Homo Magi Archiv Wöchentliche Ansichten eines Magiers über den Jahreslauf und die Welt Teil 18
|
||||
2 * 9
Lieber Salamander,
hätte ich ein Kind, das bei der Veröffentlichung der ersten meiner
Kolumnen geboren worden wäre, dann wäre es am Ende dieses heidnischen
Jahres volljährig. 18 Jahre lang, zwei Mal die 9, so lange dreht sich
der Jahreslauf schon, wenn dieses Jahr der Kolumnen geschrieben ist.
Viel ist in den vergangenen Jahren passiert, trotzdem ist es kein
Zeitlauf, den ich in der Geschichte der Menschheit als außerordentlich
bezeichnen würde. Für mich ist nur viel geschehen, aber meine Weltsicht
ist gezwungenermaßen subjektiv und damit auch in sich richtig und
genauso in sich falsch. Der Ansatz impliziert das Ergebnis.
Habe ich mich verändert? Hat sich die Welt verändert? Hat sich die Magie
verändert?
Auf alle drei Fragen kann ich nur ein entschiedenes „Ja“ antworten. Ich
werde versuchen, einigen dieser Fragen nachzugehen. Aber das war immer
der Ansatz hinter meinen Texten: Ich gehe Fragen nach.
Ehrlich gesagt kümmere ich mich wenig darum, wie viele Menschen meine
Texte lesen. Ich hechele nicht den Zugriffszahlen hinterher, habe vor
Jahren aufgehört, die Meldungen für die VG Wort (wegen der Zugriffe auf
die Homepage) zu zählen oder gar zu melden. Wer liest, der liest, wer
nicht liest, der liest nicht. Das ist für mich die einfachste Lösung, um
Wissen zu verbreiten – jene Art, die eben keine Bindung zwischen Lehrer
und Schüler erzeugt, weil ich ein ausgesprochen fauler Lehrer wäre, aber
ein fleißiger Schreiber bin, der das Gefühl genießt, dass er nicht
schreiben muss, aber weiß, dass er schreiben sollte.
So halte ich es schon sehr lange. Weiterhin will ich es so halten,
solange ich kann. Lieber Salamander, pass auf dich und dein Schiff auf.
Es zieht ein Sturm heran …
Dein Homo Magi
Fabuland
Lieber Salamander,
aus meinem Gedächtnis völlig verschwunden waren die Jahre, in denen es
von Lego Fantasy-Figuren gab. Und zwar lange, bevor in der Gegenwart
jede Figurengruppe zu irgendeinem Film gehören muss – nämlich schon
1979.[1]
Aber die Serie ist inzwischen verschwunden, wohl um Platz zu machen für
„Star Wars“-Figuren. Wikipedia schreibt:
1979 wurde außerdem die Serie Fabuland ins Leben gerufen, die für
jüngere Kinder gedacht war. „Fabuland“ bestand aus größeren Bauteilen;
bei den Figuren handelte es sich um Tiere, um die in den Bauanleitungen
wie auch in einzeln verkauften Büchern und Hörspielkassetten Geschichten
erzählt wurden. 1989 wurde die Serie aus dem Programm genommen.[2]
Ich suchte online etwas ganz anderes, es ging glaube ich um Bärenplakate
in amerikanischen Nationalparks, auf denen Feuerwehrbären auf das
verbotene Rauchen hinweisen. Auch das ist schon eigenartig genug, ohne
dass man auf Bären mit Schraubenschlüsseln stößt.[3]
Mist, sind die cool:
The citizens of FABULAND include the daydreaming Edward Elephant,
friendly Bonnie Bunny, adventure-loving Max Mouse, flower-shop keeper
Hannah Hippopotamus, clumsy Clive Crocodile, Lucy Lamb the nurse and
many more.[4]
Ich plane schon an der großen Veranstaltung, wo man sein schamanisches
Krafttier mit einer Fabuland-Figur darstellen muss. Wenn man das nicht
schafft, ist man raus … naja, das ist auch nicht schlimmer, als
Schlümpfe sammeln. Und so viel Platz nehmen die schwedisch-schamanischen
Lego-Krafttiere auch nicht weg. Mann Mann Mann, was für eine Marktlücke.
Dein Homo Magi
Blutschokolade
Lieber Salamander,
vor Jahren bekam ich einmal erzählt, dass in russischer Schokolade
Rinderblut enthalten ist. Das passte in den Kontext von Ersatzstoffen im
DDR-Marzipan und den Versuchen, Margarine als vollwertigen Ersatz für
Butter zu vermarkten. Schon lange habe ich aufgehört denen zu trauen,
die mir erzählen wollen, was an künstlichen Aromen besser sein soll oder
warum es wichtig ist, einen neuen Nahrungsstoff einzuführen, von dem wir
Menschen noch nie gehört haben, der aber unfassbar gesund für uns sein
soll.
Eine erträglich glaubhafte Quelle (die „Zeit“ online) hat schon vor
Jahren geklärt, dass das Schwindel ist:
Auf zwei mutmaßliche Hintergründe des blutigen Gerüchts weist Bernd
Schartmann von der Firma Lindt & Sprüngli hin: Es gab in der DDR einmal
ein Forschungsprojekt, bei dem es darum ging, getrocknetes Blut zu
verwenden, um der Schokolade eine kräftigere Farbe zu geben. Ob das
jemals umgesetzt wurde, ist nicht bekannt – jedenfalls braucht heute
niemand mehr davor Angst zu haben.
Die zweite mögliche Quelle: Ein findiger Tüftler hat einmal einen
Patentantrag für ein Verfahren gestellt, mit dem man den Eiweißgehalt
von Lebensmitteln durch den Zusatz von Blut erhöhen könnte. Das Patent
wurde jedoch nie erteilt.
Bernd Schartmann versichert: Außer der Milch enthält ein Riegel
Schokolade überhaupt keine tierischen Bestandteile - wenn man von ein
bisschen Eierlikör in manchen Pralinen absieht.[5]
Wenn man dann ein wenig nachliest, findet man natürlich noch
Nonsens-Hinweise auf Rinderblut in der Schokolade:
Übrigens: In handelsüblicher Schokolade dürfen höchstens zehn Milliliter
Blut enthalten sein. In einer 100-Gramm-Tafel stecken somit höchstens
zehneinhalb Gramm Blut. Umgerechnet auf die Körpergröße verzehren Mücken
weitaus größere Mengen Blut, ohne Schaden davon zu tragen – wir können
also beruhigt sein. Dass dieses Blut mittlerweile nicht mehr nur vom
Rind stammt, wie das Gerücht sagt, liegt am Wandel unserer Kultur:
Früher, wo jeder Bauer auf seinen Feldern Kakao anbaute und die Milch
von eigenen Kühen bezog, wurden Rinder oftmals noch hausgeschlachtet.
Das angefallene Blut musste natürlich verwendet werden, zum Wegkippen
war es viel zu schade. Also wurde es der Schokolade beigemengt. Heute
haben die meisten Bauernhöfe keine eigene Viehzucht mehr und haben auf
genetisch veränderte Kakaopflanzen umgestellt, die als Frucht bereits
fertige Schokoladentafeln oder -riegel tragen. Milch- und blutfrei,
ideal für Allergiker – und von Umweltschutzverbänden stark kritisiert.[6]
Wundervoll geht es da weiter:
Die Hersteller von Schokoladenwaren müssen auf ihrer Verpackung nicht
darauf hinweisen, dass Blut in ihrer Schokolade enthalten ist. Das wäre
auch unzumutbar. Immerhin kann nicht nach jedem kleinen Betriebsunfall
im Schokoladenwerk der Verpackungsaufdruck geändert werden. Genau kann
daher niemand sagen, welche Schokolade das gesunde Nass enthält.
Herkömmliche Schokolade kann Blut enthalten oder auch nicht – je nach
Unfallverhütung beim Hersteller, je nach Marktsituation im
Fleischereigewerbe und je nach Mordrate in Großstädten.[7]
Was habe ich gelacht.
Nebenbei: Viele Hersteller geben online die Zutaten ihrer Schokolade an.
So enthält Alpenmilchschokolade zwar nicht nur Alpenmilch, aber auch
kein Blut:
Alpen-Vollmilchschokolade. Kakao: 30% mindestens.
Zutaten: Zucker, Vollmilchpulver (20%), Kakaobutter, Kakaomasse,
Haselnussmasse, Emulgator: Lecithine (Soja), Bourbon Vanille Extrakt.
Kann Spuren von Erdnüssen, anderen Schalenfrüchten, Gluten und Ei
enthalten.[8]
Keine Vollmilch, keine Alpenmilch, nur Vollmilchpulver. Das ist als
Erkenntnis schon schlimm genug. Aber Blut … nein, kein Blut. Man kann
nicht alles haben.
Dein Homo Magi
Leid
Hallo Salamander,
kürzlich saß ich vor einer leeren Trauerkarte. Eigentlich hasse ich so
etwas, aber auf der Arbeit kann man sich dem schlecht entziehen. Privat
schreibe ich immer Briefe, wenn es um Verstorbene geht. Ich finde, dass
ein Tod einen Brief „wert“ ist. Man sollte bei Menschen, die man kannte,
nicht dazu übergehen, Trauerkarten zu schreiben.
Ich kenne das, auf dem Dachboden meines Elternhauses liegen
Schuhkartons, in denen die Trauerkarten gesammelt sind. Und ich weiß
durch das Lesen der ganzen Inhalte, dass die meisten Trauerkarten
belanglos sind. Vorne ein Aufdruck, innen dann maximal ein paar
persönliche Worte. Dazu kommen aber immer Briefe, die wirklich etwas von
der Beziehung des Lebenden zu dem Toten sagen. Das sind dann die Perlen
in der Auster, die wenigen Momente, für die es sich lohnt, immer mal
wieder in die Kiste zu schauen.
Bei Nachrufen ist das so. Es gibt ganz viele, wirklich schlechte
Nachrufe, aber die guten, das sind diejenigen, wo man erkennt, dass es
eine Verbindung gab zum Verstorbenen. Aber wir sind es nicht mehr
gewöhnt, gemeinsam zu trauern. In Heidenkreisen rafft man sich
glücklicherweise auf, es gibt dann einen „Wake“ oder sogar einen
Ahnentisch, auf dem die Toten erinnert werden. Zu Ostara ehren wir jene,
die nicht mehr kommen können, aber schon einmal bei uns waren. Das finde
ich eine wundervolle Geste und ich stelle mich immer mit einem Glas Bier
in ruhigen fünf Minuten davor und gedenke jener, die gegangen.
Wie gesagt: Jetzt musste ich eine Karte auf der Arbeit ausfüllen. Und
ich habe eine ganze halbe Stunde sinniert und immer wieder Entwürfe
vernichtet. Am Ende ging mir der Text dann flugs von der Hand:
Von außen ist Leid nur sehbar, nicht vorhersehbar,
verständlich, aber nicht zu verstehen.
Ich bin selten mit meinen Texten voll zufrieden. Dieses Mal war ich es.
Ich hoffe, Du kannst das nachvollziehen.
Dein Homo Magi
500 Jahre Reformation
Hallo Salamander,
die großen Feierlichkeiten zum Lutherjahr habe ich überstanden.
Heidnisch war das eine Katastrophe, weil es überhaupt keine
Beschäftigung mit anderen Religionen gab, sondern es war nur Luther –
Luther – Luther. Keine der gefühlt tausend Ausstellungen oder
Veranstaltungen hat versucht, den Blick ein wenig zu weiten. Aber warum
auch: Es gab ja Fördermittel, um stark defizitär alles durchzuführen,
was man an Ideen hatte.
Luther selbst stand zwar im Zentrum der Betrachtung, wurde aber nur als
Scherenschnitt wahrgenommen. Die Playmobil-Figur verkaufte sich gut,
aber die anti-jüdischen Aufsätze Luthers wurden völlig ignoriert. Ein
antisemitischer Reformator passt nicht ins Bild der Gegenwart. Auf Platz
2 des Miss-Verstehens ist der Schulterschluss zwischen Katholiken und
Protestanten, der ebenso in diese Zeit fiel. Luther, der große
Kirchenspalter, wird nun Anlass zur vorgeführten Einigkeit der Christen.
Wäre das nötig gewesen, wenn nicht die Kirchen mehr und mehr an
Mitgliedern verlieren würden – dabei Einfluss und Geld aber behalten
wollen?
Die „Rückbesinnung“ auf die abrahamitischen Religionen, damit die
Erlaubnis für die Christen, mit den Muslimen auf Augenhöhe verhandeln zu
können, das sind Rückzugsgefechte der Monotheisten gegen die neuen
Religionsbewegungen. Aber das Luther-Jahr hat – wie gesagt – an keiner
Stelle zum Denken eingeladen, sondern nur religiöse Zuckerwatte mit
Traubensaft zum Gottesdienst gereicht, während man laut sang und
Playmobil-Figuren kaufte.
Aaargh. Was habe ich mir eigentlich erhofft? Irgendwas von den
Kirchentagen der 80er, voll mit Umweltschutz, Antifaschismus, freier
Liebe, Vollkornkeksen und bunten Tüchern. Dazu ein wenig Lebenswelt
zurzeit Luthers. Darauf dann eine realistische Einschätzung der Lage der
evangelischen Kirche heute – aber wer weiterhin lieber mit den großen
Kirchen (hier: Katholizismus & Islam) spielen will, um seine späte
Geburt zu verheimlichen, der hat für immer verloren. Auch nach 500
Jahren noch.
Dein Homo Magi
Die 80er
Lieber Salamander,
manchmal findet man in einem großartigen Buch großartige Sätze. Nach
einer Empfehlung der amerikanischen Science Fiction-Fachzeitschrift „Locus“
erwarb ich das unfassbar amüsante „Paperbacks from Hell“ von Grady
Handrix. Das Buch ist die Geschichte des Horror-Taschenbuchs in den USA.
Man mag sich jetzt fragen, was daran cool sein soll – mein Gott, was
habe ich gelacht über die Themen, die der ausgräbt. Da gibt es ein
eigenes Kapitel über Horror-Romane um Tiere (nach „Der weiße Hai“
durften alle Mal den Horror versuchen, das war gerade das, was die
Verlage einkauften), und eigenartige Insekten machen da keine Ausnahme.
Oder Geschichten um Nazi-Gnome in einem verwunschenen Schloss. Das ganze
Ding ist dann mit Reproduktionen von unfassbaren Titelbildern geziert;
aber das ist hier eigentlich nicht mein Thema.
Hängen geblieben bin ich an einem Zitat:
„Back in the ‘80s we didn’t know that one day all computers would be
linked and turned into a giant delivery system for pornography and cat
pictures, so networking seemed exciting.“[9]
Mit einem Satz mitten in mein Herz hinein und meine Lachmuskeln
aktivierend. Das gibt es viel zu selten. Danke dafür – ach ja, und das
Buch ist großartig. Was für unter den Weihnachtsbaum …
Dein Homo Magi
Die Bank und ich …
Hallo Salamander!
Ich besitze ein Bankkonto. Das dürfte an sich keine Überraschung sein.
Jetzt bin ich vor ein paar Jahren umgezogen. Dann ist die Filiale bei
meiner Mutter um die Ecke (also in meinem Heimatort) geschlossen worden.
Einsparmaßnahmen wohin man schaut, ich könnte doch in die große Stadt
fahren, um dort meine Geldgeschäfte zu erledigen. Das ich einige hundert
Kilometer entfernt wohnte, fiel den Sachbearbeitern nicht auf.
Aber über längere Zeit lief das gut, es gibt ja Bankautomaten und das
Telefon. Einmal habe ich mich brav bei der neuen Sachbearbeiterin in der
großen Stadt vorgestellt, damit die weiß, wer ich bin, aber mehr Kontakt
war da nicht – sieht man von den nervigen Serienbriefen ab, bei denen
einem Tankerbeteiligungen in Surinam, neue Einlogdaten für das tolle
Internet (ich habe gar kein Onlinebanking) oder Änderungen der
allgemeinen Geschäftsbedingungen zugeschickt werden, die gerne mal zwölf
Seiten in einem Schriftgrad für Perfektseher offerieren.
Also kam irgendwann der Tag, an dem ich beschloss, meine Bankfiliale an
meinen Arbeitsort umzuziehen. Zu der Filiale komme ich deutlich öfters
als zu meiner Mutter, die haben einen großen Parkplatz, nette
Mitarbeiter und einen Kaffeevollautomaten. Also änderte ich dort das
Konto hin, ohne damit zu rechnen, dass ich ab jetzt tägliche Anrufe
erhalten würde. Nicht, dass ich vorher die abgebende Bankfiliale nicht
informiert hatte, aber so etwas wird bekanntlich überschätzt.
Anruf 1: Ich hätte mein Konto gewechselt. Ob das richtig wäre? Nicht,
dass ich in der neuen Filiale nicht mit Personalausweis und allem Drum
und Dran das längst erledigt hätte. Und wie schön die Idee, dass eine
Kontaktaufnahme über eine aus den Archiven gerettete Mobiltelefonnummer
mehr Sicherheit gibt als meine tatsächliche Anwesenheit samt Ausweis.
Man verstand nicht, warum ich ein wenig verwirrt war.
Anruf 2: Ich hätte mein Konto gewechselt. Ob ich denn auch vorhätte,
alle Unterkonten samt dem Kreditwesen und alles andere auf das neue
Konto zu wechseln. Meine Hinweise auf meine gesammelten Unterschriften
vor Ort und mein Versprechen der neuen Filiale, dass damit ALLES
erledigt sei, führten zu eigenartigen Rückfragen, die ich abarbeitete.
Anruf 3: Ich hätte mein Konto gewechselt. Ob ich denn mit meiner Filiale
unzufrieden sei. Im Gespräch stellte sich heraus, dass „meine Filiale“
jene Filiale war, die seit zwei Jahren geschlossen ist. Wie es mir
möglich sein soll, den Service einer Geisterniederlassung zu beurteilen,
ist mir unklar, aber man kann ja über alles reden, besonders am Telefon.
Anruf 4: Ich hätte mein Konto gewechselt. Ob ich denn nicht Lust hätte,
jetzt zu Onlinebanking zu wechseln. Wenn ich Lust hätte, zu
Onlinebanking zu wechseln, würde ich kaum eine Filiale bei meinem
Wohnort wählen, oder? Und da ich seit Erfindung des Internets die
Versuche der Bank abwehre, mir ein Onlinekonto einzurichten, sei es doch
hoch unwahrscheinlich, dass ich jetzt diesen Wechsel vollziehen würde.
Ob ich denn mit meiner Filiale unzufrieden sei … Letztmalig wies ich auf
die Existenz der Geisterfiliale hin, wo man offensichtlich in einem
Keller noch ein Unterunterkonto von mir weiter führt, was eigenartige
Rückfrage erklären würde. Ich bat den Sachbearbeiter, mal einen Blick in
seine Unterlagen zu werfen. Er tat es, reagierte mit einem „Oh“ und
wollte auflegen. Ich hielt ihn auf und erzählte ihm detailreich, was ich
tun würde, wenn sie weiterhin eine geschlossene Filiale im Umgang mit
mir weitersimulieren. Und was ich davon halte, dass mein Geld
offensichtlich von Wesen verwaltet wird, die weder meine Unterlagen
lesen noch daran glauben, dass ich selbst tatsächlich und faktisch mit
meinem echten Personalausweis in der Hand eine Willenserklärung bei der
neuen Filiale abgegeben habe, deren Berücksichtigung mich mit großer
Freude erfüllen würde.
Ich harre der weiteren Entwicklung. Wahrscheinlich machen sie jetzt die
geschlossene Filiale wieder auf, retten mein Unterunterkonto und rufen
an.
Es gibt Untote. Sie haben kein Gehirn mehr, aber sie können
telefonieren. Und zwar mit mir. Ausschließlich. Alle.
Dein Homo Magi
Weihnachtsmassakker
Lieber Salamander,
eigentlich ist mein Englisch ganz gut. Aber es war nicht sehr hilfreich,
dass ich das Übersetzen und Raussuchen von Vokabeln erst mit
Rollenspielen angefangen habe, dann mit anderen Texten. Also waren meine
Englischvokabeln relativ schnell auf einen Bereich festgelegt, in dem
man zwar wusste, was eine „Torch“ ist und ebenfalls erkannt hatte, dass
eine „Wand“ auf Englisch nicht der deutschen „Mauer“ entspricht aber
andere Texte entzogen sich meinem Verständnis.
