pferd plötzlich einen Stein losgescharrt und Quellwasser sei
hervorgeschossen. Als Folge dieses Zeichens habe Widukind sich für den
Übertritt zum Christentum und die Unterwerfung unter Karl den Großen
entschieden.
(…) Die Verquickung einer an einem Bergpass spielenden Quell-Legende mit
der als christlich-religiöses Bekehrungserlebnis gedeuteten Entscheidung
für eine Unterwerfung unter den militärisch überlegenen Karl den Großen
deutet darauf hin, dass sich an der Stelle der heutigen Bergkirchener
Kirche vorher ein sächsisches Quellheiligtum befand. An der Kirche und
an der unterhalb liegenden Wittekindsquelle weisen Hinweistafeln auf die
Sage und das vermutete frühere Quellheiligtum hin.[1]
Hey, ich habe einen Platzvorschlag für das nächste Ritual im Frühling!
Und das ist sicher das erste Mal, dass ein Navigationsgerät mich zu
einem heidnischen Kultort geführt hat, ohne dass ich das vorher wusste.
Dein Homo Magi
Heidnische Schulbefreiung
Lieber Salamander,
meine berufliche Herkunft als Pädagoge sollte sich ab und an in meinen
heidnischen Aktivitäten widerspiegeln. Ich glaube immer noch daran, dass
man nur mit ganzem „Sein“ etwas sein kann, wenn es glaubhaft und richtig
sein soll. Zu meiner Existenz gehört meine Biographie; der Weg, der mich
hierher geführt hat, ist immer Teil des Zieles.
Nun habe ich nicht anschaubar Gelegenheit, meine Fähigkeiten mit Heiden
auf einer Veranstaltung oder bei einem Ritual einzusetzen. Die
Stockschnitzer, Bronzegießer, Spinner, Knüpfer, Häkler, sie alle haben
eine Lobby, die deswegen funktioniert, weil sie sichtbar sind und ihre
Werke gleich fühlbar (neudeutsch: haptil) präsentieren können. Ähnlich
ist das nur noch bei den Metbrauern und Händlern, die eine direkte
Rückmeldung bekommen und diese in neue Impulse umsetzen sollten, wenn
sie „auf dem Markt“ bleiben wollen.
Der Ansatz des Sozialarbeiters, in einem Sumbel ein leichtes „Und wie
geht es uns heute?“ hinzustreuen oder eine fröhliche Met-Runde mit einem
„Ich finde es wichtig, dass wir jetzt Mal über Delling reden“ zu stören,
wird von der Mehrheit der Heiden nicht goutiert und eher negativ
beantwortet. Die Angebote, Probleme in der Jahreshauptversammlung mit
einer Gedankenwolke oder Probleme mit dem Vorstand eines heidnischen
Vereins durch ein Vertrauensspiel aufzudröseln, werden eher unwillig zur
Kenntnis genommen.
Am Rande solcher Veranstaltungen und Treffen oder mal spätabends am
Telefon, da geht es um die „letztendlichen Dinge“, um den Tod, um das
Alleinsein, aber auch um Liebe und (Überraschung) Familienrecht. Alles
nicht sichtbar, aber Anteile meiner beruflichen Existenz.
Aber in einem Bereich darf ich glänzen: Bei der Schulbefreiung. Die
Schule hat das Recht, selbst und ohne Absprache nach oben mehrere Tage
(meistens: 2) frei zu stellen. Gerne werden dabei natürlich Termine
gewählt, die nicht so aussehen, als wollte man die Sommerferien
verlängern, von daher sind die heidnischen Termine für die Schule
eigentlich unproblematisch. Man muss es ihnen nur verkaufen. Also
formuliere ich total gerne Anträge für Schulbefreiungen für die Kinder
heidnischer Eltern. Da ist dann die Rede von religiöser Freiheit, der
Bedeutung der Gemeinschaft, der gemeinsamen Erfahrung in der Natur, dem
Selbstbestimmungsrecht der Eltern und so weiter und so fort. Noch ein
paar Hinweise auf heidnische Gruppen einstreuen oder Kommentare zur
Weltlage, und dann bittet man im Schlusssatz die Schule ganz nett, doch
für die heidnische Feier einen oder zwei Tage schulfrei zu erlauben.
Erfolgsquote meinerseits: über 90%.
Es hat doch Sinn gemacht, mich studieren zu schicken. Auch wenn das
schon verjährt ist (der Studienabschluss, nicht die Schulbefreiung) –
ein nettes Gefühl, wenn man was gelernt hat, das was taugt.
Dein Homo Magi
Tod beim Lektorieren
Lieber Salamander,
der Tod eines nahen Menschen, sogar eines „nur“ guten Bekannten ist
immer schmerzhaft. Von daher will ich nicht in der Trauer herumwühlen
und Dinge diskutieren, die jeder Mensch anders empfindet.
Aber eine Geschichte muss ich loswerden.
Der Prozess, ein Buch in die Hände eines Lektors zu geben, ist für beide
Seiten schwierig. Der Autor glaubt, dass jedes Wort in Blei gegossen und
sofort gedruckt gehört, weil er alles richtig gemacht hat und den Lektor
nur als störendes Beiwerk empfindet. Der Lektor wiederum versucht, seine
Anmerkungen so objektiv wie möglich darzustellen, weil er genau weiß,
dass der Autor jede Änderung an seinem Werk vehement ablehnen wird, weil
eine Verwässerung der „wahren Lehre“ nicht gewünscht ist. So geht es
hin, so geht es her und man kann dankbar sein, wenn man ein Team
zusammenbekommen hat, das gemeinsam aus dem Originalwerk des Autors
etwas macht, was mehr ist als das Buch samt Korrekturen, sondern eine
neue Einheit.
Vor vielen Jahren war ich Lektor für einen Roman eines Science
Fiction-Autoren. Wir waren uns sympathisch, hatten schon mehrmals
versucht (wegen des gemeinsamen Nachnamens) herauszubekommen, ob wir
verwandt waren – waren wir nicht. Ich lektorierte sein Buch. Er lieferte
nicht. Ich moserte. Er starb in der Nacht, mit einem halbfertigen Buch
bei mir und einem dreiviertelfertigen Buch auf seinem Rechner. Ich habe
lange gebraucht, um mir klarzumachen, dass es nicht meine Kritik an
seinem Werk war, dass ihn hat sterben lassen. Ein miserables Gefühl.
Letzte Woche habe ich wegen eines Romans von mir den Verlag informiert,
weil ich es leid war, auf die Rückmeldungen des Lektors zu warten. Man
teilte mir mit, dass man vergessen habe mich darüber zu informieren,
dass dieser todkrank im Krankenhaus liegt. Der nächste Sachstand war
sein Tod.
Erst mein dritter Gedanke waren die Kommentare zu meinem Roman, die
wahrscheinlich für immer auf seiner Festplatte verschwinden. Der zweite
Gedanke war, wann und wie die Beerdigung ist und ob ich es schaffe, da
hinzugehen. Der erste Gedanke war der an einen Menschen, den ich
Jahrzehnte kannte, aber mit dem ich erst über die „gemeinsame Krankheit“
in den letzten zwei oder drei Jahren in tiefere und wirklich gute
Gespräche kam. Einen Menschen, den ich als charmant, belesen, freundlich
und geduldig bezeichnen möchte, der sich von seiner schweren Erkrankung
(ihm ging es Klassen schlechter als mir, obwohl er einen Tick jünger war
als ich) nicht niederbeugen ließ – nur äußerlich, aber seine Seele, die
war fröhlich. Und mit den Augen eines Kindes betrachtete er voller
Freude jeden neuen Roman, so wie ein Spielzeug, gebaut aus Worten. Diese
Begeisterung konnte er transportieren.
Dir alles Gute auf den Weg, altes Haus!
Dein Homo Magi
Sonderbotschafter
Hallo Salamander,
manchmal ist Politik mehr als eigenartig. Dass es die Vereinten Nationen
gibt, darüber war ich mir schon im Klaren. Dass diese Organisation
manchmal Sonderbotschafter ernennt, hatte ich mitbekommen. Meist
handelte es sich dabei um Schauspieler, so dass ich dieses Klientel
wegen Desinteresse meinerseits aus den Augen verlor. Dann wurde – völlig
unerwartet – eine Comicfigur Sonderbotschafter:
Wonder Woman wird UN-Botschafterin für Frauen und Mädchen!
Das nennt man wohl geglücktes Marketing: Am 21. Oktober 2016 soll
Superheldin Wonder Woman zur UN-Botschafterin für Frauen und Mädchen
ernannt werden, passend zu ihrem 75. Geburtstag, der fortan als
Wonder Woman Day
firmieren wird. Ganz offiziell im Rahmen einer Zeremonie, in Gegenwart
von Generalsekretär Ban Ki-moon und weiteren Gästen wird dieser Coup
über die Bühne gehen. Anscheinend soll nunmehr eine Comicfigur das
ramponierte Image der Vereinten Nationen aufbessern. Die Meldung sorgte
in den US-amerikanischen Medien für gewaltigen Wirbel, ob
New York Times oder
Washington Post, Geek-Portale oder Comic-Magazine,
Content und Aufmerksamkeit wachsen und gedeihen.[2]
Nun, eine Comic-Figur als Botschafterin … eigenartig. Und natürlich ist
diese Figur mit einem Verlag verbunden und dieser Verlag ist ein
Wirtschaftsunternehmen, das nicht gerade dafür bekannt ist, dass es die
Gleichberechtigung unterstützt hätte. Superman, Batman und so weiter …
alles Kerle, und nicht einmal schwul. Keine Vorzeigewelt, was das
betrifft.
Es kam, wie es kommen musste:
Nach nur zwei Monaten als UN-Ehrenbotschafterin für Frauenrechte und
Gleichberechtigung (…) wurde Wonder Woman des Amtes wieder enthoben.
Anlass zur Absetzung war laut dpa-Meldung eine Online-Petition, „in der
sich bis zum Wochenanfang fast 45.000 Menschen gegen die Wahl
ausgesprochen hatten.“ Möglich, dass man in Zeiten einer bevorstehenden
Trump-Regierung auch innerhalb der UN der Ambivalenz gewahr wurde,
ausgerechnet eine weiße Großkonzern-Superheldin-Comicfigur im hautengen
Amazonen-Outfit das Wort wider die Misogynie künden zu lassen. Wonder
Woman wollte die Entscheidung der Vereinten Nationen indes nicht
kommentieren.[3]
Tja, und schon ist es wieder vorbei, der Traum von der Amazone, die im
exotisch-erotischen Outfit Werbung für die Gleichberechtigung macht.
Mist.
Dein Homo Magi
Cthulhu
Lieber Salamander,
da lese ich eines meiner Weihnachtsgeschenke und bin zwei Mal
überrascht. Erstens vom verdammt guten Stil von „Gegen die Welt, gegen
das Leben“ von Michel Houellebecq.
Es geht um H.P. Lovecraft, den Erfinder (soweit man das sagen darf) des
Cthulhu-Mythos. Das Buch ist voll von klugen Einschätzungen, besonders
zu Lovecrafts Rassismus und den Grundlagen seiner Schreibmanie. Aber ein
Absatz alleine hat mich überzeugt, das Buch nach Seite 15 in einem
Rutsch durchzulesen:
Wer das Leben liebt, liest nicht. Und geht erst recht nicht ins Kino.
Was immer auch darüber gesagt wird, der Zugang zum künstlerischen
Universum ist mehr oder weniger für jene reserviert, die ein wenig die
Schnauze voll haben.
Ich hoffe, Du kannst verstehen, dass mich der Autor damit an der Angel
hatte.
Dein Homo Magi
Nazis verboten UFO-Bücher
Lieber Salamander,
da verbringt man seine Ferien damit, die eigene Vorgabe von „pro Tag ein
Buch“ umzusetzen. Und eines ist das sehr informative Sachbuch „Das Buch
der verbrannten Bücher“ von Volker Weidermann. Es geht um die
Bücherverbrennung der Nazis 1933, genauer: Um die Autoren, deren Bücher
damals den „Flammen übergeben“ wurden.
Die Phantastik ist auch vertreten in dieser Liste, aber überrascht hat
mich dies hier:
Zu den Auszusondernden im neuen Deutschland gehörte auch das Jugendgenie
Robert Carr (1909 – 1994), der im Alter von fünfzehn Jahren schon
Reportagen für die großen amerikanischen Magazine schrieb und mit
neunzehn mit seinem Roman The Rampant Age (1928) debütierte, der schon
ein Jahr später unter dem Titel Wildblühende Jugend auf Deutsch
erschienen war. Carr fiel ansonsten vor allem durch einen entschlossenen
Glauben an Außerirdische und UFO-Beobachtungen auf und durch seinen
starken Verdacht, dass die US-Behörden Überlebende eines UFO-Absturzes
in geheimen Labors ins Leben zurückzubringen versuchten.[4]
Wenn man sich ein wenig durch das Netz wühlt, dann stellt man fest, dass
Carr angeblich wirklich hinter der Story steckt. Sein Sohn hat sich
später für die Phantasien seines Vaters entschuldigt:
There is also Robert Spencer Carr, the high school
graduate who liked to be called „Professor Carr“. Carr is a hero in the
UFO literature, but his stories of flying saucers and alien creatures
were all delusions. His son has written: „I am so very sorry that my
father’s pathological prevarication has turned out to be the foundation
on which such a monstrous mountain of falsehoods has been heaped“ (Carr
1997).[5]
Der Roman „Wildblühende Jugend“ hat weder mit Außerirdischen noch mit
Science Fiction etwas zu tun, das kam alles später in Carrs Leben. Aber
vielleicht wussten die Nazis, dass die Außerirdischen Carr schon auf dem
Schirm hatten und wollten ihn daher mundtot machen … wie Gustav Meyrink,
Kasimir Edschmid, Arnold Zweig, Ernst Toller, Oskar Maria Graf, Egon
Erwin Kisch, Bernhard Kellermann, Franz Werfel, Kurt Tucholsky, B.
Traven und viele andere.
Bei allen wilden Texten, die man im Netz zu UFOs etc. lesen kann …. ist
diese Geschichte durch ihren Irrsinn wenigstens ein, die mir nach dem
Lesen des Buches über verbrannte Bücher eine, die mir immerhin kurz ein
Lächeln auf das Gesicht gezaubert hat.
Dein Homo Magi
4 Verkehrsmittel
Hallo Salamander,
es gibt so Tage, da fühlt man sich mutig und tut daraufhin Dinge, die
man normalerweise lässt – und zwar mit Grund lässt. So ging es mir, als
ich mir überlegte, ich könnte die Strecke zu einem Wochenende samt
Fantasy-Con mal mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen. Das
klang machbar. Das Internet behauptete, dass man mit dem Auto fast zwei
Stunden brauchte, mit dem öffentlichen Nahverkehr etwas über drei
Stunden. Also war der Zeitverlust erträglich.
Als weiteres Kriterium kam hinzu, dass ich über meinen
Behindertenausweis schon vor längerer Zeit einen Freifahrtschein für den
Nahverkehr erworben habe. Da die vier Strecken alles Kurzstrecken waren
und jede von einem anderen Betreiber unterhalten wurde (lang lebe die
Bahnreform!) konnte ich darauf hoffen, dass mich meine
Fahrtkostenbefreiung kostenfrei bis zum Ziel und zurück bringen würde.
Es geht dabei um das Erreichen von Wegmarken, die ich mir selbst setze.
Bin ich noch fit genug, trotz Stock und entsprechenden Problemen mitsamt
Gepäck vier Verkehrsmittel zu überstehen? Komme ich ohne moderne
Telekommunikationsmittel am Ziel an, indem ich einfach nur Eingeborene
frage, falls ich nicht weiter weiß, und mich auf Beschilderungen
verlasse?
Gelernt habe ich einiges auf dieser Fahrt, wenn auch nicht immer das,
was ich erwartet habe. Teil 1 der Strecke musste ich nicht fahren. Ein
Kollege hielt neben mir an, öffnete die Wagentür und fragte, ob er mich
zum Bahnhof bringen solle. Er wäre sowieso in die Richtung unterwegs …
so sparte ich das erste Viertel. Dann kamen zwei Viertel, die
unproblematisch waren. Es handelte sich bei den Transportgesellschaften
um Klone der Deutschen Bahn (oder wie die Firma gerade heißen mag), die
mich sicher und ruhig weiter transportierten. Teil 4 hieß, dass ich Bus
fahren muss. Und dann wäre noch ein Stück Fußmarsch zu überwinden
gewesen. Doch am Bahnhof hielt neben mir ein Wagen, der in fünf Minuten
andere Reisende vom Bahnhof abholen und zum Ziel bringen sollte. Man
nahm mich mit.
Die Rückfahrt war noch einfacher. Freitagabend traf ich dort jemand, der
von mir daheim fünf Kilometer entfernt wohnt. Rückfahrt gesichert.
Was sagt mir das? Ich habe vorher viel zu viel überlegt. Mut wird vom
Schicksal belohnt.
Auf die nächste Bahnfahrt!
Dein Homo Magi
Papiersorten
Hallo Salamander!
Mein Vater war das, was man einen Berufspolitiker nennen könnte. Stadt,
Land – eine gewisse Karriere hat er schon hingelegt. Von der Ausbildung
her war er eigentlich Papierkaufmann. Auch ein Beruf, den es nicht mehr
gibt. Ich könnte jetzt stundenlang darüber reden, wie schrecklich man
mit der Ausbildungsordnung für den Bürokaufmann umgegangen ist (heute:
Kaufmann für Büromanagement; es ist besser, ich sage nix dazu).
Also: Vater hatte Ahnung von Papier. Und war Berufspolitiker. Außerdem
war er sehr begabt darin, sich um Arbeitsaufgaben zu drücken. So auch in
diesem Feld. Irgendwann war es an ihm, bei einer Veranstaltung der
Partei (damals noch kein Name einer Partei, sondern eine Bezeichnung für
eine Partei) Stimmzettel auszuzählen. Natürlich hatte er keine Lust.
