Homo Magi Archiv Wöchentliche Ansichten eines Magiers über den Jahreslauf und die Welt Teil 20
Delling Dank! |
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Feierlichkeiten
Lieber Salamander,
das neue heidnische Jahr möchte ich nicht mit langen Reden über die
letzten 20 Jahre beginnen, sondern auf ein Jubiläum hinweisen, das
heidnisch unfassbare Prägnanz besitzt: Die Sesamstraße wird 50.
Stilbildende Ikone. Zeitvertrödler erster Güte. Bilderbringdienst für
die Generation ohne „Input“. Zusammenfassend: Als Kind und sogar noch
als Jugendlicher konnte ich mir eine Welt nicht vorstellen, in der es
keine „Sesamstraße“ gab.
Was habe ich da nicht alles gelernt. Toleranz ist wichtig und jede
Lebensform ist in sich gut, wenn Erwachsene sich gemeinsam dafür
entscheiden: Ein schwules Pärchen bewohnt gemeinsam ein Haus und
gestaltet zwischen Ordnungszwang und Anarchie sein gemeinsames Leben.
Zahlen sind mystisch: Ein adeliger Vampir bringt einem etwas über
Mathematik bei. Die Wahrheit ist ein sehr dehnbarer Begriff: Ein
großartiger Detektiv enthüllt das Geheimnis von außerirdischen Partys
auf irdischen Wiesen.
Und: Alles, was mir das Leben an Drogenerfahrungen mitgegeben hat,
verblasst neben dem Krabbelkäfer-Bonbon-Fest![1]
Fluschige Monster, bewohnbare Mülltonnen, wundervolle Musikstücke (was
waren da tolle Sachen dabei!) – ein entsprechendes Ritual ist
überfällig.
Ich wäre gerne der Bibo des Südens.
Dein Homo Magi
Auschwitz
Lieber Salamander!
Kürzlich bekam ich ein Flugblatt in die Hände, in dem auch die LGA
(Lagergemeinschaft Auschwitz) erwähnt wird. Namentlich wurde der
Gründer, Hermann Reineck, genannt. Er war ein ehemaliger Häftling, der
die Erinnerung durch persönliche Zeugnisse wach halten wollte.
Als ich Mitte der 80er Jahre Übersetzer auf einem Kirchentag war (1987,
Frankfurt am Main) hatte ich erst einen Posten beim orthodoxen
Metropoliten von Moskau (oder Leningrad oder was auch immer, habe ich
vergessen), der aber kein Wort Englisch oder Deutsch sprach. Danach
schacherte man mir eine „junge Frau“ zu, die ich erst nicht mit dem
Holocaust in Verbindung brachte.
Pustekuchen. Es war Vera Kriegel, Vorsitzende des Verbands der
Mengele-Zwillinge. Ich hatte mehrere Tage lang von morgens früh bis
abends spät Holocaust-Überlebende um mich herum. Dazu abends eine
Flasche Wodka, weil das anders nicht zu überstehen war.
In den 80er Jahren war ich mit der Schule in einem KZ in Frankreich, auf
einer Reise mit der Aktion Sühnezeichen drei Wochen in Polen, samt
Arbeitseinsatz in einem KZ als Archivhelfer, dazu vor dem Fall der Mauer
zwei Besuche in Prag mit entsprechender weltanschaulicher Schulung.
Das ging bis 1988. 33 Jahre nach Kriegsende. 33 Jahre nach Befreiung der
Lager. Die Zeugen waren alt, aber sie lebten noch.
2021 sind dann weitere 33 Jahre vergangen. Die Zeugen sterben aus. Das
Wissen um die Schrecken wird nur noch aus zweiter Hand weitergeben, von
Zeugen von Zeugen. Vielleicht ist das gut so, weil manche Dinge sind so
schlimm, dass nur die Zeit sie heilen kann. Aber das Vergessen wird zum
Verändern der Vergangenheit.