Leider führte das aber zu einigen vermeidbaren Hörfehlern, die besonders
in der Weihnachtszeit immer wieder zu Missverständnissen führten. Mein
Liebling ist das mit den Schlachtglocken:
Schlachtglocken läuten,
hörst Du Sie auch?
Auf dem Flugzeug
glitzert der Schnee,
es ist ein wundervoller Anblick.
Es ist eine wunderschöne Nacht,
in der wir in das Winterland einmarschieren.
Natürlich, das Eingreifen der Alliierten im ersten Weltkrieg. Ein
trauriges Winterlied, das in den angelsächsischen Liedern gesungen
wurde, um an die Kriegswinter (1917/1918?) zu erinnern. War irgendwie …
plausibel.
Fast richtig … das „Winterland“ ist eigentlich das „Winter Wonderland“,
und so heißt das Lied auch richtig. Die von mir falsch verstandene
Textstelle heißt im englischen Original:
Sleigh bells ring
Are you listening
In the lane
Snow is glistening
A beautiful sight
We’re happy tonight
Walking in a winter wonderland
Naja, die Glocken auf dem Pferdeschlitten sind zu Weihnachten eher
passend als mein Massaker in Frankreich. Natürlich sagt das Fehlhören
eine Menge über mich aus … aber zu Weihnachten darf man als Heide den
christlichen Mythos falsch verstehen … das tun viele Christen ja auch.
Dein Homo Magi
Turnikuti, Turnikuta, der Zebulon ist wieder da
Lieber Salamander,
es gibt magische Geschichten, die an mir vorbeigegangen sind. Dieses Mal
ist es die „Gnade der späten Geburt“, die mich im Fernsehen wohl eine
prägende Erfahrung verpassen ließ: Den Zauberer Zebulon.
Der Name Zebulon war mir vorher nur als einer der zwölf Stämme Israels
bekannt, aber in einer Diskussion mit Verwandtschaft musste ich meine
Unkenntnis dokumentieren, was den gleichnamigen Zauberer betraf.
Nachlesen war angesagt, was mich in ein Universum führte, von dem ich
noch nie vorher gehört hatte. Da gab es den Zauberer Zebulon selbst:
Zebulon: ebenso wie im französischen Original heißt das undefinierbare
Wesen „Zebulon“, so wie
einer der 12 Stämme Israels, kann mit seinem Schnurrbart
zaubern und ruft mit rollendem R: „Turnikuti, Turnikuta, der Zebulon ist
wieder da!“. Er hüpft auf einer Sprungfeder statt Beinen, kündigt sich
immer mit einem „Boing!“ an und schickt die Kinder am Ende jeder Folge
ins Bett.[10]
Das klingt schon ein wenig … eigenartig. Die Serie selbst hieß überhaupt
nicht nach dem Zauberer, sondern nannte sich „Das Zauberkarussell“:
Das Zauberkarussell war eine ursprünglich französische Fernsehserie für
Kinder, die in Deutschland ab dem 3. September 1966 vom ZDF gesendet
wurde, zuerst sonntags nachmittags und später samstags.
Über 500 jeweils fünf Minuten lange Folgen der Puppentrickserie wurden
von 1963 bis 1967 von
Serge Danot produziert. Die Pilotsendung wurde nie
ausgestrahlt. Die Serie wurde vom 6. Oktober 1964 bis 1971 unter dem
Titel Le manège enchanté in Frankreich ausgestrahlt und war sofort ein
voller Erfolg beim Publikum.
Die Serie wurde weltweit von mindestens 98 Fernsehsendern ausgestrahlt
und in 28 Sprachen übersetzt.[11]
Das Weltbild der Serie wird nicht umsonst als „surreal“ und „entspannt“
bezeichnet.[12]
So etwas konnte man 1966 noch ausstrahlen, da war ich noch zu klein, um
Fernsehen zu schauen. Aber dass ich die vielen Wiederholungen verpasst
habe ... eigenartig. Bei Gelegenheit muss ich mal ein Ritual mit „Turnikuti,
Turnikuta, der Zauberer ist wieder da“ beginnen. Mal gucken, wer alt
genug ist, um das (wieder) zu erkennen.
Dein Homo Magi
Xanadu
Lieber Salamander,
wenn uns auf Reisen in magische Länder fremde Plätze unterkommen, dann
sind die Berichte der beteiligten Reisegruppen immer abhängig vom
Zeitgefühl. Während seit Tolkien die „mittleren Königreiche“ eine große
Rolle spielen, in deren Fantasy-Umgebung man bei Geistreisen immer
verschlagen wird, so war es früher gerne mal Xanadu.
Historisch heißt die Stadt ganz anders und ist zerstört:
Shangdu (…) war während der mongolischen Yuan-Dynastie die
Sommer-Residenzstadt Kublai Khans, des Kaisers von China. Sie wurde 1256
angelegt. Das westliche Wissen über Shangdu geht auf einen angeblichen
Besuch durch Marco Polo im Jahr 1275 zurück. 1369 wurde Shangdu von
Ming-Truppen erobert und anschließend völlig zerstört.[13]
Weiter heißt es bei Wikipedia:
Im Westen ist die Stadt auch unter dem Namen Xanadu bekannt, der auf das
1816 veröffentlichte Gedicht
Kubla Khan von Samuel Taylor Coleridge zurückgeht.
Dessen erste Strophe lautet:
In Xanadu did Kubla Khan
A stately pleasure-dome decree:
Where Alph, the sacred river, ran
Through caverns measureless to man
Down to a sunless sea.[14]
Die sonnenlose See … war sie es, welche die Wahrnehmung von Xanadu als
mystischem Ort in unserem kollektiven Bewusstsein verankerte? Natürlich
ist es wieder einmal mein Science Fiction-Lieblingsautor, der den
Verweis mit verarbeitet hat:
Cordwainer Smith bezieht sich in der Science-Fiction-Kurzgeschichte
Down To A Sunless Sea im Rahmen der „Instrumentalität der
Menschheit“ auf Coleridges Werk.[15]
Oder waren es die vielen Erwähnungen in der Popmusik (von „Frankie Goes
to Hollywood“ über „Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick & Tich“ bis hin zum Film
„Xanadu“, der mit Musik von „Electric Light Orchestra“ und grausamen
schauspielerischen Fähigkeiten von Olivia Newton-John glänzte?) die den
Namen einschrieben in unsere mentalen Reiseführer von mystischen Orten?
Vielleicht ist es auch die Erwähnung im Film?
Im Spielfilm Sky Captain and the World of Tomorrow aus dem Jahre 2004
wird Xanadu als geheimer Ort im Himalaya beschrieben, an dem der
verbrecherische Forscher Totenkopf Menschenversuche anstellt.[16]
Meiner Meinung nach ist es der zunehmenden Bedeutung von Tibet und bösen
Tibetern in der Mystik geschuldet, dass in der Anderswelt wieder viele
Schilder nach Xanadu führen. Ich versuche immer, dabei an „Dave Dee,
Dozy, Beaky, Mick & Tich“ zu denken und nicht an Olivia Newton-John.
Wobei ich da den spanischen Vortext nicht verstehe … Konquistadoren in
Tibet? Und ein Duell im Himalaya?
Esta es la leyenda de Xanadu
You’ll hear my voice, on the wind, ’cross the sand
If you should return, to that black barren land that bears the name of
Xanadu
Cursed without hope, was the love that I sought
Lost from the start, was the duel that was s’possed to win her heart in
Xanadu[17]
Man muss nicht alles verstehen, was in der Anderswelt passiert. Aber ich
biete mich gerne als Reiseführer an – wenn die Musik stimmt!
Dein Homo Magi
Star Wars Papst
Hallo Salamander,
natürlich kennt jeder echte Science Fiction-Fan Lando Calrissian:
Lando Calrissian war ein professioneller
Glücksspieler und ideenreicher
Geschäftsmann. Seine Karriere begann früh als Spieler
teilweise riskanter Glücksspiele. Mit dieser Beschäftigung konnte Lando
den Titel des Baron-Administrators der
Wolkenstadt, einer
Tibanna-Gas-Mine und Vergnügungsstätte auf dem
Planeten
Bespin, erlangen.
Den Verlust seines geliebten
Millennium Falken an den Corellianer
Han Solo sowie eine später entgangene Bezahlung sorgten für
eine tiefe Kluft zwischen den beiden früheren Kameraden. Mit der
wiedergewonnenen Freundschaft zu Han trat Lando der
Rebellen-Allianz bei.[18]
Natürlich wird er gerne von Menschen, die gar keine Ahnung haben, mit
Londo Mollari[19]
verwechselt. Das ist etwa so, als ob man „Star Trek“ und „Star Wars“
verwechselt (oder Limonade mit Brezeln … anderes Thema).
Irgendwann beim Lesen von historischen Texten fand ich den Namen Lando
dann wieder – an einem Ort, wo ich die Rebellenallianz nicht vermutet
hätte: Im Papsttum.
Über Lando ist sehr wenig überliefert: Sein Vater hieß Taino, und Lando
selbst wurde nicht weit östlich von
Rom geboren. Er wurde im Juli oder August des Jahres 913 zum
Papst gewählt und amtierte etwa sechs Monate lang.
(…)
Wahrscheinlich stand der Papst völlig unter der Kontrolle des römischen
Stadtherrn
Theophylakt I. von Tusculum, der als
Vestarar (päpstlicher Kämmerer) die gesamte
Vermögensverwaltung der Kirche kontrollierte und außerdem als
Doge und Konsul dem Senat und der Miliz vorstand, sowie der
so genannten
Pornokratie (Mätressenherrschaft), welche von
Theodora I. von Tusculum und ihrer Tochter
Marozia unter
Sergius III. etabliert worden war.
Zudem war er der letzte Papst, dessen Name von keinem späteren Papst
wieder verwendet wurde. Ferner war er der letzte Papst vor
Johannes Paul I. (1978) und vor Papst
Franziskus (2013), der einen vorher noch nicht verwendeten
Namen trug.[20]
Nach einer Pornokratie würde ich den Namen auch nicht wieder verwenden …
obwohl Long Dong Petrus ein toller Name für einen Papst wäre. Aber das
fällt nur einem Heiden ein.
Dein Homo Magi
Magiertürme
Hallo Salamander,
eine Version der eigenen Weiterentwicklung lässt sich dadurch
objektivieren, dass man seine Wunschbilder aus den entsprechenden
Dekaden vor dem inneren Auge vorbeiziehen lässt und vergleicht. Um es
etwas einfacher zu formulieren: Unsere Träume und Wünsche sind mit 20
anders als mit 30 als mit 40 oder 50 Jahren. Ich habe jetzt einige
Stunden darüber reflektiert, wie sich mein Selbst-Bild als Magier
verändert hat. Natürlich ist es so, dass man sich für Reisen in die
Anderswelt gerne in Schale wirft. Ich war nie der Typ dafür, mich mit
einem Magierhut samt Spitze und Stulpenstiefeln vorzustellen. Da war die
Konkurrenz immer zu groß und ein weißer Bart wäre nicht nur kein
Alleinstellungsmerkmal gewesen, sondern auch aufgrund meines fehlenden
Bartwuchses ein echtes Problem (von der Ähnlichkeit zum Weihnachtsmann
mal ganz zu schweigen).
Eine Sache, die sich massiv verändert hat, ist die Sicht auf meine
eigene Behausung in der Magierwelt. Gut, ich stelle gerade fest, dass
ich ein Benennungsproblem habe. Der Begriff der „Anderswelt“ ist
(Wortspielhölle) anders besetzt, die Zwischenwelt hat auch eine andere
Bedeutung gewonnen. Wenn ich von „drüben“ spreche, denken viele an den
Tod (der gar nicht drüben ist, aber das ist ein anderes Thema). Nennen
wir diese Welt der magischen Reisen weiterhin und brav „das mittlere
Königreich“, ohne die Frage zu beantworten, ob es andere Königreiche
gibt, wer der König ist oder was das soll. Der Begriff ist mehr oder
weniger unverwendet und ist für mich immer wiedererkennbar in diesem
Zusammenhang.
Weiter im Text. Während meine Sicht auf mich selbst früher in den
mittleren Königreichen mit dem Gedanken gespielt hat, dass ich als
Magier dort in einem Turm wohne, von dem aus man einen großartigen
Überblick über die darunter ausgebreitete, mittelalterliche Stadt hat,
so hat sich das in den letzten Jahren massiv verändert. Inzwischen
möchte ich gerne ein Haus in einer Nebenstraße; alles ist dann fußläufig
vom Marktplatz um die Ecke entfernt, damit ich mit kurzen Wegen an die
Dinge des täglichen Lebens komme. Gene ein Haus mit einem ersten
Stockwerk und meinetwegen einem Dachboden, aber so aufgebaut, dass man
Gäste unten empfangen kann und oben Dinge hat wie das Schlafzimmer und
ein Zimmer für Gäste.
Man wird halt älter, so könnte die banale Begründung für diese
Veränderung meiner magischen Seite lauten. Nicht, dass ich mir nicht
immer noch genug Phantasie zugestehe, dass ich in einen Turm
hineinschweben oder mich von einem Drachen tragen lassen könnte, wenn
ich Lust und Laune habe, meine Räumlichkeiten zu verlassen. Aber meine
Umwelt wird auch älter und hat irgendwann keine Lust mehr, die 999
uralten, von endlos vielen Sterblichen ausgetretenen Marmorstufen bis
zum Sanktum meiner Wenigkeit hinaufzulaufen, nur um die Post zu bringen,
die Küche zu putzen oder einfach mal „Hallo“ zu sagen. Denn Magier haben
auch eine Umwelt, die mit ihnen altert. Und diese Umwelt reitet keine
Drachen und schwebt nicht in den 426. Stock. Und wenn man einmal erkannt
hat, dass der beste Magier ohne Bäcker, Zahnarzt und Putzfrau irgendwie
schon verloren ist, dann sucht man sich einen magischen Traum, in dem
sie alle teilhaben können. Es macht einen auch irgendwie menschlicher,
oder?
Dein Homo Magi
Teddy
Hallo Salamander,
bei einem Rückblick an Weihnachten letztes Jahr überlegte ich, was ich
eigentlich aus meinem Leben seit meinem ersten Lebensjahr „mit
herumschleppe“. Es sind – Trommelwirbel – meine erste Babysocke, die ich
als Avatar der Macht aufhebe, und mein Teddy.
Es gibt ein schönes oder eher entwaffnendes Fotos aus dem Jahr 1965, auf
dem ich zur Weihnacht in einem leeren Bierkasten sitze, den Teddy im
Arm. Der Bierkasten ist aus Holz (war damals noch üblich, selbst wenn
man sich das heute kaum noch vorstellen kann), die Flaschen sind um uns
beide herum drapiert und ich halte den Teddy im Arm. Welche Art von
Humor daraus spricht, sei dir zur Deutung überlassen.
Den Teddy habe ich immer mitgeschleppt. Brav passte er auf alle Betten
in allen meinen Wohnungen auf und sorgte dafür, dass keine
Weltraumninjas eindrangen, während ich schlafe. Ebenso stoppte er die
Kavalkaden von unter dem Bett wohnenden Monstern, bevor sie über mich
herfallen konnten.
Fast zwanzig Jahre später haben wir uns weiter angenähert. Als meine
erste Freundin mich verließ (bei Delling! Das ist schon verdammt lange
her.) ließ ich mir trotz meiner Nadelphobie ein Loch ins Ohr stechen,
weil ich mir überlegt hatte, dass das Überstehen des einen Schmerzes den
anderen Schmerz kleiner machen würde. Hat nur zum Teil geklappt. Der
Juwelier war sehr überrascht, dass ich nur ein Ohrloch wünschte, war
doch der Preis für zwei Ohrlöcher der gleiche wie für ein Ohrloch. Ich
wollte nur eines, trug dann immer mal wieder einen goldenen Ring im Ohr
und seit vielen Jahrzehnten konsequent einen Knopf im Ohr – wie mein
Teddy, ebenso im linken Ohr.
Der einzige Unterschied ist jetzt, dass der Teddy aus Altersgründen
nicht mehr brummt, wenn man ihm in den Bauch sticht. Ich schon.
Dein Homo Magi
Putzfraupiraten
Hallo Salamander,
kürzlich habe ich für eine Art Fantasy-Liverollenspiel Piratenmünzen
bestellt, so richtig hübsche Metalldinger mit einem Kraken auf der
Rückseite und gekreuzten Knochen auf der Vorderseite. Sehen hübsch aus,
sind auch solide gemacht, von daher ein echter Erfolg.
Die waren aber ausgesprochen nervig verpackt, so mit einer Klebehülle
drum herum. Die musste ich liebevoll da einzeln rausholen, weil alles
klebte. Über einen ökologischen Ansatz wollen wir bei der Verpackung
nicht nachdenken. Beim ganzen Klimbin müssen wohl zwei Münzen unter den
Schreibtisch gerollt sein. Fiel mir nicht auf.
Dann kam die Putzfrau. Ich kann das nur rekonstruieren, denn als ich
abends nach Hause kam lagen die beiden Münzen schon sortiert auf meinem
Schreibtisch. Jetzt frage ich mich nur: Was mag die Putzfrau dabei
gedacht haben?
Sammele ich heimlich Münzen aus der Karibik, die ich sonst in Gold und
Silber erwerbe, aber wenn zwei Kupfermünzen unter den Schreibtisch
rollen – das fällt mir nicht einmal auf? Oder habe ich Zugang zu einer
alten Galeone, die am Ostseestrand liegt und deren Fundort nur mir
bekannt ist? Das erklärt zwar meinen Sommerurlaub an der Ostsee, ist
aber – was spanische Seerouten betrifft – für Galeonen eher ein
ungewohntes Pflaster. Vielleicht präge ich heimlich nach, gehe als
Falschmünzer für historische Münze in die Geschichte ein – wenn ich
geschnappt werde. Oder bildet sich in ihrem Gehirn eine lange Geschichte
von Menschenhandel mit Frauen aus der Karibik, die ich mir schicken
lasse und die ich ihrer letzten Dublonen beraube, bevor ich sie weiter
verkaufe?
Ich weiß es nicht. Sie ist nicht da, wenn ich heimkomme. Jetzt müssen
wir beide mit unterschiedlichen Enden des Mysteriums leben, ohne es
lösen zu können.
Seufz.
Dein Homo Magi
Delling in Regensburg
Lieber Salamander,
meine Beschäftigung mit Delling, dem obskuren Schutzgott meines
Vertrauens, habe ich schon ein paar Mal erwähnt. Jetzt ist er mir wieder
über den Weg gelaufen:
Mit Dellinger, dem dritten Gemahle der Nacht, scheint Hans Dollinger
identisch zu sein, der vor Regensburg mit dem Heiden Krako kämpfte, dem
zwei schwarze Teufel unsichtbar halfen. Beim ersten Zusammentreffen
stach der Heide Dollinger vom Pferde, aber als ihn der Kaiser Heinrich
I. mit dem Kruzifix wieder frisch und gesund gemacht hatte, rannte er
beim zweiten Zusammentrafen dem Heiden die Lanze in das eine Ohr, dass
sie zum anderen herauskam.
Dieser Hinweis auf Dollinger stammt aus „Grundlage, Entstehung und
genaue Einzeldeutung der bekannten germanischen Märchen, Mythen und
Sagen“ von Gustav Friedrichs (Leipzig, 1909). Ich finde es zwar nett,
dass hier ein heidnischer Gott zu einem christlichen Kämpfer und
Heidenfeind Beziehungen haben soll, aber irgendwie auch unglaubhaft.
Trotzdem stürzte ich mich ein wenig in die Recherche.