Also erklärte er großspurig, er könne durch seine Ausbildung zum
Papierkaufmann Papierstapel ordentlich einschätzen. Er nahm die
Stimmzettel für einen der Kandidaten in die rechte Hand, schüttelte den
Stapel ordentlich, sagte „131 Stimmen“, dann ging er zum nächsten Stapel
über. Die anderen Mitglieder der Wahlkommission erkannten wohl
spätestens jetzt, dass eine von meinem Vater verantwortlich ausgezählte
Wahl zu mehr als einer Anfechtung führen würde. Man entzog ihm den Job,
verabschiedete ihn freundlich und schickte ihn wieder auf seinen Platz.
Mein Vater war gerettet.
Manchmal kriege ich richtig nostalgische Gefühle, wenn ich an die
Papiermuster im elterlichen Haus denke. Bedrucktes Papier, schweres
Papier, leichtes Papier, Papier mit Wasserzeichen, Papier mit Prägung,
Seidenpapier … alles verschwunden im Rahmen von 80 Gramm.
Ach ja, natürlich wiegt das Papier keine 80 Gramm. Sondern?
A0 ist fast genau ein Quadratmeter, also 80 Gramm. Das ist die
Berechnungsgrundlage. A1 sind dann 40 Gramm, A2 20 Gramm, A3 10 Gramm
und A4 5 Gramm.
Verlorenes Wissen. Es ist in der Magie nicht anders als in der
Papierverarbeitung. Bestimmte Grundlagen sind wichtig, weil man ohne sie
keine Folgerungen ableiten kann. Aber wo es schon bei den Grundlagen
mangelt, da ist im „Feinschliff“ wenig zu holen.
Und ja, das Zählverfahren meines Vaters steht zur Papiermagie etwa so
wie manche selbsternannten Super-Magier zur grundlegenden Theorie. Es
klingt glaubhaft, ist aber Quatsch.
Dein Homo Magi
Exfreundinnen
Lieber Salamander,
in den Rauhnächten träume ich immer sehr wild. Das ist normal und
heidnisch verständlich, denn immerhin bahnt sich die wilde Jagd ihren
Weg durch meine Synapsen und reitet rücksichtslos durch Erinnerungen und
Gedankengespinste.
So träumte ich auch von einer meiner Ex-Freundinnen. War komisch, denn
im Wachzustand kann ich mir ihr Gesicht kaum vor das innere Augen rufen,
aber im Traum stimmte alles – die Bewegungen, die Stimme, eingefangen
wie in Bernstein zu dem Zeitpunkt der Trennung. Man ist im Traum sowieso
oft desorientiert, wenn man das zulässt, von daher war es nicht so
schlimm, dass Zeit und Ort nicht zu lokalisieren waren auf meiner
eigenen Lebenslinie.
Das Aufwachen war eigenartig. Es war kein unangenehmes, sie wieder gehen
zu lassen (anders als damals, wenn ich das anfügen darf). Es blieb aber
ein staubiger Geschmack im Mund, die Erinnerung daran, dass das eben
schon aus und vorbei und tot ist.
Dann begann ich im Kopf zu rechnen. Das mit ihr ist über 30 Jahre her.
Und sofort fielen mir drei Dinge ein:
1.
Hätte ich sie bei der Trennung erschlagen, wäre ich heute wieder aus dem
Gefängnis frei.
2.
In den 30 Jahren habe ich nicht oft an sie gedacht. Alte Fotos, die
erinnern mich manchmal, aber Gegenstände von damals „mit ihr“ gibt es in
meinem Leben nicht, so ist die Erinnerung nur da, wenn sie mich
überkommt oder ich sie suche. Da ich sie nicht suche und sie mich nur
bei Dingen erinnert, die mich an sie erinnern (und davon gibt es wie
gesagt sehr wenige), ist das auch entschwunden.
3.
Man stellt dann fest, dass die 30 Jahre vergangen sind. Aber nicht so,
wie man das Gefühl hat, dass das Leben an einem vorbeirennt oder aus den
Fingern flutscht, wenn man versucht, es festzuhalten. Sondern es ist so,
dass ich die 30 Jahre mit Leben gefüllt habe. Da sind Dinge passiert,
viele schöne, manche schreckliche, einige wild, einige sanft. Aber sie
sind passiert.
Die restlichen Rauhnächte habe ich wieder nachvollziehbare Dinge
geträumt. Also sprach ich im Traum mit Dämonen, ritt mit den
Riesenhunden, prügelte mich auf den Mauern einer Inkafestung, wachte
schweißbedeckt auf und hatte wieder ein Geheimnis pro Nacht enträtselt.
Wie jedes Jahr.
Dein Homo Magi
Uhren und älter werden
Lieber Salamander,
seit einer Diskussion mit meinem Bruder über die Ähnlichkeiten zwischen
Armbanduhren und Handschellen trage ich keine Uhr mehr am Arm. Das ist
jetzt schon über zehn Jahre her, aber die Haare sind nicht alle
nachgewachsen, welche die Uhr vom Flaum des Unterarmes rieb im Lauf der
Dekaden. Also ist es eindeutig, dass eine Armbanduhr körperliche Schäden
hervorruft.
Aber eine Uhr, die man nicht hat, bleibt auch nicht stehen. Sie nimmt
einem keine Zeit, weil man sie aufziehen, mit neuen Batterien versorgen
oder reparieren muss. Im Schwimmbad kann sie nicht verloren gehen, im
Hotel nicht gestohlen, im Streit nicht zerstört. Man hat kein Utensil
an, was bei heidnischen Ritualen oder auf Fantasy-Veranstaltungen stört.
Eigentlich ist das Nicht-Tragen einer Uhr mit viel mehr Vorteilen
verbunden als das Tragen einer Uhr.
Dazu kommt, dass die Sklaverei an die Zeit aufhört. Alle Befürchtungen
im Vorfeld waren unwahr: Ich habe immer noch keinen Zug verpasst, weil
ich zu spät bin. Natürlich gibt es Dinge wie Stau oder Sperrung, aber
die wären auch da, wenn man eine Uhr trägt. Ich merke mir einfach
Distanzen und laufe oder fahre rechtzeitig los. Das hektische Schauen
auf die Uhr, wie viel man jetzt zu spät kommt, ist nebenbei auch
obsolet. Wie gesagt: Nur Vorteile.
Die Zahl der Uhren, die ich um Rat fragen kann, ist um mich groß genug.
Da gibt es die Kirchenuhr gegenüber meiner Wohnung samt Glockenspiel,
das zu festgelegten Zeiten schlägt. Die große Uhr an der Apotheke in der
Fußgängerzone und dann dahinter gleich die nächste Uhr am Kirchturm. Das
Auto hat eine Uhr im Armaturenbrett, das Handy eine Uhr im Display, der
Computer eine Zeitanzeige unten rechts. Und meine Kollegen machen
Geräusche, wenn es kurz vor Vier ist, weil sie anfangen, hektisch
zusammen zu räumen.
Selbst, wenn ich die Uhr nicht mitnehme: Die Zeit vergeht nicht, ohne
mich mitzunehmen.
Achja, „Zeiteisen“ war einer der Begriffe meines Bruders für die Uhr.
Recht hat er. Eine Fessel, die man ablegen kann, ohne etwas zu verlieren
– „ihr habt nichts zu verlieren, außer eure Ketten“.
Dein Homo Magi
Gedrehtes e
Lieber Salamander,
manchmal findet man in älteren Büchern Dinge, die nicht mehr möglich
sind, seit es Computer gibt. Das liegt nicht nur daran, dass dieses Mal
das Thema des Buches ein geschichtliches war.
Nach Jahren, nein Jahrzehnten des Dahindämmerns im elterlichen Buchregal
habe ich mir die drei klassischen Bücher von Ceram zu Gemüte geführt.
Damals waren dessen Werke ein absoluter Renner – und natürlich habe ich
sie damals nicht gelesen, weil sie damals jeder gelesen hat.
Ein paar erklärende Worte zu Ceram seien zitiert:
C. W. Ceram (*
20. Januar
1915 in
Berlin;
†
12. April
1972 in
Hamburg;
eigentlich Kurt Wilhelm Marek) war ein deutscher
Journalist,
Lektor
des
Rowohlt Verlags
(1945–1952) und
Autor, der durch seine Werke zur
Archäologie
bekannt wurde. Das
Pseudonym
Ceram bildete er aus seinem Namen Marek als von hinten gelesenes
Anagramm,
um sich von seinen früheren Werken abzusetzen.
Im
Zweiten Weltkrieg
war Marek Mitglied einer Propagandakompanie.
Sein 1949 erschienenes
populärwissenschaftliches Buch
Götter, Gräber und Gelehrte (mit dem kennzeichnenden Untertitel
Roman der Archäologie) wurde weltweit ein
Bestseller.
Am 23. Februar 1950 gab der Rowohlt-Verlag bekannt, innerhalb von fünf
Wochen rund 12.000 Exemplare zum Preis von 12,00 DM verkauft zu haben.
Das Buch wurde zudem in 28 Sprachen übersetzt und ca. fünf Millionen Mal
verkauft. Durch seine leicht verständliche Vermittlung von Methoden und
neueren Erkenntnissen hat dieses Werk der Archäologie zu erheblicher
Popularität verholfen.[6]
„Götter, Gräber und Gelehrte“ – der Untertitel „Roman der Archäologie“
ist wirklich kennzeichnend – stand in der schönen Ausgabe vom
„Bertelsmann Lesering“ da rum. Den Lesering gibt es nicht mehr, ebenso
untergegangen.
Aber einen schönen Setzfehler fand ich im Buch: ein gedrehtes e. Bei
gesetzten Büchern (mit Lettern und so) kann das mal passieren, in
einigen Fällen wurden die gedrehten Buchstaben sogar eingesetzt, um
Schriftzeichen aus anderen Sprachen darzustellen. Wusste ich nicht, habe
ich ebenfalls nachgelesen, also möge der Ruhm hier nicht auf mich
hernieder tropfen.
Aber eine falsche Taste beim Tippen … nein, die drehen sich nicht
einfach so. Ein Prä-Computer-Fehler, der mir erst beim zweiten Denken in
seiner Bedeutung auffiel. Leider etwas, was unsere Nachfahren nur
erklärt verstehen werden.
Dein Homo Magi
Stammtisch-Schamanismus
Hallo Salamander,
kürzlich war ich zufällig Zuhörer bei einer Diskussion über die
magischen Traditionen verschiedener Kulturen. Die Diskutanten wussten
nicht, wer ich bin noch, dass mich das Thema interessierte. Sie sprachen
weder geheim noch zurückhaltend darüber an einem halböffentlichen Ort,
von daher … gelitten.
Ich hatte meinen Spaß, amüsierte mich prächtig bei einigen Wendungen der
Unterhaltung (besonders den Exkurs über Wicca hätte ich voll
unterschreiben können, obwohl ich manchmal härtere Formulierungen
gewählt hätte). Dann machte die Unterhaltung einen Schwenk und
beschäftigte sich mit dem aktuellen „Boom“ an nordischer Magie der
vielen Namen, sei es Galdr, Seidhr oder Spa. Bei letzterem denke ich
zuerst an Heilwasser, nicht an die sich darauf berufenden Spakonas oder
Spackonas. Letztere selbstgewählte Bezeichnung ist mir einmal über den
Weg gelaufen und ich war sehr glücklich, dass ich nicht mein Verstehen
als „Spacko“ zurückgemeldet habe, denn das ist wahrhaftig kein Lob.
Man sprach am Nachbartisch weiter über Spa und Spakona, als einer der
Herren nachfragte: „Das ist doch dieses nordische Voodoo?“
Ich habe fast in die Tischplatte gebissen und mir lief das Wasser aus
den Augen. Der hätte von mir sein müssen.
„Mix it, shake it!“
Dein Homo Magi
Loren ist tot
Lieber Salamander,
das hier ist eigentlich kein Platz für Nachrufe, und manchmal darf man
zu Recht die Frage stellen, ob Magie und das was ich hier schreibe,
einen Zusammenhang haben. Aber: Loren ist tot. Und für mich war er einer
derjenigen, der mir die Tür zu einer wunderbaren Magie geöffnet hat.
Loren? Eigentlich Loren K. Wiseman. Er gründete mit anderen 1973 die
einflussreiche Spielefirma „Game Designers‘ Workshop“ und war
mitverantwortlich für das Science Fiction-Rollenspiel „Traveller“ und
später für das „near future“-Rollenspiel „Twilight: 2000“. Er war bis
zum Ende des Magazins Herausgeber für das wundervolle „Challenge“.[7]
Wie manche andere Amerikaner hatte er irgendwann kein Geld, um seine
Rechnungen zu bezahlen. Kreative Köpfe, wie jene aus der
Rollenspiel-Szene, durften zuschauen, wie ihre Ideen ausgebeutet wurden,
ohne dass sie Geld dafür erhielten – und dann blieb nur noch der Ruf
nach Hilfe:
I need help with my medical expenses. I have diabetes,
high blood pressure, and had a heart attack several years ago that
necessitated quadruple by-pass surgery. I could finally afford health
insurance two years ago with the help of the affordable healthcare act,
but Texas has decided that it will no longer pay for medicaid for people
such as myself, and I cannot afford to pay the price of my insurance
policy, let alone any procedures and tests I require. You can learn a
little more about me at https://en.wikipedia.org/wiki/Loren_Wiseman I am
currently looking for work, as I just lost my job. Please help me out. I
need $600 a month to pay my insurance policy, and if I can get thirty
people to pay $20 each (less if more contribute) I'll be OK.[8]
Es hat nichts genützt. Jetzt ist er gestorben.
Loren, du hast mir viele wundervolle Stunden gebracht. Dafür danke ich
dir. Alles Gute auf deinem Weg … möge ein Aslani dich begleiten.
Dein Homo Magi
Da wo das Böse wohnt
Lieber Salamander,
im Zug saß ich einer Dame gegenüber, die in einer schrecklichen
Zeitschrift blätterte. Neugierig lugte ich hinüber: Es war das
Mitteilungsblatt des Zentralorgans einer Organisation von Leuten, die
sich dem „Home Staging“ verschrieben haben. Nein, es ging nicht um
Theaterspielen im Wohnzimmer oder ein „Mein Leben ist eine Bühne“ als
Ansatz. In Wirklichkeit ist es eine Rosstäuschung, bei der einem die
Immobilienblase einen bläst (‘tschuldigung). Ich zitiere aus der
Internetpräsenz der kriminellen Vereinigung:
Die Vermarktung eines Hauses oder einer Wohnung stellt Sie als
Privatverkäufer, Vermieter oder Makler vor große Herausforderungen:
Gespräche mit Gutachtern und Notaren, Terminkoordination mit Kauf- und
Mietinteressenten. Und: nicht selten ein zäher und langwieriger
Verkaufsprozess mit Preisverhandlungen. Dem können Sie jedoch
erfolgreich entgegensteuern – mit Home Staging. Home Staging wirkt wie
ein Verkaufsturbo, indem es die positiven Aspekte Ihrer Immobilie
herausstellt. Erfahren Sie, wie Sie mithilfe eines professionellen Home
Stagers die Verkaufszeit Ihrer Immobilie halbieren und trotzdem den
bestmöglichen Preis erzielen werden.[9]
Um Verbandsmitglied zu werden, muss man Voraussetzungen erfüllen:
Es geht um Vertrauensbildung, die um so wichtiger ist, als Home Staging
ein noch sehr junges Angebot in Deutschland ist und dem aufgrund dieser
Tatsache vielerorts mit Skepsis begegnet wird. Darüber hinaus kann es
als Begriff nicht geschützt werden: Jede/r darf behaupten, Home Staging
zu „können“. Wir wissen, dass dem nicht so ist und möchten
sicherstellen, dass der Kunde ebenfalls Spreu von Weizen trennen kann.[10]
Ich kann es auch! Ich kann es auch! Nananananana. Also darf ich mich „home
stager“ nennen. Natürlich gibt es tolle Regeln:
Sie planen, sich mit Home Staging selbstständig zu machen?
Dann ermächtigt Sie der Besuch der DGHR-Schulungen zur Mitgliedschaft
(Basic und Business Grundkurs). Sie beginnen als DGHR Professional®.
Durch Inanspruchnahme des Mentoring oder der Praxistage und Einreichen
der entsprechenden Projektphotos können Sie DGHR Advanced Professional®
werden (…).[11]
Das klingt wie eine Mischung aus Wicca und Scientology, gemünzt auf
Makler. Kein Problem, könnte man sofort ummünzen:
Sie planen, sich mit Blutmagie selbstständig zu machen?
Dann ermächtigt Sie der Besuch der DGfB-Schulungen zur Mitgliedschaft
(Basic und Business Grundkurs). Sie beginnen als DGfB-Professional.
Durch Inanspruchnahme des Mentoring oder der Praxistage und Einreichen
der entsprechenden Blutbilder können Sie DGfB Advanced Professional
werden (…).
Und damit das auch klappt, fehlt bei der DGHR noch der Blutschwur:
Ich weiß, dass aktives Netzwerken und ein offener Austausch nur auf
einer Vertrauensebene funktionieren können. Ich verpflichte mich deshalb
zu Verschwiegenheit gegenüber Nichtmitgliedern.[12]
Kein geheimes Wort kommt über meine Home-staging-lips!
Indianerehrenwort.
Dein Homo Magi
Sterbt, denn ihr seid Heiden
Lieber Salamander,
ich fände es ausgesprochen konsequent, wenn man als Wicca den Freitod
suchen würde. Als Kinder der großen Mutter muss deren momentanes Leid
durch Umweltverschmutzung und Überbevölkerung doch eindeutig dazu
führen, dass eine Reduzierung der Weltbevölkerung auf friedlichem,
sozial verträglichem Weg möglich ist.
Friedlich heißt, dass das ganze ohne Fremdeinwirken stattfindet. Ein
gepflegter Selbstmord, so wie in „Logan’s Run“ vielleicht auch von einer
Gruppierung gesteuert, die dafür sorgt, dass es schmerzlos (und:
überraschend) geschieht. Sozial verträglich heißt, dass es am Ende einer
Arbeitsbiographie geschieht, bevor man in das Rentenalter kommt. Das ist
praktisch, weil dann die Einzahlungen für andere Menschen verwendet
werden können.