Egal, was man über Fakten und Wahrheiten sagt. Diese Tage in Frankfurt,
damals vor über 30 Jahren, haben mir für immer eingebrannt, dass es
Dinge gibt, die man nicht erfinden kann, Grausamkeiten, die so schlimm
sind, dass wir kaum Worte dafür finden. Wer behauptet, diese Gräuel
haben alle nicht stattgefunden haben, ist nicht nur ein Lügner. Er ist
auch dumm. Und für immer ausgeschlossen aus dem Kreis der Menschen, für
die Geschichte nicht nur Worte sind, sondern auch Gefühle, Erinnerungen,
Träume, Ängste.
Dein Homo Magi
Nicht-Götter
Hallo Salamander,
da musste ich doch jetzt erfahren, dass es gar keinen griechischen Gott
namens Demigorgon gibt. Wie hieß es gestern in der Zeitung:
Der griechische Gott Demogorgon ging wohl nur wegen eines
Grammatikfehlers in die Geschichte ein. Mit großen Folgen für die
Popkultur.[2]
Weiter heißt es da:
Dieser scheinbar winzige Fehler macht den Demogorgon, jenen Gott
gewordenen Grammatikfehler, wie der Mythologe Jean Seznec ihn in seinem
Standardwerk „Das Fortleben der antiken Götter“ von 1940 nannte, zu
einer Pseudogottheit. Damit befindet er sich in bester Gesellschaft,
denn auch Boccaccios Zeitgenossen Giglio Giraldi, der als einer der
ersten den Demogorgon beanstandete, und Vincenzo Cartari gingen mit
ihren Quellen etwas lax um – zumindest wenn man ihre Arbeitstechnik mit
heutigen wissenschaftlichen Standards bemisst. Das Pantheon der
Pseudogottheiten ist entsprechend groß.[3]
Die englischsprachige Wikipedia hat schon reagiert:
Demogorgon
is a deity or demon, associated with the underworld and envisaged as a
powerful primordial being, whose very name had been taboo. Although
often ascribed to Greek mythology, the name probably arises from an
unknown copyist’s misreading of a commentary by a fourth-century
scholar, Lactantius Placidus. The concept itself though can be traced
back to the original misread term demiurge.[4]
Schade, denn der „Gott“ hat eine Fantasy-Wirkungsmacht:
Demogorgon is the name given to the otherworldly antagonist of the
Netflix original show, Stranger Things, which began airing in
2016.
This name is inspired by the Dungeons & Dragons version.[5]
Denn in „Dungeons & Dragons“ spielt der Nicht-Gott eine wichtige Rolle:
In the Dungeons & Dragons fantasy role-playing game,
Demogorgon is a powerful
demon prince. He is known as the Prince of Demons a self-proclaimed
title, but one that is acknowledged by mortals and even his fellow
demons because of his power and influence. Demogorgon was also named as
one of the greatest villains in D&D history by the final print
issue of Dragon.[6]
Eine schöne, ausgesprochen runde Reise für einen Nicht-Gott. Respekt.
Dein Homo Magi
Herbst
Lieber Salamander,
manchmal überkommt mit der Herbst mit Macht. Dann entstehen – nach
Wochen der Unfähigkeit, auch nur einen Reim zu finden – Texte wie der
folgende. Dieser ist fast grundlos für August Heinrich Hoffmann von
Fallersleben (Autor von „Alle Vögel sind schon da“ und „Ein Männlein
steht im Walde“, was ihn beides heidnisch voll verorten sollte).
Also:
Wer in Corveys Zaubergarten
deine Grabesstatt berührt
wird – wenn Elfenstaub im Winde –
leis‘ ins Märchenland entführt.
Dort sprechen sogar die Esel
und den Kuckuck man versteht,
während sanft mit jedem Winde
eine Melodie verweht.