Immerhin ist es eine alte Quelle:
Die Dollingersage gehört nach Ansicht von zwei Autoren, deren Ergebnisse
allerdings umstritten sind, zu den ältesten Stadtsagen Deutschlands,
doch setzt die schriftliche Überlieferung erst im 16. Jahrhundert ein,
so dass nicht mehr alle Änderungen im Laufe der Entstehungsgeschichte
nachzuvollziehen seien. Als historischer Hintergrund bieten sie die
Ungarneinfälle des 10. Jahrhunderts und speziell die Schlacht auf dem
Lechfeld 955 an, da der Angreifer Craco ursprünglich ein Hunne
gewesen sei. In späteren Überlieferungen sei er zu einem Türken
umgedeutet worden, was angesichts der damals aktuellen Bedrohung des
Abendlandes durch die Türkenkriege plausibel sei.[21]
Inhaltlich gibt es wenige Verbindungen zu „meinem“ Delling:
Die Handlung der Sage wird von Chronisten des 16. und 17. Jahrhunderts
in die 920er Jahre verlegt. Ein heidnischer Ritter, in manchen Fassungen
mit dem Namen Craco benannt, fordert die Regensburger
Ritterschaft höhnisch zum Kampf heraus. König Heinrich I. gelingt
es zunächst nicht, einen Ritter dazu zu bewegen, die Herausforderung
anzunehmen. Doch schließlich findet sich der Regensburger Bürger
(Hans) Dollinger, der den Prosafassungen der Sage zufolge zu dieser
Zeit im Kerker einsitzt, im Gegenzug für seine Freilassung zum Kampf
bereit. Dollinger betet in der Niedermünsterkirche am Grabe des
Hl. Erhard und begibt sich zum Haidplatz, wo das Turnier stattfinden
soll. Zweimal gelingt es Craco, Dollinger aus dem Sattel
zu stoßen. Doch als König Heinrich dem Helden ein Kreuz an die
Lippen presst, gelingt es Dollinger den Feind im dritten Anlauf
zu besiegen.[22]
Als moderner Heide muss man das natürlich aus dem Bauch heraus deuten …
hüstel. Dollinger ist dann Delling und Heide (daher der Haidplatz),
Craco ist ein Christ, den Delling besiegt (daher das Kreuz). Craco kommt
von Krokus, eine uralte Blume, die einen Christen bezeichnet. War schon
immer so. Ehrenwort.
Interessant ist die Differenz zwischen Buch und Internet, was die Zahl
der Waffengänge betrifft. Dollinger erscheint mir als Ansatz interessant
… aber ich habe keinen Punkt, wo ich meine Brechstange ansetzen kann.
Und ehrlich: Mit Delling hat das nix zu tun.
Dein Homo Magi
Älter werden
Hallo Salamander,
ich bin mal wieder ein Jahr älter geworden. Nein, du hast nichts
verpasst – keine runden Zahlen, keine nummerologische, tiefere
Information im Zahlenwert und auch keine Feier, zu der du nicht
eingeladen warst.
Altersspezifisch gibt es weniger Bargeld als mit 13, weniger nützliche
Dinge für den Haushalt als mit 23 und weniger anzügliche Dinge als mit
33 (und weniger Alkohol als mit 43 …).
Aber einen Spruch fand ich so toll, dass ich ihn dir nicht verheimlichen
will. Geschickt hat ihn mir ein alter, guter Freund von mir:
Alles Gute zum neuen Level! Und hüte Dich vor den Bossmonstern!
Wie schreibt Wikipedia zur Erklärung:
Ein Endgegner (auch Boss genannt, weitere Varianten sind Endboss,
Bossgegner, Boss-Monster oder im MMORPG-Jargon auch BossMob) ist in
Computerspielen ein besonders starker und widerstandsfähiger Gegner, den
der Spieler am Ende eines Spielabschnitts besiegen muss. Der Kampf gegen
einen Endgegner stellt innerhalb des Spielverlaufs einen Höhepunkt dar
und bildet den Abschluss eines Levels, einer Mission, eines Dungeons
oder auch des Spiels selbst. In einigen Spielen trifft der Spieler auch
mitten in einem Level auf Gegner mit Endgegner-Eigenschaften. Diese
bezeichnet man als Zwischengegner (oder auch als Mini-Boss oder
Zwischenendgegner).[23]
Alles drin. Großartig.
Dein Homo Magi
Eigenartige Stromversorgung
Lieber Salamander,
es gibt so eigenartige Momente. Da treibt mich der Harndrang auf einem
Flughafen in die Toilette. Im Vorraum – da wo immer die Waschbecken sind
– bleibe ich verwirrt stehen. An die Wand geschmiegt steht ein Mann in
der Ecke zwischen Handtrocknergebläse und Waschbecken eingeklemmt. Seine
Reisetasche steht auf der Ablage vor dem Spiegel, sein rechtes Knie
sitzt auf dem Waschbeckenrand auf.
Ich schaue und stelle erleichtert fest, dass er sowohl angezogen als
auch wach ist. Außerdem sind keine eigenartigen Flecken zu sehen, die
auf Körperflüssigkeiten an ungeeigneten Stellen hinweisen würden.
Normalerweise geht man als Mensch an so etwas vorbei, aber ich bin
natürlich neugierig und investiere einen zweiten und einen dritten
Blick.
Die einzige Steckdose für ein Handy befindet sich zwischen den Spiegeln;
offensichtlich, um einen Rasierer einzustöpseln. Das war aber in diesem
Falle nicht der Plan, sondern der Mann wollte telefonieren, ohne über
eigenen Strom zu verfügen. Die restlichen Faktoren führten dann Schritt
für Schritt zum Ergebnis. Der Stecker musste in die Dose. Das Kabel
musste in das Mobiltelefon. Dieses wiederum musste an das Ohr. Die
restlichen Positionen waren dann vorgegeben.
Im Mittelalter gab es Foltergeräte, die Menschen zu solchen
Körperhaltungen zwangen. Jetzt müssen sie das nicht nur bis zum Rahmen
der absoluten Selbstentwürdigung treiben, sondern sie tun es sogar in
einem Spiegelkabinett.
Was habe ich getan? Ich ging mich entleeren und wusch mir dann lange die
Finger. Sehr lange. Dann brauchte ich natürlich mehrere Durchgänge mit
dem Gebläse, um die Finger wieder trocken zu kriegen. Während ich alle
Geschäftsgeheimnisse des Herren erfuhr, die er natürlich weiter und
immer lauter werdend erzählte, rieb ich meine Hände im warmen Luftstrom
– wohl wissend, dass ich alles richtig machte.
Hihi.
Dein Homo Magi
Parkplätze
Lieber Salamander,
kürzlich kam ich bei einer Überlandtour durch eine Landschaft, in der
man offensichtlich Wert darauf legte, dass das Rasten am Straßenrand
ohne Dreck und Müll erfolgt. Eine schöne Idee in einer landschaftlich
schönen Gegend.
Irritiert hat mich das Schild, das durch die Verwendung von
Großbuchstaben brillierte: „AKTION FREIER PARKPLATZ“. Natürlich war
damit gemeint, dass der Platz frei von Müll und anderen
Hinterlassenschaften der modernen Nomaden ist.
Ein klarer Fall von „gut gemeint“ statt „gut gemacht“. Denn eigentlich
wird – bei dieser Schreibweise – dafür geworben, dass man hier
problemlos an käufliche Liebe kommt.
Wir zitieren:
Als Kunde wird (auch) im Jargon der Prostitution eine Person bezeichnet,
die für sexuelle Dienstleistungen bezahlt. Der Kunde ist der Kunde
einer/eines Prostituierten und wird auch als „Gast“ bezeichnet. Eine
weibliche Person, die sexuelle Dienstleistungen in Anspruch nimmt, wird
als Kundin bezeichnet. Ein homosexueller männlicher Kunde ist der
Geschäftspartner von Callboys oder Strichern (Strichjungen).
In der Umgangssprache gibt es für die Kunden der Prostituierten die
Bezeichnung „Freier“: Der Begriff stammt aus dem Althochdeutschen.
Freien wurde gleichbedeutend mit „heiraten“ genutzt. Um eine Frau zu
freien, bedeutet (nach wie vor, aber ungebräuchlich), sich um ihre Liebe
hinsichtlich ihres Einverständnisses zur Ehe zu bemühen. Der Ausdruck
Auf Freiersfüßen war ein
anerkennender Spruch für einen Mann, der sich auf Brautschau befand.[24]
Sehr schön, dass hier Plätze ausgewiesen werden, wo man darauf warten
kann, dass jemand vorbei kommt, der einem Sex für Geld anbietet. Ich
wollte dann dort nicht rasten – Dreck hin, Dreck her.
Sprache war mal ein Kulturgut.
Dein Homo Magi
Isländische Islamisten
Lieber Salamander,
in der (englischsprachigen) „Time“ vom 12.03.2018 las ich einen Artikel
über Beschneidungsdiskussionen auf Island. Irgendwie fand ich das beim
ersten Suchen online nicht wieder, aber online brachte „The Guardian“
dieselbe Geschichte:
Iceland is poised to become the first European country to outlaw
male circumcision amid signs that the ritual common to both
Judaism and Islam may be a new battleground over religious freedom.
A bill currently before the Icelandic parliament proposes a penalty of
up to six years in prison for anyone carrying out a circumcision other
than for medical reasons. Critics say the move, which has sparked alarm
among religious leaders across Europe, would make life for Jews and
Muslims in Iceland unsustainable.
One in three men globally is thought to be circumcised, the vast
majority for religious or cultural reasons. Many Jews and Muslims fear
the issue of circumcision could become a proxy for antisemitism and
Islamophobia, pointing to similar tensions over religious dress and the
ritual slaughter of animals for meat.
Muslim and Jewish leaders attacked the proposal, while Cardinal Reinhard
Marx, president of the Catholic Church in the European Union, said the
bill was a „dangerous attack“ on religious freedom. „The criminalization
of circumcision is a very grave measure that raises deep concern.“
The Icelandic bill says the circumcision of young boys violates their
rights and is incompatible with the United Nations convention on the
rights of the child. It draws a parallel with female genital mutilation,
already outlawed in most European countries.
The bill says circumcisions are performed without anaesthesia, and
claims the procedure is often carried out „in homes that are not
sterile, and not by doctors but by religious leaders. There is a high
risk of infections under such conditions that may lead to death.“
It acknowledges that while parents have the right to give religious
guidance to their children, „such a right can never exceed the rights of
the child“. Boys who wish to be circumcised for religious or cultural
reasons can do so when they reach an age at which they „understand what
is involved in such an action“, it suggests.[25]
Wir fassen Teil 1 zusammen: Island möchte die männliche Beschneidung
verbieten. Man wünscht sich, dass solche Entscheidungen von Erwachsenen
selbst für sich getroffen werden, ein solcher Eingriff in die Gesundheit
des Kindes – selbst aus religiösen Gründen – sei besonders dann
gefährlich, wenn die Beschneidung unter fehlenden hygienischen
Bedingungen geschieht. So weit, so gut – auch wenn ich die Parallele zur
Beschneidung von Frauen nicht nachvollziehbar finde.
Weiter:
Iceland’s population of about 336,000 includes tiny Jewish and Muslim
communities. There are thought to be some 250 Jews and about 1,500
Muslims.[26]
Kein Anteil, der jetzt vermuten ließe, dass hier ein echter Aufschrei
passiert.
Weit gefehlt:
Silja Dögg Gunnarsdóttir of the centre-right Progressive party said she
had proposed the bill after realizing that there was no ban on male
circumcision although FGM has been outlawed in Iceland since 2005. „If
we have laws banning circumcision for girls, then we should do so for
boys,“ she said.
„We are talking about children’s rights, not about freedom of belief.
Everyone has the right to believe in what they want, but the rights of
children come above the right to belief.“
Nordic countries had well-deserved reputations for promoting human
rights, she added. „If Iceland backs this, I think other countries will
follow.“
The issue of circumcision has been raised in other European countries
but none has outlawed it.
According to Milah UK, a Jewish campaign group to protect the right to
circumcision, the procedure is only carried out by highly-trained and
regulated practitioners, known as mohelim. Boys are usually circumcised
at eight days old.
A spokesperson for Milah UK said: „Jewish male neonatal circumcision –
known as brit milah – is a non-negotiable element of Jewish identity,
common to Jews from all backgrounds and respected in liberal democratic
countries. For a country such as Iceland, that considers itself a
liberal democracy to ban it, thus making sustainable Jewish life in the
country impossible, is extremely concerning.“
Parallels with FGM were unwarranted, Milah UK said. The partial or
complete removal of female genitalia could make intercourse difficult
and painful and cause serious medical complications. In contrast,
circumcision was a minor procedure.
„There is no recognized long-term negative impact on the child for the
rest of his life. Millions of men – Jews as well as others – are
circumcised around the world, and are unaffected in their everyday lives
by having undergone the procedure. Carrying out brit milah on newborn
boys is a central requirement of Jewish law,“ the spokesperson said.
Moshe Kantor, president of the European Jewish Congress, called for
respect for the values of openness and tolerance, and added there was no
evidence that circumcision was harmful.
„We can only assume that this attempt to ban a core practice of Jewish
communities comes from ignorance about the practice and its effect on
Jewish children, rather than to send a message that Jews are no longer
welcome in Iceland,“ he said.[27]
Beschneidungsverbot als Antisemitismus? Aber jetzt kommen die Moslems
ins Spiel:
Ahmad Seddeeq, the imam of the Islamic Cultural Center of Iceland, said
the bill contravened religious freedom. „Circumcision has been practiced
for centuries, it is deeply rooted in cultural and religious
traditions,“ he said.
A meeting of religious organizations in Iceland was called earlier this
month to discuss the bill, and they hoped to issue a declaration of
opposition, he added.
Muslims in Iceland were already travelling to neighbouring countries to
have the procedure performed on babies because of the reluctance of
local doctors. But, Seddeeq said, „the [medical] benefits of this
practice far exceed the risks“.
Jewish and Muslim communities warn that if circumcision is outlawed, the
practice will go underground or religious minorities will travel or
relocate to countries where it is permitted.[28]
Aha! Wenn etwas verboten wird, hört man nicht etwa damit auf, sondern
droht vorher an, dass man das im Geheimen weitermachen wird. Wenn das
bei Kinderschändern und Drogenhändlern genauso wäre, würden wir laut
aufschreien.
Bei Religionen … diskutieren wir. Warum?
In Germany, a 2012 law permits only trained practitioners to perform
circumcisions. It followed a controversial German court ruling which
said circumcision „permanently and irreparably changed“ a child’s body,
and took away the individual’s right to „make his own decision on his
religious affiliation“.[29]
Das klingt für mich nach einer nachvollziehbaren Begründung, ganz brav
in einer Linie mit der liberalen Tradition hier – auch wenn diese gerne
übertüncht oder vergessen wird.
The following year, the Council of
Europe passed a resolution calling on 47 member states to
regulate practices concerning ritual circumcision, „to overcome some of
the prevailing traditional methods, which do not take into consideration
the best interest of the child and the latest state of medical art“.
Israel said the resolution fostered „hate and racist trends in Europe“.
Two years ago, a judge sitting in a British family court said that young
children should not be circumcised until they are old enough to decide
for themselves. NHS advice is that „the risks associated with
circumcisions when carried out by qualified and experienced doctors are
small“.
The Icelandic bill comes against a backdrop of a number of European
countries prohibiting Islamic religious dress, such as the niqab or
burka. This spring the Danish parliament will debate a bill banning
full-face veils in public.[30]
Ob man Beschneidung im selben Zusammenhang wie eine Burka diskutieren
kann? Kann man offensichtlich, aber eine Burka kann man ablegen, eine
Beschneidung rückgängig zu machen, erscheint mir erst einmal als
schwieriger.
Last year Belgium voted to ban halal and kosher meat, citing animal
rights. Poland’s government has proposed a law prohibiting kosher
slaughter, in a move vehemently opposed by the Jewish community.
The Icelandic bill on circumcision has cross-party backing and wide
public support, Gunnarsdóttir said. If it passes its first reading, the
bill will go into committee stage for several months before it can
become law.[31]
Wow. Island, da hatte ich eher mit einer Anti-Asatru-Bewegung gerechnet,
als mit einer Diskussion über religiöse Freiheiten.
Westliche Demokratien müssen sich halt entscheiden: Religionsfreiheit
darf Grundrechte nicht einschränken. Punkt. Und wenn man klar hat, was
die Grundrechte sind, auf die man verständigen will, dann müssen diese
für alle religiösen Gruppierungen gelten. Ausnahmslos.
Aber diese Diskussion hatten wir schon endlos oft in den letzten 200
Jahren. Und sie ist nicht einfacher geworden.
Dein Homo Magi
P.S.: Beschneidung: Es gibt sicher noch Männer, die daran glauben, dass
man als Mann nachher eine 30 Zentimeter lange Narbe haben müsste, damit
es echt wirkt. Aber das sind wahrscheinlich keine Isländer, denn die
sollten das Thema inzwischen genügend aus der Presse kennen.
P.P.S.: Ja, Operationen am Geschlechtsteil gehören nicht zu meinem
normalen Themenkreis. Ich habe mich … gewundert, dann geärgert. Muss
auch mal sein.
Zusteller
Lieber Salamander,
ich frage mich seit Wochen, warum ich keine Post mehr kriege. Liegt es
an den regelmäßigen Volksfesten, deren Standbeschicker den Platz vor
unserer Tür zum Teil so Zubauen, dass ein Zugang nicht mehr möglich ist?
Liegt es am Unwillen der Fahrer, am Brezel- oder Wurstgeruch vorbei
unseren Briefkasten zu erreichen? Oder ist es ein Einsparprogramm an
Benachrichtigungskarten, was nicht einmal mehr diese Form der
Unterrichtung möglich macht?
Ich weiß es nicht. Aber heute war eine erste Aufklärung möglich, denn
statt Post fand ich ein Werbezettel der Post. Mit dem tollen Motto
„Menschen verbinden, Leben verbessern.“ Sucht die Post „für unsere
Niederlassung“ „ab sofort, an ihrem Wohnort und in der näheren Umgebung
Zusteller für Briefe und Pakete (m/w)“. Ich wusste vorher nicht, dass es
männliche und weibliche Briefe gibt, aber auch hier gilt: Man lernt nie
aus.
Immerhin erfahre ich jetzt, warum ich prinzipiell an einem Tag keine
Post kriege („Sie unterstützen uns an 5 Wochentagen von montags bis
samstags“ … das Abzählen der Finger für die Wochentage ergibt ein
Problem), was bei Zustellern vorausgesetzt wird („Einwandfreies
Führungszeugnis“) und der Hinweis auf die zu verlernende Grundfähigkeit
schlechthin: „Gutes Deutsch in Wort und Schrift“. Das sagt mir die
Organisation, die mich mal vier Wochen gebannt hat, weil es in meinem
Haus keinen Herrn Mann gibt. Das ist mein Vorname, naja, so ungefähr.
Aber woher soll der Zusteller das wissen.
Am allerbesten ist aber die leicht zu merkende E-Mail-Adresse, bei der
man sich mit einem PDF bewerben kann: abt19nl7132@deutschepost.de.
Abteilung 19 in den Niederlanden, Postleitzahl (alt) 7132 – das ist
heute noch Frauenkirchen ist Ostösterreich, oder Illingen in Württemberg
(vor der Einführung der fünfstelligen Postleitzahl). Das erklärt nicht
nur die verlängerten Zustellungswege, sondern auch die verlorene Zeit …
seufz. Und bitte jetzt keine Hinweise auf nl für „Niederlassung“ – die
Suche nach der Nummer auf der Seite der deutschen Post ergibt „Die
Adresse ist nicht bekannt“. Warum mir klar.
Dein Homo Magi
Männer mit Stock
Hallo Salamander,
kürzlich musste ich erkennen, dass ich wohl unwiderruflich zum
Establishment gehöre. Ich stieg aus einem Nahverkehrszug und musste eine
Treppe hoch, um vom Bahnsteig in den Bahnhof zu kommen. Ich ging mit
Stock – es war einer jener Tage, an denen ich nicht wirklich mobil bin.
Passiert immer mal wieder, ist aber locker im Griff zu behalten.
Ehrlich.
Also ging ich – die rechte Hand am Handlauf, die linke mit dem Stock –
langsam die Treppe hoch, während um mich herum die Pendlermengen
vorbeidrängen. Auf der Hälfte der Strecke musste ich innehalten, weil
auf der Treppe ein junger Mann saß, der in Ruhe einen Döner aß. Ich bat
ihn höflich, mir Platz zu machen. Ich erhielt ein Grunzen und einen
unwilligen Blick. Dann biss er wieder in seinen Döner, machte aber keine
Anstalten, sich davon zu bewegen.