Dies würde Weltbevölkerung und Verschmutzung senken, denn wer nicht
lebt, kann nicht konsumieren und nimmt keinen Platz weg.
Das große Problem ist natürlich, dass es sich bei diesen ganzen
Religionserscheinungen um Erscheinungen einer eher weißen Oberschicht
handelt, die natürlich kein Interesse daran hat, die grundsätzlichen
Überlegungen zur Veränderung der Struktur der Gesellschaft umzusetzen,
wenn dabei die eigene, natürlich gesicherte Position in Frage gestellt
wird.
Ach. Das ist natürlich nur ein perfider Nebenkriegsschauplatz. Wo wart
ihr tollen Wicca-Coven aus den USA, als Trump gewählt wurde? Ich
vermisse eindeutig die heidnische, naturreligiöse Stimme in diesen
Diskussionen. Während die Amerikaner (Nicht-Heiden wie Heiden) uns 50
Jahre lang verdammt gut die Welt erklären konnten (wobei nur das
erklärerische Habitus gut war, die Inhalte waren meist eher etwas
daneben), ist auf einmal das große Schweigen auf der anderen Seite des
Teichs ausgebrochen.
Wenn ihr eine Meinung habt, die nicht die unsere (also: der Europäer)
ist, dann lasst uns diese Meinung hören und wir reden darüber. Aber
Schweigen, ach, das ist nur die Waffe der Verzweifelten und nicht der
Sanften, deren Sanftheit Stärke sein soll.
Ich bin ein wenig enttäuscht.
Dein Homo Magi
Der Mann mit dem Helm
Lieber Salamander,
kürzlich stand ich mal wieder auf einem Bahnsteig und wartete auf den
Zug. Dabei ließ ich wie so oft meine Blicke schweifen.
Was fiel mir sofort ins Auge? Ein Mann im verschlissenen Anzug, unter
dem Arm eine alte, ausgebeulte Aktentasche und auf dem Kopf einen gelben
Schutzhelm. Ich musterte ihn verstohlen, und als er sich unbeobachtet
fühlte, öffnete er die Aktentasche. Heraus zog er zwei dicke
Arbeitshandschuhe. Dann begann er, der Reihe nach die Mülleimer nach
Pfandflaschen zu durchwühlen. Diese stopfte er erst in die Aktentasche.
Als diese voll war, verstaute er sie in den Manteltaschen. Dabei schaute
er sich immer wieder um, ob er nicht beobachtet würde.
Mein erster Gedanke war, dass der Anzug von einem besseren, frühere
Leben sprach. Er war nicht schlecht angezogen, nur war der Anzug einfach
abgetragen. Seine Körperhaltung war aufrecht, sein Gang war völlig
normal. Auch die Art, wie er die Handschuhe überstreifte, hatte einen
Rest von „Chic“. Aber das Sammeln der Flaschen, das zeugte doch von
einer tiefen Armut. Dass die Armut inzwischen in allen Schichten der
Bevölkerung angekommen ist, dürfte jeden, der die Sozialprognosen der
letzten 20 Jahre gelesen hat, nicht überraschen. Das Stichwort der
Altersarmut ist in aller Munde und trotzdem wird es von den meisten
Menschen, die wie ich im Arbeitsleben stehen, völlig ignoriert.
Dann fragte ich mich, warum er den Helm trug. Gab es eine dunkle
Geschichte dazu, Kämpfe zwischen Flaschensammlern, die sich gegenseitig
ausraubten, um an die paar Cent pro Flasche zu kommen? Er sah nicht so
aus wie jemand, der den Helm trägt, um damit seine Gedanken gegen
Außerirdische abzuschirmen (und nein, ich konnte nicht sehen, ob
darunter Metallfolie befestigt war). Wer an den Bahngleisen arbeitet,
hat wenig Schaden zu befürchten, der nur durch einen Helm aufgehalten
würde – wer vom Zug überfahren wird, ist tot, Helm hin oder her.
Nein, ich tippe einfach darauf, dass es zwischen den Flaschensammlern zu
Gewalt kommt. Sucht, Armut, Ängste – all das erzeugt einen
Geisteszustand, in dem alles möglich, alles denkbar ist.
Ich war dankbar, als mein Zug kam und ich den Bahnsteig verlassen
konnte. Aber losgelassen … nein, losgelassen hat mich das Bild nicht.
Dein Homo Magi
Freier Preis
Lieber Salamander,
es geschah beim Einkaufen auf dem Wochenmarkt, an einem
unausgeschlafenen Samstagmorgen. Neben den üblichen Einkäufen (Brötchen,
Croissants und etwa 20 Pfund Obst und Gemüse, damit dem Ehemann das
Tragen nicht zu einfach wird) fand ich Zeit, in aller Ruhe etwas mit dem
Biohändler zu plappern.
Normalerweise rede ich mit dem Marmeladendealer, aber jener war
abgelenkt, da seine zweite Expertise (der Schwarzhandel mit Blutwurst)
gefragt war, so dass es nicht zu einer einvernehmlichen
Gesprächssituation kam.
Nun ist der Biohändler eine sehr gute zweite Wahl. Wir unterhielten uns
über die neue Ausrichtung seines Verkaufswagen (Feng Shui folgend hatte
er ihn so gedreht, dass er jetzt den Ausgang des Marktes blockierte,
damit wirklich jeder an ihm vorbeimusste – außerdem hatte er jetzt
freien Blick auf den Pferdewursthändler mit den zarten Fingern), Aussaat
und Ernte und die Frage, ob man Zwiebeln erst verpacken oder einfach in
den Einkaufskorb werfen kann.
Dann wollte ich meine Möhren bezahlen. Und was tauchte auf dem
blinkenden Kassenschild auf, das – dank Wagendrehung – nun genau vor
meiner Nase oszillierte? „Freierpreis“. Ich versuchte dem armen
Biohändler klar zu machen, dass ich weder an einer spontanen
heterosexuellen Begattung durch williges Personal noch an einer
homosexuellen Beziehung mit ihm interessiert war. Er schaute mich erst
verwirrt an, suchte dann nach der versteckten Kamera, blickte dann
erneut zu mir. Ich deutete nur stumm auf die Kasse. Es dauerte einen
Moment, bis ihm die ausgesprochen ärgerliche Situation des fehlenden
Leerzeichens bei „Freier Preis“ bewusst wurde. Schamrot lächelnd meinte
er „Die stellt sich gleich um.“ Dann tippte er hektisch, bis „Möhren“
auftauchte. Die bezahlte ich.
Wir trennten uns ohne den Austausch von Körperflüssigkeiten weiter zu
thematisieren. Aber Samstagmorgens war das eine coole Rache an der
missbräuchlichen Verwendung der Muttersprache, und das alles vor dem
Kaffee!
Dein Homo Magi
Heidnische Kleinkunst
Lieber Salamander,
letztes Jahr im Herbst habe ich versucht, meine brillante Idee von
heidnischer Kleinkunst mit einer Vorführung vor echtem Publikum
umzusetzen. Jetzt ist die klassische Gruppe von Heiden am Lagerfeuer
nicht die übliche Zielgruppe für politisches Kabarett. Aber wir müssen
uns ja auf die Äonen bis zum Ragnarök und die Abendgestaltung in
Folkwang vorbereiten – und ich habe eine Bühne und einen Saal gewählt,
um die Lagerfeuerproblematik gleich zu umgehen. Klappte gar nicht so
schlecht.
Ein wenig meiner inhaltlichen Perlen will ich hier preisgeben. Viel
Spaß!
Wenn wir das historische Zeitalter des nordischen Glaubens 792 nach
Christus (Lindisfarne!) beginnen lassen, dann blicken wir auf etwas über
1200 Jahre nordisch-heidnischer Geschichte zurück. Nur mal angenommen,
dass alle zehn Jahre ein großartiger Künstler stirbt, den man auf der
Bühne in Folkwang erwarten könnte, dann blicken wir auf eine sehr kurze
Liste von 120 bis 125 Personen herab.
Die Verteilung wäre unfair, weil die letzten 1200 Jahre nicht fair
historisch verteilt sind. Meiner Rechnung nach sähe das ungefähr wie
folgt aus, was die Zugehörigkeit der Künstler zu Kulturkreisen betrifft:
·
20 Wikinger
·
10 Romantiker
·
10 Amis
·
10 Schweden
·
10 Dänen
·
10 Isländer
·
10 Norweger
·
20 Nazis
·
4 Eldaring-Mitglieder
·
Gesa
Wenn wir nur 10 Jahre in Folkwang verbleiben, müssen 3650 Tage mit 125
Personen und Programm gefüllt werden. Dann tritt rechnerisch 30 Mal Gesa
auf. Das ist zu viel. Ein Abend mit ihm wäre zu viel, aber 30 Mal …
undenkbar. Also gibt es hier Handlungsbedarf an der
Ragnarök-Kleinkunst-Front.
Ich habe drei Antworten entwickelt, um aus der Falle rauszukommen.
1.
Nachbenennen von Ahnen
Ab sofort erklären wir – analog zu den Mormonen – Tote zu Mitgliedern
unserer Religionsgemeinschaft. Ich benenne sofort Ernst Busch, Bruce Low
und Rudi Carrell. Das sollte dafür sorgen, dass die Abende nicht allzu
langweilig werden und wir Ersatzprogramm für die schlimmen Momente
haben.
2.
Anwerben
Gute jüdische Stand-up comedians waren und sind bestimmt eigentlich
Diener der Asen. Man muss ihnen nur klarmachen, dass eine langfristige
postmortale Verpflichtung nur als Mitarbeitende des nordischen Pantheons
möglich ist.
3.
Ausbilden
Das moderne Asatru braucht eine Gesangsschule und eine Witzschule.
Dringend. Ich bringe hiermit mal unauffällig meinen Namen als Ausbilder
ins Spiel.
Aber: Bitte nicht trommeln. Denn Trommeln ist Wicca.
Dein Homo Magi
Monster im Haar
Lieber Salamander,
gestern stand ich in der Drogerie laut lachend vor einem Regal und
erfreute mich mystischer Bezüge zur Haarreinigung.
Was war passiert? Ich war alleine einkaufen, um so wichtige Fragen wie
Rasierwasser und Shampoo zu klären. Das kann man als Mann nur alleine
tun, wenn man es mit der richtigen Wirkungstiefe tun will (sprich: ich
wollte in Ruhe bummeln). So landete ich auch vor dem Shampoo-Regal. Und
hier fand ich dann einen Titel für ein Shampoo, den ich für unmöglich
gehalten hätte: „Hydra Sensitive“.[13]
Wir erinnern uns an die mystische Hydra und ihren Zusammenhang mit
Haaren:
Die Hydra (…) ist ein vielköpfiges schlangenähnliches Ungeheuer der
griechischen Mythologie. Wenn es einen Kopf verliert,
wachsen an dessen Stelle zwei neue, zudem war der Kopf in der Mitte
unsterblich. Die Hydra galt als Tochter der
Echidna und des
Typhon sowie als Schwester des
Kerberos,
der
Chimaira
und der
Sphinx. (…) Sie pflegte aufs Land
herauszukommen, Viehherden zu zerreißen und Felder zu verwüsten.
Die „Hydra“ gilt aus benannten Gründen als sprichwörtliches Gleichnis
für Situationen, wo jeder Versuch einer Eindämmung oder Unterdrückung
nur zu Ausweitung einer Eskalation führt. Die Hydra steht also für das,
was man nur „kleinhalten“ kann, indem man es unberührt lässt.[14]
Finden Sie die großen Marketing-Fehler in der Namenswahl. Naja, ob ich
mein Haar mit Schlangen vergleichen will, ist die erste Frage.
Verwüstung, Zerreißen – das ist nichts, was ich mit meiner Kopfhaut in
Verbindung bringen möchte. Und dann der letzte Satz:
Die Hydra steht also für das, was man nur „kleinhalten“ kann, indem man
es unberührt lässt.
Warum sollte ich etwas unberührt lassen und gleichzeitig shampoonieren
wollen? Das ist doch hirntotes Marketing, Zombie-Slogans für Menschen,
denen Carpenters „Sie leben“[15]
nicht glaubhaft genug erschien.
Es kommt noch besser. Das nächste Feld trägt tatsächlich folgende
Inschrift (auf der Vorderseite der Flasche!):
Birkensaft Duschgel
Pflegt und beruhigt
0 %
Ohne Parabene – Ohne
Farbstoffe
Gesicht | Körper |
Kopfhaut
Den Zusammenhang zwischen Birkensaft und Hydra muss man nicht verstehen,
kann man nicht verstehen. Den Hinweis auf „Pflegt und beruhigt – 0 %“
kann man wohl nur nachvollziehen, wenn man davon ausgeht, dass der Leser
die 0 % auf den Text in der nächsten Zeile bezieht – muss er aber
wirklich nicht. Dann steht da halt die Wahrheit zu lesen:
Pflegt und beruhigt: 0 %
Dass die Hydra nicht beruhigt, ist wohl jedem klar, der sich auskennt.
Und hier steht es vorne noch drauf. Da ist der Dreiklang Gesicht –
Körper – Kopfhaut nur noch als dadaistisches Beiwerk zu lesen. Müsste
nicht der Körper vorne oder hinten stehen, aber nie in der Mitte? Ist
das Gesicht keine Kopfhaut?
Ich giggelte vor mich hin und drehte die Flasche um. Es wird schöner,
wenn man die Rückseite liest. Da steht zu lesen:
Für wen?
Die tägliche Rasur, Kälte, Wind und Umweltverschmutzungen greifen deine
Haut an, die Haut wird empfindlich und gereizt, sie spannt, wird trocken
und bekommt Rötungen.
Schön, oder? Für wen? Ich habe echt den ganzen Text unter der Frage
abgetippt, aber „Für wen?“ wird nicht beantwortet. Abgesehen davon, dass
vorne auf der Flasche noch Gesicht, Körper und Kopfhaut als primäre
Ziele genannt wurden, geht es jetzt um die ganze Haut – und die ist echt
bedroht, weil man sich ja überall rasiert, wenn man dem Text glauben
darf. Die Reihenfolge der Gefahren ist auch schön …
Was verspricht das Produkt im weiteren Text?
Die Formel mit Birkensaft:
Angereichert mit [Birkensaft] beruhigt das Duschgel die Haut und macht
sie sanft und sauber.
Die eckigen Klammern stehen da wirklich; ich habe keine Ahnung, was mir
das sagen soll. Dass die Haut am Ende noch dank der
Birken-Hydra-Verbindung (die sich mir mystisch völlig entzogen hat
bisher) sauber wird – das werte ich als Bonus.
Ich habe die Flasche natürlich gekauft. Ich werde jetzt beobachten, ob
in der Nähe Vieh zerrissen wird oder Felder verwüstet. Sollte was
passieren – ich informiere dich.
Dein Homo Magi
Schwiegermütter
Lieber Salamander,
vor einigen Wochen ist meine Schwiegermutter gestorben. Entgegen aller
Vorerwartungen an Schwiegermütter war Sie mir gegenüber immer eine
nette, ältere Dame.
Ich habe lange überlegt, wie ich Sie würdigen kann. Am Ende ist Sie fast
heldenhaft gestorben. Selbstbestimmt, das Krankenhaus ablehnend und am
Ende daheim, in ihrem Bett einschlafend.
Meine Worte wären flacher als die Worte, die mir jemand anders
vorgegeben hat. Zu Beginn der Trauerfeier wurde auf den Wunsch meiner
Frau hin Zarah Leander gespielt. Man muss bei einer kirchlichen
Beerdigung die Zustimmung des Pfarrers einholen, aber der hatte keinen
Grund, einen deutschen Schlager abzulehnen. Und so geschah es:
Wenn der Herrgott will
Wenn der Herrgott will
leuchten alle Sterne
leuchten in der Nacht
aus der weiten Ferne
wie ein Diadem
am Himmelszelt
und schau‘n auf unsre kleine Welt.
Wenn der Herrgott will
fallen tausend Flocken
und in stiller Nacht
läuten alle Glocken
und ein weißer Teppich
langsam fällt
hinab auf unsre kleine Welt.
Und ein kleines braunes Bärchen
schläft auf einem großen Baum.
Und die Nacht ist wie ein Märchen.
Und die Welt ist wie ein Traum.
Wenn der Herrgott will
dann ist ewig Frieden
und ein Paradies
ist uns dann beschieden
und er schaut beglückt
vom Himmelszelt
hinab auf seine kleine Welt.
Manchmal ist Magie in einem Lied, manchmal reicht es, eine kleine, fast
schon heidnische Spitze zu setzen, um alles zu erreichen.
Mach es gut, werte Schwiegermutter.
Dein Homo Magi
Rentenrunden
Lieber Salamander,
manchmal holt die Realität die Phantasie ein. Früher dachte ich, dass
Filme wie „Soylent Green“[16]
oder „Running Man“[17]
wie überhaupt jene Zukunftsvisionen, die zwischen Russell[18]
und Sturgeon[19]
liegen, niemals Realität werden.
Im deutschen Fernsehen gab es in meiner Kindheit eine Phase, in der
solche Dystopien möglich waren. Das beste Beispiel dürfte „Das
Millionenspiel“[20]
sein, aber natürlich war es hier Sheckley[21],
der Pate stand, so dass man vorher wusste, worauf man sich einließ. Auf
bitteren, britischen, bösen Humor, der Entwicklungen karikiert, welche
der normale Bürger noch überhaupt nicht wahrnahm.
In meinem Briefkasten war gestern aber die Einladung für „Kostenlos
Renten-Lotto spielen!“, eine „Exklusive Einladung“. „Gewinnerin Irene E.
aus Frankfurt“ schrieb: „Ich hab’s geschafft! – 1.000,- Euro jeden
Monat, 10 Jahre lang!“
In den Zeiten von Altersarmut und medialer Verrohung warte ich zwar eher
auf eine Krankenhausplatz-Lotterie oder Organspende-Verlosungen, aber
eine Renten-Lotto-Veranstaltung ist eine gute, erste Hürde. Warum sollte
auch jeder, der 40 Jahre eingezahlt hat, tausend Euro Rente kriegen? Da
ist ein vorgeschaltetes Lotto-System viel klüger.