Deine Worte waren kraftvoll,
taktlos oft, doch stets im Takt,
dessen Rhythmus mich auch heute
wie ein vertrautes Lied erfasst.
Wenn von manchem Menschenwerke
ein Rabe Odin Kunde bringt
er sicherlich seit deinem Tode
dort von deinen Reimen singt.
Und so in Corveys Zaubergarten
das Rabenbanner weht im Wind,
genauso stolz und so vergessen,
wie deine Zauberworte sind.
Muss auch mal sein.
Dein Homo Magi
Wundervolle Schlagzeile
Hallo Salamander,
das sind doch tolle Neuigkeiten:
Das Sperma ist eingefroren und der Kinderwunsch des toten Sohns
überliefert. Seine Mutter hat trotzdem keinen Anspruch auf ein
Enkelkind, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte
entschieden. Aus Rücksicht auf das Kindeswohl ist das Urteil gut, sagt
ein Ethiker.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat eine
Klage auf Herausgabe von Sperma eines Toten abgewiesen. Die Beschwerde
von Dominique Petithory Lanzmann sei unzulässig, hat das Straßburger
Gericht am 5. Dezember 2019 geurteilt.
Die Klägerin wollte eine Pariser Klinik zwingen, ihr das eingefrorene
Sperma ihres verstorbenen Sohnes Félix Lanzmann zur Verfügung zu
stellen, um damit in einer Fortpflanzungsklinik in Israel ein Kind
zeugen zu lassen.[7]
Und welchen großartigen Tippfehler hatte die Überschrift dazu heute in
der Zeitung: „Klage zu Sperma von Totem abgewiesen“.[8]
Was lehrt uns Wikipedia:
Totem ist ein Begriff aus der Ethnologie für Symbole oder
Gruppenabzeichen, die eine mythisch-verwandtschaftliche Verbindung
zwischen einem Menschen bzw. einer Gruppe und einer bestimmten
Naturerscheinung darstellen. Die Naturerscheinungen sind häufig Tiere
oder Pflanzen, jedoch auch Berge, Flüsse, Quellen und ähnliches. Die
„Verwandtschaft“ bezieht sich auf die Eigenschaften oder
Verhaltensweisen dieser „Vorbilder“, jeweils verbunden mit bestimmten
Verhaltensvorschriften für die Träger der Totems.
Der Begriff „Totem“ steht dabei für das Symbol im Sinne einer profanen
Metapher oder eines geheiligten Sinnbildes.[9]
Die samen nicht. Aber magisch wäre das Sperma einer magischen
Naturerscheinung schon der Hammer … aber es war nur ein Tippfuhler.
Seufz.
Dein Homo Magi
Sprachkorrekturen
Hallo Salamander,
ich rege mich schon immer auf, wenn man Kinderbücher sprachlich anpasst,
damit sie dem Zeitgeist genügen. Da verschwindet der „Negerkönig“ aus
„Pippi Langstrumpf“, der Negerkuss ist schon lange aus den Regalen
verbannt und „einen Türken bauen“ ist für die meisten Menschen heute
unverständlich (wer darauf achtet, mag erkennen, dass auch diese
sprachliche Wendung verschwunden ist).
Dann hatte ich aber die Gelegenheit, in einer Kantine in einem
öffentlichen Gebäude Revanchismus pur zu bestellen: Königsberger Klopse.
Das geht natürlich überhaupt nicht. Okay, die Kapernsoße war lecker und
die Klopse mindestens befriedigend. Das hätte noch keinen Grund gegeben,
mich aufzuregen.
Aber müssten die Klöpse nicht konsequent Kaliningrader Klopse heißen?