Es dauerte einen Moment, bis ich ihn umschiffen konnte. Vier Stufen
später saß der nächste junge Mann. Der hatte aber Kritik vorgesorgt, in
dem er sich Ohrhörer aufgestülpt hatte. Er schaute auf, und versank dann
wieder in seinen Innenwelten. Auch ihn umschiffte ich unter größerem
Aufwand.
Oben angekommen, sah ich zehn Meter zu meiner Rechten zwei Mitarbeiter
der Security stehen. Ich nahm mir ein Herz, ging mitsamt Stock auf sie
zu und erzählte ihnen meine Geschichte. Dann bat ich sie, die beiden
jungen Männer von der Treppe zu entfernen. Sie bedankten sich für meinen
Hinweis und machten sich auf den Weg, um ihr Werk zu verrichten. Ich
ging weiter.
Etwas später fiel mir auf, dass ich früher niemals auf die Idee gekommen
wäre, die „Autoritäten“ anzusprechen. Jetzt auf einmal – bang – Ankunft
im „Establishment“.
Hmpf. Was kommt als nächstes? Ein FDP-Parteibuch und der Wunsch, dass
sich nichts mehr verändert? Ich hoffe nicht.
Dein Homo Magi
Islamistische Pralinen
Lieber Salamander,
mir juckt es in den Fingern, in den „einschlägigen Fachblättern“ eine
Anzeige zu schalten. Den Inhalt stelle ich mir ungefähr so vor:
Deutsche! Esst keine Pralinen mehr! In ihnen steckt der Islam.
Sollte es Rückfragen geben, so verweise ich auf den Nachfolger des
Propheten Mohammed,
Abū l-Hasan
ʿAlī
ibn Abī
Tālib
(… * um 600 in Mekka; † 28. Januar 661 in Kufa) oder kurz Ali war der
Vetter und Schwiegersohn des Propheten Mohammed und ist eine zentrale
Figur des Islam. Er war der erste männliche Anhänger Mohammeds und
heiratete dessen Tochter Fatima. Nach dem Tode des Propheten im Jahre
632 war er von 656 bis 661 Kalif. Über die Frage, ob er berechtigt
gewesen wäre, unmittelbar nach dem Tode Mohammeds dessen Nachfolge
anzutreten, entzweiten sich die Muslime: für die Schiiten, deren Name
sich von schīʿat
ʿAlī
([…]
‚Partei
ʿAlīs‘)
ableitet, war
ʿAlī
der rechtmäßige
Nachfolger Mohammeds, die Sunniten dagegen meinen, dass Mohammeds
Schwiegervater Abū
Bakr, der auch tatsächlich
die Nachfolge antrat, größeren
Anspruch darauf hatte. Den Sunniten gilt
ʿAlī
als vierter und letzter Rechtgeleiteter Kalif, den Schiiten und den
Aleviten, deren Name sich ebenfalls von
ʿAlī
ableitet, als erster Imam. Auch
ʿAlīs
Söhne
Hasan und Husain sind zentrale Figuren im schiitischen und alevitischen
Islam. Bis heute genießen
die Aliden, die Nachkommen
ʿAlīs,
hohes Ansehen in den muslimischen Gesellschaften.[32]
Denn in jeder Praline stecken die Silben Ali – wem das nicht klar war,
der hat nicht verstanden, wie subtil der Islam unsere
Schokoladenindustrie unterwandert. Den Negerkuss und den Sarotti-Mohr
haben wir schon geopfert, jetzt noch die Praline – wo soll das
hinführen? Ich weiß es nicht, lebe aber jetzt in Angst.
Und ja: Ich habe gestern definitiv zu viel Schokolade gegessen. Ist
nicht gut für mein Großhirn.
Dein Homo Magi
Heiden ohne Bart?
Hallo Salamander,
endlich habe ich einen Grund, mich nicht mehr zu rasieren – aber leider
führt das bei meinem geringen Bartwuchs zu keinen vorzeigbaren
Ergebnissen. Aber selbst die amerikanische Armee hat jetzt erkannt, dass
es mehr als eine (oder zwei oder drei) Religionen gibt und erlaubt ihren
Soldaten, als Heiden Bart zu tragen:
A bearded US Army soldier who worships Thor, the Norse god of thunder,
is being permitted to keep his beard as part of the military’s effort to
be more religiously accommodating.
In 2017, the Army decided to allow soldiers to wear a turban, beard or
hijab for religious reasons. Initially, religious accommodation of
facial hair in the Army seemed to be directed at Sikh service members
(beards are a religious requirement for male Sikhs).
Now, however, it appears this new policy also permits adherents of the
Norse pagan faith, also known as heathens, to keep their beards. Unlike
Sikhs, Norse pagans are not required to wear beards as part of their
faith, but facial hair is apparently encouraged.
A memo written by commander Colonel Curtis Shroedero to a 795th Military
Police Battalion soldier who reportedly made the request stated, “I
grant your accommodation, subject to the standards and limitations
described below.”
The memo, which has been shared on Facebook but does not include the
soldier's name, went on to say, “In observance of your Heathen; Norse
Pagan faith, you may wear a beard, in accordance with Army uniform and
grooming standards for soldiers with approved religious accommodations.”[33]
In einer Welt, in der Kultur-stiftend in Bayern wieder Kreuze aufgehängt
werden in den Amtsstuben ist dies ein Zeichen dafür, dass zwar viele
verrückt sind, aber nicht alle. Religionsfreiheit kann immer nur für
alle gelten und sie darf nicht dazu führen, dass eine Religion (oder
ihre Symbole) zum Zwang werden.
Was meinen Bartwuchs betrifft: Ich bin kein Anhänger von Thor, von daher
habe ich hier Glück gehabt. Vielleicht sollte ich argumentieren, dass
meine kleine Religionsgruppe tägliches Duschen voraussetzt – aber damit
bin ich manchmal auch Minderheit. Religion wirkt immer nur im Kontext.
Dein Homo Magi
Tod und Verderbnis
Lieber Salamander,
ich muss die Welt nicht verstehen. Manchmal ist es aber einfach kurios,
wie die Welt mich zu erheitern versucht.
Beginnen wir mit einem aktuellen Urteil:
Deutsche Behörden dürfen einen tunesischen Gefährder nach Tunesien
abschieben, obwohl es in dem Land die Todesstrafe gibt. Das hat das
Bundesverfassungsgericht entschieden (2 BvR 632/18). Diesem zufolge
verstößt eine Abschiebung nach Tunesien nicht gegen das Grundgesetz,
weil dort die Todesstrafe seit 1991 ausnahmslos ausgesetzt ist und die
tunesischen Behörden zugesichert haben, sie auch künftig nicht
anzuwenden.
Geklagt hatte ein Mann, der im Jahr 2003 erstmals als Student nach
Deutschland eingereist war und im Jahr 2015 als angeblicher Syrer erneut
unter falschem Namen in die Bundesrepublik kam. Der Mann ist eigentlich
Tunesier. Ihm wird vorgeworfen, im März 2015 als Mitglied des
sogenannten „Islamischen Staats“ (IS) in Tunesien an Planung und
Umsetzung von Terroranschlägen mit zahlreichen Toten beteiligt gewesen
zu sein – unter anderem soll er mitverantwortlich sein für den Anschlag
auf das Bardo-Museum in Tunis, bei dem 21 Touristen getötet wurden.
Deshalb suchte die tunesische Justiz nach ihm. Auch deutsche Behörden
ermittelten gegen ihn wegen des Verdachts der Unterstützung des IS.[34]
Okay, Einreise mit falschem Namen, das dürfte eigentlich für eine
Abschiebung reichen. Dann Planung von Terroranschlägen, die dann
durchgeführt wurden und Todesopfer nach sich zogen. So grausam das ist –
Grund 1, die Einreise mit falschem Namen, sollte doch für eine
Abschiebung ausreichen. Dann wird ein nicht-geklärter zweiter Vorwurf
benutzt, um eine Gefahr zu erklären, die im Heimatland droht. Alles für
mich nicht ganz nachvollziehbar, denn ein Anschlag mit Toten ist für
mich Mord. Aber ich bin da wohl ein wenig unbedarft.
Das ganze wird noch kurioser:
Im August 2016 stellte Tunesien einen Auslieferungsantrag. Der Mann
klagte aber vor dem Verwaltungsgericht dagegen und erlangte zunächst
vorläufigen gerichtlichen Schutz. Daraufhin ordnete das Land Hessen die
Abschiebung auf der Grundlage einer Sondervorschrift für die Abschiebung
von Gefährdern an. Hier gilt ein verkürzter Rechtsweg, eine Klage ist
nur direkt beim Bundesverwaltungsgericht möglich. Dieses wies den
Tunesier jedoch ab. So landete der Fall vor dem
Bundesverfassungsgericht.[35]
Das Land Hessen will in ein Land abschieben, in dem die Todesstrafe
ausgesetzt ist, und wird deswegen verklagt. Werfen wir doch mal einen
Blick in die hessische Verfassung. Dort heißt es in Artikel 21:
(1) Ist jemand einer strafbaren Handlung für schuldig befunden worden,
so können ihm auf Grund der Strafgesetze durch richterliches Urteil die
Freiheit und die bürgerlichen Ehrenrechte entzogen oder beschränkt
werden. Bei besonders schweren Verbrechen kann er zum Tode verurteilt
werden.
(2) Die Strafe richtet sich nach der Schwere der Tat.
(3) Alle Gefangenen sind menschlich zu behandeln.[36]
Wie ich es schon in der Schule gelernt habe: In Hessen gilt weiterhin
die Todesstrafe. Als Exil-Hesse kann ich also nicht in mein
Heimat-Bundesland zurückkehren bzw. dazu gezwungen werden, weil dort die
Todesstrafe herrscht … äh.
Wäre das nicht der Punkt, wo man aufschreibt und endlich eine Kampagne
startet, um dieses total überholte und nicht wirksame Gesetz zu ändern
und endlich im 21. Jahrhundert anzukommen? Nein. Eigentlich dürfte man
mit diesem Ansatz keinen Flüchtling nach Hessen schicken … und Menschen
wie mir im Rahmen eines Hessenschutzprogramms Geld anbieten, weil ich
mein Heimatbundesland unter Gefahr (!) verlassen habe.
Aber immer daran denken: Humor und Flüchtlingsthema … das klappt nicht.
Darf man bei so einer Geschichte nicht über den Balken im eigenen Auge
lachen? Ich denke schon. Und tue es auch.
Dein Homo Magi
Schöne Formulierungen
Hallo Salamander,
ich bin ein Freund von tollen Sätzen. Gerade hat mich das echte Leben
dazu angeregt, mal wieder ein paar Versuche zu starten. Der erste
Versuch betrifft die Frage nach Folterungen bei der Hexenjagd:
Jeder würde mir erzählen, dass das Wahnsinn ist. Schon beim ersten Lesen
fällt einem auf dass hier etwas nicht stimmen kann. Eine
Unverschämtheit, wie hier Bezugsgrößen falsch verwendet werden. Wer
macht denn so etwas? Zum Glück: Keiner. Bei Hexen.
Aber ich gebe zu, ich schreibe das nicht ohne Grund. Es geht aber nicht
um Hexen, es geht um Zugausfälle. Man möge mir den geschmacklosen
Vergleich verzeihen, aber anders wird einem nicht klar, zu was Sprache
hier missbraucht wird. Wie lässt die Bahn verlauten:
Jägerlatein
Lieber Salamander,
vor einigen Tagen saß ich morgens zum Frühstück in einer ländlichen
Pension. Am Nachbartisch sammelte sich die örtliche Gruppe der Jäger –
das konnte man anhand der Kleidung sehen, die geparkten SUVs im Hof
ließen auch Hinweise darauf erkennen. Aber das gebrachte Jägerlatein
erinnerte mich so an die Märchenstunden meiner Kindheit, das ich
fasziniert zuhörte, während ich langsam meinen kälter werdenden Kaffee
schlürfte.
Am ersten Morgen ging es um die schlechten Jagdergebnisse der letzten
Tage. Fazit war, dass es am Abwerfen des Winterfells liegt. Den Tieren
ist ohne Winterfell kalt, deswegen bewegen sie sich hektisch und
springen immer gerne überraschend von A nach B oder rennen in
Wahnsinnsgeschwindigkeit durch den Wald. Zielführende Schüsse sind daher
unmöglich, weil die Tiere frieren.
Am nächsten Morgen ging es dann um die gute Luft. Die Gegend ist
Luftkurort, was viele Touristen anlockt. Ich wurde darauf hingewiesen,
dass es ausgesprochen wichtig sei, sich hier jeden Morgen mit
Sonnencreme einzureiben. Die fehlenden Dreckpartikel in der Luft – die
es in allen großen Städten in Unmengen geben würde, nur hier eben nicht
– sorgen dafür, dass das Sonnenlicht unreflektiert direkt auf meine Haut
knallt. Kein Dreck in der Luft = volle Sonne. Weder das schöne Wetter
noch das damit verbundene längere draußen-sitzen waren schuld, sondern
die saubere Luft in diesem Gebiet.
Wie früher in der Stube meiner Großmutter lehnte ich mich zurück, nickte
ab und an vielsagend und genoss das Jägerlatein wie ein Märchen, das
herüberklingt aus alter Zeit. Mann, war das schön!
Dein Homo Magi
GWUP
Hallo Salamander,
letztes Wochenende war ich auf der SkepCon, der Jahrestagung der GWUP
(Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften
e.V.).[38]
Die meisten Vorträge waren leider eher anstrengend – schlecht
vorbereitet, schlecht gehalten. Gut gemeint, aber schlecht gemacht.
Aber aus den Vorträgen über „Fake News“ konnte ich immerhin einige
Handlungsanweisungen für gute (!) Informationen ziehen, die ich hier
kurz wiederholen will.
Man soll:
·
Falschinformationen nicht wiederholen (sie „brennen sich sonst ein“)
·
Informationen knapp, klar und deutlich präsentieren
·
Was steckt hinter dem Mythos? Also die Frage stellen, wem es nützt („cui
bono“[39]).
·
Freundlich sein
·
„Erzähle eine Geschichte“ (die Zuhörer müssen Spaß beim Zuhören haben –
ein Thema, dem ich mich seit Jahrzehnten stelle).
·
Widerrufene Aussagen sollten „überschrieben“ werden; die neue Erinnerung
muss den Platz der alten einnehmen.
Leider haben das nicht alle Referenten geschafft. Aber daraus habe ich
was gelernt. Hoffe ich.
Dein Homo Magi
„Der arme Tesla“
Lieber Salamander,
manche Dinge sind so eigenartig, dass man sich fragt, warum die Leser
nicht sofort wissen, dass der „Heiler“ auf der anderen Seite die
metaphorischen Kleider des nackten Königs nicht trägt. Oder: Warum man
nicht sofort „Bullshit“ oder „Herr, wirf Hirn vom Himmel“ ruft, wenn man
so etwas liest.
Setzen wir mal Tesla ansatzweise als bekannt voraus:
Nikola Tesla ([…], * 10. Juli 1856 in Smiljan, Kroatische Militärgrenze,
Kaisertum Österreich; † 7. Januar 1943 in New York, USA) war ein
Erfinder, Physiker und Elektroingenieur. Sein Lebenswerk ist geprägt
durch zahlreiche Neuerungen auf dem Gebiet der Elektrotechnik,
insbesondere der elektrischen Energietechnik, wie die Entwicklung des
heute als Zweiphasenwechselstrom bezeichneten Systems zur elektrischen
Energieübertragung. Tesla hat in 26 Ländern über 280 Patente erhalten,
davon 112 in den USA.[40]
Durch einen netten Hinweis von anderer Seite fand ich jetzt (endlich, so
könnte man meinen) den „TESLA PSI-GENERATORS WITH COMPLETE DIGITAL
PHARMACY - THE FRONTIER OF QUANTUM GENETICS“.[41]
Das ist ein Gerät, das man dringend braucht. Natürlich muss man sich
vorher überlegen, wie viele Schichten man braucht – es dauert nämlich
mehr als einen Tag, um eine einzige Schicht herzustellen. Und Super,
Ultra und Ultima haben halt mehr Schichten als das Basic-Angebot. Da
kann es dann schon einmal länger als einen Monat dauern, bis man ein
Ultima hergestellt hat, daher ist eine schnelle Bestellung zwingend:
Models of
TESLA PSI-GENERATORS differ by the size of the chip (the
number of layers). The chip is multilayered and it takes longer than one
day to produce just one layer. Our
SUPER,
ULTRA and
ULTIMATE PSI-GENERATORS has twice as much layers than
our
BASIC TESLA PSI-GENERATOR. Production of our
ULTRA and
ULTIMATE MINI-TESLA PSI-GENERATORS takes about or longer
than one month. There are two generations of chips:
FIRST GENERATION CHIP and
SECOND GENERATION CHIP.[42]
Welch Glück, dass die Entdecker gleich auch das „universal human
biohologram“ alias „digital cell“ entdeckt haben. War mir irgendwie
entgangen, dass es das gibt. Obwohl man da jahrzehntelang nach geforscht
hat.
Heimlich, im „Area 51“ vermute ich. Also:
Generic Human Biohologram, aka DIGITAL CELL, is the result of decades of
research, and is the foundation for our diagnostics procedures.[43]
Klar …
Aber man kann jetzt per Laser auf dem Nano-Niveau (!) sich das
eingravieren lassen – natürlich in den Chip, wohin sonst:
Each model comes in
GENERIC and
INDIVIDUAL version. Generic version has the universal
human biohologram (aka DIGITAL CELL) encoded via laser into the chip on
nano level. And the individualized version has the personal human
biohologram encoded via laser into the chip on nano level.[44]
Bei Nano reden wir von einem Milliardstel, wenn ich mich recht erinnere.
Ein Milliardstel von was? Aber das ist dann wohl egal, weil später sehen
kann ich mein „personal human biohologram“ wahrscheinlich sowieso nicht,
egal wie groß es ist (oder besser: sein soll). Was soll ich auch von
einem individuellen Hologramm halten, dass entweder von einem Kinderfoto
oder von Nabelblut aus erstellt wird:
INDIVIDUAL TESLA PSI-GENERATORS
have individual biohologram of a client in the chip, being encoded via
laser onto the chip on nano level. Individual biohologram is recorded
from your childhood photograph (or navel blood / placenta) via laser,
digitized, diagnosed, and encoded into the chip via laser.[45]
Das erscheint mir jetzt nicht so sinnvoll. Oder andersherum (mit lauter
Stimme): Wie hirnverweicht muss man sein, um diesen Widerspruch nicht zu
erkennen – Kinderfoto oder Nabelblut als zwei Optionen für dasselbe
Ziel?
Aber es ist klar, was die Käufer erwarten:
INDIVIDUAL TESLA PSI-GENERATORS
are produced for the ultimate protection against genetic and
psychotronic warfare.[46]
Die genetischen Kriege war doch immer ein Thema in den alten
„Enterprise“-Folgen … da waren sie aber 1996 zu Ende.[47]
Ist an den Herstellern des Geräts vorbeigegangen … oder an mir. Ist dann
wohl die Folge des „psychotronic warfare“.
Das erste Angebot – 35.000 Euro, Freundschaftspreis – ist schon gaga
genug: Software mit 44 Modulen für jedes Organ etc.:
FIRST GENERATION CHIPS
(inside a pendant) come with the
COMPLETE DIGITAL PHARMACY (in English) as software on a
flash drive with 44 modules for every essential bodily organ and
physiological system.
Market value is 35,000 Euros only one module.[48]
Aber das ist ja nur die erste Generation. Wenn man die zweite Generation
kauft, dann erhält man das Tesla Test-Programm, dazu halb-hörbare
Störgeräusche aus heiligen Mantren.
