Homo Magi Archiv

Wöchentliche Ansichten eines Magiers über den Jahreslauf und die Welt

Teil 18

 

2 * 9

Lieber Salamander,

hätte ich ein Kind, das bei der Veröffentlichung der ersten meiner Kolumnen geboren worden wäre, dann wäre es am Ende dieses heidnischen Jahres volljährig. 18 Jahre lang, zwei Mal die 9, so lange dreht sich der Jahreslauf schon, wenn dieses Jahr der Kolumnen geschrieben ist.

Viel ist in den vergangenen Jahren passiert, trotzdem ist es kein Zeitlauf, den ich in der Geschichte der Menschheit als außerordentlich bezeichnen würde. Für mich ist nur viel geschehen, aber meine Weltsicht ist gezwungenermaßen subjektiv und damit auch in sich richtig und genauso in sich falsch. Der Ansatz impliziert das Ergebnis.

Habe ich mich verändert? Hat sich die Welt verändert? Hat sich die Magie verändert?

Auf alle drei Fragen kann ich nur ein entschiedenes „Ja“ antworten. Ich werde versuchen, einigen dieser Fragen nachzugehen. Aber das war immer der Ansatz hinter meinen Texten: Ich gehe Fragen nach.

Ehrlich gesagt kümmere ich mich wenig darum, wie viele Menschen meine Texte lesen. Ich hechele nicht den Zugriffszahlen hinterher, habe vor Jahren aufgehört, die Meldungen für die VG Wort (wegen der Zugriffe auf die Homepage) zu zählen oder gar zu melden. Wer liest, der liest, wer nicht liest, der liest nicht. Das ist für mich die einfachste Lösung, um Wissen zu verbreiten – jene Art, die eben keine Bindung zwischen Lehrer und Schüler erzeugt, weil ich ein ausgesprochen fauler Lehrer wäre, aber ein fleißiger Schreiber bin, der das Gefühl genießt, dass er nicht schreiben muss, aber weiß, dass er schreiben sollte.

So halte ich es schon sehr lange. Weiterhin will ich es so halten, solange ich kann. Lieber Salamander, pass auf dich und dein Schiff auf. Es zieht ein Sturm heran …

 

Dein Homo Magi

 

Fabuland

 

Lieber Salamander,

 

aus meinem Gedächtnis völlig verschwunden waren die Jahre, in denen es von Lego Fantasy-Figuren gab. Und zwar lange, bevor in der Gegenwart jede Figurengruppe zu irgendeinem Film gehören muss – nämlich schon 1979.[1] Aber die Serie ist inzwischen verschwunden, wohl um Platz zu machen für „Star Wars“-Figuren. Wikipedia schreibt:

1979 wurde außerdem die Serie Fabuland ins Leben gerufen, die für jüngere Kinder gedacht war. „Fabuland“ bestand aus größeren Bauteilen; bei den Figuren handelte es sich um Tiere, um die in den Bauanleitungen wie auch in einzeln verkauften Büchern und Hörspielkassetten Geschichten erzählt wurden. 1989 wurde die Serie aus dem Programm genommen.[2]

Ich suchte online etwas ganz anderes, es ging glaube ich um Bärenplakate in amerikanischen Nationalparks, auf denen Feuerwehrbären auf das verbotene Rauchen hinweisen. Auch das ist schon eigenartig genug, ohne dass man auf Bären mit Schraubenschlüsseln stößt.[3]

Mist, sind die cool:

The citizens of FABULAND include the daydreaming Edward Elephant, friendly Bonnie Bunny, adventure-loving Max Mouse, flower-shop keeper Hannah Hippopotamus, clumsy Clive Crocodile, Lucy Lamb the nurse and many more.[4]

Ich plane schon an der großen Veranstaltung, wo man sein schamanisches Krafttier mit einer Fabuland-Figur darstellen muss. Wenn man das nicht schafft, ist man raus … naja, das ist auch nicht schlimmer, als Schlümpfe sammeln. Und so viel Platz nehmen die schwedisch-schamanischen Lego-Krafttiere auch nicht weg. Mann Mann Mann, was für eine Marktlücke.

 

Dein Homo Magi

 

Blutschokolade

 

Lieber Salamander,

 

vor Jahren bekam ich einmal erzählt, dass in russischer Schokolade Rinderblut enthalten ist. Das passte in den Kontext von Ersatzstoffen im DDR-Marzipan und den Versuchen, Margarine als vollwertigen Ersatz für Butter zu vermarkten. Schon lange habe ich aufgehört denen zu trauen, die mir erzählen wollen, was an künstlichen Aromen besser sein soll oder warum es wichtig ist, einen neuen Nahrungsstoff einzuführen, von dem wir Menschen noch nie gehört haben, der aber unfassbar gesund für uns sein soll.

Eine erträglich glaubhafte Quelle (die „Zeit“ online) hat schon vor Jahren geklärt, dass das Schwindel ist:

Auf zwei mutmaßliche Hintergründe des blutigen Gerüchts weist Bernd Schartmann von der Firma Lindt & Sprüngli hin: Es gab in der DDR einmal ein Forschungsprojekt, bei dem es darum ging, getrocknetes Blut zu verwenden, um der Schokolade eine kräftigere Farbe zu geben. Ob das jemals umgesetzt wurde, ist nicht bekannt – jedenfalls braucht heute niemand mehr davor Angst zu haben.

Die zweite mögliche Quelle: Ein findiger Tüftler hat einmal einen Patentantrag für ein Verfahren gestellt, mit dem man den Eiweißgehalt von Lebensmitteln durch den Zusatz von Blut erhöhen könnte. Das Patent wurde jedoch nie erteilt.

Bernd Schartmann versichert: Außer der Milch enthält ein Riegel Schokolade überhaupt keine tierischen Bestandteile - wenn man von ein bisschen Eierlikör in manchen Pralinen absieht.[5]

Wenn man dann ein wenig nachliest, findet man natürlich noch Nonsens-Hinweise auf Rinderblut in der Schokolade:

Übrigens: In handelsüblicher Schokolade dürfen höchstens zehn Milliliter Blut enthalten sein. In einer 100-Gramm-Tafel stecken somit höchstens zehneinhalb Gramm Blut. Umgerechnet auf die Körpergröße verzehren Mücken weitaus größere Mengen Blut, ohne Schaden davon zu tragen – wir können also beruhigt sein. Dass dieses Blut mittlerweile nicht mehr nur vom Rind stammt, wie das Gerücht sagt, liegt am Wandel unserer Kultur: Früher, wo jeder Bauer auf seinen Feldern Kakao anbaute und die Milch von eigenen Kühen bezog, wurden Rinder oftmals noch hausgeschlachtet. Das angefallene Blut musste natürlich verwendet werden, zum Wegkippen war es viel zu schade. Also wurde es der Schokolade beigemengt. Heute haben die meisten Bauernhöfe keine eigene Viehzucht mehr und haben auf genetisch veränderte Kakaopflanzen umgestellt, die als Frucht bereits fertige Schokoladentafeln oder -riegel tragen. Milch- und blutfrei, ideal für Allergiker – und von Umweltschutzverbänden stark kritisiert.[6]

Wundervoll geht es da weiter:

Die Hersteller von Schokoladenwaren müssen auf ihrer Verpackung nicht darauf hinweisen, dass Blut in ihrer Schokolade enthalten ist. Das wäre auch unzumutbar. Immerhin kann nicht nach jedem kleinen Betriebsunfall im Schokoladenwerk der Verpackungsaufdruck geändert werden. Genau kann daher niemand sagen, welche Schokolade das gesunde Nass enthält. Herkömmliche Schokolade kann Blut enthalten oder auch nicht – je nach Unfallverhütung beim Hersteller, je nach Marktsituation im Fleischereigewerbe und je nach Mordrate in Großstädten.[7]

Was habe ich gelacht.

Nebenbei: Viele Hersteller geben online die Zutaten ihrer Schokolade an. So enthält Alpenmilchschokolade zwar nicht nur Alpenmilch, aber auch kein Blut:

Alpen-Vollmilchschokolade. Kakao: 30% mindestens.

Zutaten: Zucker, Vollmilchpulver (20%), Kakaobutter, Kakaomasse, Haselnussmasse, Emulgator: Lecithine (Soja), Bourbon Vanille Extrakt.

Kann Spuren von Erdnüssen, anderen Schalenfrüchten, Gluten und Ei enthalten.[8]

Keine Vollmilch, keine Alpenmilch, nur Vollmilchpulver. Das ist als Erkenntnis schon schlimm genug. Aber Blut … nein, kein Blut. Man kann nicht alles haben.

 

Dein Homo Magi

Leid

 

Hallo Salamander,

 

kürzlich saß ich vor einer leeren Trauerkarte. Eigentlich hasse ich so etwas, aber auf der Arbeit kann man sich dem schlecht entziehen. Privat schreibe ich immer Briefe, wenn es um Verstorbene geht. Ich finde, dass ein Tod einen Brief „wert“ ist. Man sollte bei Menschen, die man kannte, nicht dazu übergehen, Trauerkarten zu schreiben.

Ich kenne das, auf dem Dachboden meines Elternhauses liegen Schuhkartons, in denen die Trauerkarten gesammelt sind. Und ich weiß durch das Lesen der ganzen Inhalte, dass die meisten Trauerkarten belanglos sind. Vorne ein Aufdruck, innen dann maximal ein paar persönliche Worte. Dazu kommen aber immer Briefe, die wirklich etwas von der Beziehung des Lebenden zu dem Toten sagen. Das sind dann die Perlen in der Auster, die wenigen Momente, für die es sich lohnt, immer mal wieder in die Kiste zu schauen.

Bei Nachrufen ist das so. Es gibt ganz viele, wirklich schlechte Nachrufe, aber die guten, das sind diejenigen, wo man erkennt, dass es eine Verbindung gab zum Verstorbenen. Aber wir sind es nicht mehr gewöhnt, gemeinsam zu trauern. In Heidenkreisen rafft man sich glücklicherweise auf, es gibt dann einen „Wake“ oder sogar einen Ahnentisch, auf dem die Toten erinnert werden. Zu Ostara ehren wir jene, die nicht mehr kommen können, aber schon einmal bei uns waren. Das finde ich eine wundervolle Geste und ich stelle mich immer mit einem Glas Bier in ruhigen fünf Minuten davor und gedenke jener, die gegangen.

Wie gesagt: Jetzt musste ich eine Karte auf der Arbeit ausfüllen. Und ich habe eine ganze halbe Stunde sinniert und immer wieder Entwürfe vernichtet. Am Ende ging mir der Text dann flugs von der Hand:

Von außen ist Leid nur sehbar, nicht vorhersehbar,

verständlich, aber nicht zu verstehen.

Ich bin selten mit meinen Texten voll zufrieden. Dieses Mal war ich es. Ich hoffe, Du kannst das nachvollziehen.

 

Dein Homo Magi

 

500 Jahre Reformation

 

Hallo Salamander,

 

die großen Feierlichkeiten zum Lutherjahr habe ich überstanden. Heidnisch war das eine Katastrophe, weil es überhaupt keine Beschäftigung mit anderen Religionen gab, sondern es war nur Luther – Luther – Luther. Keine der gefühlt tausend Ausstellungen oder Veranstaltungen hat versucht, den Blick ein wenig zu weiten. Aber warum auch: Es gab ja Fördermittel, um stark defizitär alles durchzuführen, was man an Ideen hatte.

Luther selbst stand zwar im Zentrum der Betrachtung, wurde aber nur als Scherenschnitt wahrgenommen. Die Playmobil-Figur verkaufte sich gut, aber die anti-jüdischen Aufsätze Luthers wurden völlig ignoriert. Ein antisemitischer Reformator passt nicht ins Bild der Gegenwart. Auf Platz 2 des Miss-Verstehens ist der Schulterschluss zwischen Katholiken und Protestanten, der ebenso in diese Zeit fiel. Luther, der große Kirchenspalter, wird nun Anlass zur vorgeführten Einigkeit der Christen. Wäre das nötig gewesen, wenn nicht die Kirchen mehr und mehr an Mitgliedern verlieren würden – dabei Einfluss und Geld aber behalten wollen?

Die „Rückbesinnung“ auf die abrahamitischen Religionen, damit die Erlaubnis für die Christen, mit den Muslimen auf Augenhöhe verhandeln zu können, das sind Rückzugsgefechte der Monotheisten gegen die neuen Religionsbewegungen. Aber das Luther-Jahr hat – wie gesagt – an keiner Stelle zum Denken eingeladen, sondern nur religiöse Zuckerwatte mit Traubensaft zum Gottesdienst gereicht, während man laut sang und Playmobil-Figuren kaufte.

Aaargh. Was habe ich mir eigentlich erhofft? Irgendwas von den Kirchentagen der 80er, voll mit Umweltschutz, Antifaschismus, freier Liebe, Vollkornkeksen und bunten Tüchern. Dazu ein wenig Lebenswelt zurzeit Luthers. Darauf dann eine realistische Einschätzung der Lage der evangelischen Kirche heute – aber wer weiterhin lieber mit den großen Kirchen (hier: Katholizismus & Islam) spielen will, um seine späte Geburt zu verheimlichen, der hat für immer verloren. Auch nach 500 Jahren noch.

 

Dein Homo Magi

 

Die 80er

 

Lieber Salamander,

 

manchmal findet man in einem großartigen Buch großartige Sätze. Nach einer Empfehlung der amerikanischen Science Fiction-Fachzeitschrift „Locus“ erwarb ich das unfassbar amüsante „Paperbacks from Hell“ von Grady Handrix. Das Buch ist die Geschichte des Horror-Taschenbuchs in den USA. Man mag sich jetzt fragen, was daran cool sein soll – mein Gott, was habe ich gelacht über die Themen, die der ausgräbt. Da gibt es ein eigenes Kapitel über Horror-Romane um Tiere (nach „Der weiße Hai“ durften alle Mal den Horror versuchen, das war gerade das, was die Verlage einkauften), und eigenartige Insekten machen da keine Ausnahme. Oder Geschichten um Nazi-Gnome in einem verwunschenen Schloss. Das ganze Ding ist dann mit Reproduktionen von unfassbaren Titelbildern geziert; aber das ist hier eigentlich nicht mein Thema.

Hängen geblieben bin ich an einem Zitat:

„Back in the ‘80s we didn’t know that one day all computers would be linked and turned into a giant delivery system for pornography and cat pictures, so networking seemed exciting.“[9]

Mit einem Satz mitten in mein Herz hinein und meine Lachmuskeln aktivierend. Das gibt es viel zu selten. Danke dafür – ach ja, und das Buch ist großartig. Was für unter den Weihnachtsbaum …

 

Dein Homo Magi

 

Die Bank und ich …

 

Hallo Salamander!

 

Ich besitze ein Bankkonto. Das dürfte an sich keine Überraschung sein. Jetzt bin ich vor ein paar Jahren umgezogen. Dann ist die Filiale bei meiner Mutter um die Ecke (also in meinem Heimatort) geschlossen worden. Einsparmaßnahmen wohin man schaut, ich könnte doch in die große Stadt fahren, um dort meine Geldgeschäfte zu erledigen. Das ich einige hundert Kilometer entfernt wohnte, fiel den Sachbearbeitern nicht auf.

Aber über längere Zeit lief das gut, es gibt ja Bankautomaten und das Telefon. Einmal habe ich mich brav bei der neuen Sachbearbeiterin in der großen Stadt vorgestellt, damit die weiß, wer ich bin, aber mehr Kontakt war da nicht – sieht man von den nervigen Serienbriefen ab, bei denen einem Tankerbeteiligungen in Surinam, neue Einlogdaten für das tolle Internet (ich habe gar kein Onlinebanking) oder Änderungen der allgemeinen Geschäftsbedingungen zugeschickt werden, die gerne mal zwölf Seiten in einem Schriftgrad für Perfektseher offerieren.

Also kam irgendwann der Tag, an dem ich beschloss, meine Bankfiliale an meinen Arbeitsort umzuziehen. Zu der Filiale komme ich deutlich öfters als zu meiner Mutter, die haben einen großen Parkplatz, nette Mitarbeiter und einen Kaffeevollautomaten. Also änderte ich dort das Konto hin, ohne damit zu rechnen, dass ich ab jetzt tägliche Anrufe erhalten würde. Nicht, dass ich vorher die abgebende Bankfiliale nicht informiert hatte, aber so etwas wird bekanntlich überschätzt.

Anruf 1: Ich hätte mein Konto gewechselt. Ob das richtig wäre? Nicht, dass ich in der neuen Filiale nicht mit Personalausweis und allem Drum und Dran das längst erledigt hätte. Und wie schön die Idee, dass eine Kontaktaufnahme über eine aus den Archiven gerettete Mobiltelefonnummer mehr Sicherheit gibt als meine tatsächliche Anwesenheit samt Ausweis. Man verstand nicht, warum ich ein wenig verwirrt war.

Anruf 2: Ich hätte mein Konto gewechselt. Ob ich denn auch vorhätte, alle Unterkonten samt dem Kreditwesen und alles andere auf das neue Konto zu wechseln. Meine Hinweise auf meine gesammelten Unterschriften vor Ort und mein Versprechen der neuen Filiale, dass damit ALLES erledigt sei, führten zu eigenartigen Rückfragen, die ich abarbeitete.

Anruf 3: Ich hätte mein Konto gewechselt. Ob ich denn mit meiner Filiale unzufrieden sei. Im Gespräch stellte sich heraus, dass „meine Filiale“ jene Filiale war, die seit zwei Jahren geschlossen ist. Wie es mir möglich sein soll, den Service einer Geisterniederlassung zu beurteilen, ist mir unklar, aber man kann ja über alles reden, besonders am Telefon.

Anruf 4: Ich hätte mein Konto gewechselt. Ob ich denn nicht Lust hätte, jetzt zu Onlinebanking zu wechseln. Wenn ich Lust hätte, zu Onlinebanking zu wechseln, würde ich kaum eine Filiale bei meinem Wohnort wählen, oder? Und da ich seit Erfindung des Internets die Versuche der Bank abwehre, mir ein Onlinekonto einzurichten, sei es doch hoch unwahrscheinlich, dass ich jetzt diesen Wechsel vollziehen würde. Ob ich denn mit meiner Filiale unzufrieden sei … Letztmalig wies ich auf die Existenz der Geisterfiliale hin, wo man offensichtlich in einem Keller noch ein Unterunterkonto von mir weiter führt, was eigenartige Rückfrage erklären würde. Ich bat den Sachbearbeiter, mal einen Blick in seine Unterlagen zu werfen. Er tat es, reagierte mit einem „Oh“ und wollte auflegen. Ich hielt ihn auf und erzählte ihm detailreich, was ich tun würde, wenn sie weiterhin eine geschlossene Filiale im Umgang mit mir weitersimulieren. Und was ich davon halte, dass mein Geld offensichtlich von Wesen verwaltet wird, die weder meine Unterlagen lesen noch daran glauben, dass ich selbst tatsächlich und faktisch mit meinem echten Personalausweis in der Hand eine Willenserklärung bei der neuen Filiale abgegeben habe, deren Berücksichtigung mich mit großer Freude erfüllen würde.

Ich harre der weiteren Entwicklung. Wahrscheinlich machen sie jetzt die geschlossene Filiale wieder auf, retten mein Unterunterkonto und rufen an.

Es gibt Untote. Sie haben kein Gehirn mehr, aber sie können telefonieren. Und zwar mit mir. Ausschließlich. Alle.

 

Dein Homo Magi

 

Weihnachtsmassakker

 

Lieber Salamander,

 

eigentlich ist mein Englisch ganz gut. Aber es war nicht sehr hilfreich, dass ich das Übersetzen und Raussuchen von Vokabeln erst mit Rollenspielen angefangen habe, dann mit anderen Texten. Also waren meine Englischvokabeln relativ schnell auf einen Bereich festgelegt, in dem man zwar wusste, was eine „Torch“ ist und ebenfalls erkannt hatte, dass eine „Wand“ auf Englisch nicht der deutschen „Mauer“ entspricht aber andere Texte entzogen sich meinem Verständnis.