Denn:
Kaliningrad (…), bis 1946 Königsberg) ist die Hauptstadt der Oblast
Kaliningrad. Die vormals deutsche Stadt Königsberg wurde als Ergebnis
des Zweiten Weltkrieges unter dem Namen Kaliningrad, wie der gesamte
Nordteil Ostpreußens (außer dem Memelland), Teil der Russischen
Sowjetrepublik, der größten Unionsrepublik der Sowjetunion. Benannt
wurde die Stadt nach dem ehemaligen sowjetischen Staatsoberhaupt
Kalinin.[10]
Aber Korrekturen von Sprache sind ganz oft ein Werkzeug von Kontrolle in
einer Welt, die mehr und mehr an Orwells „1984“ erinnert (nur, dass wir
die Gedankenkontrolle freiwillig wählen).
Zurück zum Klops. Mag er Königsberger heißen, denn er war ein Klops aus
Königsberg, als er erfunden wurde. Und schreibt in Pippis Bücher
vielleicht vorne einen erklärenden Satz, aber lasst den Negerkönig drin
– der gehört zur Zeitgeschichte wie der Klops.
Dein Homo Magi
Arztbesuche
Hallo Salamander,
es gibt für chronisch Kranke wenig Dinge, die so sehr an Fernsehserien
aus den sechziger Jahren erinnern wie regelmäßige Arztbesuche. Das „setting“
ist klar – die kleine Familie in dem netten Haus am Rande der Prärie,
der freundliche Facharzt mit den netten Sprechstundenhilfen. Dann kommt
die Rahmenhandlung – vom Aufgehen der Sonne hinter den Bergen bis zu
„Gute Nacht Haus“ oder aber von der namentlichen Begrüßung bis zum
Handschlag am Ende.
Ich komme mit den Herren in Weiß gut klar. Sie nehmen mich nicht ernst,
ich nehme sie nicht ernst. Auf gute Zusammenarbeit. Alle drei Monate
schauen wir in meine Blutwerte, lachen einmal laut und dann sehen wir
uns wieder drei Monate nicht.
Dieses Mal war es anders. Mit gramgebeugtem Gesicht verwies der Arzt auf
eine Grafik auf seinem PC-Bildschirm, auf der zu erkennen war, dass mein
Blutwert X (oder auch Y, ich habe hier nicht vor, meine Blutgeheimnisse[11]
hier Arzt-kompatibel zu schildern) sich mehr und mehr dem Ende nähert
und ein langsamer, schmerzhafter Tod mein ist. Ich schaute ein zweites
Mal auf die Grafik. Dann blickte ich auf die langsam nach unten
hoppelnde Linie.
„Ihnen ist schon klar, dass das hier unten nicht die 0-Linie ist!“
Grafikprogramme sind für den Satan gemacht. Er schaute verdutzt auf den
Bildschirm, schüttelte verwirrt den Kopf, schaute erneut. „Wenn meine
Blutwerte gleichbleibend schlechter werden – wann bin ich dann sicher
tot?“, hakte ich nach. Einen Moment lang rechnete er im Kopf nach. „Noch
65 Jahre!“ „Okay, dann komme ich in 40 Jahren zur Nachuntersuchung.“
Natürlich komme ich in drei Monaten wieder. Mal sehen, was ihm das
nächste Mal einfällt. Langeweile ist anders.
Dein Homo Magi
Rauhnächte
Die Rauhnächte, jene Janus-köpfigen Nächte zwischen den Jahren, bieten
mir immer die wohlverdiente Möglichkeit, den Lesestoff zu mindern, den
ich Eichhörnchen-artig in meinem Nachtschrank horte. Aber das macht
nicht jeder mit seinem Nachtschrank.
Es gibt eine eigene Bewegung, die sogenannten Prepper, die sich auf eine
Katastrophe vorbereiten, die am Tag X sicherlich kommen wird. Weder ist
klar, wann der Tag X ist, noch, was das auslösende Ereignis sein wird.