Wer es nicht glauben mag:
SECOND GENERATION CHIPS
(inside a pendant) come with the
ADVANCED DIGITAL PHARMACY, which consists either in
TESLA TEST software program (abbreviation: TT) for the
REMOTE LASER TREATMENT, or with the
TESLA HUMAN CELL, as 5 MP3 files of the digitized
Bioholograms of the essential bodily organs
and physiological systems encoded as half-audible white noise in the
Sacred Mantras, recorded by the new generation laser.[49]
Nein, ich will das nicht zum Geburtstag. Niemand will das zum
Geburtstag.
Seufz. Durchatmen.
Wir zitieren im Chor Immanuel Kant:
„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten
Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes
ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese
Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes,
sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung
eines anderen zu bedienen. »Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen
Verstandes zu bedienen!« ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“
Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Dein Homo Magi
Eddische Rahmen
Hallo Salamander!
Für die Eröffnungsworte zur diesjährigen Ostara-Feier brauchte ich einen
feierlichen Rahmen. Nach einigem Suchen beschloss ich, einen Text aus
dem „Sigdrifumal“ („Die Lied von Sigrdrifa“) in der Simrock-Version als
Rahmen zu benutzen.[50]
Als Einstand dienten bekanntere Formulierungen, nämlich die aus der „Wöluspa“
(„Der Seherin Gesicht“).[51]
Das ganze Konglomerat habe ich überarbeitet und verschmolzen, dazu die
Anweisungen gekürzt und bearbeitet (auf 9, passt zu den Welten).
Den fertigen Text, so wie vor Ort deklamiert, gebe ich hier stolz
wieder.
Allen Edel‘n gebiet ich Andacht,
Hohen und Nieder‘n von Heimdalls Geschlecht;
ich will Walvaters Wirken künden,
die ältesten Sagen, der ich mich entsinne.
Weiß von Alben, weiland gebor’nen,
die mich vor Zeiten erzogen gehabt.
Neun Welten kenn‘ ich, neun Äste weiß ich,
an dem starken Stamme, im Staube der Welt.
Heil dir Tag, Heil euch Tagessöhnen,
Heil dir Nacht und nährende Erde:
Mit unzorn‘gen Augen schaut auf Uns,
und gebt uns sitzenden Sieg.
Heil euch Asen, Heil euch Asinnen,
Heil dir, fruchtbares Feld!
Wort und Weisheit gewährt uns edel‘n Zwei‘n
und immer heilende Hände!
Das rat‘ ich zuvörderst, gegen Freunde stets
ledig zu leben aller Schuld.
Sei zu Rache nicht rasch, wenn sie dir Unrecht tun,
das sagt man, taugt im Tode.
Das rat‘ ich zum andern, keinen Eid zu schwör‘n,
der sich als wahr nicht bewährt.
Grimmige Fesseln folgen dem Meineid,
unselig ist der Schwurbrecher.
Das rat‘ ich zum dritten, dass du beim Mahl nicht
mit läppischen Leuten rechtest.
Ein unkluger Mann kann oft doch sagen
schlimmere Dinge denn er weiß.
Vier: Viel liegt am Leumund,
drum gib‘ Müh‘ dir im Guten.
Lass stehen den Schwätzer,
so lohne den Leuten die Lüge.
Das rat‘ ich dir fünftens, wo Menschen gesellig
Worte wechseln hin und her,
trunken tad‘le nicht tapfere Herzen,
manchem raubt das Bier den Witz.
Das rat‘ ich zum sechsten, wo du zu schaffen hast
mit beherzten Helden,
mehr frommt fechten als in Feuer aufgeh‘n
mit Hof und Halle.
Das rat‘ ich dir siebtens, nimm dich des Toten an,
wo du im Feld ihn findest,
sei er siechtot oder seetot,
oder am Stahl gestorben.
Das rat‘ ich dir achtens, Unrecht zu meiden
und List und lose Tücke;
wahr bleibe wahr und Lüge bleibt Lüge,
denn Delling erhellet der Dunkelheit Drang.
Zuletzt: Wähle nun, da die Wahl dir geboten,
versammeltes heidnisches Volk.
Sagen oder Schweigen ersinne dir selber;
Jede Reise hat ihren Preis.
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Dein Homo Magi
Delling rulez
Lieber Salamander,
mit dem heidnischen Stammtisch (oder besser: Teilen davon) besuchten wir
die Sonderausstellung „Götter, Glaube und Germanen“ im Museum Kalkriese.[52]
Erst gab es eine kleine Runde über das Gelände, auf dem man die
Varusschlacht erinnert, dann war die Sonderausstellung dran.
Als erstes fiel ich vor Freude fast in Ohnmacht, als auf dem großen
Götterstammbaum Delling sehr prominent zu sehen war. Ein Teil des
Stammtischs beschuldigte mich, nachts eingedrungen zu sein, um ihn
händisch nachzumalen, während ein anderer Teil mich fragte, was ich
dafür gezahlt hätte. Nichts, natürlich. Delling hat diese Macht … und
ich war wirklich überrascht. Vor zehn Jahren wäre das noch undenkbar
gewesen.
Dann leitete man uns durch die Veranstaltung. Die Führerin verwies
ausdrücklich darauf, dass es bei den Mooropfern auch Butteropfer gegeben
habe. Wieder wandte sich der Stammtisch skeptisch in meine Richtung,
aber ich konnte mein „Pokerface“ aufrecht erhalten und versichern, dass
natürlich jedem Heiden mit ein wenig Asatru-Hintergrund klar sein müsse,
dass Butter schon immer und überhaupt …
Nachher musste ich mich dann online schlau machen, weil ich natürlich
vorher noch nie davon gehört hatte. Also:
Moorbutter
ist die Bezeichnung für wachsartige Substanzen, die in Torfmooren
gefunden wurden. Die Mehrheit der Funde hat ihren Ursprung in Milchfett,
bei den anderen handelt es sich um Schlachtfett wie Schmalz. Die
häufigsten und von der Masse größten Funde wurden in Irland und
Schottland gemacht. Eine geringere Zahl, ausschließlich Kleinmengen,
stammt aus Norwegen, den Niederlanden, Schleswig-Holstein, Ostfriesland
und Pommern.
(…)
Warum die Butter im Moor vergraben wurde, ist nicht abschließend
geklärt. Als wahrscheinlichste Variante gilt, dass überschüssige Butter
im Sommer auf diese Weise unter Luftabschluss konserviert wurde.
Möglicherweise handelte es sich dabei auch um eine Art
Geschmacksveredelung. So erwähnte William Petty im 17. Jahrhundert, dass
die Iren „strong butter“, eine ranzige Butter, aßen, die durch Lagerung
im Moor reif gemacht worden war. Auch sein Zeitgenosse, der Dichter
Samuel Butler, berichtete, dass in Irland Butter für sieben Jahre im
Moor vergraben wurde. In Irland wird mehrheitlich die Meinung vertreten,
dass die Gewohnheit eine religiöse Bedeutung hatte. Da Butter in Irland
in Behältern aus Holz, Rinde, Haut und Stoff und Korb gefunden worden
ist, neigt man zu dieser Theorie.[53]
Sowas kann mich nicht erfinden. Oder fälschen. Nicht einmal ich. Delling
rulez.
Dein Homo Magi
Postale Probleme
Lieber Salamander,
für meine Frau sollte ich eine Sendung bei der Post abholen. Sie schrieb
mir eine Vollmacht auf die Karte, ich steckte meinen Ausweis ein und
nichts wie hin zur Post. Naja, so einfach war es nicht, ich musste erst
einen Zeitpunkt finden, wo ich nach der Arbeit ... man kennt das ja mit
Öffnungszeiten und Erreichbarkeit.
Ich erreichte die Filiale zu Öffnungszeiten (!), stellte mich brav an,
gab die Karte ab und erhielt zur Antwort, dass ich diese Sendung nicht
abholen könne. Auf dem Aufkleber von DHL stände eindeutig
„Identitätsnachweis“, und das hieße in den geheimen, internen Hinweisen
der Post, dass man das nicht abholen lassen kann. Also trollte ich mich
fünf Meter weit und las in aller Ruhe die Karte. Dann stellte ich mich
erneut an. Mein Gegenüber war leicht nervös. Ich erklärte mich: Auf der
Hinweiskarte steht nämlich nur, dass man die Sachen nicht abholen lassen
kann, wenn „Identitäts-Check“ vermerkt ist. War es aber nicht, sondern
nur „Identitätsnachweis“. Das sei dasselbe, meinte der Mitarbeiter. Ich
verneinte. Er verwies mich an seinen Chef.
Dieser versuchte erst erfolglos, sich hinter Regalen zu verstecken (kein
Witz), dann bearbeitete er mein Anliegen. Ich bat einfach um die
Allgemeinen Geschäftsbedingungen, was totale Hektik auslöste. Nach
einigen Minuten bekam ich ein Exemplar. Ich setzte mich an den Lesetisch
und las.
Erneutes Anstellen ergab dann, dass sich der Mitarbeiter vom ersten
Gespräch so positionierte (lies: verbarg), dass zwingend sein Chef mein
Anliegen bearbeitete. Ich teilte mit, dass das die AGB von DHL sei, aber
das hier sei doch eine Postfiliale, nicht DHL, wo sei denn ihre AGB?
Völliges Chaos. Das ist nicht die Post, wie ich erfuhr, das Namensschild
mit „Postbank“ sei nur ein Name, keine echte Firma und das Suchen der
AGB würde dauern. Und dauerte. Und dauerte. Dann bekam ich einen Ordner,
den ich einsehen durfte (!), der aber keine ladungsfähige Adresse und
keinen Hinweis darauf erhielt, wie man die Abkürzungen zuzuordnen habe
oder warum DHL hier seine Post lagert. Ich freue mich schon darauf,
einen Brief wegen der Datenschutzgrundverordnung zu schreiben. Aber
nicht mehr heute.
Also stellte ich mich wieder an, den Ordner in der Hand. Beide Männer
hatten inzwischen eine junge Mitarbeiterin nach vorne geschickt und
verbargen sich hinter Kartons. Ich sagte zu der jungen Dame, dass ich
mit den beiden Herren sprechen wolle. Zögernd kamen diese nach vorne.
Ich bedankte mich und fragte höflich (und laut), ob ich mich nett und
lieb verhalten hätte oder ob es irgendeinen Grund gäbe, mich zu
entschuldigen. Beide verneinten das murmelnd. Damit war auch die
Heldengeschichte über den randalierenden Kunden gestorben, welche sie
sicherlich der jungen Dame erzählt hatten.
Okay, das Paket habe ich nicht bekommen. Aber ich habe 30 Minuten meine
bürgerlichen Rechte ausgelegt. Muss auch mal sein.
Dein Homo Magi
Ge(Arndt)
Hallo Salamander,
auf dem Flohmarkt habe ich mir für kleines Geld „Gedichte“ von Ernst
Moritz Arndt gekauft. Im Gedächtnis war er mir für Werke wie das
„Vaterlandslied“ („Der Gott, der Eisen wachsen ließ, / Der wollte keine
Knechte“) und „Des Deutschen Vaterland“ („Was ist des Deutschen
Vaterland? / Ist’s Preußenland, ist’s Schwabenland“). Sprachlich immer
stark, politisch nicht mein Ding. Aber für einen Flohmarktkauf ein
echtes Schnäppchen.
Wer war der Mann? Wikipedia hilft:
Ernst Moritz Arndt (* 26. Dezember 1769 in Groß Schoritz, Rügen; † 29.
Januar 1860 in Bonn) war ein deutscher Schriftsteller, Historiker,
Freiheitskämpfer und Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung.
Er widmete sich hauptsächlich der Mobilisierung gegen die Besetzung
Deutschlands durch Napoleon. Er gilt als einer der bedeutendsten Lyriker
der Epoche der Befreiungskriege und wird sehr unterschiedlich beurteilt:
Einige betonen seine demokratischen Gedanken und sehen ihn als deutschen
Patrioten in turbulenten Zeiten, andere wiederum charakterisieren ihn
als Nationalisten und thematisieren vorhandene antisemitische Tendenzen
in seinen Schriften.[54]
Also war meine Erinnerung richtig. Aber dann gab es auch Stücke, die mir
sehr heidnisch erscheinen:
Männerglück
Was ist herrlichster Klang? Ist’s droben
Auf des Donnerers Stühlen sitzen
Und, von wolkiger Nacht umwoben,
Rings aus rollen Wetter blitzen?
Den Donnerer kann ich doch nur als Thor lesen.
Und dann das:
Chorgebet
Herrscher der Dinge,
Selige Götter,
Deutet der Menschen
Klügeln euch je?
Feuriger Schwinge
Fähret das Wetter
Schmetternd zur Erde,
Stiftend das Weh.
Und von dem Tage
Fliehet der Schimmer,
Und von den Nächten
Fliehet der Schlaf:
Denn von dem Schlage
Hebet sich nimmer,
Wen es mit Blitzen
Schrecklicher traf.
Bringet ihr wieder
Freundliche Sonnen,
Wandelt das Glück auch
Lustig darein,
Locken uns Lieder,
Reizen uns Wonnen,
Blühet das Leben
Lieblich im Schein,
Und von den Blitzen
Und von dem Wehe
Rollender Wolken
Klingt es nicht mehr;
Leuchtenden Sitzen
Himmlischer Höhe
Gleicht sich in Wonne
Irdisches Heer.
Selige Götter,
Richtet mit Gnade,
Richtet der Menschen
Flüchtig Geschlecht –
Geht ihr im Wetter
Donnernde Pfade,
Träufelt ihr Segen,
Eu‘r ist das Recht.
Denn was im Staube
Wechselt und wandelt,
Fliehet wie Sand im
Winde dahin,
Und gleich dem Laube,
Welches verwehet,
Wechselt der Menschen
Schicksal und Sinn.
Darum bescheiden
Sollen sie treten
Unter des Himmels
Leuchtendem Saal,
Blühend in Freuden
Sollen sie beten,
Dass sie nicht treffe
Fressender Stahl.
's wechselt die Welle
Unten nach oben,
Spielet den Schwimmer
Auf und hinab:
Heut ist sie helle,
Heut ist er oben,
Morgen sie reißt ihn
Brausend ins Grab.[55]
Wow. Nachmittag gerettet.
Dein Homo Magi
Von Hand gezöpfelt
Lieber Salamander,
kürzlich erstand ich eine Packung Zigarren der Marke „Original
Krumme-Junior“. Jetzt dachte ich immer, der Name „Krumme Junior“ bezöge
sich auf die eigenartige Form der drei verbundenen Zigarren. Und
natürlich glaubte ich, dass der schöne Satz auf der Seite „Von Hand
gezöpfelt“ darauf schließen lässt, dass es sich um eine überlebende
Ostmarke handelt. Doch obwohl ich auf dem Gebiet der ehemaligen DDR
stand, als ich den Einkauf tätigte, war meine Vorerwartung völlig
falsch.
Man findet online den Hersteller. Es sind … Schweizer.[56]
Auf der Seite gibt es auch eine Beschreibung der genannten Zigarre:
Die VILLIGER ORIGINAL-KRUMME wird aus drei noch feuchten Cigarren von
Hand gezöpfelt. Durch die Kurven in der Cigarre kühlt die Luft ab und
das Tabakaroma kann sich optimal entfalten.
Wie ihre Schwester wird die VILLIGER ORIGINAL-KRUMME JUNIOR auf
traditionelle kubanische Weise geflochten und bietet den gleichen
außergewöhnlichen Geschmack. Diese Cigarre unterscheidet sich durch
ihren milderen Geschmack und mit einer etwas dünneren und kürzeren Form
ist sie ideal für den etwas kürzeren Genuss.[57]
Von Hand gezöpfelt. Über 25 Jahre nach der Wiedervereinigung glaube ich
immer noch ab und an, dass alle unverständlichen, deutsch klingenden
Worte ostdeutsch sind. Es waren die Schweizer. Mist.
Dein Homo Magi
Elternhaus
Hallo Salamander,
meine Mutter hat unser Elternhaus geräumt. Irgendwann kommt einfach der
Zeitpunkt, wo man als ältere Dame nicht mehr auf vier Stockwerken wohnen
sollte. Wenn man dann fällt und keiner findet einen … gruselige
Vorstellung. Also wohnt mea mater
jetzt auf einem Stockwerk in einer eigentlich ganz netten Wohnung.
Aber leider hat die letzte Räumaktion in meinem Elternaus vor über 50
Jahren stattgefunden. Das Haus ist 52 Jahre alt, und wahrscheinlich hat
man damals schon angefangen, alles zu verstauen, um es dann nie wieder
in die Hand zu nehmen. Jetzt, wo meine Mutter ausziehen musste, war
wahrscheinlich niemand insgeheim ärgerlicher als sie, dass sie noch
lebte – den das führte dazu, dass die potentiellen Erben nicht alles
ausräumen musste, sondern sie selbst gezwungen war, Gegenstände zu
identifizieren.
Das Aufräumen von Nachlässen gleicht doch sonst oft archäologischen
Abenteuern. Keiner weiß, was Gegenstand X in Wirklichkeit ist. Ein
elektronisches Hilfsmittel zum Entkernen von Pflaumen? Das Steuerelement
einer Reichsflugscheibe? Ein Föhn mit einem Adapter für Strom in
Großbritannien? Keiner weiß es genau, so wie auch keiner weiß (oder
wissen will) welche Frucht eingekocht, dann mit einem unlesbaren, im
Original in violett und Sütterlin verzierten Aufkleber markiert und dann
luftdicht verschlossen worden ist. Wer das Siegel der Konfitüre
zerbricht, der soll kennenlernen die Plagen des Alten Israel – und die
unfassbare Marillenkonfitüre von Tante Barbara aus Bad Ischl.
Meine Mutter wäre sicherlich bereit der Theorie zu glauben, dass Kobolde
aus Dimension Nummer 12 Dinge in ihren Schränken versteckt oder gelagert
haben, die jetzt erst an das Tageslicht kommen. Anders ist nicht zu
erklären, was sie in einer eigenen WhattsApp-Gruppe feilbot. Ich bin aus
der Gruppe irgendwann mal ausgestiegen, weil ich es nicht länger
ertragen habe, diesem Flohmarkt der Gefühle zu folgen. Aber bis dahin
hatte ich – abgesehen von der Wegbeschreibung zum verschollenen
Bernsteinzimmer, die ich nicht wiedergefunden habe – Berge von Krempel
„erstanden“, der jetzt meine Wohnung füllt.
Nein, ich habe mir aus Gründen der zwingenden Mentalhygiene vorgenommen,
nur Dinge anzunehmen, wenn ich in gleichen Rahmen dafür Platz schaffe.
Also habe ich 90% der „Erwerbungen“ nur einmal durch die Wohnung bewegt.
Da diese im 2. Stock, die Lager- und Versandabteilung aber im Keller
liegt, habe ich trotzdem jeden Gegenstand noch mindestens 38 Mal in der
Hand gehabt, bevor er wieder seiner Wege zieht. Aber die körperliche
Arbeit hat geholfen, den Schmerz zu bekämpfen, den der Verlust des
Elternhauses unwiederbringlich auslöst. Ein kleiner Tod des Herzens, ein
kleiner Tod der Erinnerung, ein kleiner Tod der Reste der Kindheit.
So ist das Leben.
Dein Homo Magi
Düsselmensch
Hallo Salamander!
Gerade habe ich das wundervoll zu lesende „Die Ordnung des Himmels“ von
Bernhard Maier hinter mich gebracht.[58]
Ein schönes Buch, das die Geschichte der Religion von der Steinzeit bis
in die Gegenwart in angenehm zu lesenden Kapitel beschreibt. Eine
Empfehlung für Sommerabende.
In dem Buch fand ich folgenden schönen Absatz:
„Die Auswirkungen des Pietismus und der Erweckungsbewegung gingen
langfristig weit über den Kreis ihrer unmittelbaren Anhänger hinaus. Ein
charakteristisches Beispiel dafür ist der reformiert-pietistische
Liederdichter Joachim Neander (1650-1680), dessen Choral
Lobe den Herren, den mächtigen
König der Ehren, von Johann Sebastian Bach vertont und von Bertold
Brecht parodiert, heute sowohl im
Evangelischen Gesangbuch als auch im katholischen
Gotteslob zu finden ist.