Leider führte das aber zu einigen vermeidbaren Hörfehlern, die besonders in der Weihnachtszeit immer wieder zu Missverständnissen führten. Mein Liebling ist das mit den Schlachtglocken:

Schlachtglocken läuten,

hörst Du Sie auch?

Auf dem Flugzeug

glitzert der Schnee,

es ist ein wundervoller Anblick.

Es ist eine wunderschöne Nacht,

in der wir in das Winterland einmarschieren.

Natürlich, das Eingreifen der Alliierten im ersten Weltkrieg. Ein trauriges Winterlied, das in den angelsächsischen Liedern gesungen wurde, um an die Kriegswinter (1917/1918?) zu erinnern. War irgendwie … plausibel.

Fast richtig … das „Winterland“ ist eigentlich das „Winter Wonderland“, und so heißt das Lied auch richtig. Die von mir falsch verstandene Textstelle heißt im englischen Original:

Sleigh bells ring

Are you listening

In the lane

Snow is glistening

A beautiful sight

We’re happy tonight

Walking in a winter wonderland

Naja, die Glocken auf dem Pferdeschlitten sind zu Weihnachten eher passend als mein Massaker in Frankreich. Natürlich sagt das Fehlhören eine Menge über mich aus … aber zu Weihnachten darf man als Heide den christlichen Mythos falsch verstehen … das tun viele Christen ja auch.

Dein Homo Magi

 

Turnikuti, Turnikuta, der Zebulon ist wieder da

 

Lieber Salamander,

 

es gibt magische Geschichten, die an mir vorbeigegangen sind. Dieses Mal ist es die „Gnade der späten Geburt“, die mich im Fernsehen wohl eine prägende Erfahrung verpassen ließ: Den Zauberer Zebulon.

Der Name Zebulon war mir vorher nur als einer der zwölf Stämme Israels bekannt, aber in einer Diskussion mit Verwandtschaft musste ich meine Unkenntnis dokumentieren, was den gleichnamigen Zauberer betraf. Nachlesen war angesagt, was mich in ein Universum führte, von dem ich noch nie vorher gehört hatte. Da gab es den Zauberer Zebulon selbst:

Zebulon: ebenso wie im französischen Original heißt das undefinierbare Wesen „Zebulon“, so wie einer der 12 Stämme Israels, kann mit seinem Schnurrbart zaubern und ruft mit rollendem R: „Turnikuti, Turnikuta, der Zebulon ist wieder da!“. Er hüpft auf einer Sprungfeder statt Beinen, kündigt sich immer mit einem „Boing!“ an und schickt die Kinder am Ende jeder Folge ins Bett.[10]

Das klingt schon ein wenig … eigenartig. Die Serie selbst hieß überhaupt nicht nach dem Zauberer, sondern nannte sich „Das Zauberkarussell“:

Das Zauberkarussell war eine ursprünglich französische Fernsehserie für Kinder, die in Deutschland ab dem 3. September 1966 vom ZDF gesendet wurde, zuerst sonntags nachmittags und später samstags.

Über 500 jeweils fünf Minuten lange Folgen der Puppentrickserie wurden von 1963 bis 1967 von Serge Danot produziert. Die Pilotsendung wurde nie ausgestrahlt. Die Serie wurde vom 6. Oktober 1964 bis 1971 unter dem Titel Le manège enchanté in Frankreich ausgestrahlt und war sofort ein voller Erfolg beim Publikum.

Die Serie wurde weltweit von mindestens 98 Fernsehsendern ausgestrahlt und in 28 Sprachen übersetzt.[11]

Das Weltbild der Serie wird nicht umsonst als „surreal“ und „entspannt“ bezeichnet.[12] So etwas konnte man 1966 noch ausstrahlen, da war ich noch zu klein, um Fernsehen zu schauen. Aber dass ich die vielen Wiederholungen verpasst habe ... eigenartig. Bei Gelegenheit muss ich mal ein Ritual mit „Turnikuti, Turnikuta, der Zauberer ist wieder da“ beginnen. Mal gucken, wer alt genug ist, um das (wieder) zu erkennen.

 

Dein Homo Magi

 

Xanadu

 

Lieber Salamander,

 

wenn uns auf Reisen in magische Länder fremde Plätze unterkommen, dann sind die Berichte der beteiligten Reisegruppen immer abhängig vom Zeitgefühl. Während seit Tolkien die „mittleren Königreiche“ eine große Rolle spielen, in deren Fantasy-Umgebung man bei Geistreisen immer verschlagen wird, so war es früher gerne mal Xanadu.

Historisch heißt die Stadt ganz anders und ist zerstört:

Shangdu (…) war während der mongolischen Yuan-Dynastie die Sommer-Residenzstadt Kublai Khans, des Kaisers von China. Sie wurde 1256 angelegt. Das westliche Wissen über Shangdu geht auf einen angeblichen Besuch durch Marco Polo im Jahr 1275 zurück. 1369 wurde Shangdu von Ming-Truppen erobert und anschließend völlig zerstört.[13]

Weiter heißt es bei Wikipedia:

Im Westen ist die Stadt auch unter dem Namen Xanadu bekannt, der auf das 1816 veröffentlichte Gedicht Kubla Khan von Samuel Taylor Coleridge zurückgeht. Dessen erste Strophe lautet:

In Xanadu did Kubla Khan

A stately pleasure-dome decree:

Where Alph, the sacred river, ran

Through caverns measureless to man

Down to a sunless sea.[14]

Die sonnenlose See … war sie es, welche die Wahrnehmung von Xanadu als mystischem Ort in unserem kollektiven Bewusstsein verankerte? Natürlich ist es wieder einmal mein Science Fiction-Lieblingsautor, der den Verweis mit verarbeitet hat:

Cordwainer Smith bezieht sich in der Science-Fiction-Kurzgeschichte Down To A Sunless Sea im Rahmen der „Instrumentalität der Menschheit“ auf Coleridges Werk.[15]

Oder waren es die vielen Erwähnungen in der Popmusik (von „Frankie Goes to Hollywood“ über „Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick & Tich“ bis hin zum Film „Xanadu“, der mit Musik von „Electric Light Orchestra“ und grausamen schauspielerischen Fähigkeiten von Olivia Newton-John glänzte?) die den Namen einschrieben in unsere mentalen Reiseführer von mystischen Orten?

Vielleicht ist es auch die Erwähnung im Film?

Im Spielfilm Sky Captain and the World of Tomorrow aus dem Jahre 2004 wird Xanadu als geheimer Ort im Himalaya beschrieben, an dem der verbrecherische Forscher Totenkopf Menschenversuche anstellt.[16]

Meiner Meinung nach ist es der zunehmenden Bedeutung von Tibet und bösen Tibetern in der Mystik geschuldet, dass in der Anderswelt wieder viele Schilder nach Xanadu führen. Ich versuche immer, dabei an „Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick & Tich“ zu denken und nicht an Olivia Newton-John. Wobei ich da den spanischen Vortext nicht verstehe … Konquistadoren in Tibet? Und ein Duell im Himalaya?

Esta es la leyenda de Xanadu

You’ll hear my voice, on the wind, ’cross the sand

If you should return, to that black barren land that bears the name of Xanadu

Cursed without hope, was the love that I sought

Lost from the start, was the duel that was s’possed to win her heart in Xanadu[17]

Man muss nicht alles verstehen, was in der Anderswelt passiert. Aber ich biete mich gerne als Reiseführer an – wenn die Musik stimmt!

 

Dein Homo Magi


 

Star Wars Papst

 

Hallo Salamander,

 

natürlich kennt jeder echte Science Fiction-Fan Lando Calrissian:

Lando Calrissian war ein professioneller Glücksspieler und ideenreicher Geschäftsmann. Seine Karriere begann früh als Spieler teilweise riskanter Glücksspiele. Mit dieser Beschäftigung konnte Lando den Titel des Baron-Administrators der Wolkenstadt, einer Tibanna-Gas-Mine und Vergnügungsstätte auf dem Planeten Bespin, erlangen.

Den Verlust seines geliebten Millennium Falken an den Corellianer Han Solo sowie eine später entgangene Bezahlung sorgten für eine tiefe Kluft zwischen den beiden früheren Kameraden. Mit der wiedergewonnenen Freundschaft zu Han trat Lando der Rebellen-Allianz bei.[18]

Natürlich wird er gerne von Menschen, die gar keine Ahnung haben, mit Londo Mollari[19] verwechselt. Das ist etwa so, als ob man „Star Trek“ und „Star Wars“ verwechselt (oder Limonade mit Brezeln … anderes Thema).

Irgendwann beim Lesen von historischen Texten fand ich den Namen Lando dann wieder – an einem Ort, wo ich die Rebellenallianz nicht vermutet hätte: Im Papsttum.

Über Lando ist sehr wenig überliefert: Sein Vater hieß Taino, und Lando selbst wurde nicht weit östlich von Rom geboren. Er wurde im Juli oder August des Jahres 913 zum Papst gewählt und amtierte etwa sechs Monate lang.

(…)

Wahrscheinlich stand der Papst völlig unter der Kontrolle des römischen Stadtherrn Theophylakt I. von Tusculum, der als Vestarar (päpstlicher Kämmerer) die gesamte Vermögensverwaltung der Kirche kontrollierte und außerdem als Doge und Konsul dem Senat und der Miliz vorstand, sowie der so genannten Pornokratie (Mätressenherrschaft), welche von Theodora I. von Tusculum und ihrer Tochter Marozia unter Sergius III. etabliert worden war.

Zudem war er der letzte Papst, dessen Name von keinem späteren Papst wieder verwendet wurde. Ferner war er der letzte Papst vor Johannes Paul I. (1978) und vor Papst Franziskus (2013), der einen vorher noch nicht verwendeten Namen trug.[20]

Nach einer Pornokratie würde ich den Namen auch nicht wieder verwenden … obwohl Long Dong Petrus ein toller Name für einen Papst wäre. Aber das fällt nur einem Heiden ein.

 

Dein Homo Magi

 

Magiertürme

 

Hallo Salamander,

 

eine Version der eigenen Weiterentwicklung lässt sich dadurch objektivieren, dass man seine Wunschbilder aus den entsprechenden Dekaden vor dem inneren Auge vorbeiziehen lässt und vergleicht. Um es etwas einfacher zu formulieren: Unsere Träume und Wünsche sind mit 20 anders als mit 30 als mit 40 oder 50 Jahren. Ich habe jetzt einige Stunden darüber reflektiert, wie sich mein Selbst-Bild als Magier verändert hat. Natürlich ist es so, dass man sich für Reisen in die Anderswelt gerne in Schale wirft. Ich war nie der Typ dafür, mich mit einem Magierhut samt Spitze und Stulpenstiefeln vorzustellen. Da war die Konkurrenz immer zu groß und ein weißer Bart wäre nicht nur kein Alleinstellungsmerkmal gewesen, sondern auch aufgrund meines fehlenden Bartwuchses ein echtes Problem (von der Ähnlichkeit zum Weihnachtsmann mal ganz zu schweigen).

Eine Sache, die sich massiv verändert hat, ist die Sicht auf meine eigene Behausung in der Magierwelt. Gut, ich stelle gerade fest, dass ich ein Benennungsproblem habe. Der Begriff der „Anderswelt“ ist (Wortspielhölle) anders besetzt, die Zwischenwelt hat auch eine andere Bedeutung gewonnen. Wenn ich von „drüben“ spreche, denken viele an den Tod (der gar nicht drüben ist, aber das ist ein anderes Thema). Nennen wir diese Welt der magischen Reisen weiterhin und brav „das mittlere Königreich“, ohne die Frage zu beantworten, ob es andere Königreiche gibt, wer der König ist oder was das soll. Der Begriff ist mehr oder weniger unverwendet und ist für mich immer wiedererkennbar in diesem Zusammenhang.

Weiter im Text. Während meine Sicht auf mich selbst früher in den mittleren Königreichen mit dem Gedanken gespielt hat, dass ich als Magier dort in einem Turm wohne, von dem aus man einen großartigen Überblick über die darunter ausgebreitete, mittelalterliche Stadt hat, so hat sich das in den letzten Jahren massiv verändert. Inzwischen möchte ich gerne ein Haus in einer Nebenstraße; alles ist dann fußläufig vom Marktplatz um die Ecke entfernt, damit ich mit kurzen Wegen an die Dinge des täglichen Lebens komme. Gene ein Haus mit einem ersten Stockwerk und meinetwegen einem Dachboden, aber so aufgebaut, dass man Gäste unten empfangen kann und oben Dinge hat wie das Schlafzimmer und ein Zimmer für Gäste.

Man wird halt älter, so könnte die banale Begründung für diese Veränderung meiner magischen Seite lauten. Nicht, dass ich mir nicht immer noch genug Phantasie zugestehe, dass ich in einen Turm hineinschweben oder mich von einem Drachen tragen lassen könnte, wenn ich Lust und Laune habe, meine Räumlichkeiten zu verlassen. Aber meine Umwelt wird auch älter und hat irgendwann keine Lust mehr, die 999 uralten, von endlos vielen Sterblichen ausgetretenen Marmorstufen bis zum Sanktum meiner Wenigkeit hinaufzulaufen, nur um die Post zu bringen, die Küche zu putzen oder einfach mal „Hallo“ zu sagen. Denn Magier haben auch eine Umwelt, die mit ihnen altert. Und diese Umwelt reitet keine Drachen und schwebt nicht in den 426. Stock. Und wenn man einmal erkannt hat, dass der beste Magier ohne Bäcker, Zahnarzt und Putzfrau irgendwie schon verloren ist, dann sucht man sich einen magischen Traum, in dem sie alle teilhaben können. Es macht einen auch irgendwie menschlicher, oder?

 

Dein Homo Magi

Teddy

 

Hallo Salamander,

 

bei einem Rückblick an Weihnachten letztes Jahr überlegte ich, was ich eigentlich aus meinem Leben seit meinem ersten Lebensjahr „mit herumschleppe“. Es sind – Trommelwirbel – meine erste Babysocke, die ich als Avatar der Macht aufhebe, und mein Teddy.

Es gibt ein schönes oder eher entwaffnendes Fotos aus dem Jahr 1965, auf dem ich zur Weihnacht in einem leeren Bierkasten sitze, den Teddy im Arm. Der Bierkasten ist aus Holz (war damals noch üblich, selbst wenn man sich das heute kaum noch vorstellen kann), die Flaschen sind um uns beide herum drapiert und ich halte den Teddy im Arm. Welche Art von Humor daraus spricht, sei dir zur Deutung überlassen.

Den Teddy habe ich immer mitgeschleppt. Brav passte er auf alle Betten in allen meinen Wohnungen auf und sorgte dafür, dass keine Weltraumninjas eindrangen, während ich schlafe. Ebenso stoppte er die Kavalkaden von unter dem Bett wohnenden Monstern, bevor sie über mich herfallen konnten.

Fast zwanzig Jahre später haben wir uns weiter angenähert. Als meine erste Freundin mich verließ (bei Delling! Das ist schon verdammt lange her.) ließ ich mir trotz meiner Nadelphobie ein Loch ins Ohr stechen, weil ich mir überlegt hatte, dass das Überstehen des einen Schmerzes den anderen Schmerz kleiner machen würde. Hat nur zum Teil geklappt. Der Juwelier war sehr überrascht, dass ich nur ein Ohrloch wünschte, war doch der Preis für zwei Ohrlöcher der gleiche wie für ein Ohrloch. Ich wollte nur eines, trug dann immer mal wieder einen goldenen Ring im Ohr und seit vielen Jahrzehnten konsequent einen Knopf im Ohr – wie mein Teddy, ebenso im linken Ohr.

Der einzige Unterschied ist jetzt, dass der Teddy aus Altersgründen nicht mehr brummt, wenn man ihm in den Bauch sticht. Ich schon.

 

Dein Homo Magi

 

Putzfraupiraten

 

Hallo Salamander,

 

kürzlich habe ich für eine Art Fantasy-Liverollenspiel Piratenmünzen bestellt, so richtig hübsche Metalldinger mit einem Kraken auf der Rückseite und gekreuzten Knochen auf der Vorderseite. Sehen hübsch aus, sind auch solide gemacht, von daher ein echter Erfolg.

Die waren aber ausgesprochen nervig verpackt, so mit einer Klebehülle drum herum. Die musste ich liebevoll da einzeln rausholen, weil alles klebte. Über einen ökologischen Ansatz wollen wir bei der Verpackung nicht nachdenken. Beim ganzen Klimbin müssen wohl zwei Münzen unter den Schreibtisch gerollt sein. Fiel mir nicht auf.

Dann kam die Putzfrau. Ich kann das nur rekonstruieren, denn als ich abends nach Hause kam lagen die beiden Münzen schon sortiert auf meinem Schreibtisch. Jetzt frage ich mich nur: Was mag die Putzfrau dabei gedacht haben?

Sammele ich heimlich Münzen aus der Karibik, die ich sonst in Gold und Silber erwerbe, aber wenn zwei Kupfermünzen unter den Schreibtisch rollen – das fällt mir nicht einmal auf? Oder habe ich Zugang zu einer alten Galeone, die am Ostseestrand liegt und deren Fundort nur mir bekannt ist? Das erklärt zwar meinen Sommerurlaub an der Ostsee, ist aber – was spanische Seerouten betrifft – für Galeonen eher ein ungewohntes Pflaster. Vielleicht präge ich heimlich nach, gehe als Falschmünzer für historische Münze in die Geschichte ein – wenn ich geschnappt werde. Oder bildet sich in ihrem Gehirn eine lange Geschichte von Menschenhandel mit Frauen aus der Karibik, die ich mir schicken lasse und die ich ihrer letzten Dublonen beraube, bevor ich sie weiter verkaufe?

Ich weiß es nicht. Sie ist nicht da, wenn ich heimkomme. Jetzt müssen wir beide mit unterschiedlichen Enden des Mysteriums leben, ohne es lösen zu können.

Seufz.

 

Dein Homo Magi

 

Delling in Regensburg

 

Lieber Salamander,

 

meine Beschäftigung mit Delling, dem obskuren Schutzgott meines Vertrauens, habe ich schon ein paar Mal erwähnt. Jetzt ist er mir wieder über den Weg gelaufen:

Mit Dellinger, dem dritten Gemahle der Nacht, scheint Hans Dollinger identisch zu sein, der vor Regensburg mit dem Heiden Krako kämpfte, dem zwei schwarze Teufel unsichtbar halfen. Beim ersten Zusammentreffen stach der Heide Dollinger vom Pferde, aber als ihn der Kaiser Heinrich I. mit dem Kruzifix wieder frisch und gesund gemacht hatte, rannte er beim zweiten Zusammentrafen dem Heiden die Lanze in das eine Ohr, dass sie zum anderen herauskam.

Dieser Hinweis auf Dollinger stammt aus „Grundlage, Entstehung und genaue Einzeldeutung der bekannten germanischen Märchen, Mythen und Sagen“ von Gustav Friedrichs (Leipzig, 1909). Ich finde es zwar nett, dass hier ein heidnischer Gott zu einem christlichen Kämpfer und Heidenfeind Beziehungen haben soll, aber irgendwie auch unglaubhaft. Trotzdem stürzte ich mich ein wenig in die Recherche.