So geht es von der Zombie-Apokalypse am 01.01.2020 bis zur Explosion
eines Supervulkans in ferner Zukunft, Angriffe von Außerirdischen, die
Überfremdung Mitteleuropas und die Bolschewisierung Westeuropas – eines
meiner Lieblingsklischees, schon benutzt, aber immer wieder verwendbar –
bis hin zu Atomkrieg und Klimakatastrophe. Dafür sammelt man dann aber
im Nachtschrank lieber eine Pistole, Trinkwasser, Trockenrationen, eine
Hundepfeife, Armbrust und Armbrustbolzen sowie Rettungsdecken und
Jobtabletten.
Wer mir nicht glauben mag und denkt, ich überziehe, möge seine
Gehirnnutzung abschalten und sich wenige Minuten mit dem großen Bruder
beschäftigen, der nebenbei nur unzureichend nach einer mittelalterlichen
Kopfbedeckung benannt ist.
Wenn die Zombieapokalypse kommt, bin ich hilflos. Aber in meiner Familie
gibt es keinen Anstieg von familiärer Gewalt über die Feiertage, weil
wir alle lesen. So geht es auch mir. Der übliche Mix aus Gustav Meyrink,
romantischer Dichtung, Sachbüchern zu obskuren Themen und phantastischer
Lektüre erwartet mich, während ich Dinge tue, die ich schon seit
Jahrzehnten an diesen Tagen tue. Heute nennt man das „Entschleunigung“
oder „Achtsamkeit“, aber die Worthülsigkeit der modernen Welt lässt
einen schon dankbar sein, wenn es nicht schlecht platzierte Anglizismen
sind, welche die Pfeiler meines Lebens markieren.
Lesen erhöht die subjektive Lebenszeit – das ist ein toller Slogan, den
ich voll bejahen kann. Wer liest, lebt länger – zumindest gefühlt. Ich
brauche beim Lesen das haptile Erleben, das Erfühlen des Buches.
Natürlich kann man Bücher auch elektronisch auf einem E-Reader lesen.
Man kann sich auch warmes Gulasch in die Haare reiben, bevor man mit
einer schönen Frau verabredet ist. Nicht alle Dinge, die möglich sind,
sind auch klug. Aber wenn es einen Merksatz gibt, den ich gerne in
goldenen Lettern auf einem Marmorbogen über einem Tor befestigen möchte,
den jedes Mitglied der nachgeborenen Generation auf dem Weg zum ersten
Tag des fünften Schuljahres passieren muss, dann wäre es jener:
Nicht alle Dinge, die möglich
sind, sind auch klug.
Wir leben in einer Welt, in der viel möglich ist, da die Welt der
Möglichkeiten gegenüber der Welt der Sinnhaftigkeit wirkungsmächtiger
geworden ist.
Wer möchte denn überleben, wenn die Zombieapokalypse 99 % der
Bevölkerung ausgerottet hat? Und wenn die Zombies kommen, sind sie
bestimmt langsam. Dann kann ich ja noch „Der unsichtbare Roman“ von
Christoph Poschenrieder zu Ende lesen. Da geht es unter anderem um
Gustav Meyrink. „Hüben und drüben ein ganzer Mensch.“ Das ist ein Motto,
das von Pol zu Pol gelebt werden sollte.
Von wegen Pole. Wie konnte man heute lesen:
Die designierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will
Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent machen.[12]
Wenn ich jetzt noch rauskriege, wer in der Antarktis dafür sorgt, dass
sie offensichtlich nicht klimaneutral ist, dann ziehe ich den zur
Verantwortung.
Zombies sind hirntot. Vielleicht ist die Bedrohung doch näher, als
erwartet.
Dein Homo Magi
Rauhnächte II
Lieber Salamander,
die Rauhnächte sind vorbei, ich widme mich wieder meinen Texten. Was
habe ich so getrieben? Eigenartige Bücher gelesen. Zum Beispiel eine
Biographie über Ernst Busch. Ernst Busch?