Und weniger transparent als mein Rentenbescheid kann es auch nicht sein.
Dein Homo Magi
Psychopompos
Lieber Salamander,
nach einigen religiösen Diskussionen in den letzten Wochen, die mich
sehr bewegt haben, wandte ich mich – halb geschoben, halb gezogen – dem
„Psychopompos“ zu. Diese Figur im Mythos (von meinen schwedischen
Gesprächspartnern gerne als „Guide of the dead“) bezeichnet, hat eine
klar umrissene Rolle:
Das Wort Psychopompos (Plural Psychopompoi) oder eingedeutscht der
Psychopomp kommt vom griechischen ψυχοπομπóς (…) und bedeutet wörtlich
übersetzt „Seelengeleiter“: Er geleitet die Seelen der Verstorbenen ins
Jenseits. Der Namensteil „pompos“ stammt vom Verbum pempo ab, das führen
und geleiten bedeutet. Das deutsche Wort „Pomp“ verweist auf einen
großen, festlichen Geleitzug („Aufzug“).[22]
Das klingt erst einmal ziemlich gut, obwohl mir bis jetzt nicht klar
war, um was es geht. Weiter im Text:
Psychopompos ist der Titel des griechischen Botengottes Hermes, der
dieses Amt von Apollon übernommen hatte. Die Vorstellung von
Psychopompoi war aber allgemein verbreitet. So kannten etwa die alten
Ägypter den hunde- oder schakalköpfigen Anubis, in der germanischer
Mythologie holen Walküren die gefallenen Krieger vom Schlachtfeld nach
Walhalla, und bei den Kelten war Ogma Seelenführer.[23]
Und hier tut sich genau das Problem auf, das mir meine Diskussionen
schon aufgezeigt hatten: In der nordischen Mythologie fehlt hier eine
göttliche Figur, es gibt „nur“ die Boten, aber nicht die Macht dahinter.
Der Folgetext auf Wikipedia gibt dieser Idee weiter Futter:
Im Christentum sind es der Erzengel Michael, der Schutzengel oder der
Riese Christophorus; an der Pforte zum Himmel erwartet Petrus die Seele,
die Einlass begehrt. Christophorus findet sich auf frühchristlichen
Ikonen – wie sein ägyptisches Pendant Anubis – hundsköpfig dargestellt.
Im Islam ist es der Engel Azrael, der von Allah eine Liste mit den zum
Tode bestimmten Menschen erhält und in den darauffolgenden 40 Tagen ihre
Seelen vom Körper trennt. Allgemein ist der Psychopomp eine mögliche
Form der Personifikation des Todes. Generell können Geister, Gottheiten,
Dämonen oder Engel die Aufgabe eines Psychopompos übernehmen. Seine
Bedeutung ist neben dem Transport der Seele vor allem der Prozess der
Akzeptanz der Sterblichkeit. Er ist vor allem ein Führer und Helfer.[24]
Und das war irgendwie der Grundtenor meiner religiösen Diskussionen über
den Psychopompos, seine Rolle im nordischen Mythos und die
indoeuropäischen Wurzeln dieser Idee. Alles läuft am Ende auf eine
Deutung zu: Odin fehlt. So, als wäre Odin im Originalmythos der „Psychopompos“
gewesen, der nachher seine Rolle verändert. Das würde in vielen Dingen
Sinn erzeugen und für mich einige offene Fragen beantworten. Wie auch
immer: Nachdenken bleibt angesagt.
Dein Homo Magi
Skvias
Lieber Salamander,
manchmal findet man eigenartige Dinge zum nordischen Heidentum, die man
nicht gesucht hat. So las ich gerade ein „Sherlock Holmes“-Pastiche von
John R. King namens „The Shadow of Reichenbach Falls“. Dort findet sich
das folgende Zitat:
Among the Finns, one Iron Age cult of Thor used their
native metal to fashion skvias, or twelve-feet-long lightning rods. With
these implements, they made sacrifices to the thunder bearer. Priests
conducted a prisoner to a mountain peak, required him to lie supine with
legs and hands spread, and then chained his ankles, wrists, and neck to
the skvias, which were pounded into the ground in the shape of a
five-pointed star. If the prisoner could escape before a storm came, he
was considered pardoned by Thor. If, instead, a storm came and struck
him dead, he was considered a sacrifice. If the prisoner was struck and
lived, the priests considered him a wizard – his mortal soul driven out
of his body, and a divine soul driven in. A few such wizards became
priests in the service of Thor, though most became necromancers in the
service of Loki.[25]
Klingt super. Passt auch toll in die Mythologie. Ist eine Lüge und frei
erfunden. Eine extensive Online-Suche ergab nur Hinweise auf dieses
Buch, sonst gibt es keinen verständlichen Hinweis auf „skvias“. Mann, da
hat sich jemand echt Mühe gemacht. Ich bin beeindruckt … und ein klein
wenig verwirrt.
Dein Homo Magi
Geheimdienst-Barbie
Hallo Salamander,
für Barbie gibt es auch Schreibmaschinen. Das war damals hip, ist heute
so etwas von retro, dass es sich kaum beschreiben lässt. Schön finde ich
die Herstellung und die Geschichte des Geräts:
The Barbie Typewriter E-118, is a low-cost electronic
typewriter, developed as a childeren's [sic] toy by
Mehano in Slovenia (formerly: Yugoslavia) and sold worldwide
by Mattel (US). The E-118 is the latest model in the product line that
started with the E-115. The electronic typewriter was the successor to
the earlier purely mechanical Barbie typewriter models.[26]
So weit, so gut. Mattel kauft also billige Schreibmaschinen in Slowenien
und motzt die auf oder besser: Sie erhalten eine Umhüllung in „pink“,
damit sie besser zur Barbie passen.
Die Firma dahinter ist auch sich schon einen Bericht wert:
Mehano is a
Slovenian
toy company, founded in 1952 as Mehanotehnika, produces a
large range of both traditional and electronic toys, as well as
model railroad
equipment. The company had borne its current name of Mehano since 1990.
Mehano applied for bankruptcy/closure in November 2008, following
reported economic difficulties during the preceding ten years. Despite
this, the company continues to do active business to this day.[27]
Aber eigenartig wird es, wenn man den anfänglichen Text weiter liest:
It is little known that all electronic variants have a
hidden built-in
cryptographic capability
that allows secret writing.[28]
Ganz so einfach ist die Entkodierung nämlich nicht:
The encryption facilities of the Barbie Typewriter
consist of a mono alphabet substitution cipher, also known as MASC, with
4 different keys (i.e. 4 different transposed alphabets) which we will
call KEY 1 thru 4. When coding a message, the desired KEY is selected
with the first 4 buttons on the top row of the keyboard. Note that the
black numbers are shown here for clarity only.
They are not printed on the keyboard.[29]
Ich wähle also einen MASC-Kode aus, der aber nicht auf dem Text mit
ausgedruckt wird, und ab dann erscheinen meine Texte kodiert. So einfach
ist das nicht zu entkodieren, wie folgende Übersicht andeutet:[30]
Es gibt auch online einen Scan der deutschen Bedienungsanleitung, wo man
codieren und decodieren nachlesen kann.[31]
Eigenartig ist das alle Mal.
„Sag mal – arbeitet deine Tochter für den slowenischen Geheimdienst oder
hat sie eine Barbie?“
„Mama, kann ich 00-Ken zu Weihnachten kriegen?“
„Vorsicht – ich kaufe meine Ausrüstung bei Mehanotehnika!“
Ach, manche Dinge sind so schön retro, dass sie schon wieder aktuell
eigenartig sind.
Dein Homo Magi
Nordische Magie
Lieber Salamander,
es gibt eine Stelle aus der „Edda“, die
mir nicht aus dem Kopf geht:
Alle Zaubrer sind Wilmeidis Erzeugte.
Die Sudkünstler stammen von Swarthöfdi [...].[32])
Heißt das, dass Magie in diesem Umfeld
vererbbar ist? Warum sehe ich dann so wenig germanische Magie von
Leuten, die ihren Stammbaum mit sich herumschleppen?
Eine Freundin von uns hat jetzt einen
DNA-Test gemacht, um ihre Vorfahren herauszubekommen. Das sollte ich
vielleicht auch machen, damit ich herausbekomme, ob ich Swarthöfdis Gene
in mir trage.
Da gibt es online unvorstellbare
Angebote:
Eine Herkunftsanalyse von iGENEA
ermöglicht es Ihnen, Ihre Herkunft mittels einer einfachen Speichelprobe
zu untersuchen. Es werden Ihr Urvolk und Ihre Ursprungsregion bestimmt.
Der Test beinhaltet zudem den zeitlich unbeschränkten Zugang zur
weltweit grössten [sic] DNA-Herkunftsanalyse-Datenbank. Dort können Sie
Ihnen bisher unbekannte Verwandte finden und an verschiedenen Projekten
teilnehmen, um Ihre Herkunft noch genauer zu erforschen.[33]
Weiter heißt es:
Urvölker bezeichnen Völker aus der
Antike, die sich nicht nur durch eine eigene Sprache, Kultur und
Geschichte definieren, sondern auch eigene DNA-Profile aufweisen. Bei
einer Herkunftsanalyse von iGENEA wird Ihr
Urvolk
mit Hilfe Ihrer
Haplogruppe
und Ihres genetischen Profils ermittelt. Das Ergebnis bezieht sich in
etwa auf den Zeitraum zwischen 900 v.Chr. und 900 n.Chr.[34]
Für brennende Fragen gibt es Antworten:
Sind Sie ein Wikinger?
Ein DNA-Test von iGENEA gibt Ihnen
Hinweise, ob Sie Wikinger-Wurzeln haben. Aufgrund Ihrer spezifischen
genetischen Merkmale können wir Ihre Herkunft bestimmen und sagen von
welcher Linie die Winkinger [sic]-Abstammung ist (väterliche,
mütterliche oder beide Linien). Zusätzlich wird Ihr Profil mit über
700'000 Personen in unserer Datenbank verglichen. Finden wir genetische
Treffer, also Personen, die mit Ihnen bis zu einem gewissen Grad
übereinstimmen, haben Sie die Möglichkeit, mit diesen Personen in
Kontakt zu treten und Ihre Familien-Forschung zu vertiefen.
1200-jähriges „Wikingerblut“
Durch Blutanalysen aus Siedlungen im
Nordwesten Englands, die über 1'200 Jahre alt sind, konnte das
sogenannte „Wikingerblut“ isoliert werden. Der Genetiker David Goldstein
führte diese Analyse durch, mit der bestimmte Marker in der DNA entdeckt
wurden, die auf eine Wikingerabstammung hinweisen. Um die ersten
Ergebnisse zu bestätigen, wurden über 2'000 Speichelproben aus
Skandinavien miteinander verglichen. Die Probanden stammten aus
bestimmten Ortschaften, die noch heute als Wikingersiedlungen gelten.[35]
Sehr schön. Wenn ich dann Winkinger-Blut
habe, dann bin ich vielleicht von
Swarthöfdis Brut. Für 179 Euro ist der Basis-Test mein … aber was ist,
wenn ich nicht Wikinger-Vorfahren habe? Darf ich dann weiter an
germanischen Ritualen teilnehmen. Und – wer überprüft das?
Ich bin
raus. Viel zu riskant.
Dein Homo
Magi
Mühlenlied
Lieber Salamander,
nach zwei unerträglichen Tagen eines eigentlich dreitätigen, als
erholsam geplanten Wochenendes hatte ich am Abend von Tag 2 das Gefühl,
ich könnte mich nie wieder bewegen. Viel zu lange Autofahrten für viel
zu wenig Ergebnis, Ressourcen-Verschwendung zur Ego-Kraulung einzelner.
Also war die Batterie meiner Seele leer – so richtig leer.
Aber am Montag, einem Feiertag, schien die Sonne. Und auf dem Programm
stand der „Tag der Mühle“. Nun ist die Mühle Teil der eddischen
Dichtung, im heidnischen Folklore-Gedächtnis fest verankert und
überhaupt schön anzusehen. Also ging es hinaus, im Paar die Mühlen-Tour
absolvieren.
Was bin ich froh, dass wir das in Angriff genommen haben! Sieben Mühlen
in sechs Stunden, aber ohne Hektik, in schöner Landschaft und in netter
Atmosphäre. Einmal Bratwurst und irische Volksmusik, einmal Waffeln,
einmal Kaffee und Flammkuchen und plattdeutsche Musik, einmal
unerträgliche Volksmusik, aber überall nette Menschen und wunderschöne
Mühle. Es gab nur eine einzige Verkaufsveranstaltung, und das war eher
ein Hobby-Markt. Alles im Rahmen, alles sehr hübsch.
Eine Wassermühle, eine Schiffsmühle, diverse „holländische“ Mühlen (die
ich eher mit Spanien und Don Quijote in Verbindung bringe), viele
Informationen über Mühlen, knatterndes Gebälk, rasselnde Verbindungen,
Mehlgeruch in der Luft … toll.
Und morgens wollte ich noch im Bett bleiben …
Dein Homo Magi
Arbeiterlieder
Lieber Salamander,
kürzlich hörte ich im Auto mal wieder „Hannes Wader singt
Arbeiterlieder“. Das passiert mir alle paar Jahre mal, dass die CD
einfach „dran“ ist. Im Gegenteil zu den letzten Durchläufen begann ich
aber dieses Mal sehr zu fremdeln.
Nun gut, es ist über 30 Jahre her, dass ich im Stau in Frankfurt in
einer roten Ente sitzend hinter einem DKP-Lautsprecherwagen herfahren
musste, der die ganze Zeit Hannes Wader auf unfassbarer Lautstärke
abspielte. Und es ist ebenso lange her, dass ich im Rahmen eines
Konzertes gegen Nachrüstung (oder Aufrüstung, wer weiß das noch so
genau) Wader das erste Mal „live“ gesehen habe.
Die Zeit hat sich geändert. Das mitsingende Publikum von damals, die
Sprechchöre, das skandieren von auswendig gelernten Sprüchen („Hoch –
die – internationale Solidarität!“; man hat das noch im Gehörgang, wie
ich feststellen durfte), das ganze Zinnober um Sozialismus und
Heldenverehrung, das ist einfach irgendwann zum Glück überholt. Wader
altert nicht mit dieser Musik, er hat sich verändert. Ebenso habe ich
mich verändert, nur die Konzertaufnahme selbst friert einen Ausschnitt
ein, der fast ein wenig gespenstisch anmutet.
Aber eine Konsequenz habe ich daraus gezogen, dass diese Veränderung
sich nämlich auch abbilden muss. Die Arbeiterlieder kann ich alle
auswendig, dafür war mein junges Gehirn Schwamm genug. Da ich aber
andere Lieder singen will, brauchen wir ein Liederbuch. Also ran an den
Kopierer.
Dein Homo Magi
Monster in Tüten
Hallo Salamander,
vor einigen Tagen lief ein Mann an mir vorbei, der etwas gegen sein
Gesicht presste. Auf den ersten Blick sah es aus, als würde er
Stangenspargel in einer hellgrünen, dünnen Plastiktüte transportieren,
die er gegen das Gesicht drückte.
Nun, Spargel schmeckt gut, aber der Geruch hat mich noch nie so
angemacht, dass ich jemals darüber nachgedacht habe, Spargel gegen das
Gesicht zu pressen. Wenig später kam der nächste Mann vorbei, der auch
eine verblüffend gleich aussehende Kombination gegen das Gesicht
presste. Stutzig geworden, schaute ich genauer hin. Es war ein mit Eis
gefüllter Krankenhausplastikhandschuh, in jenes grüne Reinigungspapier
gewickelt, das es nur in den Spendern in Krankenhäusern und Kindergärten
gibt.
Mein nächster Gedanke war nun, ob es hier einen Cthulhu-Ähnlichkeitswettbewerb
gibt, an dem man nur teilnehmen kann, wenn man die um den Mund
wachsenden Tentakel nachstellt. Ich fand die Idee einige Schritte lang
gut. Dann kam ich am Schild eines Zahnarztes entlang und es fiel mir wie
Tentakel aus den Haaren – Zahnoperationsnachbehandlung durch schnell
angebrachte Kälte mit Fingerschutz rundherum. Nix mit Cthulhu. Dreck.
Aber für einen Moment … seufz.
Dein Homo Magi
Zombies in weißen Anzügen
Hallo Salamander,
mit einem Kollegen war ich vor ein paar Tagen auf einem Firmenvortrag
samt Betriebsbesichtigung. Ich nenne keine Namen, weder vom Kollegen
noch von der Firma. Ich sage mal „Plastik“ und das muss langen (für die
Firma, der Kollege ist echt).
Die Produktionsstraße war erstens sehr laut, zweitens gab es immense
Temperaturunterschiede von Raum zu Raum und drittens stellten sie zum
Teil in Reinräumen her, zum Teil in klimatisierten Hallen. Also mussten
wir weiße Kittel und weiße Haarnetze tragen. Dazu kamen wegen des Lärms
Ohrstecker-Kopfhörer-Kombinationen, die man sich in die Ohren steckte
und deren Bedienfeld dann um den Hals herum baumelte.
Wir sahen bescheuert aus.
Dazu kam, dass die Führung etwa 50 % zu lang war. Die Maschinen waren
interessant – beim ersten Mal. Die Produkte waren interessant – auch
noch beim zweiten Mal. Aber die fünfte Halle und die siebenundzwanzigste
Anlage und die tolle Kartonierungsmaschine, das war alles irgendwann nur
noch eine Wiederholung einer Wiederholung.