Neander liebte das Düsseltal bei Düsseldorf, in dem er Gottesdienste
hielt und Lieder dichtete, weshalb es im neunzehnten Jahrhundert nach
ihm benannt wurde.“[59]
1856 fand man in diesem Tal die Reste eines Frühmenschen. Wenige Jahre
später wurde diese Frühmenschenart nach ihrem Fundort benannt:
Wie sich nach späteren Forschungen herausstellte, lebten die
Neandertaler im Pleistozän vor circa 130.000 bis 30.000 Jahren. Die
Skelettfragmente aus dem Neandertal sind nach neuesten Bestimmungen
42.000 Jahre alt, gehören demnach zu den jüngsten Spuren des
Neandertalers in Mitteleuropa. Diese Spezies wurde 1863/64 von dem
britischen Geologen William King nach dem Fundort als Homo
neanderthalensis benannt und als Neandertaler weit später ein
weltweiter Begriff. (…) Bereits um 1900 war die Lage der Fundstelle und
damit der aus der Höhle heraus geschaufelten Sedimente nicht mehr
bekannt. Während der Fund ab dem 19. Jahrhundert Weltruhm erlangte,
versank das Neandertal im Schutt der wachsenden Steinbrüche.
Heute ist nicht mehr nachvollziehbar, warum kaum jemand weitere
Grabungen und Forschungen angestellt hat, obwohl im Schutt noch weitere
Funde zu vermuten waren. Auch die erst 1890 als letzte große Höhle des
Gesteins gesprengte Neanderhöhle wurde nie eingehend untersucht.
Vermutlich wurden 1895 von dem Düsseldorfer Archäologen Oscar Rautert in
einer bereits zerstörten Höhle am nördlichen Düsselufer Skelettreste
eines weiteren Neandertalers entdeckt, aber auch hier fand keine
eingehende Untersuchung statt. Dieser Fund gilt seit dem Zweiten
Weltkrieg als verschollen.[60]
Die weitere Geschichte des Fundes, wie sie eben geschildert wurde, ist
schlimm. Ich will mich nicht über die Missachtung der Forschung
aufregen, oder über den Umgang mit Gebeinen, sondern einfach kurz in die
Runde werfen, dass ohne den christlichen Liederdichter Neander das Tal
weiterhin Düssel hieße, der Urmensch damit Homo Düsseldorfis oder so.
Das ist nicht so schlimm – einige meiner Freunde sind Düsseldorfer. Da
würde das passen.
Aber die Vorstellung, wie Neanderthaler um das Feuer herumsitzen,
Marschmelonen[61]
an langen Holzspießen braten und dabei „Lobe den Herren, den mächtigen
König der Ehren“ singen, das hat schon was.
Dein Homo Magi
Konsumentenbund
Lieber Salamander,
vor einigen Monaten habe ich auf einer Veranstaltung der GWUP[62]
ein Infoblatt „Marktwächter Esoterik“ eingesteckt. Eigentlich habe ich
es nur mitgenommen, weil das Einhorn auf dem Titelbild einen
Baseballschläger trägt. Mal was Neues, dachte ich bei mir.
Als GWUP-Mitglied war ich besonders neugierig, weil der Herausgeber
„Deutscher Konsumentenbund e.V.“ im Briefkasten der GWUP wohnt. Ich las
das Flugblatt – und war völlig verwirrt. Da stand zum Thema GWUP und der
Zusammenarbeit beider Organisationen:
Gemeinsam mit unseren Partnern von der GWUP beraten wir Verbraucherinnen
und Verbraucher insbesondere zur Frage, welche Rechte Verbraucher haben,
die auf
Dann verschwindet der Text, offensichtlich von einer schlecht
platzierten Grafik gefressen. Ich schrieb den Konsumentenbund per Brief
an und schlug ein paar Varianten für den Text vor:
Gemeinsam mit unseren Partnern von der GWUP beraten wir Verbraucherinnen
und Verbraucher insbesondere zur Frage, welche Rechte Verbraucher haben,
die auf …
… Island wohnen.
… Einhorn-Heilung erpicht sind.
… gar keinen Fall Recht haben.
Gleichzeitig bat ich um eine sinnstiftende Antwort. Nach vier Wochen
schickte ich das Schreiben erneut, dieses Mal als Einschreiben. Nach
weiteren acht Wochen ohne Reaktion bin ich aus der Partnerorganisation
GWUP ausgetreten. Beim Konsumentenbund war ich nie Mitglied, weswegen
ich nicht austreten muss. Zum Glück.
Ganz ehrlich: Was helfen skeptisches Nachdenken und ein guter Ansatz,
wenn man vorher weiß, was richtig ist (das ist der Feind des
Skeptizismus), wenn man klare Feinde hat (hier: die Esoterik), die man
mit allen Mitteln abschaffen will.
Dafür ist mir mein Geld nicht zu schade. Und wer es nicht einmal
schafft, einem auf ein Flugblatt antwortenden Interessenten innerhalb
von drei Monaten ein paar Zeilen zu widmen … der braucht mein Geld
augenscheinlich nicht. Und die Partnerorganisation auch nicht – die GWUP
hat dann noch versucht, mich mit netten Diskussionen als Mitglied zu
halten. Entschuldigung, da war diese Geschichte nur der letzte Tropfen
in einen Becher voller Tränen der Verärgerung.
Dein Homo Magi
Strahlenmafia
Lieber Salamander,
obwohl ich den täglichen Irrsinn fast gewöhnt bin, gibt es doch Artikel,
die mich besonders berühren. So war es mit jenem hier, der auch in der
Tagespresse erschien:
Aus Wut auf die sogenannte Strahlenmafia hat ein Mann (…) nach eigener
Aussage wahllos eine Fußgängerin überfahren. Seit 20 Jahren werde er
nachts von ihm unbekannten Menschen bestrahlt, sagte der Mann als
Angeklagter im Mordprozess (…) aus. Nach Jahrzehnten dieser Qual mit
Schlaflosigkeit und Herzrasen hätten die Ärzte dann im Februar 2017 als
Folge Darmkrebs festgestellt. „Man hat das Recht sich zu wehren“, sagte
der 57-jährige (…) am Montag.
Auf der Suche nach einem Opfer habe er vor dem tödlichen Crash eine
Gruppe mit Kindern an einer Bushaltestelle verschont und auch zwei
Jogger bewusst nicht angefahren, sagte er über jenen Tag im Dezember
2017 aus. Für ihn sei klar gewesen, dass er nur einen Menschen einer
bestimmten Altersgruppe töten wollte.[63]
Ich hatte den Begriff „Strahlenmafia“ noch nie gehört und hielt ihn für
eine irre Erfindung des Mörders. Doch das Internet belehrte mich eines
Besseren:
Im Zigarettenrauch befinden sich ca. 250 giftige und über 50
krebserregende Stoffe (…). Zum Süchtigmachen werden 600 weitere
Zusatzstoffe beigefügt. Die hochfrequente Strahlung der Strahlenmafia
öffnet die Hirn-Blutschranke, damit diese und andere Gifte bewusst oder
unbewusst dem Körper zugeführt werden, und auch ungehindert ins Hirn
gelangen. Das Geniale dabei ist, dass die Menschen in Folge früher
sterben, aber schon zu verblödet sind, um es noch wahrzunehmen. Deswegen
wird es zu einer Explosion der Alzheimer- und Demenzkranken kommen.
Nach unseren Berechnungen werden in den nächsten 30 Jahren mehr Menschen
frühzeitig durch die Folgen von hochfrequenter, flächendeckender
Mikrowellen-Zwangsbestrahlung sterben, als beispielsweise unter den
Nazis zu ihrer Blütezeit. Das Genialste dabei ist, dass der
Strahlenmafia nichts nachzuweisen ist. Das ganze Langzeitprojekt läuft
sanft und unblutig ab. Irgendwann im Laufe des Lebens beginnt durch den
permanenten Zellstress der Dauerbestrahlung die Zellentartung, deren
Entstehung dann alibimässig der Genetik oder anderen Umweltgiften
zugeschrieben wird. Um die demografischen Probleme dieser Gesellschaft
zu lösen, müssen die Menschen offensichtlich früher sterben. Gibt es
eine bessere Lösung, als flächendeckende Zwangsbestrahlung durch
Mikrowellen? Die Handys der neueren Generation (und auch die Tabletts)
wurden durch stetig sich aktualisierende Apps zu Dauerstrahlern
modifiziert, was den Zellstress noch viel massiver verstärkt. Durch die
vermeintlich notwendige Dauerversorgung müssen auch die Aussenantennen
weiter aufgerüstet und vermehrt werden. Durch die Zwangsinstallation der
neuen Heizkosten- und Wasserzähler auf der Basis von
Mikrowellentechnologie findet die Zwangsbestrahlung ihren Weg direkt in
den eigenen Wohn- und Schlafbereich. Ein gigantisches
Euthanasie-Programm, das seinesgleichen in der Weltgeschichte sucht![64]
Oder:
Das Video zeigt, wie man sich vor hochfrequenter Mikrowellenstrahlung,
wie sie bei WLAN, DECT, Mobilfunk etc., also sämtlichen Methoden der
flächendeckenden Zwangsbestrahlung, eingesetzt wird, mit einem feuchten
Tuch günstig schützen kann. Diese Methode eignet sich bei schwacher bis
mittlerer Zwangsbestrahlung. Bei naher Aussenantenne ist diese Methode
als alleinige Strategie ungenügend! (…) Die flächendeckende
Zwangsbestrahlung durch hochfrequente Mikrowellen zur Bekämpfung der
Überbevölkerung feiert schon grosse Erfolge, auch wenn man dies nicht
direkt wahrnimmt! Sorgen Sie dafür, dass Ihr Kind oder Sie selber nicht
in der Krebsstatistik landen! Verbannen Sie sämtliche
Mikrowellenschleudern aus Ihrem Haushalt und Ihrem Leben! Entziehen Sie
der Strahlenmafia und deren Koalitionspartnerin, der Pharmamafia ihre
Existenzgrundlage![65]
Äh, ja, es ist ein feuchtes Handtuch, das vor der Strahlenmafia schützt.
Und wenn das nicht hilft, dann fährt man aus Wut Unbeteiligte tot –
keine Kinder, sondern potentielle Täter einer speziellen Altersgruppe,
die kein Handtuch um den Kopf haben.
Wie soll man so jemand noch re-sozialisieren? Wie will man den
Hinterbliebenen Trost zusprechen? Es mangelt an der Aufklärung, an
Bildung, an Vernunft. Überall, doch besonders hinter nassen Handtüchern.
Dein Homo Magi
Thorshammer
Hallo Salamander,
da bin ich wirklich auf einem Mittelaltermarkt einem einäugigen Händler
begegnet, der als Schmied arbeitet. Einem Tschechen, wenn ich ihn
richtig verstanden habe. Aber bei ihm habe ich einen Thorshammer
gekauft. Das erschien mir das erste Mal in über 20 Jahren „richtig“,
dort als Käufer tätig zu werden.
Es war schon eigenartig, das eine (rechte) Auge war vom grauen Star
überschattet, und es schien einen trotzdem anzuschauen. Aber das andere
(linke) Auge fixierte einen ebenso. Eine eigenartige Situation, die ich
aber keinen Moment als ungewöhnlich oder störend empfand. Also habe ich
gekauft.
Für über 20 Jahre Warten ein tatsächlich Erfolg bringendes Ergebnis.
Dein Homo Magi
Mein Körper und ich
Hallo Salamander,
zwischendurch meinte mein weiser Rheumatologe, wir könnten doch mal
versuchen meine Medikamentierung abzusetzen. Nur, um mal
herauszubekommen, was ohne Grundversorgung an Medikamenten „darunter“
sitzt, was sich also in meinem Körper an Entzündungen herumtreibt, wenn
man die Medikamente mal aussetzt. Ich gebe zu: Es gab Phasen in den
nächsten Wochen, in denen ich lieber meinen Rheumatologen auf dem
Urarora-Atoll ausgesetzt hätte, denn weiterhin meine Medikamente
auszusetzen.
Ein paar erläuternde Worte: Normalerweise nehme ich alle 28 Tage eine
Spritze und erzeuge so ein „Depot“ in meinem Körper. Wo sich dieses
Depot befindet und wer das Lager verwaltet, das wären Themen höherer
Mystik. Dieses Mal habe ich die vorgesehenen 28 Tage abgewartet und
weitere 71 Tage überstanden. Dann beschloss ich für mich, dass es jetzt
doch ganz clever wäre, die Medikamentierung wieder anzufangen.
Ich weiß jetzt, was „unter“ der dünnen Decke der modernen Medizin als
Schmerzen in meinem Körper sitzt. Man kann das überleben, ja, kann man.
Ich würde es keinem empfehlen, der nicht Ahnung und Erfahrung im Umgang
mit Schmerzen hat (nein, das ist jetzt weder ein „fishing for
compliments“ noch ein Versuch, mich im Nachhinein zum stahlharten Helden
zu machen). Mein Arzt hat inzwischen begriffen, dass ich normalerweise
auf der von der Pharmaindustrie für Abfragen vorgesehenen Schmerzskala
von 0-10 immer „nur“ die 5 oder die 6 ankreuze. Meine Begründung ist,
dass ich weiß, was die 9 ist. Über die 10 möchte ich nicht nachdenken,
das kann ich mir nicht vorstellen.
Weiterhin glaube ich, dass ich damals (30 Jahre her) gestorben wäre,
wenn ich nicht clever ein paar energetische Leitungen im Körper umgelegt
hätte. Für Krankheitsverlauf und Alter geht es mir verdammt gut. Ich bin
da jeden Morgen dankbar für, ehrlich. Aber neben den Mächten, die mir
damals geholfen habe, preise ich ab und an die moderne Pharmaindustrie,
die mir dabei hilft, das zu (er)tragen. Nicht alles ist schlecht, was
die Moderne bringt.
Dein Homo Magi
Tod in Ekstase
Hallo Salamander!
Da habe ich auf dem Grabbeltisch für 50 Cent „Tod in Ekstase“ von Ngaio
Marsh erworben, weil mit das Cover (zwei ringbewehrte Hände, die einen
Ring umschließen) hoffen ließen, hier einen okkulten Knaller zu finden.
So war es auch.
Überall an den Wänden waren die Zeichen des Tierkreises angebracht, und
in den Seitenschiffen standen hin und wieder äußerst bemerkenswert
moderne Skulpturen. Sie waren in der Anlage alle abstrakt gehalten: aber
man konnte in ihren gleitenden Konturen doch die Formen von Tieren und
Vögeln erkennen – einen Löwen, einen Stier, eine Schlange, eine Katze
und einen Phönix. Seite an Seite mit ihnen boten sich eine ganze Anzahl
anderer Figuren dar, von denen Nigel annahm, es müsse sich um die
robusten Gottheiten der nordischen Sage handeln. Die Götter trugen Helme
und Bärte, die Göttinnen Helme und Stiefel. Alle miteinander sahen aus,
als habe Epstein sie begonnen und ein wahnsinniger Maurer sie beendet.
In der am nächsten stehenden dieser Figuren glaubte Nigel Odin
wiederzuerkennen. Der Gott war in einen eckigen Mantel gehüllt, unter
dessen Falten zwei verzweifelte Vierbeiner hervorsahen, die offenbar
Geri und Freki vorstellen sollten; daneben spähten hinter einem Paar
Beine, die deutlich an fortgeschrittener Elefantiasis litten, zwei
tieftraurige Vögel zu Nigel herüber, vermutlich Hugin und Munin.[66]
Die Handlung ist gut, ein netter Krimi um einen Kult. Ab und an wird es
dann ungewollt komisch, wenn es zu Dialogen wie dem Folgenden kommt:
„Was kann Miss Quayne denn so Schlimmes verbrochen haben?“
„Sie trachtete nach dem Verlöbnis Odins!“[67]
Großartiger Lesestoff. Das Original stammt von 1936 (!) und ist heute
noch lesbar. Eine Empfehlung – „Sie trachtete nach dem Verlöbnis Odins!“
sollte Grund genug sein.
Ein paar Worte noch zur Verfasserin:
Edith Ngaio Marsh DBE (* 23. April 1895 in Merivale, Christchurch; † 18.
Februar 1982 in Christchurch, Neuseeland) war eine neuseeländische
Schriftstellerin, Schauspielerin und Theaterregisseurin.
Marsh gilt als eine der bedeutenderen Verfasserinnen der klassischen
Detektivgeschichten, wie sie vor allem von britischen Autoren in der
Zeit zwischen den beiden Weltkriegen verfasst wurden. Marsh schrieb
zwischen 1934 und 1982 32 Detektivromane. Viele davon spielen im
Theatermilieu, häufig drehen sie sich um Shakespeare’sche Dramen.
Serienheld von Ngaio Marsh ist Roderick Alleyn, wie der Prototyp vieler
englischer Autoren von adeliger Abstammung, zugleich aber Inspektor bei
Scotland Yard. Die Mystery Writers of America (MWA) nominierten Marsh
zwei Mal für den Edgar Allan Poe Award. 1978 erhielt Marsh die höchste
Auszeichnung der MWA, den Grand Master Award für ihre Leistung für die
Kriminalliteratur.[68]
Ich habe mir gleich noch einen Band bestellt … muss sein.
Alles Gute und viel Spaß beim Lesen,
Dein Homo Magi
Delling – mal wieder
Hallo Salamander!
Da lese ich ungewarnt „Die geistige Welt der Germanen“ von Jan de Vries
(Darmstadt, 1964), um meine nordische Grundbildung aufzufrischen.
Erst nach einigen Suchen stellt man fest, dass das Buch (3. Auflage)
vorher in Halle an der Saale erschienen war – 1943. Das ist aber
sprachlich frei von klaren faschistischen Wendungen und inhaltlich ist
es so interessant, dass ich es mit kleineren Pausen komplett
durchgelesen habe.
Und – was findet der treue Delling-Anhänger dort:
Der norwegische Bauer, der im Frühling den ersten Sonnenstrahl
beobachtet, der seine Haut streifen wird, und dann ein Stückchen Butter
auf den Dachrand legt, den die zum ersten Male wieder über die Berge
heraufsteigende Sonne mit ihrer Wärme anstrahlen wird; er kennt die
Sehnsucht, die in der Dunkelheit der langen Wintermonate sich in seinem
Herzen eingenistet hat. Ein solches Verlangen ist eine stete Beunruhig,
niemals ein zufriedenes Verweilen bei dem Augenblick, der von Lust und
Glück gesättigt ist; es ist aber auch eine Bereitschaft zum Aufbruch und
zur Wanderung.
Ein weiterer Hinweis auf das Butter-Opfer! Und Butter ist dem Delling
heil(ig). Wie alle wissen, die sich damit beschäftigen …
Bravo!
Dein Homo Magi
Bändiger der übernatürlichen Kräfte
Hallo Salamander,
auch wenn man zu Jan de Vries geteilter Meinung sein kann, die Sprache,
die er in „Die geistige Welt der Germanen“ verwendet, schlägt einen
heute noch in den Bann.