Immerhin ist es eine alte Quelle:

Die Dollingersage gehört nach Ansicht von zwei Autoren, deren Ergebnisse allerdings umstritten sind, zu den ältesten Stadtsagen Deutschlands, doch setzt die schriftliche Überlieferung erst im 16. Jahrhundert ein, so dass nicht mehr alle Änderungen im Laufe der Entstehungsgeschichte nachzuvollziehen seien. Als historischer Hintergrund bieten sie die Ungarneinfälle des 10. Jahrhunderts und speziell die Schlacht auf dem Lechfeld 955 an, da der Angreifer Craco ursprünglich ein Hunne gewesen sei. In späteren Überlieferungen sei er zu einem Türken umgedeutet worden, was angesichts der damals aktuellen Bedrohung des Abendlandes durch die Türkenkriege plausibel sei.[21]

Inhaltlich gibt es wenige Verbindungen zu „meinem“ Delling:

Die Handlung der Sage wird von Chronisten des 16. und 17. Jahrhunderts in die 920er Jahre verlegt. Ein heidnischer Ritter, in manchen Fassungen mit dem Namen Craco benannt, fordert die Regensburger Ritterschaft höhnisch zum Kampf heraus. König Heinrich I. gelingt es zunächst nicht, einen Ritter dazu zu bewegen, die Herausforderung anzunehmen. Doch schließlich findet sich der Regensburger Bürger (Hans) Dollinger, der den Prosafassungen der Sage zufolge zu dieser Zeit im Kerker einsitzt, im Gegenzug für seine Freilassung zum Kampf bereit. Dollinger betet in der Niedermünsterkirche am Grabe des Hl. Erhard und begibt sich zum Haidplatz, wo das Turnier stattfinden soll. Zweimal gelingt es Craco, Dollinger aus dem Sattel zu stoßen. Doch als König Heinrich dem Helden ein Kreuz an die Lippen presst, gelingt es Dollinger den Feind im dritten Anlauf zu besiegen.[22]

Als moderner Heide muss man das natürlich aus dem Bauch heraus deuten … hüstel. Dollinger ist dann Delling und Heide (daher der Haidplatz), Craco ist ein Christ, den Delling besiegt (daher das Kreuz). Craco kommt von Krokus, eine uralte Blume, die einen Christen bezeichnet. War schon immer so. Ehrenwort.

Interessant ist die Differenz zwischen Buch und Internet, was die Zahl der Waffengänge betrifft. Dollinger erscheint mir als Ansatz interessant … aber ich habe keinen Punkt, wo ich meine Brechstange ansetzen kann. Und ehrlich: Mit Delling hat das nix zu tun.

 

Dein Homo Magi

 

Älter werden

 

Hallo Salamander,

 

ich bin mal wieder ein Jahr älter geworden. Nein, du hast nichts verpasst – keine runden Zahlen, keine nummerologische, tiefere Information im Zahlenwert und auch keine Feier, zu der du nicht eingeladen warst.

Altersspezifisch gibt es weniger Bargeld als mit 13, weniger nützliche Dinge für den Haushalt als mit 23 und weniger anzügliche Dinge als mit 33 (und weniger Alkohol als mit 43 …).

Aber einen Spruch fand ich so toll, dass ich ihn dir nicht verheimlichen will. Geschickt hat ihn mir ein alter, guter Freund von mir:

Alles Gute zum neuen Level! Und hüte Dich vor den Bossmonstern!

Wie schreibt Wikipedia zur Erklärung:

Ein Endgegner (auch Boss genannt, weitere Varianten sind Endboss, Bossgegner, Boss-Monster oder im MMORPG-Jargon auch BossMob) ist in Computerspielen ein besonders starker und widerstandsfähiger Gegner, den der Spieler am Ende eines Spielabschnitts besiegen muss. Der Kampf gegen einen Endgegner stellt innerhalb des Spielverlaufs einen Höhepunkt dar und bildet den Abschluss eines Levels, einer Mission, eines Dungeons oder auch des Spiels selbst. In einigen Spielen trifft der Spieler auch mitten in einem Level auf Gegner mit Endgegner-Eigenschaften. Diese bezeichnet man als Zwischengegner (oder auch als Mini-Boss oder Zwischenendgegner).[23]

Alles drin. Großartig.

 

Dein Homo Magi

 

Eigenartige Stromversorgung

 

Lieber Salamander,

 

es gibt so eigenartige Momente. Da treibt mich der Harndrang auf einem Flughafen in die Toilette. Im Vorraum – da wo immer die Waschbecken sind – bleibe ich verwirrt stehen. An die Wand geschmiegt steht ein Mann in der Ecke zwischen Handtrocknergebläse und Waschbecken eingeklemmt. Seine Reisetasche steht auf der Ablage vor dem Spiegel, sein rechtes Knie sitzt auf dem Waschbeckenrand auf.

Ich schaue und stelle erleichtert fest, dass er sowohl angezogen als auch wach ist. Außerdem sind keine eigenartigen Flecken zu sehen, die auf Körperflüssigkeiten an ungeeigneten Stellen hinweisen würden. Normalerweise geht man als Mensch an so etwas vorbei, aber ich bin natürlich neugierig und investiere einen zweiten und einen dritten Blick.

Die einzige Steckdose für ein Handy befindet sich zwischen den Spiegeln; offensichtlich, um einen Rasierer einzustöpseln. Das war aber in diesem Falle nicht der Plan, sondern der Mann wollte telefonieren, ohne über eigenen Strom zu verfügen. Die restlichen Faktoren führten dann Schritt für Schritt zum Ergebnis. Der Stecker musste in die Dose. Das Kabel musste in das Mobiltelefon. Dieses wiederum musste an das Ohr. Die restlichen Positionen waren dann vorgegeben.

Im Mittelalter gab es Foltergeräte, die Menschen zu solchen Körperhaltungen zwangen. Jetzt müssen sie das nicht nur bis zum Rahmen der absoluten Selbstentwürdigung treiben, sondern sie tun es sogar in einem Spiegelkabinett.

Was habe ich getan? Ich ging mich entleeren und wusch mir dann lange die Finger. Sehr lange. Dann brauchte ich natürlich mehrere Durchgänge mit dem Gebläse, um die Finger wieder trocken zu kriegen. Während ich alle Geschäftsgeheimnisse des Herren erfuhr, die er natürlich weiter und immer lauter werdend erzählte, rieb ich meine Hände im warmen Luftstrom – wohl wissend, dass ich alles richtig machte.

Hihi.

 

Dein Homo Magi

 

Parkplätze

 

Lieber Salamander,

 

kürzlich kam ich bei einer Überlandtour durch eine Landschaft, in der man offensichtlich Wert darauf legte, dass das Rasten am Straßenrand ohne Dreck und Müll erfolgt. Eine schöne Idee in einer landschaftlich schönen Gegend.

Irritiert hat mich das Schild, das durch die Verwendung von Großbuchstaben brillierte: „AKTION FREIER PARKPLATZ“. Natürlich war damit gemeint, dass der Platz frei von Müll und anderen Hinterlassenschaften der modernen Nomaden ist.

Ein klarer Fall von „gut gemeint“ statt „gut gemacht“. Denn eigentlich wird – bei dieser Schreibweise – dafür geworben, dass man hier problemlos an käufliche Liebe kommt.

Wir zitieren:

Als Kunde wird (auch) im Jargon der Prostitution eine Person bezeichnet, die für sexuelle Dienstleistungen bezahlt. Der Kunde ist der Kunde einer/eines Prostituierten und wird auch als „Gast“ bezeichnet. Eine weibliche Person, die sexuelle Dienstleistungen in Anspruch nimmt, wird als Kundin bezeichnet. Ein homosexueller männlicher Kunde ist der Geschäftspartner von Callboys oder Strichern (Strichjungen).

In der Umgangssprache gibt es für die Kunden der Prostituierten die Bezeichnung „Freier“: Der Begriff stammt aus dem Althochdeutschen. Freien wurde gleichbedeutend mit „heiraten“ genutzt. Um eine Frau zu freien, bedeutet (nach wie vor, aber ungebräuchlich), sich um ihre Liebe hinsichtlich ihres Einverständnisses zur Ehe zu bemühen. Der Ausdruck Auf Freiersfüßen war ein anerkennender Spruch für einen Mann, der sich auf Brautschau befand.[24]

Sehr schön, dass hier Plätze ausgewiesen werden, wo man darauf warten kann, dass jemand vorbei kommt, der einem Sex für Geld anbietet. Ich wollte dann dort nicht rasten – Dreck hin, Dreck her.

Sprache war mal ein Kulturgut.

 

Dein Homo Magi


 

Isländische Islamisten

 

Lieber Salamander,

 

in der (englischsprachigen) „Time“ vom 12.03.2018 las ich einen Artikel über Beschneidungsdiskussionen auf Island. Irgendwie fand ich das beim ersten Suchen online nicht wieder, aber online brachte „The Guardian“ dieselbe Geschichte:

Iceland is poised to become the first European country to outlaw male circumcision amid signs that the ritual common to both Judaism and Islam may be a new battleground over religious freedom.

A bill currently before the Icelandic parliament proposes a penalty of up to six years in prison for anyone carrying out a circumcision other than for medical reasons. Critics say the move, which has sparked alarm among religious leaders across Europe, would make life for Jews and Muslims in Iceland unsustainable.

One in three men globally is thought to be circumcised, the vast majority for religious or cultural reasons. Many Jews and Muslims fear the issue of circumcision could become a proxy for antisemitism and Islamophobia, pointing to similar tensions over religious dress and the ritual slaughter of animals for meat.

Muslim and Jewish leaders attacked the proposal, while Cardinal Reinhard Marx, president of the Catholic Church in the European Union, said the bill was a „dangerous attack“ on religious freedom. „The criminalization of circumcision is a very grave measure that raises deep concern.“

The Icelandic bill says the circumcision of young boys violates their rights and is incompatible with the United Nations convention on the rights of the child. It draws a parallel with female genital mutilation, already outlawed in most European countries.

The bill says circumcisions are performed without anaesthesia, and claims the procedure is often carried out „in homes that are not sterile, and not by doctors but by religious leaders. There is a high risk of infections under such conditions that may lead to death.“

It acknowledges that while parents have the right to give religious guidance to their children, „such a right can never exceed the rights of the child“. Boys who wish to be circumcised for religious or cultural reasons can do so when they reach an age at which they „understand what is involved in such an action“, it suggests.[25]

Wir fassen Teil 1 zusammen: Island möchte die männliche Beschneidung verbieten. Man wünscht sich, dass solche Entscheidungen von Erwachsenen selbst für sich getroffen werden, ein solcher Eingriff in die Gesundheit des Kindes – selbst aus religiösen Gründen – sei besonders dann gefährlich, wenn die Beschneidung unter fehlenden hygienischen Bedingungen geschieht. So weit, so gut – auch wenn ich die Parallele zur Beschneidung von Frauen nicht nachvollziehbar finde. Weiter:

Iceland’s population of about 336,000 includes tiny Jewish and Muslim communities. There are thought to be some 250 Jews and about 1,500 Muslims.[26]

Kein Anteil, der jetzt vermuten ließe, dass hier ein echter Aufschrei passiert. Weit gefehlt:

Silja Dögg Gunnarsdóttir of the centre-right Progressive party said she had proposed the bill after realizing that there was no ban on male circumcision although FGM has been outlawed in Iceland since 2005. „If we have laws banning circumcision for girls, then we should do so for boys,“ she said.

„We are talking about children’s rights, not about freedom of belief. Everyone has the right to believe in what they want, but the rights of children come above the right to belief.“

Nordic countries had well-deserved reputations for promoting human rights, she added. „If Iceland backs this, I think other countries will follow.“

The issue of circumcision has been raised in other European countries but none has outlawed it.

According to Milah UK, a Jewish campaign group to protect the right to circumcision, the procedure is only carried out by highly-trained and regulated practitioners, known as mohelim. Boys are usually circumcised at eight days old.

A spokesperson for Milah UK said: „Jewish male neonatal circumcision – known as brit milah – is a non-negotiable element of Jewish identity, common to Jews from all backgrounds and respected in liberal democratic countries. For a country such as Iceland, that considers itself a liberal democracy to ban it, thus making sustainable Jewish life in the country impossible, is extremely concerning.“

Parallels with FGM were unwarranted, Milah UK said. The partial or complete removal of female genitalia could make intercourse difficult and painful and cause serious medical complications. In contrast, circumcision was a minor procedure.

„There is no recognized long-term negative impact on the child for the rest of his life. Millions of men – Jews as well as others – are circumcised around the world, and are unaffected in their everyday lives by having undergone the procedure. Carrying out brit milah on newborn boys is a central requirement of Jewish law,“ the spokesperson said.

Moshe Kantor, president of the European Jewish Congress, called for respect for the values of openness and tolerance, and added there was no evidence that circumcision was harmful.

„We can only assume that this attempt to ban a core practice of Jewish communities comes from ignorance about the practice and its effect on Jewish children, rather than to send a message that Jews are no longer welcome in Iceland,“ he said.[27]

Beschneidungsverbot als Antisemitismus? Aber jetzt kommen die Moslems ins Spiel:

Ahmad Seddeeq, the imam of the Islamic Cultural Center of Iceland, said the bill contravened religious freedom. „Circumcision has been practiced for centuries, it is deeply rooted in cultural and religious traditions,“ he said.

A meeting of religious organizations in Iceland was called earlier this month to discuss the bill, and they hoped to issue a declaration of opposition, he added.

Muslims in Iceland were already travelling to neighbouring countries to have the procedure performed on babies because of the reluctance of local doctors. But, Seddeeq said, „the [medical] benefits of this practice far exceed the risks“.

Jewish and Muslim communities warn that if circumcision is outlawed, the practice will go underground or religious minorities will travel or relocate to countries where it is permitted.[28]

Aha! Wenn etwas verboten wird, hört man nicht etwa damit auf, sondern droht vorher an, dass man das im Geheimen weitermachen wird. Wenn das bei Kinderschändern und Drogenhändlern genauso wäre, würden wir laut aufschreien. Bei Religionen … diskutieren wir. Warum?

In Germany, a 2012 law permits only trained practitioners to perform circumcisions. It followed a controversial German court ruling which said circumcision „permanently and irreparably changed“ a child’s body, and took away the individual’s right to „make his own decision on his religious affiliation“.[29]

Das klingt für mich nach einer nachvollziehbaren Begründung, ganz brav in einer Linie mit der liberalen Tradition hier – auch wenn diese gerne übertüncht oder vergessen wird.

The following year, the Council of Europe passed a resolution calling on 47 member states to regulate practices concerning ritual circumcision, „to overcome some of the prevailing traditional methods, which do not take into consideration the best interest of the child and the latest state of medical art“. Israel said the resolution fostered „hate and racist trends in Europe“.

Two years ago, a judge sitting in a British family court said that young children should not be circumcised until they are old enough to decide for themselves. NHS advice is that „the risks associated with circumcisions when carried out by qualified and experienced doctors are small“.

The Icelandic bill comes against a backdrop of a number of European countries prohibiting Islamic religious dress, such as the niqab or burka. This spring the Danish parliament will debate a bill banning full-face veils in public.[30]

Ob man Beschneidung im selben Zusammenhang wie eine Burka diskutieren kann? Kann man offensichtlich, aber eine Burka kann man ablegen, eine Beschneidung rückgängig zu machen, erscheint mir erst einmal als schwieriger.

Last year Belgium voted to ban halal and kosher meat, citing animal rights. Poland’s government has proposed a law prohibiting kosher slaughter, in a move vehemently opposed by the Jewish community.

The Icelandic bill on circumcision has cross-party backing and wide public support, Gunnarsdóttir said. If it passes its first reading, the bill will go into committee stage for several months before it can become law.[31]

Wow. Island, da hatte ich eher mit einer Anti-Asatru-Bewegung gerechnet, als mit einer Diskussion über religiöse Freiheiten.

Westliche Demokratien müssen sich halt entscheiden: Religionsfreiheit darf Grundrechte nicht einschränken. Punkt. Und wenn man klar hat, was die Grundrechte sind, auf die man verständigen will, dann müssen diese für alle religiösen Gruppierungen gelten. Ausnahmslos.

Aber diese Diskussion hatten wir schon endlos oft in den letzten 200 Jahren. Und sie ist nicht einfacher geworden.

 

Dein Homo Magi

 

P.S.: Beschneidung: Es gibt sicher noch Männer, die daran glauben, dass man als Mann nachher eine 30 Zentimeter lange Narbe haben müsste, damit es echt wirkt. Aber das sind wahrscheinlich keine Isländer, denn die sollten das Thema inzwischen genügend aus der Presse kennen.

P.P.S.: Ja, Operationen am Geschlechtsteil gehören nicht zu meinem normalen Themenkreis. Ich habe mich … gewundert, dann geärgert. Muss auch mal sein.

 

Zusteller

 

Lieber Salamander,

 

ich frage mich seit Wochen, warum ich keine Post mehr kriege. Liegt es an den regelmäßigen Volksfesten, deren Standbeschicker den Platz vor unserer Tür zum Teil so Zubauen, dass ein Zugang nicht mehr möglich ist? Liegt es am Unwillen der Fahrer, am Brezel- oder Wurstgeruch vorbei unseren Briefkasten zu erreichen? Oder ist es ein Einsparprogramm an Benachrichtigungskarten, was nicht einmal mehr diese Form der Unterrichtung möglich macht?

Ich weiß es nicht. Aber heute war eine erste Aufklärung möglich, denn statt Post fand ich ein Werbezettel der Post. Mit dem tollen Motto „Menschen verbinden, Leben verbessern.“ Sucht die Post „für unsere Niederlassung“ „ab sofort, an ihrem Wohnort und in der näheren Umgebung Zusteller für Briefe und Pakete (m/w)“. Ich wusste vorher nicht, dass es männliche und weibliche Briefe gibt, aber auch hier gilt: Man lernt nie aus.

Immerhin erfahre ich jetzt, warum ich prinzipiell an einem Tag keine Post kriege („Sie unterstützen uns an 5 Wochentagen von montags bis samstags“ … das Abzählen der Finger für die Wochentage ergibt ein Problem), was bei Zustellern vorausgesetzt wird („Einwandfreies Führungszeugnis“) und der Hinweis auf die zu verlernende Grundfähigkeit schlechthin: „Gutes Deutsch in Wort und Schrift“. Das sagt mir die Organisation, die mich mal vier Wochen gebannt hat, weil es in meinem Haus keinen Herrn Mann gibt. Das ist mein Vorname, naja, so ungefähr. Aber woher soll der Zusteller das wissen.

Am allerbesten ist aber die leicht zu merkende E-Mail-Adresse, bei der man sich mit einem PDF bewerben kann: abt19nl7132@deutschepost.de. Abteilung 19 in den Niederlanden, Postleitzahl (alt) 7132 – das ist heute noch Frauenkirchen ist Ostösterreich, oder Illingen in Württemberg (vor der Einführung der fünfstelligen Postleitzahl). Das erklärt nicht nur die verlängerten Zustellungswege, sondern auch die verlorene Zeit … seufz. Und bitte jetzt keine Hinweise auf nl für „Niederlassung“ – die Suche nach der Nummer auf der Seite der deutschen Post ergibt „Die Adresse ist nicht bekannt“. Warum mir klar.

 

Dein Homo Magi

 

Männer mit Stock

 

Hallo Salamander,

 

kürzlich musste ich erkennen, dass ich wohl unwiderruflich zum Establishment gehöre. Ich stieg aus einem Nahverkehrszug und musste eine Treppe hoch, um vom Bahnsteig in den Bahnhof zu kommen. Ich ging mit Stock – es war einer jener Tage, an denen ich nicht wirklich mobil bin. Passiert immer mal wieder, ist aber locker im Griff zu behalten. Ehrlich.

Also ging ich – die rechte Hand am Handlauf, die linke mit dem Stock – langsam die Treppe hoch, während um mich herum die Pendlermengen vorbeidrängen. Auf der Hälfte der Strecke musste ich innehalten, weil auf der Treppe ein junger Mann saß, der in Ruhe einen Döner aß. Ich bat ihn höflich, mir Platz zu machen. Ich erhielt ein Grunzen und einen unwilligen Blick. Dann biss er wieder in seinen Döner, machte aber keine Anstalten, sich davon zu bewegen.