Also landeten wir zwei Kollegen am Ende der Gruppe und tuschelten
miteinander – mehr ging nicht. Irgendwann überkam es uns, als wir in
einen langen Gang hinein gingen, dessen flackerndes, künstliches Licht
uns an Traumata aus Fernsehfilmen der 70er erinnerte. Wir streckten
beide wie auf Befehl die Arme vor, wankten schwankend nach vorne und
murmelten „Brains! We need brains!“
Nachher dankte ich meinem Schöpfer, dass unsere Kopfhörer keine
Mikrofone hatten, dieser Gang offensichtlich nicht Kamera-überwacht war
und sich gerade keiner der Honoratioren umdrehte. Wir wären Grilltoast
gewesen und in einer Maschine zu Hackmensch verarbeitet worden. „Soylent
Grün ist Menschenfleisch!“
Dein Homo Magi
Gemeinschaft
Hallo Salamander,
da war dieser Handwerker, der unseren Balkon am heißesten Tag des Jahres
mit einem Gasbrenner gegen eindringendes Wasser versiegeln musste. Ich
brachte ihm alle halbe Stunde einen halben Liter Wasser, damit er mir
nicht tot umfiel. Schlimm war, dass ich die Balkontür auf lassen musste,
damit er rein und raus konnte. Die Hitze im Raum wurde also von gefühlt
hundert Grad heißer Luft verstärkt, die nach Teer riechend hereinwehte.
Aber er machte seine Arbeit stoisch und arbeitete ungelogen vier Stunden
durch, bis die Arbeit soweit erledigt war.
Am Ende wurde es etwas kühler, ich leistete ihm unter einem Sonnenschirm
sitzend mit einer Pfeife im Mund Gesellschaft. Als er fertig war kam er
zu mir und fragte, ob er mit eine persönliche Frage stellen dürfte. Ich
bejahte.
„Sind Sie auch in der Gemeinschaft?“
„Wie bitte?“
„Sind Sie auch in der Gemeinschaft?“
„Ich verstehe Sie nicht.“
„Sind Sie auch Christ?“
„Äh, nein.“
„Können Sie so leben?“
„Ja.“
Die aufkommende Diskussion wollte ich nicht aufkommen lassen, deswegen
beschied ich ihm, dass ich mich inhaltlich spätestens mit dem Konzil von
Nicäa vom Christentum verabschiedet hätte, 325 nach Christus.[36]
Und überhaupt hätte ich Verständnis für die gnostische Häresie.[37]
Er schwieg einen Moment, nickte verstehend und verabschiedete sich.
Und dir schreibe ich das nur, damit du weißt, was passiert ist, wenn
flammende Kreuze vor meinem Haus aufgerichtet werden und ich nicht mehr
ans Telefon gehen kann.
Dein Homo Magi
Billy und Lilly
Hallo Salamander,
das Universum verwirrt mich immer wieder gerne. Da fand ich auf einem
alten Heftroman hinten eine Werbung für „Sport-Billy“. Genauer:
„Gestatten, Sport-Billy, ich lade Euch ein“. Am Namen war ein Sternchen,
das unten rechts in der Ecke zu folgender Erklärung führte: „In der
ganzen Welt bekannt als Symbol für Fair-play im Sport“. Ich hatte
natürlich noch nie davon gehört, war aber von der Comic-Werbung sehr
angetan: „Sport-Billy und seine Abenteuer“ und Band 1 war gleich „Der
Junge vom anderen Stern“.
Weiteres Stöbern in der Werbung ergab, dass Sport-Billy und seine
Freundin Sport-Lily (mit dem Hund, der aber nur Willy, ohne Sport-
heißt) Maskottchen diverser Weltmeisterschaften und Wettbewerbe zwischen
1979 und 1982 waren. Hey, da hätte ich doch irgendwas mitbekommen
müssen, das war meine Jugend?
Ich stöberte ein wenig im Internet und fand sogar einen Eintrag unter
Wikipedia:
Der Junge Sport Billy
reist gemeinsam mit seiner Freundin Lilly und dem Hund Willy im Auftrag
des
Planeten
Olymp
durch Raum und Zeit, um auf der Erde das
Fair Play in der Welt des
Sports
zu verteidigen. Ihre Gegenspielerin ist die böse Königin Vanda vom
Planet Vandalusien. Unterstützt von ihrem
gnomartigen
Diener Sipe und ihrer Horde, den Vandalen, versucht sie unentwegt,
Sportveranstaltungen auf der Erde zu sabotieren und die Mission der
Helden zu verhindern.
Die Olympier Billy,
Lilly und Willy nutzen ein weckerförmiges
Raumschiff, das sogenannte Zeitschiff, das
ihnen neben Raumreisen auch
Zeitreisen in die
Vergangenheit und
Zukunft
ermöglicht. Über das Zeitschiff können Sie auch mit dem Olymp
kommunizieren, dessen intelligenter Computer sie mit Informationen über
Vandas Pläne versorgt. Billy besitzt außerdem eine als „Trick-Tasche“
bezeichnete Wundertüte, die scheinbar unendlich viele
übernatürliche
Hilfsmittel wie etwa beflügelte Schuhe enthält. Auch Vanda verfügt über
übernatürliche Hilfsmittel und die Fähigkeit, ihre Schergen auf Raum-
und Zeitreisen zu schicken. Sie erhält über ihren Monitor stets Einblick
in die Vorgänge auf der Erde und an anderen Schauplätzen des Geschehens.
Der Wettlauf zwischen
Olympiern und Vandalusiern findet quer durch Raum und Zeit statt. Immer
wieder müssen Billy und seine Freunde Vandas Sabotagen in der
Vergangenheit beseitigen, um den Triumph der Unsportlichkeit in der
Gegenwart zu verhindern. Auch Reisen in die Zukunft sind gelegentlich
nötig, doch am Ende siegt immer das Fair Play.[38]
Damals habe ich Tag und Nacht Science Fiction-Magazine gelesen und war
voll im Thema. Aber von einem zeitreisenden Helden namens Billy, der
auch für Sport-Großveranstaltungen als Symbol eingesetzt wurde, habe ich
noch nie nie nie gehört.
Ich glaube, das ist die erste Vergangenheitsveränderung, der ich auf die
Spur gekommen bin. Sport-Willy, das glaubt doch kein Mensch (oder Hund,
wuff!). Und die online zu findenden Hefte sind nur Versuche, meine
Zeitlinie verwirren. Oder?
Dein Homo Magi
Finden Sie den Methodenfehler
Lieber Salamander,
wenn Drachen träumen, schnarchen sie manchmal. Schön ist, wenn man das
in Gemeinplätze kleidet:
»Alleine kannst Du den
Weg nicht gehen, aber nur Du kannst ihn gehen«, aus einem Lied der
Zapatista Mexikos.
Wir Menschen erschaffen
unsere Realität gemeinsam. Deshalb können wir den Weg aus der Umwelt-,
Wirtschafts- und Sinnkrise zu einer schöneren Welt nur gemeinsam gehen.
Die aktuellen Krisen können unseren Lernprozess als Menschheit aber
anspornen. Sie können uns zu tieferem Mitgefühl, mehr Kooperation
miteinander und mit dem Leben führen.
Dragon Dreaming beschreibt und begleitet den Kreislauf der kollektiven
Intelligenz.
Wie aber können wir aus
den vielen, individuellen Ansätzen gemeinsame und erfolgreiche Projekte
entwickeln? Wie kommen wir von der Inspiration zur kreativen Aktion? Und
wie schaffen wir Rückkopplungen, damit wir das Feedback unserer Umwelt
möglichst schnell und direkt zur Verbesserung unserer Projekte nutzen
können?
Dragon Dreaming liefert
eine Reihe von Methoden, um diese Fragen praktisch und spielerisch zu
beantworten.[39]
Klingt cool. Aber …
Was haben die Zapatista Mexikos (als Revolutionsarmee) mit träumenden
Drachen zu tun?
Wenn die Menschen gemeinsam die Realität erschaffen – gibt es dann so
etwas wie eine objektive Realität überhaupt? Und: Gibt es Faktoren, die
wir nicht verändern können?
Was ist der Kreislauf der kollektiven Intelligenz? Okay, der Satz mit
den träumenden Drachen klingt cool, aber … was soll mir das sagen? Und:
Was hat es mit den Text vorher zu tun? Das ist nämlich genau der
inhaltliche Bruch … man bietet mir Drachen-Methoden an für die
Begleitung des „Kreislaufes der kollektiven Intelligenz“, um der
Realität zu helfen, die man mit mexikanischen Revolutionären erklärt.
Äh, ich bin raus.
Dein Homo Magi
Lieder am Feuer
Lieber Salamander,
es ist immer wieder dasselbe: man kann meine heidnische Umgebung
herunterbrechen auf Glut, Gesang und Getränke. Die mitgelieferte
Alliteration nehme ich mit, und so es nur als schlagkräftiger Beweis
dafür, dass man mit der deutschen Sprache sehr wohl zaubern und spielen
kann.
Ein Heidentreffen. Und ich spreche da aus langer, leidvoller Erfahrung:
Die sind nicht immer auch automatisch voller Energie. Dieses ebenfalls
nicht, nicht vom ersten Atemzug an. Aber das ging dann doch voran, als
abends das Feuer knisterte und die Flammen blakten. Die lechzenden,
lodernden Flammenlanzen durchstachen die Nacht, während am Himmel das
Firmament voller ferner Sterne blitzte. Okay, zu dick aufgetragen.
Feuer brannte, zwei Methörner kreisten, ich trank Bier und plauderte vor
mich hin. Auf einmal lag ein Liederbuch auf meinen Knien, jemand packte
eine Gitarre aus und dann erschollen die ersten Stimmen. Der gemeinsame
Gesang, das ist wie eine Grundierung, auf der man jede Malerei auftragen
kann. Eine Staffelei, die nur das Bild umrahmt, es stützt, aber nicht
selbst … und so weiter. Meine Sprache entgleitet mir.
Es war ein magischer Moment. Dafür mag Beleg genug sein, dass mir die
Worte fehlen um zu beschreiben, was geschah, als 20 Menschen um ein
Feuer herumsaßen und gemeinsam sangen, mit nur den Sternen als Zeugen.
Algol, ich sang dein Lied.
Dein Homo Magi
Genveränderte Religionen
Lieber Salamander,
manchmal ist das Leben viel einfallsreicher als meine Phantasie. Da
durfte man kürzlich folgendes in der Zeitung lesen:
Glutenfreie Hostien sind
für die Kommunion ungeeignet, gentechnisch veränderte hingegen schon: In
einem Rundbrief hat der Vatikan am Samstag weltweit Bischöfe an die
Bestimmungen für die Kommunion erinnert. Bischöfe müssten die Qualität
der notwendigen Produkte überwachen, hieß es darin.
(…) Ausgeschlossen sind
glutenfreie Hostien. „Hostien, die überhaupt kein Gluten enthalten, sind
für die Eucharistie ungültige Materie.“ Das Brot müsse ungesäuert sein
und aus reinem Weizenmehl bestehen.
Auch für Zöliakie-Patienten,
bei denen bereits kleinste Mengen des Klebereiweißes Reaktionen des
Immunsystems auslösen, wird keine Ausnahme gemacht. Laut Vatikan können
in Ausnahmefällen Hostien mit weniger Gluten ausgegeben werden. Sie
müssten aber immer noch so viel enthalten, dass die Zubereitung des
Brotes ohne fremdartige Zusätze möglich sei und ohne „Rückgriff auf
Vorgangsweisen, die dem Brot seinen natürlichen Charakter nehmen“.
Zöliakie ist eine Gluten-Unverträglichkeit.
Keine Einwände hat der
Vatikan gegen die Verwendung von Hostien und Wein, für die gentechnisch
veränderte Zutaten verwendet wurden. „Die Kongregation hat entschieden,
dass eucharistische Materie, die mit genetisch veränderten Organismen
zubereitet wurde, als gültige Materie angesehen werden kann“, hieß es in
der Erklärung.
Die Eucharistiefeier ist
ein heiliges Sakrament in der katholischen Kirche und symbolisiert die
Verwandlung von Brot und Wein in den Leib Christi. In der geweihten
Hostie ist nach katholischer Überzeugung Jesus Christus gegenwärtig.
(…)
Als „schweren
Missbrauch“ verurteilt das Schreiben die Beifügung von Früchten, Zucker
oder Honig für Hostien. Die Kongregation für den Gottesdienst und die
Sakramentenordnung erinnert an die einschlägigen Vorgaben des
katholischen Kirchenrechts. Demnach muss das Brot, das für die
Eucharistie verwendet wird, ungesäuert, aus reinem Weizenmehl zubereitet
und frisch sein.
Der Wein muss laut
Kirchenrecht naturrein, aus Weintrauben gewonnen und echt sein. Er darf
nicht mit anderen Substanzen vermischt werden. Traubensaft ist nur
ausnahmsweise zulässig, wenn etwa eine Alkoholkrankheit vorliegt.
Voraussetzung ist allerdings, dass die Gärung mit Methoden unterbrochen
wurde, die nicht dessen Natur verändern, zum Beispiel durch Einfrieren.[40]
Also fassen wir zusammen: Raus sind bei Hostien Zöliakie-Patienten,
trockene Alkoholiker (außer, jemand beherrscht den Beeren-Einfriertrick,
der mir nicht ganz nachvollziehbar ist).
Erlaubt ist Gentechnik.
Weder das Wort „Gluten“ noch das Wort „Gentechnik“ finden sich in der
Bibel. Wir wissen nicht, was mit dem Backwerk in der Bibel gemeint ist[41],
aber das Jesus nichts zur Gentechnik gesagt hat, dürfte klar sein. Auch
nicht zu anderen Dingen, bei denen die Kirche trotzdem eine klare
Meinung hat.[42]
Achja, am Ende geht es darum, glutenfreies Backwerk in Menschenfleisch
zu verwandeln, das man nachher rituell mit Alkohol zu sich nimmt. Ich
weiß noch, woraus meine Probleme mit dem christlichen Glauben bestanden.
Menschenfresser.
Dein Homo Magi
Wohnungen & Heidentum
Lieber Salamander,
Mathematik ist manchmal eigenartig. Nachrechnen noch mehr.
Ich lebe momentan in meiner 14. Wohnung. In den ersten 4 Wohnungen war
ich als gläubiger Christ. Kindheit, Jugend, Studium. Das ist die
Lebensphase, die dann abgeschlossen ist (und nur 2 der 4 Wohnungen habe
ich mit meinen Eltern bewohnt, während der erste Umzug in der Zeit lag,
in die ich mich fast nicht erinnern kann).
Im zweiten Block war ich in 8 Wohnungen als etwas, das man im Nachhinein
nur zu meiner Schande (naja) als „Wicca“ bezeichnen kann. Aber in dieser
Zeit lag auch mein Kirchenaustritt (Wohnung Nummer 7 – bis dahin war ich
nicht sicher, ob ich das Risiko auf mich nehmen würde, das damit
beruflich für mich verbunden war. Ich war jung.). In Wohnung 9 war ich
dann Geschäftsführer eines heidnischen Vereins (nennen wir ihn mal
„Krähenclub“, was ich für ein vernünftiges Alias halte). In Wohnung 11
wohnend trat ich in einen nordischen Verein ein (nennen wir ihn
„Älterreif“).
In deren Glaubensgebiet, also die nordischen Götter, diffundierte ich
dann langsam. So kam es, dass der dritte Block von Wohnungen (nämlich
Nummer 13 und 14) dann dieser Glaubensgemeinschaft gewidmet sind.
Ein langer „Wicca“-Mittelteil, eine in Jahren lange, doch in Wohnungen
nicht so lange Vorphase las Christ und jetzt Phase III und nordisches
Heidentum. Ob sich da noch was ändert? Wegen mir nur an der Wohnung.
Aber wir werden sehen.
Panta rei. Alles fließt.
Dein Homo Magi
Eifelsturm
Über dunklen
Tannenzacken
Wandern schwarze
Wolkensäcke,
Ziehn eine schwere Decke
Langsam über Heid und
Hecke.
In den Tälern tiefe
Schatten,
Auf der Höh‘ ein mattes
Dämmern
Künden an ein nächtlich
Grauen
Und des Sturmwinds
wildes Hämmern.
Und ein teuflisch
Pfeifen, Heulen
Füllt die Welt mit einem
Male,
Fährt voraus dem
Wetterriesen
Gleich bedrohlichem
Signale,
Dann bricht’s los mit
Donnerschalle.
Mit gewalt’gen
Urwaldlauten
Sturmesfluten branden,
tosen,
Beugen Wälder, rütteln
Bauten.
Vor des Riesen mächt’gen
Fäusten
Hat sich alles bang
verkrochen.
Was nicht eisenfest
verwurzelt,
Wird mit Hohngeheul
zerbrochen.
Riesenkraft regiert die
Stunde.
Urkraft ringt mit
Urgewalten,
Schwächliches kann nicht
mehr dauern,
Wird zerrissen und
gespalten.
Und es schreit und
keucht und winselt,
Jubelt, bellt und kläfft
und brüllet.
In das infernal’sche
Lärmen,
Das jetzt Hochland, Wald
einhüllet,
Donnert’s wie von
Rolleshufen,
Reiten dichte
Heeresmassen,
Stürmen an die alten
Götter,
Die niemals das Land
verlassen.
Die, erwacht in
Schluchtverstecken,
Heut‘ ihr Eifelland
durchfahren,
Alle harten Kerle
wercken,
Die gelebt seit tausend
Jahren,
Die mit Sauspieß,
Feuerrohren,
Wald und Heide hier
durchquerten,
Und des Eifelsturmes
lauschten,
Sich um Wettergraus
nicht scherten.
In der Wälder Jammern,
Winseln,
IN das Heulen, Ächzen
,Klingen
Tönet aus dem
Geisterheere
Rauher Kantus, grobes
Singen!
„Ewig soll nur Kraft
regieren
In dem weiten Land der
Eifel!