Busch war Sohn des Maurers Friedrich Busch und dessen Ehefrau Emma. Er
absolvierte von 1915 bis 1920 eine Ausbildung zum Werkzeugmechaniker und
arbeitete anschließend als Werftarbeiter. (…)
1920 nahm Busch Schauspiel- und Gesangsunterricht und wurde von 1921 bis
1924 am Stadttheater Kiel (…), danach bis 1926 in Frankfurt (Oder) (…)
engagiert. (…) Ab 1928 trat er in Berlin (…) in Stücken von Friedrich
Wolf, Bertolt Brecht und Ernst Toller auf. In der Verfilmung der
Dreigroschenoper (…) spielte er den Moritatensänger (mit dem Mackie-Messer-Song).
Von 1929 bis 1933 wirkte er in einem Dutzend Filme mit (…).
(…) Busch sollte nach der Machtergreifung der NSDAP aufgrund seiner
politischen Gesinnung von der SA verhaftet werden. Durch glückliche
Umstände entging er einer der ersten Razzien (…). Er flüchtete daraufhin
mit seiner Ehefrau, der Sängerin Eva Busch, zunächst in die Niederlande.
Von dort aus folgten weitere Stationen: Belgien, Zürich, Paris, Wien und
schließlich die Sowjetunion (…).
(…) 1937 reiste Busch (…) nach Spanien und trat als Sänger bei den
Internationalen Brigaden auf. Mit seinen Liedern (…) äußerte er sich
offen gegen den Faschismus. (…) Mitte 1938 verließ Busch den
Kriegsschauplatz und kehrte nach Belgien zurück. (…)
Mit dem Beginn des Westfeldzugs am 10. Mai 1940 gegen die neutralen
Staaten Niederlande, Belgien und Luxemburg wurde er in Antwerpen
verhaftet und nach Südfrankreich in das Internierungslager Camp de Gurs
deportiert. Er war dort bis Ende 1942 interniert, dann gelang ihm die
Flucht bis an die Schweizer Grenze. Die französische Grenzgendarmerie
verhaftete Ernst Busch jedoch vor dem Grenzübertritt, lieferte ihn an
die Gestapo aus und er wurde im Januar 1943 über Paris in das
Polizeipräsidium Alexanderplatz überstellt. Im März 1943 wurde er (…) in
Einzelhaft genommen. (…) Am 22. November 1943 wurde er bei einem
alliierten Luftangriff auf die Haftanstalt schwer verletzt. Durch die
Intervention von Anwälten über Gustaf Gründgens entging er aufgrund der
im April 1937 erfolgten Ausbürgerung und seiner schweren Kopfverletzung
der Todesstrafe (…).[13]
Ein bewegtes Leben – und wer mehr über sein Leben nach 1945 erfahren
will, der lese das wirklich gute Buch „Er rührte an den Schlaf der Welt“
von Jochen Voit. Aber es ist nicht das ganze Buch, für das ich hier
Werbung machen will, sondern mich hat eine Stelle über die Beerdigung
des Komponisten Hanns Eisler verwirrt, dann gerührt, dann wieder
verwirrt:
Bei strahlendem Sonnenschein wurde im Beisein des Staatsapparates [der
DDR, d. Verf.] der Sarg herabgelassen, dazu intonierte ein Kinderchor
die „Kinderhymne“. Stephanie Eisler, die Witwe, wurde allgemein
vermisst, wie war „aus irgendeinem Grunde in dem Trauerzug nach hinten
geraten“. Derweil nahm Busch auf merkwürdige Weise Abschied von seinem
Freund. Er trat ans Grab, „zog eine Haarbürste aus der Tasche, fuhr sich
durch sein schütteres Haar, warf die Bürste ins Grab und murmelte:
‚Mach’s jut.‘ Da ging Leben von seiner Seite.“[14]
Wenn das keine zutiefst magische Geste ist, die da ein alter Kommunist
an einem Grab eines anderen Kommunisten in der DDR vollführt. Oder ist
mir hier etwas entgangen?
Ich bin weiter verwirrt. Dabei sind die Rauhnächte schon zu Ende.