Es dauerte einen Moment, bis ich ihn umschiffen konnte. Vier Stufen später saß der nächste junge Mann. Der hatte aber Kritik vorgesorgt, in dem er sich Ohrhörer aufgestülpt hatte. Er schaute auf, und versank dann wieder in seinen Innenwelten. Auch ihn umschiffte ich unter größerem Aufwand.

Oben angekommen, sah ich zehn Meter zu meiner Rechten zwei Mitarbeiter der Security stehen. Ich nahm mir ein Herz, ging mitsamt Stock auf sie zu und erzählte ihnen meine Geschichte. Dann bat ich sie, die beiden jungen Männer von der Treppe zu entfernen. Sie bedankten sich für meinen Hinweis und machten sich auf den Weg, um ihr Werk zu verrichten. Ich ging weiter.

Etwas später fiel mir auf, dass ich früher niemals auf die Idee gekommen wäre, die „Autoritäten“ anzusprechen. Jetzt auf einmal – bang – Ankunft im „Establishment“.

Hmpf. Was kommt als nächstes? Ein FDP-Parteibuch und der Wunsch, dass sich nichts mehr verändert? Ich hoffe nicht.

 

Dein Homo Magi


 

Islamistische Pralinen

 

Lieber Salamander,

 

mir juckt es in den Fingern, in den „einschlägigen Fachblättern“ eine Anzeige zu schalten. Den Inhalt stelle ich mir ungefähr so vor:

Deutsche! Esst keine Pralinen mehr! In ihnen steckt der Islam.

Sollte es Rückfragen geben, so verweise ich auf den Nachfolger des Propheten Mohammed,

Abū l-Hasan ʿAlī ibn Abī Tālib (… * um 600 in Mekka; † 28. Januar 661 in Kufa) oder kurz Ali war der Vetter und Schwiegersohn des Propheten Mohammed und ist eine zentrale Figur des Islam. Er war der erste männliche Anhänger Mohammeds und heiratete dessen Tochter Fatima. Nach dem Tode des Propheten im Jahre 632 war er von 656 bis 661 Kalif. Über die Frage, ob er berechtigt gewesen wäre, unmittelbar nach dem Tode Mohammeds dessen Nachfolge anzutreten, entzweiten sich die Muslime: für die Schiiten, deren Name sich von schīʿat ʿAlī ([] Partei ʿAlīs) ableitet, war ʿAlī der rechtmäßige Nachfolger Mohammeds, die Sunniten dagegen meinen, dass Mohammeds Schwiegervater Abū Bakr, der auch tatsächlich die Nachfolge antrat, größeren Anspruch darauf hatte. Den Sunniten gilt ʿAlī als vierter und letzter Rechtgeleiteter Kalif, den Schiiten und den Aleviten, deren Name sich ebenfalls von ʿAlī ableitet, als erster Imam. Auch ʿAlīs Söhne Hasan und Husain sind zentrale Figuren im schiitischen und alevitischen Islam. Bis heute genießen die Aliden, die Nachkommen ʿAlīs, hohes Ansehen in den muslimischen Gesellschaften.[32]

Denn in jeder Praline stecken die Silben Ali – wem das nicht klar war, der hat nicht verstanden, wie subtil der Islam unsere Schokoladenindustrie unterwandert. Den Negerkuss und den Sarotti-Mohr haben wir schon geopfert, jetzt noch die Praline – wo soll das hinführen? Ich weiß es nicht, lebe aber jetzt in Angst.

Und ja: Ich habe gestern definitiv zu viel Schokolade gegessen. Ist nicht gut für mein Großhirn.

 

Dein Homo Magi

 

Heiden ohne Bart?

 

Hallo Salamander,

 

endlich habe ich einen Grund, mich nicht mehr zu rasieren – aber leider führt das bei meinem geringen Bartwuchs zu keinen vorzeigbaren Ergebnissen. Aber selbst die amerikanische Armee hat jetzt erkannt, dass es mehr als eine (oder zwei oder drei) Religionen gibt und erlaubt ihren Soldaten, als Heiden Bart zu tragen:

A bearded US Army soldier who worships Thor, the Norse god of thunder, is being permitted to keep his beard as part of the military’s effort to be more religiously accommodating.

In 2017, the Army decided to allow soldiers to wear a turban, beard or hijab for religious reasons. Initially, religious accommodation of facial hair in the Army seemed to be directed at Sikh service members (beards are a religious requirement for male Sikhs).

Now, however, it appears this new policy also permits adherents of the Norse pagan faith, also known as heathens, to keep their beards. Unlike Sikhs, Norse pagans are not required to wear beards as part of their faith, but facial hair is apparently encouraged.

A memo written by commander Colonel Curtis Shroedero to a 795th Military Police Battalion soldier who reportedly made the request stated, “I grant your accommodation, subject to the standards and limitations described below.”

The memo, which has been shared on Facebook but does not include the soldier's name, went on to say, “In observance of your Heathen; Norse Pagan faith, you may wear a beard, in accordance with Army uniform and grooming standards for soldiers with approved religious accommodations.”[33]

In einer Welt, in der Kultur-stiftend in Bayern wieder Kreuze aufgehängt werden in den Amtsstuben ist dies ein Zeichen dafür, dass zwar viele verrückt sind, aber nicht alle. Religionsfreiheit kann immer nur für alle gelten und sie darf nicht dazu führen, dass eine Religion (oder ihre Symbole) zum Zwang werden.

Was meinen Bartwuchs betrifft: Ich bin kein Anhänger von Thor, von daher habe ich hier Glück gehabt. Vielleicht sollte ich argumentieren, dass meine kleine Religionsgruppe tägliches Duschen voraussetzt – aber damit bin ich manchmal auch Minderheit. Religion wirkt immer nur im Kontext.

 

Dein Homo Magi

 

Tod und Verderbnis

 

Lieber Salamander,

 

ich muss die Welt nicht verstehen. Manchmal ist es aber einfach kurios, wie die Welt mich zu erheitern versucht.

Beginnen wir mit einem aktuellen Urteil:

Deutsche Behörden dürfen einen tunesischen Gefährder nach Tunesien abschieben, obwohl es in dem Land die Todesstrafe gibt. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden (2 BvR 632/18). Diesem zufolge verstößt eine Abschiebung nach Tunesien nicht gegen das Grundgesetz, weil dort die Todesstrafe seit 1991 ausnahmslos ausgesetzt ist und die tunesischen Behörden zugesichert haben, sie auch künftig nicht anzuwenden.

Geklagt hatte ein Mann, der im Jahr 2003 erstmals als Student nach Deutschland eingereist war und im Jahr 2015 als angeblicher Syrer erneut unter falschem Namen in die Bundesrepublik kam. Der Mann ist eigentlich Tunesier. Ihm wird vorgeworfen, im März 2015 als Mitglied des sogenannten „Islamischen Staats“ (IS) in Tunesien an Planung und Umsetzung von Terroranschlägen mit zahlreichen Toten beteiligt gewesen zu sein – unter anderem soll er mitverantwortlich sein für den Anschlag auf das Bardo-Museum in Tunis, bei dem 21 Touristen getötet wurden. Deshalb suchte die tunesische Justiz nach ihm. Auch deutsche Behörden ermittelten gegen ihn wegen des Verdachts der Unterstützung des IS.[34]

Okay, Einreise mit falschem Namen, das dürfte eigentlich für eine Abschiebung reichen. Dann Planung von Terroranschlägen, die dann durchgeführt wurden und Todesopfer nach sich zogen. So grausam das ist – Grund 1, die Einreise mit falschem Namen, sollte doch für eine Abschiebung ausreichen. Dann wird ein nicht-geklärter zweiter Vorwurf benutzt, um eine Gefahr zu erklären, die im Heimatland droht. Alles für mich nicht ganz nachvollziehbar, denn ein Anschlag mit Toten ist für mich Mord. Aber ich bin da wohl ein wenig unbedarft.

Das ganze wird noch kurioser:

Im August 2016 stellte Tunesien einen Auslieferungsantrag. Der Mann klagte aber vor dem Verwaltungsgericht dagegen und erlangte zunächst vorläufigen gerichtlichen Schutz. Daraufhin ordnete das Land Hessen die Abschiebung auf der Grundlage einer Sondervorschrift für die Abschiebung von Gefährdern an. Hier gilt ein verkürzter Rechtsweg, eine Klage ist nur direkt beim Bundesverwaltungsgericht möglich. Dieses wies den Tunesier jedoch ab. So landete der Fall vor dem Bundesverfassungsgericht.[35]

Das Land Hessen will in ein Land abschieben, in dem die Todesstrafe ausgesetzt ist, und wird deswegen verklagt. Werfen wir doch mal einen Blick in die hessische Verfassung. Dort heißt es in Artikel 21:

(1) Ist jemand einer strafbaren Handlung für schuldig befunden worden, so können ihm auf Grund der Strafgesetze durch richterliches Urteil die Freiheit und die bürgerlichen Ehrenrechte entzogen oder beschränkt werden. Bei besonders schweren Verbrechen kann er zum Tode verurteilt werden.

(2) Die Strafe richtet sich nach der Schwere der Tat.

(3) Alle Gefangenen sind menschlich zu behandeln.[36]

Wie ich es schon in der Schule gelernt habe: In Hessen gilt weiterhin die Todesstrafe. Als Exil-Hesse kann ich also nicht in mein Heimat-Bundesland zurückkehren bzw. dazu gezwungen werden, weil dort die Todesstrafe herrscht … äh.

Wäre das nicht der Punkt, wo man aufschreibt und endlich eine Kampagne startet, um dieses total überholte und nicht wirksame Gesetz zu ändern und endlich im 21. Jahrhundert anzukommen? Nein. Eigentlich dürfte man mit diesem Ansatz keinen Flüchtling nach Hessen schicken … und Menschen wie mir im Rahmen eines Hessenschutzprogramms Geld anbieten, weil ich mein Heimatbundesland unter Gefahr (!) verlassen habe.

Aber immer daran denken: Humor und Flüchtlingsthema … das klappt nicht. Darf man bei so einer Geschichte nicht über den Balken im eigenen Auge lachen? Ich denke schon. Und tue es auch.

 

Dein Homo Magi

 

Schöne Formulierungen

 

Hallo Salamander,

 

ich bin ein Freund von tollen Sätzen. Gerade hat mich das echte Leben dazu angeregt, mal wieder ein paar Versuche zu starten. Der erste Versuch betrifft die Frage nach Folterungen bei der Hexenjagd:

Die Inquisition hat mitgeteilt, dass der Anteil aller kurz vor der Folterung oder während der Folterung gestorbenen Hexen innerhalb der Statistik der Inquisition von der Grundgesamtheit aller gefolterten Hexen abgezogen werden.

Jeder würde mir erzählen, dass das Wahnsinn ist. Schon beim ersten Lesen fällt einem auf dass hier etwas nicht stimmen kann. Eine Unverschämtheit, wie hier Bezugsgrößen falsch verwendet werden. Wer macht denn so etwas? Zum Glück: Keiner. Bei Hexen.

Aber ich gebe zu, ich schreibe das nicht ohne Grund. Es geht aber nicht um Hexen, es geht um Zugausfälle. Man möge mir den geschmacklosen Vergleich verzeihen, aber anders wird einem nicht klar, zu was Sprache hier missbraucht wird. Wie lässt die Bahn verlauten:

Die DB AG hat mitgeteilt, dass der Anteil vollständig oder teilweise auf einem Streckenabschnitt ausgefallener Züge innerhalb der Statistik der Deutschen Bahn AG von der Grundgesamtheit aller planmäßig verkehrender Züge im Personenverkehr abgezogen werde (…).[37]

Großartig. Ein ausgefallener Zug ist kein später Zug, weil er ja nie gefahren ist. Da ist es für den Fahrdienstleiter einfacher, den Zug nicht starten zu lassen, weil er dann nicht in die Verspätungsstatistik kommt.

Hier dient die Beförderung von Anweisungsmissbrauch dem Missbrauch von Personenbeförderung.

Alle irre. „Genießen Sie das Leben in vollen Zügen!“

 

Dein Homo Magi

 

Jägerlatein

 

Lieber Salamander,

 

vor einigen Tagen saß ich morgens zum Frühstück in einer ländlichen Pension. Am Nachbartisch sammelte sich die örtliche Gruppe der Jäger – das konnte man anhand der Kleidung sehen, die geparkten SUVs im Hof ließen auch Hinweise darauf erkennen. Aber das gebrachte Jägerlatein erinnerte mich so an die Märchenstunden meiner Kindheit, das ich fasziniert zuhörte, während ich langsam meinen kälter werdenden Kaffee schlürfte.

Am ersten Morgen ging es um die schlechten Jagdergebnisse der letzten Tage. Fazit war, dass es am Abwerfen des Winterfells liegt. Den Tieren ist ohne Winterfell kalt, deswegen bewegen sie sich hektisch und springen immer gerne überraschend von A nach B oder rennen in Wahnsinnsgeschwindigkeit durch den Wald. Zielführende Schüsse sind daher unmöglich, weil die Tiere frieren.

Am nächsten Morgen ging es dann um die gute Luft. Die Gegend ist Luftkurort, was viele Touristen anlockt. Ich wurde darauf hingewiesen, dass es ausgesprochen wichtig sei, sich hier jeden Morgen mit Sonnencreme einzureiben. Die fehlenden Dreckpartikel in der Luft – die es in allen großen Städten in Unmengen geben würde, nur hier eben nicht – sorgen dafür, dass das Sonnenlicht unreflektiert direkt auf meine Haut knallt. Kein Dreck in der Luft = volle Sonne. Weder das schöne Wetter noch das damit verbundene längere draußen-sitzen waren schuld, sondern die saubere Luft in diesem Gebiet.

Wie früher in der Stube meiner Großmutter lehnte ich mich zurück, nickte ab und an vielsagend und genoss das Jägerlatein wie ein Märchen, das herüberklingt aus alter Zeit. Mann, war das schön!

 

Dein Homo Magi

 

GWUP

 

Hallo Salamander,

 

letztes Wochenende war ich auf der SkepCon, der Jahrestagung der GWUP (Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften e.V.).[38] Die meisten Vorträge waren leider eher anstrengend – schlecht vorbereitet, schlecht gehalten. Gut gemeint, aber schlecht gemacht.

Aber aus den Vorträgen über „Fake News“ konnte ich immerhin einige Handlungsanweisungen für gute (!) Informationen ziehen, die ich hier kurz wiederholen will.

Man soll:

·         Falschinformationen nicht wiederholen (sie „brennen sich sonst ein“)

·         Informationen knapp, klar und deutlich präsentieren

·         Was steckt hinter dem Mythos? Also die Frage stellen, wem es nützt („cui bono“[39]).

·         Freundlich sein

·         „Erzähle eine Geschichte“ (die Zuhörer müssen Spaß beim Zuhören haben – ein Thema, dem ich mich seit Jahrzehnten stelle).

·         Widerrufene Aussagen sollten „überschrieben“ werden; die neue Erinnerung muss den Platz der alten einnehmen.

Leider haben das nicht alle Referenten geschafft. Aber daraus habe ich was gelernt. Hoffe ich.

 

Dein Homo Magi

 

„Der arme Tesla“

 

Lieber Salamander,

 

manche Dinge sind so eigenartig, dass man sich fragt, warum die Leser nicht sofort wissen, dass der „Heiler“ auf der anderen Seite die metaphorischen Kleider des nackten Königs nicht trägt. Oder: Warum man nicht sofort „Bullshit“ oder „Herr, wirf Hirn vom Himmel“ ruft, wenn man so etwas liest.

Setzen wir mal Tesla ansatzweise als bekannt voraus:

Nikola Tesla ([…], * 10. Juli 1856 in Smiljan, Kroatische Militärgrenze, Kaisertum Österreich; † 7. Januar 1943 in New York, USA) war ein Erfinder, Physiker und Elektroingenieur. Sein Lebenswerk ist geprägt durch zahlreiche Neuerungen auf dem Gebiet der Elektrotechnik, insbesondere der elektrischen Energietechnik, wie die Entwicklung des heute als Zweiphasenwechselstrom bezeichneten Systems zur elektrischen Energieübertragung. Tesla hat in 26 Ländern über 280 Patente erhalten, davon 112 in den USA.[40]

Durch einen netten Hinweis von anderer Seite fand ich jetzt (endlich, so könnte man meinen) den „TESLA PSI-GENERATORS WITH COMPLETE DIGITAL PHARMACY - THE FRONTIER OF QUANTUM GENETICS“.[41]

Das ist ein Gerät, das man dringend braucht. Natürlich muss man sich vorher überlegen, wie viele Schichten man braucht – es dauert nämlich mehr als einen Tag, um eine einzige Schicht herzustellen. Und Super, Ultra und Ultima haben halt mehr Schichten als das Basic-Angebot. Da kann es dann schon einmal länger als einen Monat dauern, bis man ein Ultima hergestellt hat, daher ist eine schnelle Bestellung zwingend:

Models of TESLA PSI-GENERATORS differ by the size of the chip (the number of layers). The chip is multilayered and it takes longer than one day to produce just one layer. Our SUPER, ULTRA and ULTIMATE PSI-GENERATORS has twice as much layers than our BASIC TESLA PSI-GENERATOR. Production of our ULTRA and ULTIMATE MINI-TESLA PSI-GENERATORS takes about or longer than one month. There are two generations of chips: FIRST GENERATION CHIP and SECOND GENERATION CHIP.[42]

Welch Glück, dass die Entdecker gleich auch das „universal human biohologram“ alias „digital cell“ entdeckt haben. War mir irgendwie entgangen, dass es das gibt. Obwohl man da jahrzehntelang nach geforscht hat. Heimlich, im „Area 51“ vermute ich. Also:

Generic Human Biohologram, aka DIGITAL CELL, is the result of decades of research, and is the foundation for our diagnostics procedures.[43]

Klar …

Aber man kann jetzt per Laser auf dem Nano-Niveau (!) sich das eingravieren lassen – natürlich in den Chip, wohin sonst:

Each model comes in GENERIC and INDIVIDUAL version. Generic version has the universal human biohologram (aka DIGITAL CELL) encoded via laser into the chip on nano level. And the individualized version has the personal human biohologram encoded via laser into the chip on nano level.[44]

Bei Nano reden wir von einem Milliardstel, wenn ich mich recht erinnere. Ein Milliardstel von was? Aber das ist dann wohl egal, weil später sehen kann ich mein „personal human biohologram“ wahrscheinlich sowieso nicht, egal wie groß es ist (oder besser: sein soll). Was soll ich auch von einem individuellen Hologramm halten, dass entweder von einem Kinderfoto oder von Nabelblut aus erstellt wird:

INDIVIDUAL TESLA PSI-GENERATORS have individual biohologram of a client in the chip, being encoded via laser onto the chip on nano level. Individual biohologram is recorded from your childhood photograph (or navel blood / placenta) via laser, digitized, diagnosed, and encoded into the chip via laser.[45]

Das erscheint mir jetzt nicht so sinnvoll. Oder andersherum (mit lauter Stimme): Wie hirnverweicht muss man sein, um diesen Widerspruch nicht zu erkennen – Kinderfoto oder Nabelblut als zwei Optionen für dasselbe Ziel?

Aber es ist klar, was die Käufer erwarten:

INDIVIDUAL TESLA PSI-GENERATORS are produced for the ultimate protection against genetic and psychotronic warfare.[46]

Die genetischen Kriege war doch immer ein Thema in den alten „Enterprise“-Folgen … da waren sie aber 1996 zu Ende.[47] Ist an den Herstellern des Geräts vorbeigegangen … oder an mir. Ist dann wohl die Folge des „psychotronic warfare“.