Nehmen wir nur den Komplex Magie & Religion, an dem schon andere
gescheitert sind. Was schreibt de Vries:
Der Unterscheid zwischen Religion und Magie wird in diesem Fall nicht
durch die Art des Gegenstandes oder die Größe der ihm innewohnenden
Kraft bestimmt, sondern nur durch die Haltung der Menschen ihm
gegenüber; glaubt der Mensch an eine göttliche Macht, so müssen wir von
Religion, denkt er nur an eine gewisse Zauberkraft, so müssen wir von
Magie reden. Rein praktisch betrachtet braucht das nicht viel
Unterschied zu machen: es kommt nur darauf an, welche Kräfte der
Gegenstand in der Lage ist auszustrahlen. Glaubt der Mensch an eine
wirkliche göttliche Macht, so wird ihm mit viel mehr Ergriffenheit, ja
mit einer ganz anderen Gesinnung gegenüberstehen, als wenn er nur an
eine rein magische Wirkung glaubt. In diesem letzten Fall wird er über
die Zauberkraft des Gegenstandes nach eigenem Ermessen verfügen. Er kann
durch bestimmte Manipulationen diese Kraft zwingen und wirksam machen;
der Magiker ist ein Bändiger der übernatürlichen Kräfte, in dem echten
Sinne des Wortes ein Zauberer. Dagegen wird der Gläubige einer Stätte,
wo eine Gottheit haust, mit Ehrfurcht nähertreten und nur durch
Verehrung das erwünschte Heil zu bekommen hoffen.[69]
Wenig später heißt es:
Religion und Magie stehen immer nebeneinander. Es ist nicht so, dass die
eine sich aus der anderen „entwickelt“ hat. Man könnte sogar behaupten:
wo ein Glaube fehlt, ist auch die Magie unmöglich. Nur sind ihre Wege,
um zu ihrem Ziel zu gelangen, ganz andere als die der Religion. Bei
einer magischen Handlung herrscht immer ein Kräftefeld vor, in dem der
Zauberer zu einem magischen Objekt in Beziehung tritt, um dessen Potenz
auf einen bestimmten Zweck zu richten. Es hängt von der Macht des
magischen Menschen ab, ob er sein Ziel erreichen wird und mithin das
Kräftefeld in einem von ihm gewünschten Sinne polarisieren kann. Bei
einer religiösen Handlung steht nicht der Magiker, sondern die Gottheit
im Zentrum des Kraftfeldes (…).[70]
Immer noch gut zu lesen … ein wenig überraschend, wenn man weiß, dass
das Buch eigentlich von 1943 stammt …[71]
Dein Homo Magi
Unfassbare Momente
Lieber Salamander,
es gibt Momente, die kann man nur schwer beschreiben, die muss man
erlebt haben. Ich versuche trotzdem ein paar Worte dazu zu verlieren.
Hätte mir jemand vor 1989 gesagt, dass ich einmal in Berlin in einem
heidnischen Ritual auf einem öffentlichen Platz, nämlich in einem Park,
stehen würde, dann hätte ich das nicht geglaubt. Jetzt, fast 30 Jahre
später, haben wir das (wieder) gemacht, wie schon letztes Jahr. Im
Rahmen der „Langen Nacht der Religionen“ durften wir als Verein eine
Programmschiene bedienen. Der Abschluss war das gemeinsame Ritual.
Öffentlicher Raum heißt auch immer Öffentlichkeit. Als wir uns dann in
der beginnenden Dunkelheit mit Kerzen im Kreis aufstellten, näherten
sich auch neugierige Menschen. Wie sich später herausstellte, handelte
es sich um die sonst den Platz besetzende Öffentlichkeit, die aber trotz
unserer netten Worte nicht teilnehmen wollte. Sie lästerten erst. Durch
die Schwierigkeiten beim Aussprechen schwieriger Worte (wie „Scheiendolloschieh“)
wurde mir klar, dass hier nicht eine erbliche Sprechproblematik, sondern
extensiver Alkoholkonsum eine Rolle spielt. Nachdem wir also erklärt
hatten, dass wir keine Zeugen Jehovas seien, pöbelten sie weiter herum.
Das wurde dann richtig unterhaltsam – zumindest für mich. Andere haben
gesehen, wie zumindest einer den Arm zum Hitlergruß erhoben und dann
vertrieben wurde. Das habe ich nicht gesehen, sonst hätte ich reagiert.
Aber ich hörte den ersten Teil des Rituals ihre Kommentare laut über den
Platz schallen. Vom Berlinerischen „Ick versteh nich, watt die da
machen“ über „Heil Satan“ bis hin zu meinem Lieblingsbeitrag, einem
neuen deutschen Text für „Yellow Submarine“. Nur heißt der Refrain hier
„Bibi Blocksberg ist homosexuell“. Ein Meisterwerk der modernen
Dichtkunst, aber der weitere Text bleibt unbekannt, weil die Herren auf
den Rängen (die Frauen waren still) nur diese eine Zeile des
Magie-Blockbusters singen konnten.
Mist.
Kreis ziehen, Platz weihen, Heimdall als Wächter anrufen. Schon
verschwanden die krakeelenden Zaungäste. Hex Hex!
Dein Homo Magi
Waffen der Götter
Hallo Salamander,
da ging es gestern doch tatsächlich auf einem Heidenstammtisch um
sekundäre Fragen. „Nennen Sie drei Götterwaffen“. Neben dem Hammer
Mjöllnir und dem Speer Gugnir ging es dann um Nummer 3, die uns nicht
einfallen wollte.
Freya hat ein Schwert. Aber das hat keinen Namen. Zumindest war das
gestern der Stand und meinen Einwurf, sie könnte ja Brisingamen werfen,
nahm keiner ernst. Leider. Dabei bietet sich das an:
Das Brisingamen [Edda: Brîsînga men = „Brisingorum monile“, lt. Grimm
von der Wurzel mhd. brîsen = durchstechen abzuleiten] ist der
Halsschmuck der germanischen Göttin Freya. Er soll aus durchbohrten
Gelenken geschlungen gewesen sein. Freya bekam ihn von vier Zwergen.
Loki raubte den Schmuck, dieser wurde ihm aber von Heimdall wieder
abgenommen. Über das Brisingamen ist wenig bekannt. Freya zeigte es nie
dem Menschengeschlecht. Allerdings gibt es zahlreiche Nachbildungen, die
von Archäologen gefunden wurden. Das Brisingamen verstärkte Freyas
Zauberkräfte und war ein wichtiger Gegenstand in ihrer Magie.[72]
Außerdem lernt man bei solchen Suchaktionen eine Menge Dinge, die man
nicht wusste:
In ancient times the winter constellation which we today know as Orion
was at that time called „Freya's Gown” by the Norse and Teutons, and the
sword belt in Orion was called „Freya's Girdle.”[73]
Gut zu wissen, aber hier sinnlos.
Vielleicht war ihr Zwillingsbruder der Schwertbesitzer?
Ja:
The most extensive surviving Freyr myth relates Freyr's falling in love
with the female jötunn Gerðr. Eventually, she becomes his wife but first
Freyr has to give away his sword which fights on its own “if wise be he
who wields it.” Although deprived of this weapon, Freyr defeats the
jötunn Beli with an antler. However, lacking his sword, Freyr will be
killed by the fire jötunn Surtr during the events of Ragnarök.[74]
Schwert weg, Name weg? Aber ich erinnerte mich doch ganz genau … ja,
richtig.
Nur leider ist meine Quelle nicht historisch:
In Rick Riordan's Magnus Chase and the Gods of Asgard, the sword of
Freyr possessed by the protagonist is called Sumarbrandr meaning 'summer
sword'.[75]
Ein winziger Fehler: In den Büchern heißt es “Sumarbrander”. Das macht
meine Quelle nicht besser. Mist. Ich habe mich dann darauf verständigt,
dass das Schwert „Flötenpiepen“ heißt. Klingt nordisch. Bis jetzt heißt
es in der Wikipedia wie oben zitiert.
Ich schlage eine kleine Verbesserung vor:
In Norse mythology, the sword Fløtepiepen belonging to Freyr, a Norse
god associated with sunshine, summer and fair weather. Fløtepiepen is
depicted in Norse mythology as one of the few weapons that is capable of
fighting on its own. After Freyr gave up Fløtepiepen to Skírnir for the
hand of the giantess Gerðr, he will die at Ragnarök because he didn't
have his sword, fighting Surtr with an antler.
Einfacher geht es nicht.
Dein Homo Magi
Fernsehen
Lieber Salamander,
kürzlich habe ich mal wieder ein gutes Buch gelesen. Das verwunderliche
ist aber, dass es kein Roman war, sondern ein Sachbuch.
Ich spreche von „Out of the Wreckage“ von George Monbiot (London, New
York, 2018).
Ein aktuelles Sachbuch über den Stand der Welt.
Die längeren Episoden über politische Willensbildung und das Versagen
der linken Kräfte in den letzten 50 Jahren erspare ich dir. Ich will
nicht in das Horn blasen, das vor mir schon so viele selbsternannte
Welterklärer an den Lippen gehabt haben. Wie gesagt: Monbiot ist gut,
aber ich muss das hier inhaltlich nicht 1:1 wiedergeben.
Interessant fand ich seine Aussagen zum Thema Unterhaltung und
Fernsehen. Als erstes führt er auf, wie sehr sich Unterhaltung in den
letzten hundert Jahren verändert hat. Das gipfelt in der Feststellung:
„Entertainment can also alienate us from each other.“[76]
Das stimmt. Was früher Menschen zusammengebracht hat, trennt sie heute –
wer unterhalten sein will, macht das vor dem Fernseher, und dort ist man
oft allein oder mit der Nukleus-Familie allein, ganz anders als im
Theater oder auf öffentlichen Plätzen.
Der zweite Schritt folgt dann bei Monbiot völlig logisch:
„Virtual neighbors replace real ones.“[77]
Und so ist es dann auch. Die Menschen in den Sendungen sind echt und
wiederum nicht echt. Man lädt sich zum Aufräumen und Kochen in fremde
Wohnungen ein, aber diese Verbindung ist nur einseitig. Daraus entstehen
keine sozialen Bindungen, kein Austausch, keine gegenseitigen
Lerneffekte.
Wir vereinzeln in der Menge.
Der Rest des Buches war gut. Aber alleine dafür hat es sich gelohnt, es
zu lesen.
Dein Homo Magi
Psychopompos
Hallo Salamander,
ich denke weiterhin über eigenartige Konzepte nach. Ein Thema, was mich
weiter immer nebenher fasziniert, ist der Psychopompos. Ich erspare mir
und dir eine eigene Definition, sondern zitiere:
Das Wort Psychopompos (Plural Psychopompoi) oder eingedeutscht der
Psychopomp kommt vom griechischen ψυχοπομπóς (mask.) und bedeutet
wörtlich übersetzt „Seelengeleiter“: Er geleitet die Seelen der
Verstorbenen ins Jenseits. Der Namensteil „pompos“ stammt vom Verbum „pempo“
ab, das führen und geleiten bedeutet. Das deutsche Wort „Pomp“ verweist
auf einen großen, festlichen Geleitzug („Aufzug“).
Psychopompos ist der Titel des griechischen Botengottes Hermes, der
dieses Amt von Apollon übernommen hatte. Die Vorstellung von
Psychopompoi war aber allgemein verbreitet. So kannten etwa die alten
Ägypter den hunde- oder schakalköpfigen Anubis, in der germanischer
Mythologie holen Walküren die gefallenen Krieger vom Schlachtfeld nach
Walhalla, und bei den Kelten war Ogma Seelenführer.
Im Christentum sind es der Erzengel Michael, der Schutzengel oder der
Riese Christophorus; an der Pforte zum Himmel erwartet Petrus die Seele,
die Einlass begehrt. Christophorus findet sich auf frühchristlichen
Ikonen – wie sein ägyptisches Pendant Anubis – hundsköpfig dargestellt.
Im Islam ist es der Engel Azrael, der von Allah eine Liste mit den zum
Tode bestimmten Menschen erhält und in den darauffolgenden 40 Tagen ihre
Seelen vom Körper trennt. Allgemein ist der Psychopomp eine mögliche
Form der Personifikation des Todes. Generell können Geister, Gottheiten,
Dämonen oder Engel die Aufgabe eines Psychopompos übernehmen. Seine
Bedeutung ist neben dem Transport der Seele vor allem der Prozess der
Akzeptanz der Sterblichkeit. Er ist vor allem ein Führer und Helfer.[78]
Das mit dem hundsköpfigen Christophorus war mir neu, aber ich bin ja
hier, um immer etwas zu lernen. Welche Rollen spielen dann Sleipnir oder
Tom Bombadil?
Und wie ist das mit den Opfern? Der Psychopompos hat in meiner Welt
immer einen Preis – zum Beispiel eine Münze, die man dem Toten auf die
Zunge oder auf die Stirn legt. Oder eben Grabbeigaben, damit der
Seelengeleiter (unfassbar großartiger Begriff) seine Arbeit bezahlt
bekommt.
In einer Diskussion mit amerikanischen Heiden bekam ich erzählt, dass
dies ein Begriff sei, der „identic german“ ist. Ich bleibe dran …
Dein Homo Magi
Mal wieder im Zug
Lieber Salamander,
das Leben ist manchmal voller Facetten, die doch immer mal wieder ein
Lächeln auf meine Lippen zaubern.
In den letzten Wochen war ich beruflich wie privat viel mit dem Zug
unterwegs. Ich konnte alle diese Reisen planen, daher hatte ich einen
Sitzplatz und eine vernünftige Zugverbindung. Der einzige Unterschied zu
früher ist der, dass ich meinen Nebenplatz nicht mehr mit Gespäckstücken
zuballere, sondern abwarte, was mir das Schicksal an Reisegefährten
liefert.
Eine alte Angewohnheit habe ich weiterhin nicht aufgegeben: Bevor ich
eine Reise antrete oder beim Umsteigen (was sich gerade anbietet) gebe
ich einem Bettler oder Straßenmusiker (oder dem, was sich mir gerade
aufdrängt – das war auch mal ein Mann, der aus nassem Sand einen
liegenden Hund nachbaute) Geld. Das ist mein Opfer für die gute Reise,
meine Bezahlung an die Geister, damit meine Reise unter einem guten
Stern steht.
Ich hatte dank dieser Vorausplanung einige lustige Begegnungen in den
letzten Wochen. Denn der leere Platz, meine höfliche Ansprache und die
unverfänglichen Gesprächsanfänge („Wie weit fahren Sie denn?“) führen zu
lustigen Gesprächen.
Da waren die beiden Inder, Onkel und Neffe. Der Onkel war von oben bis
unten mit Goldschmuck behängt, Brillantenarmband, Elvis-Brille in
Goldschmuck, dazu einen Klarsichtbeutel voller Medikamente und ein
lustiges Interesse an deutscher Kultur. Wobei ich bis zum Ende nicht
verstanden habe, warum er glaubt, dass jeder Deutsche wissen muss, wo
der legendäre „Mercedes Benz Showroom“ zu finden ist. Dann war da der
Mann, der Fachartikel für medizinische Zeitschriften schreibt. Das wurde
eine längere Unterhaltung über das Verlagswesen, die Vergütung und
e-Papers. Oder die Kunsthistorikerin, die mir dann sogar ihre
Präsentation zu der Verbreitung von Emaille-Farben auf mittelalterlichen
Reliquien zeigte und mit der ich über Werkstättenarbeiten im Übergang
zur Manufaktur sprach.
Man muss dem Schicksal eine Chance geben. Vielleicht ist deswegen der
Individualverkehr von Monotheisten propagiert worden. Er übertüncht und
verhindert die Kontaktaufnahmen des Schicksalsboten mit uns. Nicht, dass
ich wüsste, was meine Gespräche mir nützen sollten. Aber sie haben
stattgefunden – das wäre in meinem Auto unmöglich. Abwarten.
Dein Homo Magi
Odinismus
Hallo Salamander,
ist nicht der blöde Autoaufkleber „Wenn dein Gott tot ist … nimm doch
meinen: Odin lebt!“ eigentlich eine Form der Verbreitung von heidnischem
Monotheismus?
Natürlich ist es lustig, wenn man im ersten Impuls über diesen Spruch
lacht. Aber mal ehrlich: er ist auch doof. Warum? 9 nordische Gründe.
1.
Wenn dein Gott tot ist … dann könnte es auch Baldur sein. Und der kommt
wieder.
2.
Wenn dein Gott tot ist … könnte es eine Göttin sein und die Hel. Die ist
dann von der Anrede angepisst und mächtig und tot. Ganz schlechte Idee,
die zu verärgern. Ich sage nur: Fingernägel.
3.
Wenn dein Gott tot ist – da bleibt immer die Frage offen, ob man das
überprüft hat (oder überprüfen will). Wer hat seinen Gott gesehen (oder
eben: nicht gesehen) und würde sich herausnehmen, seine Abwesenheit mit
seinem Tod gleichzusetzen?
4.
Ich will nicht, dass jemand ohne nachzudenken einfach meinen Gott nimmt.
Wer will denn schon, dass sein schöner heidnischer Kult auf einmal von
einer Millionen ehemaliger Christen übernommen wird?
5.
Die Heiden unterscheiden sich doch in der Welt der Germanen dadurch von
den Christen, dass sie nicht fragen, an wen man glaubt, sondern, wem man
opfert. Das wäre dann auch in diesem Fall so: „Wenn du deinem Gott nicht
mehr opfern magst … opfere doch meinem.“
6.
Das Verhältnis zwischen Mensch und Gott ist zweiseitig. Der Gott muss
mich auch nehmen, wenn ich ihn nehmen will; das ist keine magische
Einbahnstraße.
7.
Odin lebt – eine Behauptung, die man glauben, aber nicht beweisen kann,
wenn man in einer theologischen Auseinandersetzung mit einem Christen
steckt (wenn das einfach wäre, wäre es schon ganz oft passiert & es gäbe
keine Christen mehr).
8.
Warum eigentlich Odin? Nichts gegen Odin, das ist viel zu riskant, aber
ist das die erste heidnische Wahl (nein, das muss nicht Delling sein) –
aber einfach so ein Angebot zu machen, das dem anderen vielleicht nicht
passt … gefährlich.
9.
Der Polytheismus des Heiden ist deswegen stark, weil er Alternativen
lässt. Also eher ein „meine Götter leben“ als ein „Odin lebt“ und die
Qual der Wahl. Das ist für mich Heidentum.
Also doch kein Autoaufkleber.
Dein Homo Magi
Musik aus dem Rückenmark
Hallo Salamander,
atlantische Erinnerungen, hochmagische Erfahrungen, Rassenwissen – das
alles konnte man aus dem Rückenmark extrahieren, wenn man der
einschlägigen (lies: irren) Literatur glaubte. Jetzt wir das Ding
irgendwie auf technologische Füße gestellt – denn hier bestimmen unsere
Ahnen den Musikgeschmack. Unglaubhaft? Bitteschön:
Woher kommen eigentlich Ihre Vorfahren? Ein DNA-Test mit Abgleich von
Datenbanken gibt Auskunft darüber. Auf diese Tests hat sich das
Unternehmen Ancestry.com spezialisiert. In einer neuen Kooperation mit
Spotify können Ancestry-Kunden nun ihre DNA-Daten auf musikalischen
Geschmack auswerten lassen.
Wer per DNA eine Playlist erstellt haben möchte, muss für diesen Service
allerdings tief in die Tasche greifen. Das allgemeine Untersuchungskit
von Ancestry.com, ein einfacher Speicheltest, kostet 99 Euro. Circa acht
Wochen nach Einsenden der Probe stehen dann im persönlichen Bereich der
Webseite die Ergebnisse bereit. Dabei werden mehr als 10 Millionen
Datensätze auf eventuelle Verwandtschaft untersucht. Auch die ethnische
Zusammensetzung der DNA ist Teil des Pakets.
Wer diesen Speicheltest bereits durchgeführt hat, kann mit den
Ergebnissen dann seine Spotify-Playlist erstellen lassen. Diese
beinhaltet schlichtweg Musiktiteln aus Ländern, aus denen laut Ancestry
ihre Vorfahren stammen.
Aktuell gilt die Kooperation nur für Nutzer mit einem Wohnsitz in den
Vereinigten Staaten. Eine Kooperation für den deutschen Markt gibt es
derzeit leider nicht, wie Ancestry auf TECHBOOK-Nachfrage mitteilt.[79]
Ein Traum, obwohl nur in den USA. Für 99 Euro kann man mir auch sagen,
wo man hingespuckt hat, und ich gebe dann Musikempfehlungen (3 Titel).
Aber. Das nächste Mal, wenn ich auf meine Ahnen trinke, werde ich sie
darum bitten, etwas mehr auf das Radioprogramm Einfluss zu nehmen.
Obwohl, im Moment höre ich sowieso nur Onlineradio
(http://1a70erhits.radio.de/, um genau zu sein), wenn da meine Ahnen,
meine DNA, mein Rückenmark dahinterstecken: Respekt! Alles richtig
gemacht!
Weiter mitsummend …
Dein Homo Magi
Weigerungen
Lieber Salamander,
ich weigere mich, es länger hinzunehmen, dass in der aktuellen Debatte
kein politisch links gerichteter Mensch mehr zwischen rechts und
rechts-extrem unterscheiden kann. Gerade als Heiden sollten wir
anerkennen, dass wir konservativ sind, wenn wir die Erde bewahren
wollen. Was ist jemand, der an eine Million Jahre Entität glaubt, welche
die Schöpfung bewahren will, anders als jemand, der etwas konservieren
möchte? Was nicht heißt, dass ich politisch konservativ bin – aber ich
finde, man muss den Begriff ordentlich behandeln (und die Menschen
dahinter auch).