Dein Homo Magi
Rauhnächte III
Hallo Salamander,
in einer Welt zu leben, in der das Bleigießen verboten ist und man
darüber nachdenkt, das Feuerwerk zu verbieten, ist irgendwie gaga und
irgendwie okay. Die Rauhnächte der Gesundheitskontrolettis werden immer
schwieriger zu überstehen sein, wenn ich aus der Vergangenheit
schließend in die Zukunft schaue.
Vor 20 Jahren saßen wir rauchend und saufend in der Kneipe, haben
Bleigießen gemacht, dann sind wir raus, haben Raketen abgeschossen und
hatten danach Flips, Schokoriegel und Sex, nicht unbedingt in dieser
Reihenfolge. Im Moment ist noch alles möglich, was nicht mit Rauchen und
Bleigießen zu tun hat (was für eine irre Kombination). In 20 Jahren bin
ich vielleicht nicht mehr fit genug für Sex morgens um 2.30 Uhr, aber
bis dahin sind wohl Flips und Schokoriegel schon verboten, wenn Kinder
dabei sind, Raucher werden online mit Namen und Bild bekannt gemacht,
damit man den Umgang meiden kann und Bleigießen kennt man nur noch aus
Geschichten.
„My uncle was a lead pourer” kann man dann zu traurigen Bluesakkorden
auf der Gitarre spielen, während traurig von Feuerwerken erzählt wird
(oder man schenkelklopfend davon erzählt, wie das reine Weiterleiten von
mit dem Mobiltelefon gemachten Filmen eines Feuerswerks zu
Beschimpfungen durch Heiden geführt hat, kein Witz).
Okay, da bin ich voll bei euch Gesundheitskontrolettis. Feuerwerk ist
überflüssig, es ist laut und es verursacht Feinstaub. Hey, das ist heute
ein wichtiger Grund:
Jährlich werden rund 4.200 Tonnen Feinstaub (PM10) durch das Abbrennen
von Feuerwerkskörpern frei gesetzt, der größte Teil davon in der
Silvesternacht. Diese Menge entspricht in etwa 25 % der jährlich durch
Holzfeuerungen und ca. 2 % der gesamt freigesetzten Feinstaubmenge in
Deutschland.[15]
Tja, die bösen Holzfeuerungen. Das große Feuer zu Yul wird dann auch
Vergangenheit sein. Wie auch die Pfeife dazu. Vom Bleigießen ... ich
wiederhole mich.
Wenn ich den nächsten SUV mit einem Christenfischaufkleber sehe, dann
fahre ich der Fahrerin nach (es sind auf meiner täglichen Strecke
meistens Fahrerinnen, wie eine von mir durchgeführte Erhebung bewiesen
nach) und frage sie, ob sie Lust auf heidnischen Feinstaub hat. Wenn sie
dann fragt „Mit Bleigießen?“, dann kann man sie anwerben für das geheime
deutsche Heidentum.
Dein Homo Magi
Ein Toast auf Christopher Tolkien
Hallo Salamander,
Samstag war Heiden-Stammtisch. Ein neuer Gast, viele bekannte Gesichter,
Dummzeug neben ernsten Gesprächen (über die Willi-Wodan-We-Verteilung,
so unter anderem nebenher), dazu gutes Essen (carnivor, vegan und
vegetarisch). Irgendwann stand ich auf, hob mein Glas und sagte ein paar
Worte über jemanden, der gerade verstorben war, und der vielen Menschen
die nordische Mythologie näher gebracht hat – Christopher Tolkien. Mein
Stammtisch (ja, wegen solcher Dinge ist es „mein“ Stammtisch) trank mit.
Danke dafür.