Schwächlinge und matte
Herzen
Holt hier allesamt der
Teufel!“
Lieber Salamander,
wenn Du bis hierhin gelesen hast, bist Du vielleicht von meiner neuen
Sprachmacht überrascht. Ich muss Dich enttäuschen … das Gedicht ist von
Hermann Ritter. Aber es handelt sich um meinen 1925 gestorbenen
Urgroßvater gleichen Namens.[43]
Ich habe das sogar online bekannt gemacht[44],
aber da mein Urgroßvater heute fast unbekannt ist, ist das nur eine
Fußnote der Geschichte.
Im Moment fräse ich mich gerade durch sein Lebenswerk … und Dinge wie
das obige Gedicht, wow, das hätte ich auch gerne selbst geschrieben.
Hoffentlich ist da erblich was übrig …
Dein Homo Magi
Integration im Drachenboot
Hallo Salamander,
manche Dinge sind so unglaublich, dass man sie mehrmals lesen muss, um
sie auch nur ansatzweise glauben zu können. Da organisiert man einen
Drachenboot zum Rudern. Als nächstes organisiert man eine Exkursion, an
der betreut Flüchtlinge teilnehmen. Mir ist zwar nicht ganz klar, woher
die Flüchtlinge wissen sollen, wie man ein Drachenboot fährt – so als
würde eine (angenommene) Flucht über das Mittelmeer automatisch
Schiffsführungsqualitäten vermitteln. Man kümmert sich um Betreuer und
eine handhabbare Strecke, offensichtlich aber leider ohne jeden Bezug
auf Wikinger oder gar nordische Götter …
Ob man sich gedacht hat, dass es die Flüchtlinge nur so kennen, dass man
hungernd und nass rudern muss? Eine der Teilnehmerinnen äußerte sie
nachher wie folgt:
»Es gab nur Wasser und
Brot, das oft mehrere Tage alt und kaum essbar war. Wir haben
zwischendurch richtig Hunger gehabt.« Gerudert habe man bei jedem
Wetter, sogar im Regen und bei Gewitter.[45]
Ach, wenn es wenigstens ein Versuch gewesen wäre, die Wikinger
weltanschaulich in Misskredit zu bringen. Aber es war einfach nur
schlecht – schlecht durchdacht und schlecht gemacht.
Völliger Schwachsinn. Und mal im Ernst: Welches Bild vermitteln wir
damit Flüchtlingen von Deutschland? Nicht darüber nachdenken, sonst
kriege ich wieder dieses Kratzen im Hals.
Dein Homo Magi
Insektensterben
Hallo Salamander,
1982 wog ich ungefähr 75 Kilo. Wenn ich davon 80 % bis heute verloren
hätte, wäre mein Gewicht um 60 Kilo auf 15 Kilo gesunken.
1982 hatte Deutschland eine Bevölkerung von ungefähr 77,8 Millionen.[46]
Wären davon 80 % gestorben, wäre dieser Anteil 62,24 Millionen Tote
gewesen.
Für Insekten ist dies aber leider eine realistische Zahl, was Todesfälle
betrifft:
Das
Bundesumweltministerium warnt vor einem fortschreitenden Insektensterben
in Deutschland. In Teilen des Landes habe sich der Bestand von
Insekten
seit dem Jahr 1982 um bis zu 80 Prozent verringert (…).
Es zeichne sich keine
Entspannung der Situation ab, „sodass sich die gegenwärtigen
Bestandsabnahmen vieler Insektenarten fortsetzen dürften“. Besonders
gefährdet sind laut Ministerium Falter, Heuschrecken und Schwebefliegen.
Einige Arten seien vom Aussterben bedroht.
(…) Besonders stark
betroffen sind Bienen. Sie leiden unter Befall von Milben, Viren und
Bakterieninfektionen. Forscher gehen zudem von einer Beeinflussung durch
Sonnenstürme aus. Dazu kommt die Belastung durch Insektizide. Deutsche
Forscher haben entdeckt, wie genau die Giftstoffe den Tieren schaden.[47]
Abgesehen von der Bedeutung von Bienen für die Honiggewinnung und damit
einen heidnischen/nordischen Bezug via (Dichter-)Met – das ist doch eine
Bedrohung, bei der ich erwarte, dass man sich mystisch und politisch
dagegen zur Wehr setzt. 80 % - und ich weiß von keinem einzigen
Pro-Ameisen-Ritual und keiner Spendensammlung für Insektenhotels (gibt
es wirklich, steht hier im Garten, ich bin also bei den Insektenfreunden
und „Guten“ dabei).
Bruder Bär, Freund Wolf, Cousin Dachs – was ist mit Schwester Falter,
Neffe Heuschreck und Großonkel Biene?
Dein Homo Magi
Haustürlieferung für Mystik?
Hallo Salamander!
Im Urlaub fährt man dann mal eben mit dem Auto durch die deutsche
Landschaft, um schöne Ecken zu sehen und ab und zu mal auf ein Tässchen
Kaffee und ein gutes Stück Kuchen irgendwo einzukehren.
Dankbar waren wir, als wir ein Schild zu einem Gutshaus mit Bewirtung
fanden, während wir bei gutem Wetter durch das Nirgendwo kurvten. Also
folgten wir mit dem französischen Anti-SUV und dessen niedrigem Radstand
durch Straßen, die letztmalig für die Panzer der NVA mit Betonplatten
bestückt worden waren. Jede Hoffnung fahren lassend, kamen wir endlich
nach einem Hohlweg am Gutshaus an. Dort wurden wir hervorragend bewirtet
und hatten eine schöne Kaffeetrinkenzeit.
Kaum wieder auf dem Weg zum Auto fiel mir ein Schild mit der Aufschrift
„Seelendo“ auf. Erst denkt man an ein fehlendes „m“ für „Seelendom“; das
ist aber falsch. Dann dachte ich an einen Lieferservice für Mystik, denn
nach zu viel Fernsehwerbung für das –do mit Schuhen konnte ich deren
Slogan fast auswendig:
Mit dem Zalando Online
Shop durch den Sommer[48]
Wäre doch auch was gewesen:
Mit dem Seelendo Online
Shop durch die Mystik
Hat nicht sollen sein. Wir fuhren also am Seelendo vorbei, waren
unbeeindruckt und ich musste nachher die Suchmaschine anwerfen, um etwas
zu erfahren. Also:
Das Heil- und Meditationszentrum
(…)
Der Klangdom ist ein Ort der Mitte, des Schutzes und der Harmonie.
Durch die Geometrie der
Kugel und den Goldenen Schnitt steht der Dom im Einklang mit dem
Geschehen der Natur. Diese besondere Form macht ihn zu einem
spannungsfreien Resonanzkörper, der Körper, Geist und Seele
harmonisiert. Einheimische Hölzer und Lehm sind die baubiologischen
Materialien der Gebäude.
Der Dom ist ein
Klangkörper der uns einlädt, in unserem eigenen Rhythmus zu schwingen.
Seine Akustik ist absolut besonders, ja geradezu überwältigend. In
seiner Mitte zu sein, ist ein berührendes, nachhaltiges Erlebnis – ein
neues Raumgefühl, eine andere Kommunikation und eine besondere Form der
Begegnung.[49]
Schwing! Schwing! Schwing!
Weiter:
Seelendo ist ein Kraftplatz auf dem die Elemente erlebt werden können.
Alle Elemente sind miteinander verbunden, unterstützen und nähren sich
gegenseitig.
Der Dom steht für das
Element Luft
Der Steinkreis steht für
das Element Erde
(…) Jeder Stein erzählt
seine Geschichten und entführt uns in unbekannte Dimensionen. Durch die
starke Verbindung zur Erde verstärkt es unser Vertrauen.
Ein Geschenk des
Universums ist der circa 4.000 Jahre alte Brunnen, welcher in der frühen
Bauphase entdeckt wurde.[50]
Ein Geschenk des Universums … oder doch vielleicht unserer Vorfahren?
Und: Warum steht ein Dom für Luft? Gibt es da einen Grund? Nein, außer
dass das Element halt noch übrig war.
Weiter im Text:
Das Element Wasser
dürfen wir durch diesen prähistorischen Brunnen auf eine besonders
starke Weise erleben.
Das Element Feuer wird
auf unserem angelegten Feuerplatz zelebriert.[51]
Luft, Erde, Wasser und wenn wir Feuer machen, dann auch Feuer. Wow! Das
geht natürlich nur dort – und nicht in einer der tausend anderen
Wohnungen mit Teich, Brunnen oder nur fließend Wasser. Wenn man sich
dann die Klientel zusammenfiebert oder –sucht, dann ist einem alles
klar.
Nix für mich. Mir ist Selbstdabeiso lieber.
Dein Homo Magi
Steinzeit-Grillen
Lieber Salamander,
unser Urlaub brachte uns auch auf einen Tagesbesuch in ein
Freilichtmuseum. Es war das Steinzeitdorf Kussow[52],
dem wir bei angenehmem Wetter einen Besuch abstatteten.
Ein schönes Museum, ein nettes Areal und eine sehr informative
Gestaltung des Rundweges beschäftigten uns den halben Nachmittag.
Irgendwann endeten wir am Lagerfeuerplatz, wo wir zwei Kaffee erwarben
und erst einmal ein Päuschen einlegten.
Mein Blick schweifte herum. Da standen unter einem Schutzdach
wundervolle Gerten, die wie Speere oder dünne Wanderstäbe aussahen. Also
fragte ich, wofür die gedacht sind. Man zeigte mir dann, dass die Speere
so angespitzt sind, dass man mit ihnen eine Wurst aufspießen kann. Das
würde benützt, um am Ende von Kinderführungen mit denen gemeinsam fast
authentisch a la Steinzeit zu grillen. Das wäre alles sehr schlüssig
gewesen, wenn nicht in einer Ecke weitere Speere gestanden hätten, aber
diese hatten eine hochmoderne Stahlspitze. Also fragte ich brav nach,
wie denn diese absolut nicht zur Steinzeit passenden Geräte eingesetzt
würden. Unser Führer wand sich ein wenig, aber dann bekamen wir doch
eine Antwort: Die Metallspeere sind für die Veganer. Die veganen
Würstchen rutschen immer von den Holzspießen herunter, weil die
Konsistenz der veganen Würstchen eben doch ganz anders als die von
Fleisch.
Wir stellten uns dann genüsslich lächelnd einen Steinzeitstamm vor, der
beim Grillen erst die Frage klärte, wer sein Mammut glutenfrei, vegan,
vegetarisch oder halal möchte. Wahrscheinlich ist das der wahre Grund,
warum der Neandertaler ausgestorben ist.
Und eine schöne Pointe ist es, dass die scharfen Waffen für die Fleisch-Ablehner
gedacht sind.
Dein Homo Magi
Schlumpf-Fotos
Hallo Salamander,
in den letzten Tagen wurde mein Farbensehproblem echt zum Problem. Alle
Fotos, die ich mit meinem neuen Mobiltelefon machte, zeigten nur
Schlümpfe. Sah nett aus, aber alle Menschen hatten blaue Gesichter und
sahen doch ein wenig unnatürlich aus.
Also überlegte ich eine Weile lang, woran das liegen könnte. Weder das
Nachbearbeiten der Dateien noch die Farbkontrolle im Vergleich zu
anderen Fotos brachten eine Lösung. Am Ende war es dann ein Zufall, der
mich feststellen ließ, dass die blaue Verpackungsfolie noch über der
Linse klebte. Nach Entfernung derselben sind auch alle Menschen wieder
hautfarben (oder das, was ich dafür halte). Kann natürlich sein, dass
man mich erst in Sicherheit wiegen wollte, weil nach der „Korrektur“
jetzt nur noch Echsenmenschen vor meine Linse auftauchen. Fällt mir ja
nicht auf, ich habe keine vergleichbare Farbsicht zu anderen
Sterblichen.
Aber die Schlümpfe waren schon irgendwie cool … und überhaupt nicht
bedrohlich.
Dein Homo Magi
Schwarzelfen zum Hochzeitstag
Lieber Salamander,
da verbrachten wir unseren Hochzeitstag mit Urlaub und dem Bummeln in
einer denkmalgeschützten Innenstadt, irgendwo im Osten der Republik.
Auf einmal waren überirdisch schöne Klänge zu hören; wirklich Musik von
einem Instrument erzeugt, das uns unbekannt vorkam und welches Melodien
spielte, die einem nur entfernt vertraut vorkamen. Also hieß es, diesem
Phänomen nachzugehen. Und nach einer Weile und einigen Hörortungen
näherten wir uns der Quelle: sicherlich der ungewöhnlichsten Version von
Straßenmusik, die ich je gehört oder gesehen habe.
Eine Frau von undefinierbarem Alter, barfuß, dunkle Haut, aber eine
unmöglich zuzuordnende Herkunft; Haare, die schwarz mit weißen Strähnen
bis auf den Boden fallen. Schwarze Kleidung, einen mageren Körper
umwehend. Dann ein Instrument, das mit seinem Bogen aussah, als würde
man versuchen eine Zither zu geigen. Letztendlich dann Begleitmusik vom
Band, die aber nur die Rhythmusgruppe darstellte, zu Melodien, die
schwer zuzuordnen waren.
Dass es sich nicht um Musik aus Lothlorien handelte wurde einem klar,
wenn man an ihr vorbei schlenderte, um Geld in den Instrumentenkasten zu
werfen. Dort lag sie dann, die CD die darauf hinwies, dass es hier
(vielleicht) um Renaissance-Musik auf authentischen Instrumenten ging.
Ich glaube kein Wort davon; das ist Ablenkung für kleine Geister.
Eine Fragerunde in den Läden herum ergab, dass sie noch nie hier
gespielt habe und erst seit kurzer Zeit da draußen saß. Klar, die
Dimensionsreise war nur angetreten worden, um unseren Hochzeitstag mit
einem Stück Erinnerung zu markieren, das ich sicherlich nicht vergessen
werde: Die Dunkelelfe mit der irren Musik.
Eigenartig.
Dein Homo Magi
Gott hat eine schlechte Grammatik
Hallo Salamander,
heute bekam ich folgende beeindruckende E-Mail auf meinen Arbeitsplatz
(!) geschickt:
Hallo Liebste,
Mein Name ist Ange Paul 22 Jahre altes Mädchen, Die einzige Tochter von
spät Herr und Frau Koffi, Paul. Mein Vater war ein hoch angesehenen
business-Mann (a Kakao Händler). Es ist traurig zu sagen, dass er tot
auf mysteriöse Weise den Tod in Frankreich während einer seiner
Geschäftsreisen ins Ausland im Juni 2015 Obwohl seinem plötzlichen Tod
verbunden war oder eher vermutet wurde federführend von einem meiner
Onkel, reiste mit ihm an, dass die Zeit einfach zu nehmen, über seinen
Reichtum, denn ich bin eine Mädchen. Aber Gott wollte nicht zulassen,
dass das passiert! Meine Mutter starb als ich gerade 6 Jahre alt, und
seitdem mein Vater nahm mich so besonders.
Vor seinem Tod rief er die Sekretärin, begleitet ihn ins Krankenhaus und
sagte ihm, dass er die Summe von ($7.200,000.00) Sieben Millionen zwei
hundert tausend Dollar in einer Bank Links in der Elfenbeinküste und er
meinen Namen als seine einzige Tochter für die nächsten Angehörigen in
der Hinterlegung des Fonds. Ich bin eine Universität Studenten und weiß
wirklich nicht, was zu tun ist, ich möchte ein Konto in übersee, wo mein
Erbe Fonds können übertragen und nach der Transaktion werde ich kommen
und durch Ihre Hilfe konnte ich beruhigen und Plane meine Zukunft zu
freuen meine Ausbildung in Ihrem Land, während Sie kümmern sich um die
Fonds in einem lukrativen Geschäft.
Das ist, weil ich die gelitten haben, eine Menge Rückschläge als Folge
der unaufhörlichen politischen Krise. Der Tod meines Vaters brachte
Trauer um mein Leben. Ich bin in einer aufrichtigen Wunsch Ihrer
bescheidenen Unterstützung in dieser Hinsicht, ich wünschte, zu
investieren, die unter eurer Obhut bitte. Ihre Anregungen und Ideen wird
hoch angesehen sein, bin ich bereit, Ihnen 20% des gesamten Geld als
Modus der Entschädigung für Ihre Mühe, für die Unterstützung mir.
Bitte, betrachten Sie dieses und wieder zu mir so bald wie möglich, so
dass ich Ihnen die details der Transaktion und sagen Sie, was als
Nächstes zu tun ist.
Mit Freundlichen GRÜßEN,
Ange Paul.
Zuerst: Ich kenne diese Frau nicht, also lehne ich „Hallo Liebste“ als
Ansprache ab (außerdem bin ich nicht geschlechtsgewandelt, daher wäre
eine männliche Anrede schöner).
Und: Abgesehen von hilfreichen Hinweisen („in einer Bank Links in der
Elfenbeinküste“), die ein wenig an Schatzkarten erinnern, abgesehen von
der Frage, was jetzt eigentlich mit „Übersee“ gemeint ist
(Elfenbeinküste? Frankreich?), abgesehen von der Frage nach dem Namen
des Herkunftslandes (warum heißt die Elfenbeinküste noch Elfenbeinküste,
obwohl längst ein anderer Name vereinbart ist[53])
– eine Frage bleibt: was hat Gott dagegen, dass der Onkel die Zeit
einfach über seinen Reichtum nimmt? Wir erinnern uns:
Obwohl seinem
plötzlichen Tod verbunden war oder eher vermutet wurde federführend von
einem meiner Onkel, reiste mit ihm an, dass die Zeit einfach zu nehmen,
über seinen Reichtum, denn ich bin eine Mädchen. Aber Gott wollte nicht
zulassen, dass das passiert!
Soll man nach seinem Tod nicht verbunden werden?
Was vermutet der Onkel federführend?
Kann man sich Zeit als Onkel einfach nehmen, wenn man eine Nichte hat?
Warum lässt Gott das nicht zu?
Und: Welcher Gott ist so detailverliebt?
Ich bin verwirrt.
Dein Homo Magi
Schluckimpfung
Hallo Salamander,
früher konnten Superschurken im Comic noch mit Dingen drohen, die einem
wirklich Angst machen. Doch die ganzen großen Themen, die einem früher
Angst gemacht haben, sind irgendwie verschwunden.