Das erste Angebot – 35.000 Euro, Freundschaftspreis – ist schon gaga genug: Software mit 44 Modulen für jedes Organ etc.:

FIRST GENERATION CHIPS (inside a pendant) come with the COMPLETE DIGITAL PHARMACY (in English) as software on a flash drive with 44 modules for every essential bodily organ and physiological system. Market value is 35,000 Euros only one module.[48]

Aber das ist ja nur die erste Generation. Wenn man die zweite Generation kauft, dann erhält man das Tesla Test-Programm, dazu halb-hörbare Störgeräusche aus heiligen Mantren. Wer es nicht glauben mag:

SECOND GENERATION CHIPS (inside a pendant) come with the ADVANCED DIGITAL PHARMACY, which consists either in TESLA TEST software program (abbreviation: TT) for the REMOTE LASER TREATMENT, or with the TESLA HUMAN CELL, as 5 MP3 files of the digitized Bioholograms of the essential bodily organs and physiological systems encoded as half-audible white noise in the Sacred Mantras, recorded by the new generation laser.[49]

Nein, ich will das nicht zum Geburtstag. Niemand will das zum Geburtstag.

Seufz. Durchatmen.

Wir zitieren im Chor Immanuel Kant:

„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. »Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!« ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“

Die Hoffnung stirbt zuletzt.

 

Dein Homo Magi

 

Eddische Rahmen

 

Hallo Salamander!

 

Für die Eröffnungsworte zur diesjährigen Ostara-Feier brauchte ich einen feierlichen Rahmen. Nach einigem Suchen beschloss ich, einen Text aus dem „Sigdrifumal“ („Die Lied von Sigrdrifa“) in der Simrock-Version als Rahmen zu benutzen.[50] Als Einstand dienten bekanntere Formulierungen, nämlich die aus der „Wöluspa“ („Der Seherin Gesicht“).[51]

Das ganze Konglomerat habe ich überarbeitet und verschmolzen, dazu die Anweisungen gekürzt und bearbeitet (auf 9, passt zu den Welten).

Den fertigen Text, so wie vor Ort deklamiert, gebe ich hier stolz wieder.

Allen Edel‘n gebiet ich Andacht,

Hohen und Nieder‘n von Heimdalls Geschlecht;

ich will Walvaters Wirken künden,

die ältesten Sagen, der ich mich entsinne.

 

Weiß von Alben, weiland gebor’nen,

die mich vor Zeiten erzogen gehabt.

Neun Welten kenn‘ ich, neun Äste weiß ich,

an dem starken Stamme, im Staube der Welt.

 

Heil dir Tag, Heil euch Tagessöhnen,

Heil dir Nacht und nährende Erde:

Mit unzorn‘gen Augen schaut auf Uns,

und gebt uns sitzenden Sieg.

 

Heil euch Asen, Heil euch Asinnen,

Heil dir, fruchtbares Feld!

Wort und Weisheit gewährt uns edel‘n Zwei‘n

und immer heilende Hände!

 

Das rat‘ ich zuvörderst, gegen Freunde stets

ledig zu leben aller Schuld.

Sei zu Rache nicht rasch, wenn sie dir Unrecht tun,

das sagt man, taugt im Tode.

 

Das rat‘ ich zum andern, keinen Eid zu schwör‘n,

der sich als wahr nicht bewährt.

Grimmige Fesseln folgen dem Meineid,

unselig ist der Schwurbrecher.

 

Das rat‘ ich zum dritten, dass du beim Mahl nicht

mit läppischen Leuten rechtest.

Ein unkluger Mann kann oft doch sagen

schlimmere Dinge denn er weiß.

 

Vier: Viel liegt am Leumund,

drum gib‘ Müh‘ dir im Guten.

Lass stehen den Schwätzer,

so lohne den Leuten die Lüge.

 

Das rat‘ ich dir fünftens, wo Menschen gesellig

Worte wechseln hin und her,

trunken tad‘le nicht tapfere Herzen,

manchem raubt das Bier den Witz.

 

Das rat‘ ich zum sechsten, wo du zu schaffen hast

mit beherzten Helden,

mehr frommt fechten als in Feuer aufgeh‘n

mit Hof und Halle.

 

Das rat‘ ich dir siebtens, nimm dich des Toten an,

wo du im Feld ihn findest,

sei er siechtot oder seetot,

oder am Stahl gestorben.

 

Das rat‘ ich dir achtens, Unrecht zu meiden

und List und lose Tücke;

wahr bleibe wahr und Lüge bleibt Lüge,

denn Delling erhellet der Dunkelheit Drang.

 

Zuletzt: Wähle nun, da die Wahl dir geboten,

versammeltes heidnisches Volk.

Sagen oder Schweigen ersinne dir selber;

Jede Reise hat ihren Preis.

Dem ist nichts hinzuzufügen.

 

Dein Homo Magi

 

Delling rulez

 

Lieber Salamander,

 

mit dem heidnischen Stammtisch (oder besser: Teilen davon) besuchten wir die Sonderausstellung „Götter, Glaube und Germanen“ im Museum Kalkriese.[52] Erst gab es eine kleine Runde über das Gelände, auf dem man die Varusschlacht erinnert, dann war die Sonderausstellung dran.

Als erstes fiel ich vor Freude fast in Ohnmacht, als auf dem großen Götterstammbaum Delling sehr prominent zu sehen war. Ein Teil des Stammtischs beschuldigte mich, nachts eingedrungen zu sein, um ihn händisch nachzumalen, während ein anderer Teil mich fragte, was ich dafür gezahlt hätte. Nichts, natürlich. Delling hat diese Macht … und ich war wirklich überrascht. Vor zehn Jahren wäre das noch undenkbar gewesen.

Dann leitete man uns durch die Veranstaltung. Die Führerin verwies ausdrücklich darauf, dass es bei den Mooropfern auch Butteropfer gegeben habe. Wieder wandte sich der Stammtisch skeptisch in meine Richtung, aber ich konnte mein „Pokerface“ aufrecht erhalten und versichern, dass natürlich jedem Heiden mit ein wenig Asatru-Hintergrund klar sein müsse, dass Butter schon immer und überhaupt …

Nachher musste ich mich dann online schlau machen, weil ich natürlich vorher noch nie davon gehört hatte. Also:

Moorbutter ist die Bezeichnung für wachsartige Substanzen, die in Torfmooren gefunden wurden. Die Mehrheit der Funde hat ihren Ursprung in Milchfett, bei den anderen handelt es sich um Schlachtfett wie Schmalz. Die häufigsten und von der Masse größten Funde wurden in Irland und Schottland gemacht. Eine geringere Zahl, ausschließlich Kleinmengen, stammt aus Norwegen, den Niederlanden, Schleswig-Holstein, Ostfriesland und Pommern.

(…)

Warum die Butter im Moor vergraben wurde, ist nicht abschließend geklärt. Als wahrscheinlichste Variante gilt, dass überschüssige Butter im Sommer auf diese Weise unter Luftabschluss konserviert wurde. Möglicherweise handelte es sich dabei auch um eine Art Geschmacksveredelung. So erwähnte William Petty im 17. Jahrhundert, dass die Iren „strong butter“, eine ranzige Butter, aßen, die durch Lagerung im Moor reif gemacht worden war. Auch sein Zeitgenosse, der Dichter Samuel Butler, berichtete, dass in Irland Butter für sieben Jahre im Moor vergraben wurde. In Irland wird mehrheitlich die Meinung vertreten, dass die Gewohnheit eine religiöse Bedeutung hatte. Da Butter in Irland in Behältern aus Holz, Rinde, Haut und Stoff und Korb gefunden worden ist, neigt man zu dieser Theorie.[53]

Sowas kann mich nicht erfinden. Oder fälschen. Nicht einmal ich. Delling rulez.

 

Dein Homo Magi

 

Postale Probleme

 

Lieber Salamander,

 

für meine Frau sollte ich eine Sendung bei der Post abholen. Sie schrieb mir eine Vollmacht auf die Karte, ich steckte meinen Ausweis ein und nichts wie hin zur Post. Naja, so einfach war es nicht, ich musste erst einen Zeitpunkt finden, wo ich nach der Arbeit ... man kennt das ja mit Öffnungszeiten und Erreichbarkeit.

Ich erreichte die Filiale zu Öffnungszeiten (!), stellte mich brav an, gab die Karte ab und erhielt zur Antwort, dass ich diese Sendung nicht abholen könne. Auf dem Aufkleber von DHL stände eindeutig „Identitätsnachweis“, und das hieße in den geheimen, internen Hinweisen der Post, dass man das nicht abholen lassen kann. Also trollte ich mich fünf Meter weit und las in aller Ruhe die Karte. Dann stellte ich mich erneut an. Mein Gegenüber war leicht nervös. Ich erklärte mich: Auf der Hinweiskarte steht nämlich nur, dass man die Sachen nicht abholen lassen kann, wenn „Identitäts-Check“ vermerkt ist. War es aber nicht, sondern nur „Identitätsnachweis“. Das sei dasselbe, meinte der Mitarbeiter. Ich verneinte. Er verwies mich an seinen Chef.

Dieser versuchte erst erfolglos, sich hinter Regalen zu verstecken (kein Witz), dann bearbeitete er mein Anliegen. Ich bat einfach um die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, was totale Hektik auslöste. Nach einigen Minuten bekam ich ein Exemplar. Ich setzte mich an den Lesetisch und las.

Erneutes Anstellen ergab dann, dass sich der Mitarbeiter vom ersten Gespräch so positionierte (lies: verbarg), dass zwingend sein Chef mein Anliegen bearbeitete. Ich teilte mit, dass das die AGB von DHL sei, aber das hier sei doch eine Postfiliale, nicht DHL, wo sei denn ihre AGB? Völliges Chaos. Das ist nicht die Post, wie ich erfuhr, das Namensschild mit „Postbank“ sei nur ein Name, keine echte Firma und das Suchen der AGB würde dauern. Und dauerte. Und dauerte. Dann bekam ich einen Ordner, den ich einsehen durfte (!), der aber keine ladungsfähige Adresse und keinen Hinweis darauf erhielt, wie man die Abkürzungen zuzuordnen habe oder warum DHL hier seine Post lagert. Ich freue mich schon darauf, einen Brief wegen der Datenschutzgrundverordnung zu schreiben. Aber nicht mehr heute.

Also stellte ich mich wieder an, den Ordner in der Hand. Beide Männer hatten inzwischen eine junge Mitarbeiterin nach vorne geschickt und verbargen sich hinter Kartons. Ich sagte zu der jungen Dame, dass ich mit den beiden Herren sprechen wolle. Zögernd kamen diese nach vorne. Ich bedankte mich und fragte höflich (und laut), ob ich mich nett und lieb verhalten hätte oder ob es irgendeinen Grund gäbe, mich zu entschuldigen. Beide verneinten das murmelnd. Damit war auch die Heldengeschichte über den randalierenden Kunden gestorben, welche sie sicherlich der jungen Dame erzählt hatten.

Okay, das Paket habe ich nicht bekommen. Aber ich habe 30 Minuten meine bürgerlichen Rechte ausgelegt. Muss auch mal sein.

 

Dein Homo Magi

 

Ge(Arndt)

 

Hallo Salamander,

 

auf dem Flohmarkt habe ich mir für kleines Geld „Gedichte“ von Ernst Moritz Arndt gekauft. Im Gedächtnis war er mir für Werke wie das „Vaterlandslied“ („Der Gott, der Eisen wachsen ließ, / Der wollte keine Knechte“) und „Des Deutschen Vaterland“ („Was ist des Deutschen Vaterland? / Ist’s Preußenland, ist’s Schwabenland“). Sprachlich immer stark, politisch nicht mein Ding. Aber für einen Flohmarktkauf ein echtes Schnäppchen.

Wer war der Mann? Wikipedia hilft:

Ernst Moritz Arndt (* 26. Dezember 1769 in Groß Schoritz, Rügen; † 29. Januar 1860 in Bonn) war ein deutscher Schriftsteller, Historiker, Freiheitskämpfer und Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung. Er widmete sich hauptsächlich der Mobilisierung gegen die Besetzung Deutschlands durch Napoleon. Er gilt als einer der bedeutendsten Lyriker der Epoche der Befreiungskriege und wird sehr unterschiedlich beurteilt: Einige betonen seine demokratischen Gedanken und sehen ihn als deutschen Patrioten in turbulenten Zeiten, andere wiederum charakterisieren ihn als Nationalisten und thematisieren vorhandene antisemitische Tendenzen in seinen Schriften.[54]

Also war meine Erinnerung richtig. Aber dann gab es auch Stücke, die mir sehr heidnisch erscheinen:

Männerglück

 

Was ist herrlichster Klang? Ist’s droben

Auf des Donnerers Stühlen sitzen

Und, von wolkiger Nacht umwoben,

Rings aus rollen Wetter blitzen?

Den Donnerer kann ich doch nur als Thor lesen.

Und dann das:

Chorgebet

 

Herrscher der Dinge,

Selige Götter,

Deutet der Menschen

Klügeln euch je?

Feuriger Schwinge

Fähret das Wetter

Schmetternd zur Erde,

Stiftend das Weh.

 

Und von dem Tage

Fliehet der Schimmer,

Und von den Nächten

Fliehet der Schlaf:

Denn von dem Schlage

Hebet sich nimmer,

Wen es mit Blitzen

Schrecklicher traf.

 

Bringet ihr wieder

Freundliche Sonnen,

Wandelt das Glück auch

Lustig darein,

Locken uns Lieder,

Reizen uns Wonnen,

Blühet das Leben

Lieblich im Schein,

 

Und von den Blitzen

Und von dem Wehe

Rollender Wolken

Klingt es nicht mehr;

Leuchtenden Sitzen

Himmlischer Höhe

Gleicht sich in Wonne

Irdisches Heer.

 

Selige Götter,

Richtet mit Gnade,

Richtet der Menschen

Flüchtig Geschlecht –

Geht ihr im Wetter

Donnernde Pfade,

Träufelt ihr Segen,

Eu‘r ist das Recht.

 

Denn was im Staube

Wechselt und wandelt,

Fliehet wie Sand im

Winde dahin,

Und gleich dem Laube,

Welches verwehet,

Wechselt der Menschen

Schicksal und Sinn.

 

Darum bescheiden

Sollen sie treten

Unter des Himmels

Leuchtendem Saal,

Blühend in Freuden

Sollen sie beten,

Dass sie nicht treffe

Fressender Stahl.

 

's wechselt die Welle

Unten nach oben,

Spielet den Schwimmer

Auf und hinab:

Heut ist sie helle,

Heut ist er oben,

Morgen sie reißt ihn

Brausend ins Grab.[55]

Wow. Nachmittag gerettet.

 

Dein Homo Magi

 

Von Hand gezöpfelt

 

Lieber Salamander,

 

kürzlich erstand ich eine Packung Zigarren der Marke „Original Krumme-Junior“. Jetzt dachte ich immer, der Name „Krumme Junior“ bezöge sich auf die eigenartige Form der drei verbundenen Zigarren. Und natürlich glaubte ich, dass der schöne Satz auf der Seite „Von Hand gezöpfelt“ darauf schließen lässt, dass es sich um eine überlebende Ostmarke handelt. Doch obwohl ich auf dem Gebiet der ehemaligen DDR stand, als ich den Einkauf tätigte, war meine Vorerwartung völlig falsch.

Man findet online den Hersteller. Es sind … Schweizer.[56]

Auf der Seite gibt es auch eine Beschreibung der genannten Zigarre:

Die VILLIGER ORIGINAL-KRUMME wird aus drei noch feuchten Cigarren von Hand gezöpfelt. Durch die Kurven in der Cigarre kühlt die Luft ab und das Tabakaroma kann sich optimal entfalten.

Wie ihre Schwester wird die VILLIGER ORIGINAL-KRUMME JUNIOR auf traditionelle kubanische Weise geflochten und bietet den gleichen außergewöhnlichen Geschmack. Diese Cigarre unterscheidet sich durch ihren milderen Geschmack und mit einer etwas dünneren und kürzeren Form ist sie ideal für den etwas kürzeren Genuss.[57]

Von Hand gezöpfelt. Über 25 Jahre nach der Wiedervereinigung glaube ich immer noch ab und an, dass alle unverständlichen, deutsch klingenden Worte ostdeutsch sind. Es waren die Schweizer. Mist.

 

Dein Homo Magi

 

Elternhaus

 

Hallo Salamander,

 

meine Mutter hat unser Elternhaus geräumt. Irgendwann kommt einfach der Zeitpunkt, wo man als ältere Dame nicht mehr auf vier Stockwerken wohnen sollte. Wenn man dann fällt und keiner findet einen … gruselige Vorstellung. Also wohnt mea mater jetzt auf einem Stockwerk in einer eigentlich ganz netten Wohnung.

Aber leider hat die letzte Räumaktion in meinem Elternaus vor über 50 Jahren stattgefunden. Das Haus ist 52 Jahre alt, und wahrscheinlich hat man damals schon angefangen, alles zu verstauen, um es dann nie wieder in die Hand zu nehmen. Jetzt, wo meine Mutter ausziehen musste, war wahrscheinlich niemand insgeheim ärgerlicher als sie, dass sie noch lebte – den das führte dazu, dass die potentiellen Erben nicht alles ausräumen musste, sondern sie selbst gezwungen war, Gegenstände zu identifizieren.

Das Aufräumen von Nachlässen gleicht doch sonst oft archäologischen Abenteuern. Keiner weiß, was Gegenstand X in Wirklichkeit ist. Ein elektronisches Hilfsmittel zum Entkernen von Pflaumen? Das Steuerelement einer Reichsflugscheibe? Ein Föhn mit einem Adapter für Strom in Großbritannien? Keiner weiß es genau, so wie auch keiner weiß (oder wissen will) welche Frucht eingekocht, dann mit einem unlesbaren, im Original in violett und Sütterlin verzierten Aufkleber markiert und dann luftdicht verschlossen worden ist. Wer das Siegel der Konfitüre zerbricht, der soll kennenlernen die Plagen des Alten Israel – und die unfassbare Marillenkonfitüre von Tante Barbara aus Bad Ischl.

Meine Mutter wäre sicherlich bereit der Theorie zu glauben, dass Kobolde aus Dimension Nummer 12 Dinge in ihren Schränken versteckt oder gelagert haben, die jetzt erst an das Tageslicht kommen. Anders ist nicht zu erklären, was sie in einer eigenen WhattsApp-Gruppe feilbot. Ich bin aus der Gruppe irgendwann mal ausgestiegen, weil ich es nicht länger ertragen habe, diesem Flohmarkt der Gefühle zu folgen. Aber bis dahin hatte ich – abgesehen von der Wegbeschreibung zum verschollenen Bernsteinzimmer, die ich nicht wiedergefunden habe – Berge von Krempel „erstanden“, der jetzt meine Wohnung füllt.

Nein, ich habe mir aus Gründen der zwingenden Mentalhygiene vorgenommen, nur Dinge anzunehmen, wenn ich in gleichen Rahmen dafür Platz schaffe. Also habe ich 90% der „Erwerbungen“ nur einmal durch die Wohnung bewegt. Da diese im 2. Stock, die Lager- und Versandabteilung aber im Keller liegt, habe ich trotzdem jeden Gegenstand noch mindestens 38 Mal in der Hand gehabt, bevor er wieder seiner Wege zieht. Aber die körperliche Arbeit hat geholfen, den Schmerz zu bekämpfen, den der Verlust des Elternhauses unwiederbringlich auslöst. Ein kleiner Tod des Herzens, ein kleiner Tod der Erinnerung, ein kleiner Tod der Reste der Kindheit.

So ist das Leben.

 

Dein Homo Magi


 

Düsselmensch

 

Hallo Salamander!

 

Gerade habe ich das wundervoll zu lesende „Die Ordnung des Himmels“ von Bernhard Maier hinter mich gebracht.[58] Ein schönes Buch, das die Geschichte der Religion von der Steinzeit bis in die Gegenwart in angenehm zu lesenden Kapitel beschreibt. Eine Empfehlung für Sommerabende.