Ich weigere mich, es länger hinzunehmen, dass ich wegen meines
Geschlechts Schuld bin an Jahrhunderten oder Jahrtausenden Patriarchat.
Solange es Heiden gibt, die an Reinkarnation glauben, die mir nicht klar
darlegen, dass die Reinkarnation nie das Geschlecht wechselt, dann sind
wir alle durch viele alte Inkarnationen als Männer mit Schuld am Zustand
der Gesellschaft. Und ich war schon ganz oft Opfer in meinen
Inkarnationen als Frau, dass ich irgendwie auch Opfer bin. Und Täter.
Und Mann.
Ich weigere mich, es länger hinzunehmen, dass ich wegen meiner
Abstammung, Herkunft, ethnischen Zugehörigkeit oder wie man das auch
immer nennen möchte weniger oder mehr wert bin als andere Menschen. Wer
mir einreden möchte, dass ich biologisch „näher dran“ bin an einzelnen
Gottheiten, Religionen, Kulten oder Mysterien, der verkleinert das
Göttliche auf die Größe seines Verstands. Das Göttliche transzendiert
das Sterbliche; alle und wirklich alle Grenzen, die wir selbst sehen,
gelten für das Transzendente nicht. Am eigenen mentalen Duschvorhang
entlang göttlich leuchtende Linien ziehen zu wollen ist nur dumm, sonst
nichts.
Ich versuche, meinen Standpunkt selbst zu definieren.
Ich versuche, mein Leben selbstverantwortlich zu gestalten.
Ich versuche, Dinge zu tun, anstatt darüber zu reden.
Das erscheint mir deutlich sinnvoller, kraftvoller und letztendlich
heidnischer als der andere Quatsch.
Dein Homo Magi
Leibniz in Leipzig
Hallo Salamander,
am 27./28.09. war ich in Leipzig auf einem Workshop des
„Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa“ (GWZO[80]).
Das ein wenig sperrige Thema der Gesamtveranstaltung war „Neo-völkische
Geschichtsbilder in populären Vergangenheitsaneignungen im östlichen
Europa. Neuheidentum – Reenactment – Musikszene.“ Damit lockt man die
Massen nicht an, aber wer sich dafür interessiert, der weiß, was sich
hinter diesem Rahmen verbirgt.
Thema meines eigenen Beitrags war „Verbindungen zwischen germanischem
Heidentum, rechtsextremer Literatur und »Nerd«-Einflüssen wie
Rollenspiel und phantastischer Literatur“. Wer mich kennt, der weiß, was
ich da inhaltlich zu bieten habe. Sicherlich nicht nur Blödsinn ... aber
ich verzichte darauf, hier meine Argumentationslinien erneut
wiederzugeben. Wer Interesse hat: Man kann mich für Kindergeburtstage
und Vorträge für kleines Geld buchen.
Insgesamt war die Veranstaltung durchwachsen. Es gab viele Rückblicke
auf die Nationalromantik, deren erneutes Aufblühen nicht überraschend
kommt.
In der Schlussdiskussion war ich der Einzige, der zum Diskurs mit der
extremen Rechten aufgefordert hat. Man warf mir Blauäugigkeit vor. Ich
glaube einfach, dass man keinen Menschen einfach so ausschließen darf,
wenn man nicht zu dem werden will, was man bekämpft.
Einige Dinge sind mir in den Beiträgen klar geworden. Der Unterschied
zwischen Rechts und Extrem Rechts verwischt immer mehr. Wie kann man
Rechtsrock bekämpfen, wenn man den Rock meint, den Rechtsextreme hören?
Die manchmal zu hörende krude Behauptung, Rechtsrock sei rassistisch und
pagan bringt mich zu der Behauptung, dass Rechte (nicht Rechtsextreme!)
in meiner Welt eher Helene Fischer hören, die alleine vom Namen her eher
zu den christlichen Menschenfischern zieht, was die Frage erlaubt, ob
Udo Jürgens mit „Griechischer Wein“ dann Trinker und Heide ist. Ich will
hier die Musikanalyse nicht lächerlich machen, aber wenigstens sollte
das Etikett stimmen, wenn man will, dass jemand aus der Flasche trinkt.
Und überhaupt ist die Unschärfe in der Auseinandersetzung mit dem
Heidentum (Dialog ist es nicht, das würde verlangen, dass man spricht)
nervig. Nein, Heidentum ist nicht gleich vorchristlich. Waren die
Christen nicht in weiten Teilen Südeuropas und Mitteleuropas zeitlich
vor den „Wikingern“ oder jenen, die wir heute „Asatru“ nennen würden?
So, als hätten die Christen die aktuell existierenden heidnischen
Religionen Europas um das Jahr 800 herum abgelöst. Die Heiden lebten
dann im Untergrund, vegan, gleichberechtigt, sexuell tolerant und
religiös brutal verfolgt, während das Christentum Umweltverschmutzung,
Sexualfeindlichkeit, Krieg und Kindesmissbrauch eingeführt haben, bis
der heidnische Widerstand … Quatsch.
Und ja: „Right“ ist nicht gleich „Right Wing“, egal, was „die Linke“
sagt.
Das Erschreckendste war: Der Mut fehlt an allen Ecken und Enden. Wir
waren im Leipziger Elfenbeinturm der Forschung und sprachen über Dinge,
die man von hier aus nur mit dem Fernrohr betrachtet, um sich nicht
schmutzig zu machen. Ich glaube: Forschung ist anders. Aber damit stehe
ich alleine, wenn ich mit dem Tropenhelm auf dem Kopf und der
Strahlenkanone in der Hand die heranstürmenden marsianischen Bestien
bekämpfe. Einer muss.
Zu Beginn meines Vortrags habe ich in Leipzig gesagt, dass einige meiner
Freunde Rechte sind, aber keine Rechtsextremen. Heute würde ich
zusätzlich sagen: Auch Rechte haben Rechte.
Dein Homo Magi
Volljährigkeit der Kolumnen
Lieber Salamander,
mit diesem Text vollende ich das 18. Jahr mit Kolumnen an dich. Wenn ich
damals gewusst hätte, wieviel Arbeit mich das kosten wird, hätte ich es
mir länger überlegt. Oder gar nicht überlegt, aber dafür nicht damit
angefangen.
Viel ist passiert in diesen 18 Jahren. Zwei Heiraten, eine Scheidung.
Der Tod meines besten Freundes. Der Tod meines Vaters. Der Tod meiner
Großmutter. Viele Umzüge. Die Geburt von drei Patentöchtern.
Arbeitswechsel und Arbeitsplatzwechsel.
Ein Aspekt fällt ein wenig aus dem Rahmen: Meine eigenen Werke. Ich
schreibe, seit dem ich schreiben kann, Geschichten und Lieder und
Gedichte. Viele Jahre lang wurde ich die nur schleppend los. Dann hörte
auf, Werbung zu machen und mir Gedanken darüber zu machen, was Menschen
lesen wollen. Ich schaue nicht mehr auf Verkaufszahlen und versuche
nicht, bei großen Verlagen unterzukommen. Ich schreibe für die Menschen,
die ich mag.
Auf einmal – peng. Keine irren Verkaufszahlen, aber mein Netzwart
(tolles Wort) teilte mir mit, dass wir im Moment pro Tag um die 400-500
Zugriffe auf die Seite haben. Keiner weiß, warum. Ich am wenigstens.
Aber das ist jetzt kein Grund, aufzuhören oder Werbeeinblendungen zu
schalten, die mich reich machen. Einfach weitermachen, lächeln, winken.
Einige Erklärungsansätze habe ich dann schon. Das letzte Jahr, das hatte
es in sich. „Drei Dekaden – SciFi & Heidentum“ ist erschienen, mein
Rückblick mit vielen Artikel aus 30 Jahren Fandom und FanSein. Dazu war
meine Kurzgeschichte „Der Geist des langen Erkennens!“ in der Karl
May-Sammlung „Reiten wir!“ platziert.
Ich gab für den „Eldaring“ ein „Herdfeuer“-Sonderheft zum 18. Geburtstag
heraus, mein Geschenk an mich für 18 Jahre Kolumnen. Komische
Koinzidenz.
Ich habe gelesen und Vorträge gehalten. Aus „Die Drei Dekaden – SciFi
und Heidentum“ hatte ich eine Lesung, zu Ostara sprach ich über
Lichtelben, im Sommer auf Englisch über „Nazism in Fantasy and Paganism“,
danach in Berlin über „Troja“ und über „Verbindungen zwischen
germanischem Heidentum, rechtsextremer Literatur und »Nerd«-Einflüssen
wie Rollenspiel und phantastischer Literatur“ auf einer Tagung in
Leipzig und durfte dann zwei Tage später in Köln als Perry Rhodan-Autor
auf einer Bühne sitzen. Damit ich mich nicht langweile kam danach noch
ein Vortrag über Wilhelm Hauff auf dem Eldathing. Abwechslung ist alles,
was dem guten Magier reizvolle Momente verschafft.
Was mir am meisten am Herzen liegt, das sind meine lyrischen Versuche.
Ein Lied von mir wurde von Eira und Ragin vertont, nämlich „Ferner
Schatten dunkle Finger“. Wunderschön … Im „Herdfeuer“-Sonderheft wurde
ich ein Lied los, aber das schönste war der Gesangsauftritt als „Church
of Odin the Redeemer“ mit Lucy van Org. Wow. Die Mundorgel
zurückerobern, das wollte ich immer machen. Haken dran, ist erledigt.
Wer drüber lästert, muss es erst einmal selbst versuchen, um einschätzen
zu können, was das heißt.
Was bleibt? Nicht aufhören. Los, Segel setzen, hinaus in ein weiteres
Jahr. Wir schaffen das.
„Dort, wo der Strom unsre Schiffe trägt, / hat er Geschwätzigkeit
abgelegt.“ (Puhdys)
Dein Homo Magi
Pokern mit geborgter Zeit
Es ist noch etwas Leben übrig,
pokern mit geborgter Zeit.
Deine Lippen sind mir nahe
und das Ragnarök ist weit.
Noch scheint mir des Tags die Sonne,
nachts verändert sich der Mond,
Sommertage flüstern glühend,
dass der Fimbul uns verschont.
Refrain:
Will und We, verschollen, vergangen, vergessen.
Keine Zwerge heizen unterirdisch Essen.
Keine Drachen schlafen auf den Horten.
Sterbliche zaubern nur mit Worten.
Bis die Sterne einst verlöschen,
Endzeit hoch am Firmament,
werde ich in Folkwang warten
wo mein Lebensweg zuend‘.
Doch solange ich auf Midgard,
Ask und Emblas stolzer Spross,
bleibe ich ein Feind der Riesen,
weil ich weiß, wer Mistel schoss.
Refrain:
Will und We, verschollen, vergangen, vergessen.
Keine Zwerge heizen unterirdisch Essen.
Keine Drachen schlafen auf den Horten.
Sterbliche zaubern nur mit Worten.
Grübelt nur, wer letztlich Sieger,
grübelt nur, was übrig bleibt,
bis der Fenriswolf am Ende
Allvater sich einverleibt.
Trinkt mit mir, und hebt die Stimmen,
bis wir einst auf Folkwangs Bank
für die letzte aller Schlachten
uns’re Waffen ziehen blank.
Refrain:
Will und We, verschollen, vergangen, vergessen.
Keine Zwerge heizen unterirdisch Essen.
Keine Drachen schlafen auf den Horten.
Sterbliche zaubern nur mit Worten.
Lacht nicht
Lacht nicht, weint nicht, hört die Zeilen:
Heiden die Swastika heilen.
Auch KZs? Und Judensterne?
Das Doppel-S, das heilt man gerne.
Die ersten Schritte dieser Straße
enden bei der Herrenrasse.
Refrain:
/: Heil! Heil! Heil den Stuss.
Weil! Weil! Weil man muss.
Haken! Haken! Haken dran,
damit man wieder denken kann. :/
In Swastika ist „Ast“ zugegen,
doch tut man so den Ast absägen.
Natürlich steckt im Heil das „Ei“,
das bracht der Kuckuck wohl herbei.
Und hat man so für sich entdeckt
welch‘ Rätsel wohl in „Barsch locht“ steckt.
Refrain:
/: Heil! Heil! Heil den Stuss.
Weil! Weil! Weil man muss.
Haken! Haken! Haken dran,
damit man wieder denken kann. :/
Es kommt kein Dschinnie aus der Flasche,
es steigt kein Phönix aus der Asche.
Nicht alles Übel kann man heilen,
es bleibt stets da, in allen Teilen.
Doch was „heilt“, man leicht vergisst –
nicht länger es zur Mahnung ist.
Refrain:
/: Heil! Heil! Heil den Stuss.
Weil! Weil! Weil man muss.
Haken! Haken! Haken dran,
damit man wieder denken kann. :/
Nicht tief in der Heiden Annalen,
sondern in den Urinalen
kann man solches Weistum finden.
Statt des Nachts Runen zu binden,
sollt die Geschichte man studieren –
und das Großhirn aktivieren.
Wär‘ das Erbe der Germanen
Wär‘ das Erbe der Germanen
frei von Nazis und Betrug,
der, wie eine Axt aus Flammen,
tief ins Herz der „Edda“ schlug,
würde ich am Stiel sie nehmen,
und die Axt glitte heraus.
Ich trampelte mit meinen Schuhen
aus die Flamme, aus die Maus.
Wär‘ das Erbe der Germanen
ohne Erben, die verkannt,
so würde ich als Erbteil nehmen,
alles, was Germanenland.
Doch, es bleiben blinde Orte,
die verwesend heut‘ noch stehen.
Schwärend, eiternd, blutig, untot,
muss man diese heut noch sehen.
Nicht mein Tisch, nicht meine Sorge,
denkt sich mancher zu geschwind.
Denn wir alle sind – trotz Zweifeln –
unserer Geschichte Kind.
Keinen Schrittbreit den Faschisten!
Keinen Meter weicht zurück!
Denn das Wyrd, es wirkt für alle,
ihnen Pech – und uns das Glück!
[1]
www.lego.com/en-us/legohistory/fabuland; 25.11.2017
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Lego;
25.11.2017
[3]
http://lego.brickinstructions.com/lego_instructions/set/3629/Barney_Bear;
25.11.2017
[4]
www.lego.com/en-us/legohistory/fabuland; 25.11.2017
[5]
www.zeit.de/1998/46/199846.stimmts_blutscho.xml; 25.11.2017
[6]
www.nonsens.de/entdeckt-und-erforscht/enthaelt-schokolade-rinderblut/;
25.11.2017
[7] ebenda
[8]
www.ritter-sport.de/de/produkte/detail/Alpenmilch-00002;
25.11.2017
[9] S. 141
[10]
https://de.wikipedia.org/wiki/Das_Zauberkarussell; 29.12.2017
[11] ebenda
[12] Siehe
www.diesiebziger.net/html/das_zauberkarussell.html; 29.12.2017
[13]
https://de.wikipedia.org/wiki/Shangdu_(Yuan-Dynastie);
01.01.2018
[14] ebenda
[15] ebenda
[16] ebenda
[17]
www.lyricsfreak.com/d/dave+dee+dozy+beaky+mick+tich/the+legend+of+xanadu_20747578.html;
01.01.2018
[18]
http://jedipedia.wikia.com/wiki/Lando_Calrissian; 16.01.2018
[19] Vgl.
https://en.wikipedia.org/wiki/Londo_Mollari; 16.01.2018
[20]
https://de.wikipedia.org/wiki/Lando_(Papst); 16.01.2018
[21]
https://de.wikipedia.org/wiki/Dollingersage; 12.02.2018
[22] ebenda
[23]
https://de.wikipedia.org/wiki/Endgegner; 08.03.2018
[24]
https://de.wikipedia.org/wiki/Kunde_(Prostitution); 21.03.2018
[25]
www.theguardian.com/society/2018/feb/18/iceland-ban-male-circumcision-first-european-country;
27.03.2018
[26] ebenda
[27] ebenda
[28] ebenda
[29] ebenda
[30] ebenda
[31] ebenda
[32]
https://de.wikipedia.org/wiki/%CA%BFAl%C4%AB_ibn_Ab%C4%AB_T%C4%81lib;
29.04.2018
[33]
www.independent.co.uk/news/world/americas/american-soldier-worship-norse-god-thor-keep-beard-a8328251.html;
08.05.2018
[34]
www.zeit.de/politik/deutschland/2018-05/bundesverfassungsgericht-gefaehrder-abschiebung-todesstrafe;
09.05.2018
[35]
ebenda
[36]
www.rv.hessenrecht.hessen.de/lexsoft/default/hessenrecht_rv.html?doc.hl=1&doc.id=jlr-VerfHEpArt21%3Ajuris-lr00&showdoccase=1&documentnumber=13&numberofresults=17&doc.part=S
[37]
https://news-und-nachrichten.de/artikel/immer-mehr-zugausfaelle-bei-der-bahn/;
10.05.2018
[38] www.gwup.org/;
19.05.2018
[39]
https://de.wikipedia.org/wiki/Cui_bono; 19.05.2018
[40]
https://de.wikipedia.org/wiki/Nikola_Tesla; 20.05.2018
[41]
https://wavegenome.com/tesla-generator.html; 20.05.2018;
Großschreibung im Original
[42] ebenda
[43] ebenda
[44] ebenda
[45] ebenda
[46] ebenda
[47] Vgl.
http://memory-alpha.wikia.com/wiki/Eugenics_Wars; 20.05.2018
[48] ebenda
[49] ebenda
[50]
https://de.wikisource.org/wiki/Die_Edda_(Simrock_1876)/Ältere_Edda/Sigrdrîfumâl;
23.05.18
[51]
https://de.wikisource.org/wiki/Die_Edda_(Simrock_1876)/Ältere_Edda/Völuspâ;
23.05.18
[52]
www.kalkriese-varusschlacht.de/museum/sonderausstellung-goetter-glaube-und-germanen/;
09.06.18
[53]
https://de.wikipedia.org/wiki/Moorbutter; 09.06.18
[54]
https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Moritz_Arndt; 10.06.18
[55]
http://gedichte.xbib.de/Arndt_gedicht_Chorgebet.htm; 10.06.18
[56]
www.villigercigars.com/de-de/kontakt/; 02.07.2018
[57]
www.villigercigars.com/de-de/produkt/special-cigars/villiger-original-krumme/;
02.07.2018
[58] Bernhard Maier „Die
Ordnung des Himmels“, München, 2018
[59] S. 387 f.
[60]
https://de.wikipedia.org/wiki/Neandertal; 10.07.2018
[61] … tolles Wort, oder?
[62] www.gwup.org/;
16.07.2018
[63]
www.derwesten.de/panorama/frau-als-zufalls-mordopfer-auto-attacke-wegen-strahlenmafia-id214743503.html;
19.07.2018
[64]
https://strahlentod.yolasite.com/; 19.07.2018
[65]
www.youtube.com/watch?v=nopmIuQqjuo; 19.07.2018
[66] S. 11 f.
[67] S. 37 f.
[68]
https://de.wikipedia.org/wiki/Ngaio_Marsh; 13.08.2018
[69] De Vries, Jan „Die
geistige Welt der Germanen“, Darmstadt, 1964³, S. 170
[70] S. 171
[71] Vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Jan_de_Vries_(Philologe);
16.08.2018
[72]
https://de.wikipedia.org/wiki/Brisingamen; 15.09.2018
[73]
http://valkyrietower.com/freyja.html; 15.09.2018
[74]
https://en.wikipedia.org/wiki/Freyr; 15.09.2018
[75]
https://en.wikipedia.org/wiki/Sword_of_Freyr; 15.09.2018
[76] S. 62
[77] S. 63
[78]
https://de.wikipedia.org/wiki/Psychopompos; 30.09.2018
[79]
www.techbook.de/entertainment/streaming/spotify-dna-test;
10.10.2018
[80] Vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Leibniz-Institut_f%C3%BCr_Geschichte_und_Kultur_des_%C3%B6stlichen_Europa;
23.10.2018
|
Beiträge des
Teams:
|