Erderwärmung, Umweltverschmutzung, Artensterben – das sind Dinge, die
können wir selbst. Wir brauchen dafür keinen „Captain Lagomorpha“, der
die UN damit bedroht, dass er diese Dinge umsetzt.
Atommülllager in bewohnten Gebieten, verschwundene Atombomben,
radioaktive Verseuchung – das haben wir ohne Hilfe von X-Mutanten und
außerirdischen Invasoren ganz gut selbst hingekriegt. Ganz ohne „Evil
Euarchonta“, der auf einem Atomkraftwerk steht und die Stadt damit in
Angst versetzt, dass er den Betonmantel unter sich zerreißen will.
Marssiedlungen, Magnetschwebebahnen, Pocken-Ausrottung – das sind die
Dinge, die wir als Menschheit nicht hinbekommen haben, obwohl vor 30
Jahren alles so aussah, als wären das die nächsten Schritte auf dem Weg
der Menschheit. Aber keine außerirdische Rasse der Dermoptera oder in
der Menschheit versteckte Microcebus haben unsere Entwicklung blockiert,
sondern wir selbst.
Seufz. Und was macht der Superbösewicht von heute, um uns Angst zu
machen? Wahrscheinlich ist er es, der gegen die Schluckimpfung kämpft.
Würde einiges erklären.
Dein Homo Magi
Verstorbene Helden
Lieber Salamander,
ich bin dir nicht böse, wenn du nicht weißt, wer Herr Richard Tucholka
war. Er ist vor einigen Wochen gestorben, aber erst jetzt habe ich von
seinem Ende erfahren. Und ich war einen Moment lang wirklich traurig.
Warum? Richard Tucholka war ein Rollenspielautor:
Tucholka was a pioneering role-playing game designer,
comic book publisher, and had branched out as actor, book
reviewer, staff writer (…), and a science fiction fan. He was an active
and notable personality in Michigan
science fiction conventions and gaming conventions since 1973 and was a member of the
Robert Aspirin-inspired Dorsai Irregulars, a worldwide volunteer-run
convention support organization. He was also a senior computer
technician for a worldwide service supplier of the automotive industry.
Tucholka lived his adult life in
Michigan, where he managed
Tri Tac Games. His best known role-playing game,
Bureau 13, was voted Best Fantasy RPG [role playing game, also
Rollenspiel; HR] of 1991 (…). Others works include
The Morrow Project with Robert Sadler and Kevin Dockery,
Fringeworthy,
FTL: 2448,
and
Hardwired Hinterland. (…)
The Tri Tac Micro Games that Tucholka has authored include
Monster Squash,
Geriatric Wars,
Pterroductyl,
The Viral Vegetable Wars,
Drive By, War on High,
Escape From Westerville State,
Baby Boomer,
Duck Trooper,
Beach Bunny Bimbos with Blasters and HOLES, a science fiction miniatures combat game.
(…) Like
Isaac Asimov, Tucholka became a „Macho Target“ – essentially a
non-player character
– in the game
Macho Women with Guns.[54]
Was habe ich glückliche Stunden mit deinen Werken verbracht. Sei es
„Duck Trooper“ über die Weltraum-Enten, welche die Erde erobern wollen.
Donald Duck mit Blastern, wenn ich mal kurz zusammenfassen darf. Was hat
meine „Raumschiff Enterprise“-Rollenspielrunde geglotzt, als ich die von
der Seite als Invasion einführte. „Bureau 13“, das erste lustige
Horror-Rollenspiel (lange vor „Man in Black“ oder anderen Versuchen,
lustig zu sein, wenn man eigenartigen Horror beschreien will). „The
Morrow Project“ war ein Nahe-Zukunft-Rollenspiel mit großartigen Ideen.
„Fringeworthy“ ist für mich immer noch das beste Parallelweltspiel aller
Zeiten und wer „Macho Women with Guns“ kennt, der weiß, wie wertvoll
eine Erwähnung dort ist.
Lustig ist, dass ich beim Lesen über sein Leben noch ein lustiges Detail
herausfand, welches mir vorher unbekannt war. Es geht dabei um Tri Tac
Games, die Firma von Tucholka:
In 1994 the Tri Tac offices were raided by the FBI, because of alleged
similarities between promotional ID badges distributed by Tri Tac
personnel and certain official U.S. government ID badges. After the
raid, the federal prosecutor assigned to the case elected not to press
charges. A year later the FBI visited the Tri Tac booth at Gen Con 95 to
see if Tri Tac was distributing similar ID badges. Tri Tac was no longer
selling the badges but they did display one of the controversial badges.
It was sealed in a frame with a newspaper report about the raid. The FBI
determined Tri Tac presented no threat to national security and left
without comment.[55]
Wundervoll, oder? Alter, unbekannter, ferner Rollenspiel-Kumpel, ich
hebe bei Gelegenheit ein Glas Rum auf dich. Zur Ente.
Dein Homo Magi
Urgroßvaterbotschaften
Lieber Salamander,
schon einige Male hatte ich beim Lesen
der Werke meines Urgroßvaters den Eindruck, dass da ein eigenartiges,
aber lebendiges Heidentum durch die Seiten weht. So fand ich in seinem
„Reisebilder aus der Eifel und den Ardennen“ folgenden Absatz:
Viandens Schloß entspricht in seiner mächtigen Anlage und
Formenschönheit der Bedeutung des Geschlechtes, das einst hier seinen
Sitz hatte (…). Auf dem Schieferfelsenkegel des Schlosses, der nach dem
keltischen Worte „vien“ = felsig wahrscheinlich auch dem Orte seinen
Namen gab, befand sich in vor-römischer Zeit eine Kultstätte der drei
Zeit- und Schicksalsgöttinen Urd, Vernandy [sic] und Skuld.[56]
Dafür moderne Belege zu finden, erweist
sich als schwierig. Doch es gibt Hinweise darauf, dass mein Ahn wirklich
etwas beschrieben hat, was vor Ort bekannt war:
Kurz hinter der deutsch-luxemburgischen Grenze an der Straße von
Vianden nach Roth erblickt man rechts auf der Felswand eine Bildgruppe
der 3 Jungfrauen Fides, Spes und Caritas. Ursprünglich sollen dort die
heidnischen Schicksalsgöttinnen Urd, Verdendi und Skult gewesen sein.[57]
Und der Absatz geht dort noch weiter:
Unter verschiedenen Namen in der Eifel (…) ist die Verehrung der
drei Jungfrauen auch heute noch lebendig, so z.B. die drei Jungfrauen
von Auw an der Kyll.
Auch in Worms, der keltogermanischen Hauptstadt der Burgunder, fand
man bei Renovierungs-arbeiten in einer Seitenkapelle des Wormser Domes
ein gotisches Steinrelief mit drei weiblichen Figuren, deren Namen vom
Bildhauer eingemeißelt waren, S. Einbede, S. Warbede, S. Wilibede.[58]
Also stürzte ich mich ein wenig in die Recherche. Wikipedia weiß mehr
über die drei Damen:
Die Beten werden
in der Esoterik seit Hans Christoph Schöll aufgrund des allen drei
gemeinsamen Namensendes so bezeichnet. In jüngerer Zeit wird dieser
Begriff öfter auch auf die christlichen Gestalten angewandt. Im
Mittelalter und der frühen Neuzeit wurden diese meist drei heilige
Jungfrauen o. ä. genannt. Ihre Namen kommen in sehr verschiedenen
Varianten vor. Die am häufigsten auftretenden Formen sind Einbeth,
Warbeth, Wilbeth, regional finden sich aber weitere Varianten:
·
Einbet(h), Ainbeth, Ainpeta, Einbede, Ambet(h),
Ambede, Embede, Aubet u. a.
·
Warbet(h), Gwerbeth, Worbeth, Warbede, Barbeth,
Borbeth, Borbede, Wolbeth u. a.
·
Wilbet(h), Willebede, Vilbeth, Wilbede, Fürbeth,
Firpet, Cubet u. a.
Antike Inschriften
mit den Namen der drei Beten sind nicht bekannt, ebenso wenig kommen sie
in der keltischen Literatur der britischen Inseln vor. Möglicherweise
hat aber die Dreizahl bei keltischen und germanischen Göttinnengruppen
wie den Matronen die Herausbildung christlicher Gruppen von Drei
heiligen Frauen beeinflusst – im Gegensatz zum slawischen und
skandinavischen Raum, in dem Vierergruppen bevorzugt werden.[59]
Hoch fasziniert versuche ich herauszubekommen, ob irgendwelche Kultorte
in der Nähe meines Wohnortes liegen. Und ja, der Artikel verweist auf
einen Fundort in der Nähe von Köln. Aber was sagt Wikipedia dazu:
Belege: Frauweiler
existiert seit 1965 nicht mehr. Früher Darstellung (mit Namen?) in der
Pfarrkirche (belegt für 20. Jh.). Festtag war 1.8.[60]
In meinem Geburtsjahr wurde der Ort weggebaggert:
Über die
Jahrhunderte hinweg war Frauweiler von der Landwirtschaft geprägt. Durch
den Bergbau änderte sich dies aber. Etwa zur Mitte der 1950er Jahre war
Frauweiler zum Wohnort für Industriearbeiter geworden. Bis schließlich
Ende der 60er die Bagger anrückten und Frauweiler zusammen mit Garsdorf
nach Bedburg-Rath umgesiedelt wurde.[61]
Mist. Also muss ich wohl doch nach
Vianden fahren. Noch in diesem Leben. Mal sehen, der gute Wille ist da.
Dein Homo Magi
Nägel und Religion
Lieber Salamander,
das Schiff für die Toten in der nordischen Mythologie wird aus
Fingernägel gebaut. Das fand ich immer einen schönen Zusammenhang
zwischen Fingernägeln und Mythos:
Naglfar (altnordisch für
„Totenschiff“, „Nagelschiff“) ist in der Nordischen Mythologie das
Totenschiff. Es wird als das größte Schiff aller Zeiten beschrieben und
gehört dem Muspell.
Naglfar wird vor allem
im Zusammenhang mit dem Weltuntergang Ragnarök erwähnt. Flottgemacht
durch die Überschwemmungen der Midgardschlange führt es dann die Feinde
der Götter zur letzten großen Schlacht heran. Je nach Quelle steht
entweder der Riese Hrymir (…) oder der verstoßene Ase Loki (…) am
Steuer.
Naglfar wird aus den
unbeschnittenen Nägeln der Toten gezimmert.[62]
Das macht es einem dann schon schwer, wenn man überlegt, wie die neueren
Teile aussehen, so mit farbigen Fingernägeln und Strass drauf. Ist nicht
mein Problem, wenn ich es mir angucken muss, ist es für alles andere
sowieso zu spät.
Es gibt eine Menge (meist schlechte) Witze zum Umgang mit Nägeln als
Differenzierung zwischen nordischem Heidentum und Christentum. Von
Witzen a la „Mein Gott hat einen Hammer und deiner wurde genagelt“ hat
man nach zweieinhalb Sekunden genug, wenn man nicht in einen dumpfen
antichristlichen Pathos verfallen will, der nur eines ist: peinlich.
Aber dann wird man von außen sowieso immer als Depp wahrgenommen – von
Heiden, weil man keinen Humor hat, von Christen, weil man über ihren
Glauben herzieht.
Aber was ist, wenn der Nagel-Witz so subtil ist, dass man ihn kaum
versteht (oder ihn einfach nicht sieht, weil kein Mensch glauben mag,
dass so viel Doofheit möglich ist). Man lese:
In seiner 9-teiligen
Mappe der Friedensgebote setzt sich der international renommierte
Künstler Günther Uecker mit dem Thema der Weltreligionen auseinander und
bezieht sich mit seinen Blättern auf verschiedene religiöse Motive,
Textstellen oder Glaubensansätzen aus dem Christentum, Judentum und dem
Islam. Dabei bleibt er seinem unverwechselbaren, künstlerischen Stil
treu und arbeitet mit den für ihn typischen Materialien: Nägel und
Farbe.[63]
Das ist unfassbar … okay, ich bin kein Freund von moderner Kunst, aber
das hier ist doch Volksverarschung:
Blatt 4 vergegenwärtigt
in einer Kombination aus Präge- und Siebdruckverfahren die Essentialität
des geschriebenen und ungeschriebenen Wortes in der Religion. Rhythmik
und fließende Gleichmäßigkeit, die sich in Form einer angedeuteten
Schrift artikuliert, verleihen der Grafik nicht nur eine optisch starke
Harmonie, sondern bringen das Verhältnis von geprägter Linie und
bemaltem Zwischenraum zum Vorschein. Damit macht Günther Uecker neben
dem geschriebenen Wort auch auf das Zwischen-den-Zeilen-Stehende
aufmerksam, das auf die Nicht-Darstellbarkeit Gottes in Wort und Bild
anspielt.[64]
Ich habe die falsche berufliche Laufbahn eingeschlagen. Als Künstler
könnte ich die Essentialität des Wesens der nordischen Götter aus einer
Speiseeis-Bullensperma-Malerei herauslesen, die ich auf genagelter Pappe
auftrage. 9 Blätter, da würde ich es genauso wie der Künstler mit den
Nägeln machen. Bild 8 wären auch fußgemalte Nagellack-Bilder zum Thema
Ragnarök. Vorbestellungen können bei mir abgegeben werden – wer alle 9
Motive kauft, kriegt ein zehntes geheimes dazu.
Dein Homo Magi
Sagt dem Abenteuer: Wir kommen
Was dem Helden lieb und teuer
ist der Weg zum Abenteuer.
Wer zum Helden ist geboren
oder durch Feinde auserkoren
sucht im Abenteuer Sinn
oder Kraft zum Neubeginn.
Im Altertum, da konnt‘ man reisen,
und am Ziel mit Monstern speisen,
oder – wenn der Feind vermessen –
wurd‘ vom Monster man gegessen.
Odysseus wurde gar versungen,
Siegfried durch Freundeshand bezwungen.
Doch, das kann man heut nicht machen,
der Karte mangelt es an Drachen,
die mit Feuer Helden garen
die auf Abenteuer waren.
Und so muss ich hier beenden
das Zeitalter der Legenden.
Als der Globus noch voll Flecken
die mit ihrer Weißheit necken
zog man aus zu Niles Quellen
oder and‘ren, fremden Stellen,
wo bei Fleckfieber und Ruhr
Abenteuer traf Natur.
Grenzen wurden neu gezogen
und der Weltrand mit verschoben.
Als die Welt dann ganz bereist
- ob unter Wasser, ob vereist –
sucht man eine andr’re Sphäre
und verlässt die Atmosphäre.
Peng! Schon war der Mond erreicht,
doch das Abenteuer gleicht,
allen, die zuvor gekommen –
Poff! Die Fahne wird genommen,
man rammt sie tief in das Gestein
ob Mond, ob Pol, das Ding muss rein.
Letzte Grenze, Phantasie,
denn die allein, sie endet nie.
Weil nur grenzenlosem Raume –
Ja, der Phantasie! Dem Traume! -
sind Abenteuer unbenommen.
Sagt der Phantasie: wir kommen!
Das Mühlenlied
Hallo Salamander,
das war mal ein eigenartiges Ritual. Der Versuch, Bewegung, Sprache und
Licht in Verbindung und Einklang zu bringen, ohne dabei „peinlich“ zu
wirken. „Peinlich“ ist das Lieblingswort meines Stiefsohnes, wenn er
mich beschreiben soll, von daher werde ich da immer nervös, wenn ich
nicht „peinlich“ sein soll.
Ging dann aber doch sehr gut. Ein Ritualkreis von über 80 Personen. Ein
Feuer in der Mitte. Jemand mit der Fackel in der Hand, der langsam den
Kreis innen im Uhrzeigersinn abschreitet. Die, an denen er
vorbeigegangen ist, können zur Mitte gehen und opfern, wenn sie dies
wollen. Viele ergriffen die Gelegenheit.
In der Mitte ein Mann mit Hut am Feuer, schweigend, immer wieder in die
Gluten schauend. Daneben ich, zufällig (?) in rot gekleidet, eine „Edda“
auf den Knien. Dann, immer wieder, wie eine Gebetsmühle (!) denselben
Text lesend:
„Wir mahlen Macht, wir
mahlen Heil,
wir mahlen Gut auf der
Glücksmühle.
Sitz im Reichtum, ruh
auf Daunen,
erwach zur Wonne, so
mahlten wir wohl!
Kränken soll hier keiner
den andern
Böses wirken, Blut
vergießen;
Das scharfe Schwert
schwinge keiner,
ob gebunden er fände des
Bruders Mörder!“
Der Text stammt aus dem „Mühlenlied“.[65]
Und es war dann auch eine Gebetsmühle – die Bewegung der Fackel im
Kreis, das hinein- und hinausgehen, der stets wiederholte Text, Es
bewegte sich etwas im Gebälk des Wyrd, des Schicksals. Ehrlich.
Dein Homo Magi
Kinder von Stars
Lieber Salamander,
warum werden die Kinder von Stars eigentlich so oft Künstler? Das sagt
doch eine Menge über die Kunst aus, wenn man sich eine Weile damit
beschäftigt, was dahinter steckt. Ich glaube nämlich, dass es Argumente
dafür gibt, dass diese Kinder Künstler werden, weil man dafür keine
Qualifikation braucht. Und es gibt keine objektiven Kriterien dafür, was
Kunst ist und was nicht.
Wenn also der alternde Rockstar X auf der Eröffnung der Ausstellung der
Fußmalereien seines Sohnes, der ehemalige Fernsehstar Y bei der
Präsentation der auf Elementen aus der sumerischen Kultur bestehenden
Kleiderlinie seiner Tochter oder der ehemalige Präsident Z bei der
Eröffnung der Umweltschutzorganisation seiner Kinder (die es sich zur
Aufgabe gemacht hat, ein Gebiet zu schützen, von dessen Gefährdung oder
gar Existenz ich noch nie in meinem Leben gehört habe) – dann sind das
alles Dinge, die deswegen populär und wichtig werden, weil die Medien
sie dazu machen. Ohne diese Aufmerksamkeit würden sie nicht aus sich
selbst heraus wirken.