In dem Buch fand ich folgenden schönen Absatz:

„Die Auswirkungen des Pietismus und der Erweckungsbewegung gingen langfristig weit über den Kreis ihrer unmittelbaren Anhänger hinaus. Ein charakteristisches Beispiel dafür ist der reformiert-pietistische Liederdichter Joachim Neander (1650-1680), dessen Choral Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren, von Johann Sebastian Bach vertont und von Bertold Brecht parodiert, heute sowohl im Evangelischen Gesangbuch als auch im katholischen Gotteslob zu finden ist. Neander liebte das Düsseltal bei Düsseldorf, in dem er Gottesdienste hielt und Lieder dichtete, weshalb es im neunzehnten Jahrhundert nach ihm benannt wurde.“[59]

1856 fand man in diesem Tal die Reste eines Frühmenschen. Wenige Jahre später wurde diese Frühmenschenart nach ihrem Fundort benannt:

Wie sich nach späteren Forschungen herausstellte, lebten die Neandertaler im Pleistozän vor circa 130.000 bis 30.000 Jahren. Die Skelettfragmente aus dem Neandertal sind nach neuesten Bestimmungen 42.000 Jahre alt, gehören demnach zu den jüngsten Spuren des Neandertalers in Mitteleuropa. Diese Spezies wurde 1863/64 von dem britischen Geologen William King nach dem Fundort als Homo neanderthalensis benannt und als Neandertaler weit später ein weltweiter Begriff. (…) Bereits um 1900 war die Lage der Fundstelle und damit der aus der Höhle heraus geschaufelten Sedimente nicht mehr bekannt. Während der Fund ab dem 19. Jahrhundert Weltruhm erlangte, versank das Neandertal im Schutt der wachsenden Steinbrüche.

Heute ist nicht mehr nachvollziehbar, warum kaum jemand weitere Grabungen und Forschungen angestellt hat, obwohl im Schutt noch weitere Funde zu vermuten waren. Auch die erst 1890 als letzte große Höhle des Gesteins gesprengte Neanderhöhle wurde nie eingehend untersucht. Vermutlich wurden 1895 von dem Düsseldorfer Archäologen Oscar Rautert in einer bereits zerstörten Höhle am nördlichen Düsselufer Skelettreste eines weiteren Neandertalers entdeckt, aber auch hier fand keine eingehende Untersuchung statt. Dieser Fund gilt seit dem Zweiten Weltkrieg als verschollen.[60]

Die weitere Geschichte des Fundes, wie sie eben geschildert wurde, ist schlimm. Ich will mich nicht über die Missachtung der Forschung aufregen, oder über den Umgang mit Gebeinen, sondern einfach kurz in die Runde werfen, dass ohne den christlichen Liederdichter Neander das Tal weiterhin Düssel hieße, der Urmensch damit Homo Düsseldorfis oder so. Das ist nicht so schlimm – einige meiner Freunde sind Düsseldorfer. Da würde das passen.

Aber die Vorstellung, wie Neanderthaler um das Feuer herumsitzen, Marschmelonen[61] an langen Holzspießen braten und dabei „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“ singen, das hat schon was.

 

Dein Homo Magi

 

Konsumentenbund

 

Lieber Salamander,

 

vor einigen Monaten habe ich auf einer Veranstaltung der GWUP[62] ein Infoblatt „Marktwächter Esoterik“ eingesteckt. Eigentlich habe ich es nur mitgenommen, weil das Einhorn auf dem Titelbild einen Baseballschläger trägt. Mal was Neues, dachte ich bei mir.

 

 

 

Als GWUP-Mitglied war ich besonders neugierig, weil der Herausgeber „Deutscher Konsumentenbund e.V.“ im Briefkasten der GWUP wohnt. Ich las das Flugblatt – und war völlig verwirrt. Da stand zum Thema GWUP und der Zusammenarbeit beider Organisationen:

Gemeinsam mit unseren Partnern von der GWUP beraten wir Verbraucherinnen und Verbraucher insbesondere zur Frage, welche Rechte Verbraucher haben, die auf

Dann verschwindet der Text, offensichtlich von einer schlecht platzierten Grafik gefressen. Ich schrieb den Konsumentenbund per Brief an und schlug ein paar Varianten für den Text vor:

Gemeinsam mit unseren Partnern von der GWUP beraten wir Verbraucherinnen und Verbraucher insbesondere zur Frage, welche Rechte Verbraucher haben, die auf …

… Island wohnen.

… Einhorn-Heilung erpicht sind.

… gar keinen Fall Recht haben.

Gleichzeitig bat ich um eine sinnstiftende Antwort. Nach vier Wochen schickte ich das Schreiben erneut, dieses Mal als Einschreiben. Nach weiteren acht Wochen ohne Reaktion bin ich aus der Partnerorganisation GWUP ausgetreten. Beim Konsumentenbund war ich nie Mitglied, weswegen ich nicht austreten muss. Zum Glück.

Ganz ehrlich: Was helfen skeptisches Nachdenken und ein guter Ansatz, wenn man vorher weiß, was richtig ist (das ist der Feind des Skeptizismus), wenn man klare Feinde hat (hier: die Esoterik), die man mit allen Mitteln abschaffen will.

Dafür ist mir mein Geld nicht zu schade. Und wer es nicht einmal schafft, einem auf ein Flugblatt antwortenden Interessenten innerhalb von drei Monaten ein paar Zeilen zu widmen … der braucht mein Geld augenscheinlich nicht. Und die Partnerorganisation auch nicht – die GWUP hat dann noch versucht, mich mit netten Diskussionen als Mitglied zu halten. Entschuldigung, da war diese Geschichte nur der letzte Tropfen in einen Becher voller Tränen der Verärgerung.

 

Dein Homo Magi

 

Strahlenmafia

 

Lieber Salamander,

 

obwohl ich den täglichen Irrsinn fast gewöhnt bin, gibt es doch Artikel, die mich besonders berühren. So war es mit jenem hier, der auch in der Tagespresse erschien:

Aus Wut auf die sogenannte Strahlenmafia hat ein Mann (…) nach eigener Aussage wahllos eine Fußgängerin überfahren. Seit 20 Jahren werde er nachts von ihm unbekannten Menschen bestrahlt, sagte der Mann als Angeklagter im Mordprozess (…) aus. Nach Jahrzehnten dieser Qual mit Schlaflosigkeit und Herzrasen hätten die Ärzte dann im Februar 2017 als Folge Darmkrebs festgestellt. „Man hat das Recht sich zu wehren“, sagte der 57-jährige (…) am Montag.

Auf der Suche nach einem Opfer habe er vor dem tödlichen Crash eine Gruppe mit Kindern an einer Bushaltestelle verschont und auch zwei Jogger bewusst nicht angefahren, sagte er über jenen Tag im Dezember 2017 aus. Für ihn sei klar gewesen, dass er nur einen Menschen einer bestimmten Altersgruppe töten wollte.[63]

Ich hatte den Begriff „Strahlenmafia“ noch nie gehört und hielt ihn für eine irre Erfindung des Mörders. Doch das Internet belehrte mich eines Besseren:

Im Zigarettenrauch befinden sich ca. 250 giftige und über 50 krebserregende Stoffe (…). Zum Süchtigmachen werden 600 weitere Zusatzstoffe beigefügt. Die hochfrequente Strahlung der Strahlenmafia öffnet die Hirn-Blutschranke, damit diese und andere Gifte bewusst oder unbewusst dem Körper zugeführt werden, und auch ungehindert ins Hirn gelangen. Das Geniale dabei ist, dass die Menschen in Folge früher sterben, aber schon zu verblödet sind, um es noch wahrzunehmen. Deswegen wird es zu einer Explosion der Alzheimer- und Demenzkranken kommen.

Nach unseren Berechnungen werden in den nächsten 30 Jahren mehr Menschen frühzeitig durch die Folgen von hochfrequenter, flächendeckender Mikrowellen-Zwangsbestrahlung sterben, als beispielsweise unter den Nazis zu ihrer Blütezeit. Das Genialste dabei ist, dass der Strahlenmafia nichts nachzuweisen ist. Das ganze Langzeitprojekt läuft sanft und unblutig ab. Irgendwann im Laufe des Lebens beginnt durch den permanenten Zellstress der Dauerbestrahlung die Zellentartung, deren Entstehung dann alibimässig der Genetik oder anderen Umweltgiften zugeschrieben wird. Um die demografischen Probleme dieser Gesellschaft zu lösen, müssen die Menschen offensichtlich früher sterben. Gibt es eine bessere Lösung, als flächendeckende Zwangsbestrahlung durch Mikrowellen? Die Handys der neueren Generation (und auch die Tabletts) wurden durch stetig sich aktualisierende Apps zu Dauerstrahlern modifiziert, was den Zellstress noch viel massiver verstärkt. Durch die vermeintlich notwendige Dauerversorgung müssen auch die Aussenantennen weiter aufgerüstet und vermehrt werden. Durch die Zwangsinstallation der neuen Heizkosten- und Wasserzähler auf der Basis von Mikrowellentechnologie findet die Zwangsbestrahlung ihren Weg direkt in den eigenen Wohn- und Schlafbereich. Ein gigantisches Euthanasie-Programm, das seinesgleichen in der Weltgeschichte sucht![64]

Oder:

Das Video zeigt, wie man sich vor hochfrequenter Mikrowellenstrahlung, wie sie bei WLAN, DECT, Mobilfunk etc., also sämtlichen Methoden der flächendeckenden Zwangsbestrahlung, eingesetzt wird, mit einem feuchten Tuch günstig schützen kann. Diese Methode eignet sich bei schwacher bis mittlerer Zwangsbestrahlung. Bei naher Aussenantenne ist diese Methode als alleinige Strategie ungenügend! (…) Die flächendeckende Zwangsbestrahlung durch hochfrequente Mikrowellen zur Bekämpfung der Überbevölkerung feiert schon grosse Erfolge, auch wenn man dies nicht direkt wahrnimmt! Sorgen Sie dafür, dass Ihr Kind oder Sie selber nicht in der Krebsstatistik landen! Verbannen Sie sämtliche Mikrowellenschleudern aus Ihrem Haushalt und Ihrem Leben! Entziehen Sie der Strahlenmafia und deren Koalitionspartnerin, der Pharmamafia ihre Existenzgrundlage![65]

Äh, ja, es ist ein feuchtes Handtuch, das vor der Strahlenmafia schützt. Und wenn das nicht hilft, dann fährt man aus Wut Unbeteiligte tot – keine Kinder, sondern potentielle Täter einer speziellen Altersgruppe, die kein Handtuch um den Kopf haben.

Wie soll man so jemand noch re-sozialisieren? Wie will man den Hinterbliebenen Trost zusprechen? Es mangelt an der Aufklärung, an Bildung, an Vernunft. Überall, doch besonders hinter nassen Handtüchern.

 

Dein Homo Magi

 

Thorshammer

 

Hallo Salamander,

 

da bin ich wirklich auf einem Mittelaltermarkt einem einäugigen Händler begegnet, der als Schmied arbeitet. Einem Tschechen, wenn ich ihn richtig verstanden habe. Aber bei ihm habe ich einen Thorshammer gekauft. Das erschien mir das erste Mal in über 20 Jahren „richtig“, dort als Käufer tätig zu werden.

Es war schon eigenartig, das eine (rechte) Auge war vom grauen Star überschattet, und es schien einen trotzdem anzuschauen. Aber das andere (linke) Auge fixierte einen ebenso. Eine eigenartige Situation, die ich aber keinen Moment als ungewöhnlich oder störend empfand. Also habe ich gekauft.

Für über 20 Jahre Warten ein tatsächlich Erfolg bringendes Ergebnis.

 

Dein Homo Magi

 

Mein Körper und ich

 

Hallo Salamander,

 

zwischendurch meinte mein weiser Rheumatologe, wir könnten doch mal versuchen meine Medikamentierung abzusetzen. Nur, um mal herauszubekommen, was ohne Grundversorgung an Medikamenten „darunter“ sitzt, was sich also in meinem Körper an Entzündungen herumtreibt, wenn man die Medikamente mal aussetzt. Ich gebe zu: Es gab Phasen in den nächsten Wochen, in denen ich lieber meinen Rheumatologen auf dem Urarora-Atoll ausgesetzt hätte, denn weiterhin meine Medikamente auszusetzen.

Ein paar erläuternde Worte: Normalerweise nehme ich alle 28 Tage eine Spritze und erzeuge so ein „Depot“ in meinem Körper. Wo sich dieses Depot befindet und wer das Lager verwaltet, das wären Themen höherer Mystik. Dieses Mal habe ich die vorgesehenen 28 Tage abgewartet und weitere 71 Tage überstanden. Dann beschloss ich für mich, dass es jetzt doch ganz clever wäre, die Medikamentierung wieder anzufangen.

Ich weiß jetzt, was „unter“ der dünnen Decke der modernen Medizin als Schmerzen in meinem Körper sitzt. Man kann das überleben, ja, kann man. Ich würde es keinem empfehlen, der nicht Ahnung und Erfahrung im Umgang mit Schmerzen hat (nein, das ist jetzt weder ein „fishing for compliments“ noch ein Versuch, mich im Nachhinein zum stahlharten Helden zu machen). Mein Arzt hat inzwischen begriffen, dass ich normalerweise auf der von der Pharmaindustrie für Abfragen vorgesehenen Schmerzskala von 0-10 immer „nur“ die 5 oder die 6 ankreuze. Meine Begründung ist, dass ich weiß, was die 9 ist. Über die 10 möchte ich nicht nachdenken, das kann ich mir nicht vorstellen.

Weiterhin glaube ich, dass ich damals (30 Jahre her) gestorben wäre, wenn ich nicht clever ein paar energetische Leitungen im Körper umgelegt hätte. Für Krankheitsverlauf und Alter geht es mir verdammt gut. Ich bin da jeden Morgen dankbar für, ehrlich. Aber neben den Mächten, die mir damals geholfen habe, preise ich ab und an die moderne Pharmaindustrie, die mir dabei hilft, das zu (er)tragen. Nicht alles ist schlecht, was die Moderne bringt.

 

Dein Homo Magi


 

Tod in Ekstase

 

Hallo Salamander!

 

Da habe ich auf dem Grabbeltisch für 50 Cent „Tod in Ekstase“ von Ngaio Marsh erworben, weil mit das Cover (zwei ringbewehrte Hände, die einen Ring umschließen) hoffen ließen, hier einen okkulten Knaller zu finden. So war es auch.

Überall an den Wänden waren die Zeichen des Tierkreises angebracht, und in den Seitenschiffen standen hin und wieder äußerst bemerkenswert moderne Skulpturen. Sie waren in der Anlage alle abstrakt gehalten: aber man konnte in ihren gleitenden Konturen doch die Formen von Tieren und Vögeln erkennen – einen Löwen, einen Stier, eine Schlange, eine Katze und einen Phönix. Seite an Seite mit ihnen boten sich eine ganze Anzahl anderer Figuren dar, von denen Nigel annahm, es müsse sich um die robusten Gottheiten der nordischen Sage handeln. Die Götter trugen Helme und Bärte, die Göttinnen Helme und Stiefel. Alle miteinander sahen aus, als habe Epstein sie begonnen und ein wahnsinniger Maurer sie beendet. In der am nächsten stehenden dieser Figuren glaubte Nigel Odin wiederzuerkennen. Der Gott war in einen eckigen Mantel gehüllt, unter dessen Falten zwei verzweifelte Vierbeiner hervorsahen, die offenbar Geri und Freki vorstellen sollten; daneben spähten hinter einem Paar Beine, die deutlich an fortgeschrittener Elefantiasis litten, zwei tieftraurige Vögel zu Nigel herüber, vermutlich Hugin und Munin.[66]

Die Handlung ist gut, ein netter Krimi um einen Kult. Ab und an wird es dann ungewollt komisch, wenn es zu Dialogen wie dem Folgenden kommt:

„Was kann Miss Quayne denn so Schlimmes verbrochen haben?“

„Sie trachtete nach dem Verlöbnis Odins!“[67]

Großartiger Lesestoff. Das Original stammt von 1936 (!) und ist heute noch lesbar. Eine Empfehlung – „Sie trachtete nach dem Verlöbnis Odins!“ sollte Grund genug sein.

Ein paar Worte noch zur Verfasserin:

Edith Ngaio Marsh DBE (* 23. April 1895 in Merivale, Christchurch; † 18. Februar 1982 in Christchurch, Neuseeland) war eine neuseeländische Schriftstellerin, Schauspielerin und Theaterregisseurin.

Marsh gilt als eine der bedeutenderen Verfasserinnen der klassischen Detektivgeschichten, wie sie vor allem von britischen Autoren in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen verfasst wurden. Marsh schrieb zwischen 1934 und 1982 32 Detektivromane. Viele davon spielen im Theatermilieu, häufig drehen sie sich um Shakespeare’sche Dramen. Serienheld von Ngaio Marsh ist Roderick Alleyn, wie der Prototyp vieler englischer Autoren von adeliger Abstammung, zugleich aber Inspektor bei Scotland Yard. Die Mystery Writers of America (MWA) nominierten Marsh zwei Mal für den Edgar Allan Poe Award. 1978 erhielt Marsh die höchste Auszeichnung der MWA, den Grand Master Award für ihre Leistung für die Kriminalliteratur.[68]

Ich habe mir gleich noch einen Band bestellt … muss sein.

Alles Gute und viel Spaß beim Lesen,

Dein Homo Magi

 

Delling – mal wieder

 

Hallo Salamander!

 

Da lese ich ungewarnt „Die geistige Welt der Germanen“ von Jan de Vries (Darmstadt, 1964), um meine nordische Grundbildung aufzufrischen.

Erst nach einigen Suchen stellt man fest, dass das Buch (3. Auflage) vorher in Halle an der Saale erschienen war – 1943. Das ist aber sprachlich frei von klaren faschistischen Wendungen und inhaltlich ist es so interessant, dass ich es mit kleineren Pausen komplett durchgelesen habe.

Und – was findet der treue Delling-Anhänger dort:

Der norwegische Bauer, der im Frühling den ersten Sonnenstrahl beobachtet, der seine Haut streifen wird, und dann ein Stückchen Butter auf den Dachrand legt, den die zum ersten Male wieder über die Berge heraufsteigende Sonne mit ihrer Wärme anstrahlen wird; er kennt die Sehnsucht, die in der Dunkelheit der langen Wintermonate sich in seinem Herzen eingenistet hat. Ein solches Verlangen ist eine stete Beunruhig, niemals ein zufriedenes Verweilen bei dem Augenblick, der von Lust und Glück gesättigt ist; es ist aber auch eine Bereitschaft zum Aufbruch und zur Wanderung.

Ein weiterer Hinweis auf das Butter-Opfer! Und Butter ist dem Delling heil(ig). Wie alle wissen, die sich damit beschäftigen …

Bravo!

 

Dein Homo Magi

 

Bändiger der übernatürlichen Kräfte

 

Hallo Salamander,

 

auch wenn man zu Jan de Vries geteilter Meinung sein kann, die Sprache, die er in „Die geistige Welt der Germanen“ verwendet, schlägt einen heute noch in den Bann.