Aber Kunst, die aus sich selbst wirkt, hat ihren Reiz verloren, weil sie
nicht einfach zu reproduzieren ist in der Erschaffung (als Kopie schon,
was es umso interessanter macht, Dinge als Kunst zu verkaufen, die eher
Installationen und damit nicht-kopierbar sind). Der König hat keine
Kleider, aber wer sich traut, das zu sagen, gerät in einen Mahlstrom der
Kritik, wo er zwischen der Beschimpfung als Kunstbanause und der Anklage
als Mensch ohne ästhetisches Empfinden alles ankreuzen kann, was ihm
beliebt, und diese Kritik auch erhält. Postwendend.
Aber eine letzte Linie der Verteidigung bleibt: Ich muss nichts davon
kaufen und in meiner Wohnung platzieren oder aufhängen. Diese Art der
Kunst lehrt darüber nachzudenken, was man braucht und was man nicht
braucht. Ommmmmmm.
Und am Ende gilt über alle Formen der Perfektion das, was Vincent Price
schon in „Der Rabe“ sagt: „Magie, nur mit den Händen.“
Dein Homo Magi
Naturharmoniestationen
Lieber Salamander,
ich frage mich natürlich, ob ich eine Naturharmoniestation brauche. Mit
knapp 500 Euro liege ich da gut im Rennen für das Ding, wobei es dann
ohne Kübel ist. Nicht meine Erfindung, kann man online nachlesen:
Seit den letzten Jahren
wird immer dringender auf die Gefahren von Elektro-Smog, Umweltgiften
und Chemtrails hingewiesen. Jetzt ist es höchste Zeit, grundlegende
Abhilfe und Lösungen hierfür zu schaffen. Eine wesentliche Voraussetzung
dazu wird erreicht, wenn unsere Heimat wieder natur-richtig schwingt.
Die Lösung
dafür ist der Bau und die flächendeckende Installation von
NaturHarmonie-Stationen (NHS). Die NHS nutzen das von Wilhelm Reich
entdeckte Orgon-Feld. Dieses globale Feld ist eine entscheidende
Grundlage für alle Lebensvorgänge auf unserer Erde. Störfaktoren wie
Chemtrails, Elektrosmog u.a. haben das Orgon-Feld in den Industrie-ländern
erheblich beeinträchtigt.
Die Wirkung:
Das Aufstellen von – möglichst vielen – NaturHarmonie-Stationen bewirkt
nach den weltweit mit dieser Technologie gemachten Erfahrungen
Folgendes:
Radiästhetische
Messungen zeigen, dass durch eine NHS ein Harmonisierungsfeld von
mehreren km Höhe und Durchmesser entsteht. In diesem Feld entstehen
wichtige harmonisierende Einflüsse auf das Wettergeschehen.
Verbesserungen der Bodenbeschaffenheit, des Pflanzenwachstums sowie von
Gesundheit von Tier und Mensch sind deutlich erkennbar. Die weit
verbreiteten Einflüsse von Elektrosmog werden deutlich vermindert. Auch
das soziale Miteinander von Menschen im Feldbereich vollzieht sich
harmonischer und friedlicher!
Weltweit konnten mit der
Orgon-Technologie sogar längere Dürreperioden beendet und regelmäßige
Regenfälle bewirkt werden! Testungen weisen darauf hin, dass auch
geomantische Erdgitternetze und Energielinien durch Resonanz mit dem
Orgon-Feld wieder gestärkt und synchronisiert werden.
[66]
Ich habe Reich gelesen. Viel davon. Die Kombination mit Geomantie war
ihm kein Ziel, weil Orgon seiner Ansicht nach andere Dinge konnte (und
sollte). Und ob er an „Erdgitternetze und Energielinien“ geglaubt hat,
wage ich zu bezweifeln. Das Wetter im Sommer lässt zwar daran glauben,
dass diese Maschinen an den vielen Regenfällen schuld sind, aber ich
schiebe es lieber auf die globale Erwärmung.
Ein wenig unklar ist mir die Ausdehnung, wenn „ein Harmonisierungsfeld
von mehreren km Höhe und Durchmesser entsteht“. Felder würde ich in
Fläche, also Quadratkilometer messen, wenn es um ein energetisches Feld
geht, dann ist der Durchmesser mit der Höhe identisch, wenn man in der
Mitte einer Kugel steht. Naja.
Auch die Wirkung der Maschine wird klar beschrieben:
Die Wirkprinzipien der
Bio-Information, Orgon-Energie, Chi, Prana und die zu Grunde liegende
quantenphysikalische Theorie ist in der westlichen Wissenschaft,
speziell der sog. „Schulphysik“ und „Schulmedizin“ noch nicht
wissenschaftlich anerkannt. Andere Länder, z.B. Rußland oder China haben
bereits einen umfassenderen wissenschaftlichen Ansatz. Nach
universitärer Meinung hier zu Lande kann es sich bei den Wirkungen
unserer Produkte nur um Zufallsergebnisse oder Placeboeffekte handeln.
Da die deutsche Rechtsprechung sich leider noch in vieler Hinsicht an
dieser Meinung orientiert, dürfen wir unseren Produkten offiziell keine
Wirkung zusprechen.
Die Testungen und deren
Ergebnisse bezüglich der Wirkungen unserer Produkte auf biologische
Systeme mit Geräten der Komplementärmedizin, wie sie zu hunderten jeden
Tag in Deutschland und Europa in medizinischen Praxen, Labors und
Testinstituten durchgeführt werden, dürfen wir lediglich als informativ
und meinungsbildend bezeichnen. Wir unterlassen deshalb auch jegliche
medizinische oder gesundheitliche Aussage.
Verständlicherweise
können wir deshalb auch keine Haftung für irgendwelche möglichen
Gesundheitsschäden übernehmen, die den von uns angebotenen Produkten
zugeschrieben werden.
Die Wirkung unserer
Produkte liegen nicht im elektrischen, chemischen, molekularen Bereich,
sondern im bio-energetischen und bio-informatorischen Bereich und beruht
auf neuesten Erkenntnissen der Quanten- und Skalarwellenphysik, die von
der etablierten universitären Schulwissenschaft (noch) nicht anerkannt
sind.
Wir sprechen zu unseren
Produkten lediglich Empfehlungen über die Handhabung aus. Eine
Behandlung bei Ihrem Arzt oder Heilpraktiker sollten Sie auf Grund der
angebotenen Produkte nicht unterbrechen oder hinausschieben.
Herkömmliche Maßnahmen zum Schutz gegen Elektrosmog, radioaktive und
andere Strahlung, Feinstaub, sonstigen Umweltbelastungen sollten Sie
nicht unterlassen.[67]
Keine Haftung, und man sollte weiter herkömmlich gegen „radioaktive und
andere Strahlung“ vorgehen, vom Feinstaub mal ganz abgesehen. Also flugs
das gute, alte Mützchen aus Silberpapier aufgesetzt und geguckt, was ich
mir für 500 Euro kaufen kann, was auch keinen Kübel hat. Zum Beispiel
könnte ich 30 Tafeln Jumbo Voll-Nuss kaufen und verschenken, jeweils ein
Pfund Schokolade, also 15 Kilo.[68]
Ohne Kübel, sicherlich. Aber:
Die Wirkung von
Schokolade liegen nicht im elektrischen, chemischen, molekularen
Bereich, sondern im bio-energetischen und bio-informatorischen Bereich
und beruht auf neuesten Erkenntnissen der Quanten- und
Skalarwellenphysik, die von der etablierten universitären
Schulwissenschaft (noch) nicht anerkannt sind.
Dein Homo Magi
Schlumpfkaufverzicht
Lieber Salamander,
manche Leben lassen sich in einer Episode zusammenfassen.
Wir schlenderten über den Flohmarkt. Fast am Ende der langen Reihe von
Ständen war eine Familie offensichtlich dabei, den Inhalt der
Kinderzimmer ihrer ausgezogenen Brut zu Geld zu machen. Mittendrin: Ein
Schlumpf. Ich fragte die Dame hinter dem Stand (Alter: Mitte 40), was
der Schlumpf kosten soll.
„Da muss ich meinen Mann fragen.“
Ich sagte, ich würde am Ende der Reihe von Ständen umkehren und einfach
wieder bei ihr reinschauen und nachfragen. Sie war einverstanden. Wir
beendeten die Runde. Also sie mich kommen sah, machte sie mit der Hand
eine Bewegung, die mir wohl mitteilen sollte, dass ich abwarten soll.
Dann rannte sie um die Ecke, wohl um ihren Mann zu suchen, der rauchen
oder pinkeln oder beides war.
Es vergingen einige Minuten. Dann kam sie kopfschüttelnd um die Ecke.
„Er will ihn behalten“, war ihr Kommentar.
Ich habe das nicht kommentiert, mich artig bedankt und wir sind weiter
geschlendert. Aber wenn mein Leben mal den Punkt erreicht, dass ich
einen Schlumpf erst aussortiere, zum Flohmarkt transportiere, dort
ausstelle, meiner Frau sage, dass sie mich wegen dem Preis fragen soll
und ihn dann nicht verkaufe – dann ist alles vorbei.
Will heißen: Wenn man eine Entscheidung getroffen hat, soll man dazu
stehen. Man soll sie machen, nachdem man sich alle Fakten vor das innere
Auge gerufen und eine Weile nachgedacht hat, sicherlich. Aber wenn eine
Entscheidung getroffen ist … soll man mir den verdammten Schlumpf
verkaufen.
Hugh, ich habe gesprochen.
Dein Homo Magi
P.S.: Ich sammele keine Schlümpfe, ich sammele Hartgummifiguren. Aber
das ist im Text viel schwieriger zu lesen als Schlumpf. Ehrlich.
Heidnisches Jahr
Lieber Salamander,
das heidnische Jahr endet, ich habe alle Kolumnen in Zeit fertig
bekommen, die Blätter färben sich in bunt und ich war letzte Woche in
der Notaufnahme. Okay, der Satz ist komisch. Erneuter Versuch. Die
Blätter färben sich in bunt, das heidnische Jahr endet, ich habe alle
Kolumnen in Zeit fertig bekommen und ich war letzte Woche in der
Notaufnahme. Ist auch doof. Letzter Versuch: Ich war letzte Woche in der
Notaufnahme, die Blätter färben sich bunt, ich habe alle Kolumnen in
Zeit fertig bekommen und das heidnische Jahr endet. Klasse, man muss
sich nur sprachlich darauf einlassen können, ein wenig zu basteln.
Nachts wurde ich wach und hatte jene Gefühle, die einen dazu bringen,
über die eigene Positionierung auf der Organspenderliste nachzudenken
(als Empfänger, nicht als Geber, diese Überlegung kommt dann später).
Also Frau geweckt, Notarztwagen, Notaufnahme. Meinem Herzen geht es gut.
Am Ende waren es dann andere Dinge, die dazu geführt haben, dass ich da
aufgelaufen bin, aber es lässt einen doch ein wenig anders über das
Universum nachdenken, wenn man das hinter sich hat.
Beruhigt bin ich darüber, dass ich einen Termin vor Samhain gewählt
habe, der auch „heilsgeschichtlich“ passt. Heidnische Götter haben einen
eigenartigen Humor – oder der Jahreskreis ist mir so ins Blut
übergegangen, dass ich mich anpasse. Wer weiß.
Aber es sieht immerhin so aus, als würde ich brav im nächsten Jahr
weiterschreiben. Das ist hoffentlich auch schon was wert.
Dein Homo Magi
Lieder, in den Wind gepupst
Sing‘ ich dem Winde meine Lieder,
Bring ich den Wellen meine Klänge
Geb‘ ich den Flammen meine Reime,
Tanz ich der Erde meine Zeilen,
Doch schenke ich den Menschen Singen,
Stumm sind so, die Stimmen bringen,
Zu mir ist gekommen a Schamane
(Melodie nach „Di grine Kuzine“)
Zu mir ist gekommen a Schamane,
Tat ganz viel mit seinem Wissen strunzen,
Klangschalen durft‘ stundenlang ich rühren,
Während and’re schnell zu Wissen fanden
Eingeweiht in alle Meistergrade
wurd‘ ich dann zum Stammesrat gelade‘.
Wechsel jetzt den Glauben und die Welten,
dorthin von Atlantis direkt kamen. :/
[1]
https://de.wikipedia.org/wiki/Bergkirchen_(Bad_Oeynhausen);
23.11.2016
[2]
www.comic.de/2016/10/wonder-woman-wird-un-botschafterin-fuer-frauen-und-maedchen/;
20.12.16
[3]
www.comic.de/2016/12/wonder-woman-nicht-mehr-un-ehrenbotschafterin/;
20.12.16
[4] Volker
Weidermann „Das Buch der verbrannten Bücher“, S. 214
[5]
http://skepdic.com/roswell.html; 30.12.16
[6]
https://de.wikipedia.org/wiki/C._W._Ceram; 31.01.2017
[7] Vgl.
https://en.wikipedia.org/wiki/Loren_Wiseman; 17.02.17
[8]
www.youcaring.com/loren-k-wiseman-495303; 17.02.17
[9]
www.dghr-info.de/; 22.02.17
[10]
www.dghr-info.de/mitgliedschaft/#_voraussetzungen; 22.02.17
[11] ebenda
[12] ebenda
[13] Nur, damit es
jeder glaubt:
www.menexpert.de/produkte/hydra-sensitive/feuchtigkeitspflege-sensible-haut/;
09.04.17
[14]
https://de.wikipedia.org/wiki/Hydra_(Mythologie); 09.04.17
[15] Wer es nicht
weiß: https://de.wikipedia.org/wiki/Sie_leben; 09.04.17
[16]
https://de.wikipedia.org/wiki/%E2%80%A6_Jahr_2022_%E2%80%A6_die_%C3%BCberleben_wollen;
06.05.17
[17]
https://de.wikipedia.org/wiki/Running_Man; 06.05.17
[18]
https://de.wikipedia.org/wiki/Eric_Frank_Russell; 06.05.17
[19]
https://de.wikipedia.org/wiki/Theodore_Sturgeon; 06.05.17
[20]
https://de.wikipedia.org/wiki/Das_Millionenspiel; 06.05.17
[21]
https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Sheckley; 06.05.17
[22]
https://de.wikipedia.org/wiki/Psychopompos; 10.04.17
[23] ebenda
[24] ebenda
[25] S. 107 f.
[26]
www.cryptomuseum.com/crypto/mehano/barbie/; 02.06.2017
[27]
https://en.wikipedia.org/wiki/Mehano; 02.06.2017
[28]
www.cryptomuseum.com/crypto/mehano/barbie/; 02.06.2017
[29] ebenda
[30] Nach ebenda
[31]
www.cryptomuseum.com/crypto/mehano/barbie/files/mehano_e115_manual.pdf;
02.06.2017
[32]
„Hyndluliod“ (Simrock, S. 131)
[33] www.igenea.com/de/herkunftsanalyse; 02.06.2017
[34]
ebenda
[35]
www.igenea.com/de/wikinger; 02.06.2017
[36]
https://de.wikipedia.org/wiki/Erstes_Konzil_von_Nic%C3%A4a;
30.06.2017
[37]
https://de.wikipedia.org/wiki/Gnosis; 30.06.2017
[38]
https://de.wikipedia.org/wiki/Sport_Billy; 10.07.2017
[39]
www.dragondreaming.org/de/die-philosophie/; 10.07.2017
[40]
www.welt.de/vermischtes/article166463530/Vatikan-verbietet-Katholiken-glutenfreie-Hostien.html;
21.07.2017
[41] Vgl.
www.bibelkommentare.de/index.php?page=dict&article_id=3972;
21.07.2017
[42] Nur ein
Beispiel: Homosexualität (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Bibeltexte_zur_Homosexualit%C3%A4t;
21.07.2017).
[43]
https://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_Ritter_(Schriftsteller,_1864);
25.07.2017
[44]
https://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_Ritter_(Schriftsteller,_1965);
25.07.2017
[45]
www.westfalen-blatt.de/OWL/Lokales/Kreis-Herford/Herford/2931109-Kritik-an-Herforder-Integrationsprojekt-Jugendliche-ueberfordert-Stuermisches-Ende-einer-Bootstour;
21.08.2017
[46]
www.populationpyramid.net/de/deutschland/1982/; 22.08.17
[47]
www.spiegel.de/wissenschaft/natur/insektensterben-80-prozent-weniger-insekten-als-1982-a-1157898.html;
22.08.17
[48]
www.zalando.de/; 31.08.17
[49]
www.seelendo.de/webseite/; 31.08.17
[50] ebenda
[51] ebenda
[52]
www.steinzeitdorf-kussow.de/; 04.09.17
[53]
https://de.wikipedia.org/wiki/Elfenbeink%C3%BCste; 18.09.2017
[54]
https://en.wikipedia.org/wiki/Richard_Tucholka; 26.09.2017
[55]
https://en.wikipedia.org/wiki/Tri_Tac_Games; 26.09.2017
[56]
Hermann Ritter „Reisebilder aus der Eifel und den Ardennen“,
Trier, o.J., S. 70 f.
[57]
http://heilsamewege4.blogspot.com/feeds/posts/default;
03.10.2017 [Dank an Petra, die den Link gefunden hat.]
[58] ebenda
[59]
https://de.wikipedia.org/wiki/Beten_(Mythologie); 04.10.2017
[60] ebenda
[61]
https://de.wikipedia.org/wiki/Frauweiler; 04.10.2017
[62]
https://de.wikipedia.org/wiki/Naglfar; 04.10.2017
[63]
http://n-tv-art-editionen.de/guenther-uecker-edition/;
04.10.2017
[64] ebenda
[65] Nach „Die
Edda“, übertragen von Felix Genzmer (Eugen Diederichs Verlag
Jena, 1933)
[66]
http://naturharmoniestation.com/abante/; 02.11.2017
[67] ebenda
[68]
https://shop.ritter-sport.de/b2c/schoko-gruss.html; 02.11.2017
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