Nehmen wir nur den Komplex Magie & Religion, an dem schon andere gescheitert sind. Was schreibt de Vries:

Der Unterscheid zwischen Religion und Magie wird in diesem Fall nicht durch die Art des Gegenstandes oder die Größe der ihm innewohnenden Kraft bestimmt, sondern nur durch die Haltung der Menschen ihm gegenüber; glaubt der Mensch an eine göttliche Macht, so müssen wir von Religion, denkt er nur an eine gewisse Zauberkraft, so müssen wir von Magie reden. Rein praktisch betrachtet braucht das nicht viel Unterschied zu machen: es kommt nur darauf an, welche Kräfte der Gegenstand in der Lage ist auszustrahlen. Glaubt der Mensch an eine wirkliche göttliche Macht, so wird ihm mit viel mehr Ergriffenheit, ja mit einer ganz anderen Gesinnung gegenüberstehen, als wenn er nur an eine rein magische Wirkung glaubt. In diesem letzten Fall wird er über die Zauberkraft des Gegenstandes nach eigenem Ermessen verfügen. Er kann durch bestimmte Manipulationen diese Kraft zwingen und wirksam machen; der Magiker ist ein Bändiger der übernatürlichen Kräfte, in dem echten Sinne des Wortes ein Zauberer. Dagegen wird der Gläubige einer Stätte, wo eine Gottheit haust, mit Ehrfurcht nähertreten und nur durch Verehrung das erwünschte Heil zu bekommen hoffen.[69]

Wenig später heißt es:

Religion und Magie stehen immer nebeneinander. Es ist nicht so, dass die eine sich aus der anderen „entwickelt“ hat. Man könnte sogar behaupten: wo ein Glaube fehlt, ist auch die Magie unmöglich. Nur sind ihre Wege, um zu ihrem Ziel zu gelangen, ganz andere als die der Religion. Bei einer magischen Handlung herrscht immer ein Kräftefeld vor, in dem der Zauberer zu einem magischen Objekt in Beziehung tritt, um dessen Potenz auf einen bestimmten Zweck zu richten. Es hängt von der Macht des magischen Menschen ab, ob er sein Ziel erreichen wird und mithin das Kräftefeld in einem von ihm gewünschten Sinne polarisieren kann. Bei einer religiösen Handlung steht nicht der Magiker, sondern die Gottheit im Zentrum des Kraftfeldes (…).[70]

Immer noch gut zu lesen … ein wenig überraschend, wenn man weiß, dass das Buch eigentlich von 1943 stammt …[71]

 

Dein Homo Magi

 

Unfassbare Momente

 

Lieber Salamander,

 

es gibt Momente, die kann man nur schwer beschreiben, die muss man erlebt haben. Ich versuche trotzdem ein paar Worte dazu zu verlieren.

Hätte mir jemand vor 1989 gesagt, dass ich einmal in Berlin in einem heidnischen Ritual auf einem öffentlichen Platz, nämlich in einem Park, stehen würde, dann hätte ich das nicht geglaubt. Jetzt, fast 30 Jahre später, haben wir das (wieder) gemacht, wie schon letztes Jahr. Im Rahmen der „Langen Nacht der Religionen“ durften wir als Verein eine Programmschiene bedienen. Der Abschluss war das gemeinsame Ritual.

Öffentlicher Raum heißt auch immer Öffentlichkeit. Als wir uns dann in der beginnenden Dunkelheit mit Kerzen im Kreis aufstellten, näherten sich auch neugierige Menschen. Wie sich später herausstellte, handelte es sich um die sonst den Platz besetzende Öffentlichkeit, die aber trotz unserer netten Worte nicht teilnehmen wollte. Sie lästerten erst. Durch die Schwierigkeiten beim Aussprechen schwieriger Worte (wie „Scheiendolloschieh“) wurde mir klar, dass hier nicht eine erbliche Sprechproblematik, sondern extensiver Alkoholkonsum eine Rolle spielt. Nachdem wir also erklärt hatten, dass wir keine Zeugen Jehovas seien, pöbelten sie weiter herum. Das wurde dann richtig unterhaltsam – zumindest für mich. Andere haben gesehen, wie zumindest einer den Arm zum Hitlergruß erhoben und dann vertrieben wurde. Das habe ich nicht gesehen, sonst hätte ich reagiert. Aber ich hörte den ersten Teil des Rituals ihre Kommentare laut über den Platz schallen. Vom Berlinerischen „Ick versteh nich, watt die da machen“ über „Heil Satan“ bis hin zu meinem Lieblingsbeitrag, einem neuen deutschen Text für „Yellow Submarine“. Nur heißt der Refrain hier „Bibi Blocksberg ist homosexuell“. Ein Meisterwerk der modernen Dichtkunst, aber der weitere Text bleibt unbekannt, weil die Herren auf den Rängen (die Frauen waren still) nur diese eine Zeile des Magie-Blockbusters singen konnten.

Mist.

Kreis ziehen, Platz weihen, Heimdall als Wächter anrufen. Schon verschwanden die krakeelenden Zaungäste. Hex Hex!

 

Dein Homo Magi

 

Waffen der Götter

 

Hallo Salamander,

 

da ging es gestern doch tatsächlich auf einem Heidenstammtisch um sekundäre Fragen. „Nennen Sie drei Götterwaffen“. Neben dem Hammer Mjöllnir und dem Speer Gugnir ging es dann um Nummer 3, die uns nicht einfallen wollte.

Freya hat ein Schwert. Aber das hat keinen Namen. Zumindest war das gestern der Stand und meinen Einwurf, sie könnte ja Brisingamen werfen, nahm keiner ernst. Leider. Dabei bietet sich das an:

Das Brisingamen [Edda: Brîsînga men = „Brisingorum monile“, lt. Grimm von der Wurzel mhd. brîsen = durchstechen abzuleiten] ist der Halsschmuck der germanischen Göttin Freya. Er soll aus durchbohrten Gelenken geschlungen gewesen sein. Freya bekam ihn von vier Zwergen. Loki raubte den Schmuck, dieser wurde ihm aber von Heimdall wieder abgenommen. Über das Brisingamen ist wenig bekannt. Freya zeigte es nie dem Menschengeschlecht. Allerdings gibt es zahlreiche Nachbildungen, die von Archäologen gefunden wurden. Das Brisingamen verstärkte Freyas Zauberkräfte und war ein wichtiger Gegenstand in ihrer Magie.[72]

Außerdem lernt man bei solchen Suchaktionen eine Menge Dinge, die man nicht wusste:

In ancient times the winter constellation which we today know as Orion was at that time called „Freya's Gown” by the Norse and Teutons, and the sword belt in Orion was called „Freya's Girdle.”[73]

Gut zu wissen, aber hier sinnlos.

Vielleicht war ihr Zwillingsbruder der Schwertbesitzer? Ja:

The most extensive surviving Freyr myth relates Freyr's falling in love with the female jötunn Gerðr. Eventually, she becomes his wife but first Freyr has to give away his sword which fights on its own “if wise be he who wields it.” Although deprived of this weapon, Freyr defeats the jötunn Beli with an antler. However, lacking his sword, Freyr will be killed by the fire jötunn Surtr during the events of Ragnarök.[74]

Schwert weg, Name weg? Aber ich erinnerte mich doch ganz genau … ja, richtig. Nur leider ist meine Quelle nicht historisch:

In Rick Riordan's Magnus Chase and the Gods of Asgard, the sword of Freyr possessed by the protagonist is called Sumarbrandr meaning 'summer sword'.[75]

Ein winziger Fehler: In den Büchern heißt es “Sumarbrander”. Das macht meine Quelle nicht besser. Mist. Ich habe mich dann darauf verständigt, dass das Schwert „Flötenpiepen“ heißt. Klingt nordisch. Bis jetzt heißt es in der Wikipedia wie oben zitiert. Ich schlage eine kleine Verbesserung vor:

In Norse mythology, the sword Fløtepiepen belonging to Freyr, a Norse god associated with sunshine, summer and fair weather. Fløtepiepen is depicted in Norse mythology as one of the few weapons that is capable of fighting on its own. After Freyr gave up Fløtepiepen to Skírnir for the hand of the giantess Gerðr, he will die at Ragnarök because he didn't have his sword, fighting Surtr with an antler.

Einfacher geht es nicht.

 

Dein Homo Magi

 

Fernsehen

 

Lieber Salamander,

 

kürzlich habe ich mal wieder ein gutes Buch gelesen. Das verwunderliche ist aber, dass es kein Roman war, sondern ein Sachbuch. Ich spreche von „Out of the Wreckage“ von George Monbiot (London, New York, 2018). Ein aktuelles Sachbuch über den Stand der Welt.

Die längeren Episoden über politische Willensbildung und das Versagen der linken Kräfte in den letzten 50 Jahren erspare ich dir. Ich will nicht in das Horn blasen, das vor mir schon so viele selbsternannte Welterklärer an den Lippen gehabt haben. Wie gesagt: Monbiot ist gut, aber ich muss das hier inhaltlich nicht 1:1 wiedergeben.

Interessant fand ich seine Aussagen zum Thema Unterhaltung und Fernsehen. Als erstes führt er auf, wie sehr sich Unterhaltung in den letzten hundert Jahren verändert hat. Das gipfelt in der Feststellung:

„Entertainment can also alienate us from each other.“[76]

Das stimmt. Was früher Menschen zusammengebracht hat, trennt sie heute – wer unterhalten sein will, macht das vor dem Fernseher, und dort ist man oft allein oder mit der Nukleus-Familie allein, ganz anders als im Theater oder auf öffentlichen Plätzen.

Der zweite Schritt folgt dann bei Monbiot völlig logisch:

„Virtual neighbors replace real ones.“[77]

Und so ist es dann auch. Die Menschen in den Sendungen sind echt und wiederum nicht echt. Man lädt sich zum Aufräumen und Kochen in fremde Wohnungen ein, aber diese Verbindung ist nur einseitig. Daraus entstehen keine sozialen Bindungen, kein Austausch, keine gegenseitigen Lerneffekte.

Wir vereinzeln in der Menge.

Der Rest des Buches war gut. Aber alleine dafür hat es sich gelohnt, es zu lesen.

 

Dein Homo Magi

 

Psychopompos

 

Hallo Salamander,

 

ich denke weiterhin über eigenartige Konzepte nach. Ein Thema, was mich weiter immer nebenher fasziniert, ist der Psychopompos. Ich erspare mir und dir eine eigene Definition, sondern zitiere:

Das Wort Psychopompos (Plural Psychopompoi) oder eingedeutscht der Psychopomp kommt vom griechischen ψυχοπομπóς (mask.) und bedeutet wörtlich übersetzt „Seelengeleiter“: Er geleitet die Seelen der Verstorbenen ins Jenseits. Der Namensteil „pompos“ stammt vom Verbum „pempo“ ab, das führen und geleiten bedeutet. Das deutsche Wort „Pomp“ verweist auf einen großen, festlichen Geleitzug („Aufzug“).

Psychopompos ist der Titel des griechischen Botengottes Hermes, der dieses Amt von Apollon übernommen hatte. Die Vorstellung von Psychopompoi war aber allgemein verbreitet. So kannten etwa die alten Ägypter den hunde- oder schakalköpfigen Anubis, in der germanischer Mythologie holen Walküren die gefallenen Krieger vom Schlachtfeld nach Walhalla, und bei den Kelten war Ogma Seelenführer.

Im Christentum sind es der Erzengel Michael, der Schutzengel oder der Riese Christophorus; an der Pforte zum Himmel erwartet Petrus die Seele, die Einlass begehrt. Christophorus findet sich auf frühchristlichen Ikonen – wie sein ägyptisches Pendant Anubis – hundsköpfig dargestellt. Im Islam ist es der Engel Azrael, der von Allah eine Liste mit den zum Tode bestimmten Menschen erhält und in den darauffolgenden 40 Tagen ihre Seelen vom Körper trennt. Allgemein ist der Psychopomp eine mögliche Form der Personifikation des Todes. Generell können Geister, Gottheiten, Dämonen oder Engel die Aufgabe eines Psychopompos übernehmen. Seine Bedeutung ist neben dem Transport der Seele vor allem der Prozess der Akzeptanz der Sterblichkeit. Er ist vor allem ein Führer und Helfer.[78]

Das mit dem hundsköpfigen Christophorus war mir neu, aber ich bin ja hier, um immer etwas zu lernen. Welche Rollen spielen dann Sleipnir oder Tom Bombadil?

Und wie ist das mit den Opfern? Der Psychopompos hat in meiner Welt immer einen Preis – zum Beispiel eine Münze, die man dem Toten auf die Zunge oder auf die Stirn legt. Oder eben Grabbeigaben, damit der Seelengeleiter (unfassbar großartiger Begriff) seine Arbeit bezahlt bekommt.

In einer Diskussion mit amerikanischen Heiden bekam ich erzählt, dass dies ein Begriff sei, der „identic german“ ist. Ich bleibe dran …

 

Dein Homo Magi

 

Mal wieder im Zug

 

Lieber Salamander,

 

das Leben ist manchmal voller Facetten, die doch immer mal wieder ein Lächeln auf meine Lippen zaubern.

In den letzten Wochen war ich beruflich wie privat viel mit dem Zug unterwegs. Ich konnte alle diese Reisen planen, daher hatte ich einen Sitzplatz und eine vernünftige Zugverbindung. Der einzige Unterschied zu früher ist der, dass ich meinen Nebenplatz nicht mehr mit Gespäckstücken zuballere, sondern abwarte, was mir das Schicksal an Reisegefährten liefert.

Eine alte Angewohnheit habe ich weiterhin nicht aufgegeben: Bevor ich eine Reise antrete oder beim Umsteigen (was sich gerade anbietet) gebe ich einem Bettler oder Straßenmusiker (oder dem, was sich mir gerade aufdrängt – das war auch mal ein Mann, der aus nassem Sand einen liegenden Hund nachbaute) Geld. Das ist mein Opfer für die gute Reise, meine Bezahlung an die Geister, damit meine Reise unter einem guten Stern steht.

Ich hatte dank dieser Vorausplanung einige lustige Begegnungen in den letzten Wochen. Denn der leere Platz, meine höfliche Ansprache und die unverfänglichen Gesprächsanfänge („Wie weit fahren Sie denn?“) führen zu lustigen Gesprächen.

Da waren die beiden Inder, Onkel und Neffe. Der Onkel war von oben bis unten mit Goldschmuck behängt, Brillantenarmband, Elvis-Brille in Goldschmuck, dazu einen Klarsichtbeutel voller Medikamente und ein lustiges Interesse an deutscher Kultur. Wobei ich bis zum Ende nicht verstanden habe, warum er glaubt, dass jeder Deutsche wissen muss, wo der legendäre „Mercedes Benz Showroom“ zu finden ist. Dann war da der Mann, der Fachartikel für medizinische Zeitschriften schreibt. Das wurde eine längere Unterhaltung über das Verlagswesen, die Vergütung und e-Papers. Oder die Kunsthistorikerin, die mir dann sogar ihre Präsentation zu der Verbreitung von Emaille-Farben auf mittelalterlichen Reliquien zeigte und mit der ich über Werkstättenarbeiten im Übergang zur Manufaktur sprach.

Man muss dem Schicksal eine Chance geben. Vielleicht ist deswegen der Individualverkehr von Monotheisten propagiert worden. Er übertüncht und verhindert die Kontaktaufnahmen des Schicksalsboten mit uns. Nicht, dass ich wüsste, was meine Gespräche mir nützen sollten. Aber sie haben stattgefunden – das wäre in meinem Auto unmöglich. Abwarten.

 

Dein Homo Magi

 

Odinismus

 

Hallo Salamander,

 

ist nicht der blöde Autoaufkleber „Wenn dein Gott tot ist … nimm doch meinen: Odin lebt!“ eigentlich eine Form der Verbreitung von heidnischem Monotheismus?

Natürlich ist es lustig, wenn man im ersten Impuls über diesen Spruch lacht. Aber mal ehrlich: er ist auch doof. Warum? 9 nordische Gründe.

1.   Wenn dein Gott tot ist … dann könnte es auch Baldur sein. Und der kommt wieder.

2.   Wenn dein Gott tot ist … könnte es eine Göttin sein und die Hel. Die ist dann von der Anrede angepisst und mächtig und tot. Ganz schlechte Idee, die zu verärgern. Ich sage nur: Fingernägel.

3.   Wenn dein Gott tot ist – da bleibt immer die Frage offen, ob man das überprüft hat (oder überprüfen will). Wer hat seinen Gott gesehen (oder eben: nicht gesehen) und würde sich herausnehmen, seine Abwesenheit mit seinem Tod gleichzusetzen?

4.   Ich will nicht, dass jemand ohne nachzudenken einfach meinen Gott nimmt. Wer will denn schon, dass sein schöner heidnischer Kult auf einmal von einer Millionen ehemaliger Christen übernommen wird?

5.   Die Heiden unterscheiden sich doch in der Welt der Germanen dadurch von den Christen, dass sie nicht fragen, an wen man glaubt, sondern, wem man opfert. Das wäre dann auch in diesem Fall so: „Wenn du deinem Gott nicht mehr opfern magst … opfere doch meinem.“

6.   Das Verhältnis zwischen Mensch und Gott ist zweiseitig. Der Gott muss mich auch nehmen, wenn ich ihn nehmen will; das ist keine magische Einbahnstraße.

7.   Odin lebt – eine Behauptung, die man glauben, aber nicht beweisen kann, wenn man in einer theologischen Auseinandersetzung mit einem Christen steckt (wenn das einfach wäre, wäre es schon ganz oft passiert & es gäbe keine Christen mehr).

8.   Warum eigentlich Odin? Nichts gegen Odin, das ist viel zu riskant, aber ist das die erste heidnische Wahl (nein, das muss nicht Delling sein) – aber einfach so ein Angebot zu machen, das dem anderen vielleicht nicht passt … gefährlich.

9.   Der Polytheismus des Heiden ist deswegen stark, weil er Alternativen lässt. Also eher ein „meine Götter leben“ als ein „Odin lebt“ und die Qual der Wahl. Das ist für mich Heidentum.

Also doch kein Autoaufkleber.

 

Dein Homo Magi

 

Musik aus dem Rückenmark

 

Hallo Salamander,

 

atlantische Erinnerungen, hochmagische Erfahrungen, Rassenwissen – das alles konnte man aus dem Rückenmark extrahieren, wenn man der einschlägigen (lies: irren) Literatur glaubte. Jetzt wir das Ding irgendwie auf technologische Füße gestellt – denn hier bestimmen unsere Ahnen den Musikgeschmack. Unglaubhaft? Bitteschön:

Woher kommen eigentlich Ihre Vorfahren? Ein DNA-Test mit Abgleich von Datenbanken gibt Auskunft darüber. Auf diese Tests hat sich das Unternehmen Ancestry.com spezialisiert. In einer neuen Kooperation mit Spotify können Ancestry-Kunden nun ihre DNA-Daten auf musikalischen Geschmack auswerten lassen.

Wer per DNA eine Playlist erstellt haben möchte, muss für diesen Service allerdings tief in die Tasche greifen. Das allgemeine Untersuchungskit von Ancestry.com, ein einfacher Speicheltest, kostet 99 Euro. Circa acht Wochen nach Einsenden der Probe stehen dann im persönlichen Bereich der Webseite die Ergebnisse bereit. Dabei werden mehr als 10 Millionen Datensätze auf eventuelle Verwandtschaft untersucht. Auch die ethnische Zusammensetzung der DNA ist Teil des Pakets.

Wer diesen Speicheltest bereits durchgeführt hat, kann mit den Ergebnissen dann seine Spotify-Playlist erstellen lassen. Diese beinhaltet schlichtweg Musiktiteln aus Ländern, aus denen laut Ancestry ihre Vorfahren stammen.

Aktuell gilt die Kooperation nur für Nutzer mit einem Wohnsitz in den Vereinigten Staaten. Eine Kooperation für den deutschen Markt gibt es derzeit leider nicht, wie Ancestry auf TECHBOOK-Nachfrage mitteilt.[79]

Ein Traum, obwohl nur in den USA. Für 99 Euro kann man mir auch sagen, wo man hingespuckt hat, und ich gebe dann Musikempfehlungen (3 Titel).

Aber. Das nächste Mal, wenn ich auf meine Ahnen trinke, werde ich sie darum bitten, etwas mehr auf das Radioprogramm Einfluss zu nehmen. Obwohl, im Moment höre ich sowieso nur Onlineradio (http://1a70erhits.radio.de/, um genau zu sein), wenn da meine Ahnen, meine DNA, mein Rückenmark dahinterstecken: Respekt! Alles richtig gemacht!

Weiter mitsummend …

 

Dein Homo Magi

 

Weigerungen

 

Lieber Salamander,

 

ich weigere mich, es länger hinzunehmen, dass in der aktuellen Debatte kein politisch links gerichteter Mensch mehr zwischen rechts und rechts-extrem unterscheiden kann. Gerade als Heiden sollten wir anerkennen, dass wir konservativ sind, wenn wir die Erde bewahren wollen. Was ist jemand, der an eine Million Jahre Entität glaubt, welche die Schöpfung bewahren will, anders als jemand, der etwas konservieren möchte? Was nicht heißt, dass ich politisch konservativ bin – aber ich finde, man muss den Begriff ordentlich behandeln (und die Menschen dahinter auch).

Ich weigere mich, es länger hinzunehmen, dass ich wegen meines Geschlechts Schuld bin an Jahrhunderten oder Jahrtausenden Patriarchat. Solange es Heiden gibt, die an Reinkarnation glauben, die mir nicht klar darlegen, dass die Reinkarnation nie das Geschlecht wechselt, dann sind wir alle durch viele alte Inkarnationen als Männer mit Schuld am Zustand der Gesellschaft. Und ich war schon ganz oft Opfer in meinen Inkarnationen als Frau, dass ich irgendwie auch Opfer bin. Und Täter. Und Mann.

Ich weigere mich, es länger hinzunehmen, dass ich wegen meiner Abstammung, Herkunft, ethnischen Zugehörigkeit oder wie man das auch immer nennen möchte weniger oder mehr wert bin als andere Menschen. Wer mir einreden möchte, dass ich biologisch „näher dran“ bin an einzelnen Gottheiten, Religionen, Kulten oder Mysterien, der verkleinert das Göttliche auf die Größe seines Verstands. Das Göttliche transzendiert das Sterbliche; alle und wirklich alle Grenzen, die wir selbst sehen, gelten für das Transzendente nicht. Am eigenen mentalen Duschvorhang entlang göttlich leuchtende Linien ziehen zu wollen ist nur dumm, sonst nichts.

 

Ich versuche, meinen Standpunkt selbst zu definieren.

Ich versuche, mein Leben selbstverantwortlich zu gestalten.

Ich versuche, Dinge zu tun, anstatt darüber zu reden.

Das erscheint mir deutlich sinnvoller, kraftvoller und letztendlich heidnischer als der andere Quatsch.

 

Dein Homo Magi


 

Leibniz in Leipzig

 

Hallo Salamander,

 

am 27./28.09. war ich in Leipzig auf einem Workshop des „Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa“ (GWZO[80]). Das ein wenig sperrige Thema der Gesamtveranstaltung war „Neo-völkische Geschichtsbilder in populären Vergangenheitsaneignungen im östlichen Europa. Neuheidentum – Reenactment – Musikszene.“ Damit lockt man die Massen nicht an, aber wer sich dafür interessiert, der weiß, was sich hinter diesem Rahmen verbirgt.

Thema meines eigenen Beitrags war „Verbindungen zwischen germanischem Heidentum, rechtsextremer Literatur und »Nerd«-Einflüssen wie Rollenspiel und phantastischer Literatur“. Wer mich kennt, der weiß, was ich da inhaltlich zu bieten habe. Sicherlich nicht nur Blödsinn ... aber ich verzichte darauf, hier meine Argumentationslinien erneut wiederzugeben. Wer Interesse hat: Man kann mich für Kindergeburtstage und Vorträge für kleines Geld buchen.

Insgesamt war die Veranstaltung durchwachsen. Es gab viele Rückblicke auf die Nationalromantik, deren erneutes Aufblühen nicht überraschend kommt.

In der Schlussdiskussion war ich der Einzige, der zum Diskurs mit der extremen Rechten aufgefordert hat. Man warf mir Blauäugigkeit vor. Ich glaube einfach, dass man keinen Menschen einfach so ausschließen darf, wenn man nicht zu dem werden will, was man bekämpft.

Einige Dinge sind mir in den Beiträgen klar geworden. Der Unterschied zwischen Rechts und Extrem Rechts verwischt immer mehr. Wie kann man Rechtsrock bekämpfen, wenn man den Rock meint, den Rechtsextreme hören? Die manchmal zu hörende krude Behauptung, Rechtsrock sei rassistisch und pagan bringt mich zu der Behauptung, dass Rechte (nicht Rechtsextreme!) in meiner Welt eher Helene Fischer hören, die alleine vom Namen her eher zu den christlichen Menschenfischern zieht, was die Frage erlaubt, ob Udo Jürgens mit „Griechischer Wein“ dann Trinker und Heide ist. Ich will hier die Musikanalyse nicht lächerlich machen, aber wenigstens sollte das Etikett stimmen, wenn man will, dass jemand aus der Flasche trinkt.

Und überhaupt ist die Unschärfe in der Auseinandersetzung mit dem Heidentum (Dialog ist es nicht, das würde verlangen, dass man spricht) nervig. Nein, Heidentum ist nicht gleich vorchristlich. Waren die Christen nicht in weiten Teilen Südeuropas und Mitteleuropas zeitlich vor den „Wikingern“ oder jenen, die wir heute „Asatru“ nennen würden? So, als hätten die Christen die aktuell existierenden heidnischen Religionen Europas um das Jahr 800 herum abgelöst. Die Heiden lebten dann im Untergrund, vegan, gleichberechtigt, sexuell tolerant und religiös brutal verfolgt, während das Christentum Umweltverschmutzung, Sexualfeindlichkeit, Krieg und Kindesmissbrauch eingeführt haben, bis der heidnische Widerstand … Quatsch.

Und ja: „Right“ ist nicht gleich „Right Wing“, egal, was „die Linke“ sagt.

Das Erschreckendste war: Der Mut fehlt an allen Ecken und Enden. Wir waren im Leipziger Elfenbeinturm der Forschung und sprachen über Dinge, die man von hier aus nur mit dem Fernrohr betrachtet, um sich nicht schmutzig zu machen. Ich glaube: Forschung ist anders. Aber damit stehe ich alleine, wenn ich mit dem Tropenhelm auf dem Kopf und der Strahlenkanone in der Hand die heranstürmenden marsianischen Bestien bekämpfe. Einer muss.

Zu Beginn meines Vortrags habe ich in Leipzig gesagt, dass einige meiner Freunde Rechte sind, aber keine Rechtsextremen. Heute würde ich zusätzlich sagen: Auch Rechte haben Rechte.

 

Dein Homo Magi

 

Volljährigkeit der Kolumnen

 

Lieber Salamander,

 

mit diesem Text vollende ich das 18. Jahr mit Kolumnen an dich. Wenn ich damals gewusst hätte, wieviel Arbeit mich das kosten wird, hätte ich es mir länger überlegt. Oder gar nicht überlegt, aber dafür nicht damit angefangen.

Viel ist passiert in diesen 18 Jahren. Zwei Heiraten, eine Scheidung. Der Tod meines besten Freundes. Der Tod meines Vaters. Der Tod meiner Großmutter. Viele Umzüge. Die Geburt von drei Patentöchtern. Arbeitswechsel und Arbeitsplatzwechsel.

Ein Aspekt fällt ein wenig aus dem Rahmen: Meine eigenen Werke. Ich schreibe, seit dem ich schreiben kann, Geschichten und Lieder und Gedichte. Viele Jahre lang wurde ich die nur schleppend los. Dann hörte auf, Werbung zu machen und mir Gedanken darüber zu machen, was Menschen lesen wollen. Ich schaue nicht mehr auf Verkaufszahlen und versuche nicht, bei großen Verlagen unterzukommen. Ich schreibe für die Menschen, die ich mag.

Auf einmal – peng. Keine irren Verkaufszahlen, aber mein Netzwart (tolles Wort) teilte mir mit, dass wir im Moment pro Tag um die 400-500 Zugriffe auf die Seite haben. Keiner weiß, warum. Ich am wenigstens. Aber das ist jetzt kein Grund, aufzuhören oder Werbeeinblendungen zu schalten, die mich reich machen. Einfach weitermachen, lächeln, winken.

Einige Erklärungsansätze habe ich dann schon. Das letzte Jahr, das hatte es in sich. „Drei Dekaden – SciFi & Heidentum“ ist erschienen, mein Rückblick mit vielen Artikel aus 30 Jahren Fandom und FanSein. Dazu war meine Kurzgeschichte „Der Geist des langen Erkennens!“ in der Karl May-Sammlung „Reiten wir!“ platziert.

Ich gab für den „Eldaring“ ein „Herdfeuer“-Sonderheft zum 18. Geburtstag heraus, mein Geschenk an mich für 18 Jahre Kolumnen. Komische Koinzidenz.

Ich habe gelesen und Vorträge gehalten. Aus „Die Drei Dekaden – SciFi und Heidentum“ hatte ich eine Lesung, zu Ostara sprach ich über Lichtelben, im Sommer auf Englisch über „Nazism in Fantasy and Paganism“, danach in Berlin über „Troja“ und über „Verbindungen zwischen germanischem Heidentum, rechtsextremer Literatur und »Nerd«-Einflüssen wie Rollenspiel und phantastischer Literatur“ auf einer Tagung in Leipzig und durfte dann zwei Tage später in Köln als Perry Rhodan-Autor auf einer Bühne sitzen. Damit ich mich nicht langweile kam danach noch ein Vortrag über Wilhelm Hauff auf dem Eldathing. Abwechslung ist alles, was dem guten Magier reizvolle Momente verschafft.

Was mir am meisten am Herzen liegt, das sind meine lyrischen Versuche. Ein Lied von mir wurde von Eira und Ragin vertont, nämlich „Ferner Schatten dunkle Finger“. Wunderschön … Im „Herdfeuer“-Sonderheft wurde ich ein Lied los, aber das schönste war der Gesangsauftritt als „Church of Odin the Redeemer“ mit Lucy van Org. Wow. Die Mundorgel zurückerobern, das wollte ich immer machen. Haken dran, ist erledigt. Wer drüber lästert, muss es erst einmal selbst versuchen, um einschätzen zu können, was das heißt.

Was bleibt? Nicht aufhören. Los, Segel setzen, hinaus in ein weiteres Jahr. Wir schaffen das.

„Dort, wo der Strom unsre Schiffe trägt, / hat er Geschwätzigkeit abgelegt.“ (Puhdys)

 

Dein Homo Magi


 

Pokern mit geborgter Zeit

 

Es ist noch etwas Leben übrig,

pokern mit geborgter Zeit.

Deine Lippen sind mir nahe

und das Ragnarök ist weit.

Noch scheint mir des Tags die Sonne,

nachts verändert sich der Mond,

Sommertage flüstern glühend,

dass der Fimbul uns verschont.

 

Refrain:

Will und We, verschollen, vergangen, vergessen.

Keine Zwerge heizen unterirdisch Essen.

Keine Drachen schlafen auf den Horten.

Sterbliche zaubern nur mit Worten.

 

Bis die Sterne einst verlöschen,

Endzeit hoch am Firmament,

werde ich in Folkwang warten

wo mein Lebensweg zuend‘.

Doch solange ich auf Midgard,

Ask und Emblas stolzer Spross,

bleibe ich ein Feind der Riesen,

weil ich weiß, wer Mistel schoss.

 

Refrain:

Will und We, verschollen, vergangen, vergessen.

Keine Zwerge heizen unterirdisch Essen.

Keine Drachen schlafen auf den Horten.

Sterbliche zaubern nur mit Worten.

 

Grübelt nur, wer letztlich Sieger,

grübelt nur, was übrig bleibt,

bis der Fenriswolf am Ende

Allvater sich einverleibt.

Trinkt mit mir, und hebt die Stimmen,

bis wir einst auf Folkwangs Bank

für die letzte aller Schlachten

uns’re Waffen ziehen blank.

 

Refrain:

Will und We, verschollen, vergangen, vergessen.

Keine Zwerge heizen unterirdisch Essen.

Keine Drachen schlafen auf den Horten.

Sterbliche zaubern nur mit Worten.


 

Lacht nicht

 

Lacht nicht, weint nicht, hört die Zeilen:

Heiden die Swastika heilen.

Auch KZs? Und Judensterne?

Das Doppel-S, das heilt man gerne.

Die ersten Schritte dieser Straße

enden bei der Herrenrasse.

 

Refrain:

/: Heil! Heil! Heil den Stuss.

Weil! Weil! Weil man muss.

Haken! Haken! Haken dran,

damit man wieder denken kann. :/

 

In Swastika ist „Ast“ zugegen,

doch tut man so den Ast absägen.

Natürlich steckt im Heil das „Ei“,

das bracht der Kuckuck wohl herbei.

Und hat man so für sich entdeckt

welch‘ Rätsel wohl in „Barsch locht“ steckt.

 

Refrain:

/: Heil! Heil! Heil den Stuss.

Weil! Weil! Weil man muss.

Haken! Haken! Haken dran,

damit man wieder denken kann. :/

 

Es kommt kein Dschinnie aus der Flasche,

es steigt kein Phönix aus der Asche.

Nicht alles Übel kann man heilen,

es bleibt stets da, in allen Teilen.

Doch was „heilt“, man leicht vergisst –

nicht länger es zur Mahnung ist.

Refrain:

/: Heil! Heil! Heil den Stuss.

Weil! Weil! Weil man muss.

Haken! Haken! Haken dran,

damit man wieder denken kann. :/

 

Nicht tief in der Heiden Annalen,

sondern in den Urinalen

kann man solches Weistum finden.

Statt des Nachts Runen zu binden,

sollt die Geschichte man studieren –

und das Großhirn aktivieren.


 

Wär‘ das Erbe der Germanen

 

Wär‘ das Erbe der Germanen

frei von Nazis und Betrug,

der, wie eine Axt aus Flammen,

tief ins Herz der „Edda“ schlug,

würde ich am Stiel sie nehmen,

und die Axt glitte heraus.

Ich trampelte mit meinen Schuhen

aus die Flamme, aus die Maus.

 

Wär‘ das Erbe der Germanen

ohne Erben, die verkannt,

so würde ich als Erbteil nehmen,

alles, was Germanenland.

Doch, es bleiben blinde Orte,

die verwesend heut‘ noch stehen.

Schwärend, eiternd, blutig, untot,

muss man diese heut noch sehen.

 

Nicht mein Tisch, nicht meine Sorge,

denkt sich mancher zu geschwind.

Denn wir alle sind – trotz Zweifeln –

unserer Geschichte Kind.

Keinen Schrittbreit den Faschisten!

Keinen Meter weicht zurück!

Denn das Wyrd, es wirkt für alle,

ihnen Pech – und uns das Glück!



[1] www.lego.com/en-us/legohistory/fabuland; 25.11.2017

[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Lego; 25.11.2017

[3] http://lego.brickinstructions.com/lego_instructions/set/3629/Barney_Bear; 25.11.2017

[4] www.lego.com/en-us/legohistory/fabuland; 25.11.2017

[5] www.zeit.de/1998/46/199846.stimmts_blutscho.xml; 25.11.2017

[6] www.nonsens.de/entdeckt-und-erforscht/enthaelt-schokolade-rinderblut/; 25.11.2017

[7] ebenda

[8] www.ritter-sport.de/de/produkte/detail/Alpenmilch-00002; 25.11.2017

[9] S. 141

[10] https://de.wikipedia.org/wiki/Das_Zauberkarussell; 29.12.2017

[11] ebenda

[12] Siehe www.diesiebziger.net/html/das_zauberkarussell.html; 29.12.2017

[13] https://de.wikipedia.org/wiki/Shangdu_(Yuan-Dynastie); 01.01.2018

[14] ebenda

[15] ebenda

[16] ebenda

[17] www.lyricsfreak.com/d/dave+dee+dozy+beaky+mick+tich/the+legend+of+xanadu_20747578.html; 01.01.2018

[18] http://jedipedia.wikia.com/wiki/Lando_Calrissian; 16.01.2018

[19] Vgl. https://en.wikipedia.org/wiki/Londo_Mollari; 16.01.2018

[20] https://de.wikipedia.org/wiki/Lando_(Papst); 16.01.2018

[21] https://de.wikipedia.org/wiki/Dollingersage; 12.02.2018

[22] ebenda

[23] https://de.wikipedia.org/wiki/Endgegner; 08.03.2018

[24] https://de.wikipedia.org/wiki/Kunde_(Prostitution); 21.03.2018

[25] www.theguardian.com/society/2018/feb/18/iceland-ban-male-circumcision-first-european-country; 27.03.2018

[26] ebenda

[27] ebenda

[28] ebenda

[29] ebenda

[30] ebenda

[31] ebenda

[32] https://de.wikipedia.org/wiki/%CA%BFAl%C4%AB_ibn_Ab%C4%AB_T%C4%81lib; 29.04.2018

[33] www.independent.co.uk/news/world/americas/american-soldier-worship-norse-god-thor-keep-beard-a8328251.html; 08.05.2018

[34] www.zeit.de/politik/deutschland/2018-05/bundesverfassungsgericht-gefaehrder-abschiebung-todesstrafe; 09.05.2018

[35] ebenda

[37] https://news-und-nachrichten.de/artikel/immer-mehr-zugausfaelle-bei-der-bahn/; 10.05.2018

[38] www.gwup.org/; 19.05.2018

[39] https://de.wikipedia.org/wiki/Cui_bono; 19.05.2018

[40] https://de.wikipedia.org/wiki/Nikola_Tesla; 20.05.2018

[41] https://wavegenome.com/tesla-generator.html; 20.05.2018; Großschreibung im Original

[42] ebenda

[43] ebenda

[44] ebenda

[45] ebenda

[46] ebenda

[47] Vgl. http://memory-alpha.wikia.com/wiki/Eugenics_Wars; 20.05.2018

[48] ebenda

[49] ebenda

[50] https://de.wikisource.org/wiki/Die_Edda_(Simrock_1876)/Ältere_Edda/Sigrdrîfumâl; 23.05.18

[51] https://de.wikisource.org/wiki/Die_Edda_(Simrock_1876)/Ältere_Edda/Völuspâ; 23.05.18

[52] www.kalkriese-varusschlacht.de/museum/sonderausstellung-goetter-glaube-und-germanen/; 09.06.18

[53] https://de.wikipedia.org/wiki/Moorbutter; 09.06.18

[54] https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Moritz_Arndt; 10.06.18

[55] http://gedichte.xbib.de/Arndt_gedicht_Chorgebet.htm; 10.06.18

[56] www.villigercigars.com/de-de/kontakt/; 02.07.2018

[57] www.villigercigars.com/de-de/produkt/special-cigars/villiger-original-krumme/; 02.07.2018

[58] Bernhard Maier „Die Ordnung des Himmels“, München, 2018

[59] S. 387 f.

[60] https://de.wikipedia.org/wiki/Neandertal; 10.07.2018

[61] … tolles Wort, oder?

[62] www.gwup.org/; 16.07.2018

[63] www.derwesten.de/panorama/frau-als-zufalls-mordopfer-auto-attacke-wegen-strahlenmafia-id214743503.html; 19.07.2018

[64] https://strahlentod.yolasite.com/; 19.07.2018

[65] www.youtube.com/watch?v=nopmIuQqjuo; 19.07.2018

[66] S. 11 f.

[67] S. 37 f.

[68] https://de.wikipedia.org/wiki/Ngaio_Marsh; 13.08.2018

[69] De Vries, Jan „Die geistige Welt der Germanen“, Darmstadt, 1964³, S. 170

[70] S. 171

[71] Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Jan_de_Vries_(Philologe); 16.08.2018

[72] https://de.wikipedia.org/wiki/Brisingamen; 15.09.2018

[73] http://valkyrietower.com/freyja.html; 15.09.2018

[74] https://en.wikipedia.org/wiki/Freyr; 15.09.2018

[75] https://en.wikipedia.org/wiki/Sword_of_Freyr; 15.09.2018

[76] S. 62

[77] S. 63

[78] https://de.wikipedia.org/wiki/Psychopompos; 30.09.2018

[79] www.techbook.de/entertainment/streaming/spotify-dna-test; 10.10.2018

[80] Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Leibniz-Institut_f%C3%BCr_Geschichte_und_Kultur_des_%C3%B6stlichen_Europa; 23.10.2018

 

 

 

 


 

 

 


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