Christopher Tolkien? Hier ein paar erklärende Worte:
Tolkien was born in Leeds, England, the third of four children and
youngest son of John Ronald Reuel Tolkien and his wife, Edith Mary
Tolkien (née Bratt). (…)
He entered the Royal Air Force in mid-1943 (…). (…)
After the war, he studied English (…). (…)
Tolkien had long been part of the critical audience for his father’s
fiction, first as a child listening to tales of Bilbo Baggins (which
were published as The Hobbit),
and then as a teenager and young adult offering much feedback on
The Lord of the Rings during
its 15-year gestation. He had the task of interpreting his father’s
sometimes self-contradictory maps of Middle-earth in order to produce
the versions used in the books, and he re-drew the main map in the late
1970s to clarify the lettering and correct some errors and omissions. J.
R. R. Tolkien invited Christopher to join the Inklings when he was 21
years old, making him the youngest member of the informal literary
discussion society (…). (…)
He published The Saga of King
Heidrek the Wise:
„Translated
from the Icelandic with Introduction, Notes and Appendices by
Christopher Tolkien“
in 1960.
His father J. R. R. Tolkien wrote a great deal of material connected to
the Middle-Earth legendarium that was not published in his lifetime. He
had originally intended to publish The Silmarillion along with
The Lord of the Rings, and parts of it were in a finished state when
he died in 1973, but the project was incomplete. Tolkien once referred
to his son as his
„chief
critic and collaborator“,
and named him his literary executor in his will. Tolkien organized the
masses of his father’s unpublished writings, some of them written on odd
scraps of paper a half-century earlier. Much of the material was
handwritten; frequently a fair draft was written over a half-erased
first draft, and names of characters routinely changed between the
beginning and end of the same draft. In the years following, Tolkien
worked on the manuscripts and was able to produce an edition of The
Silmarillion for publication in 1977.[16]
Verdienter Toast.
Dein Homo Magi
Meerjungfrauen shoppt man nicht
Lieber Salamander,
in der Tageszeitung las ich voller Verwunderung, dass „mermaiding“ der
neue Trend für Aqua-Messen sei. Meine ganzen schönen Assoziationen dazu
waren aber nicht schön, sondern reduzierten sich auf stumme Geliebte aus
dem Meer, die es immer zurück unter die Wellen zog, wobei sie gerne
ihren sterblichen Geliebten mitzogen.
Pustekuchen.
Wikipedia hilft:
Bei dieser Schwimmsportart wird versucht, sich in einem entsprechenden
Kostüm mit einer Monoflosse (mit oder ohne Stoffbezug) wie eine
Meerjungfrau im Wasser fortzubewegen. Der Schwimmstil ähnelt dem
Flossenschwimmen und dem Delfin-Stil.
Weltweit gibt es mittlerweile Frauen und Männer, die als „professionelle
Meerjungfrauen und Meermänner“ als Entertainer oder Unterwassermodels
arbeiten. Zu den bekanntesten professionellen Meerjungfrauen gehören
Mermaid Melissa, Hannah Mermaid und die deutsche Mermaid Kat.[17]
Natürlich braucht man dafür eine Meerjungfrauenflosse, denn ohne die ist
man keine echte Meerjungfrau.
Ganz kurzer Realitätscheck. Haben wir ein Problem mit zu viel Plastik im
Meer? Ja. Ist die Meerjungfrauenflosse voll aus Stoffen, die man
höchstwahrscheinlich nicht einfach recyceln kann? Ja. Kann man Schwimmen
auch ohne Meerjungfrauenflosse? Ja. Haben wir ein Problem in der
Gesellschaft, dass sowieso zu wenige Kinder aus armen Familien nicht
schwimmen lernen? Ja. Kostet dieses Mermaiding-Angebot Extra-Geld für
Anleitung und Kleidung, was gerade arme Familien nicht haben? Ja.
Und abschließend: Ist Mermaiding Sprachpanscherei auf hohem Niveau? Ja.
Dein Homo Magi
Feuerwehr
Hallo Salamander,
was macht die Feuerwehr eigentlich so? Ich hatte immer den Eindruck,
dass die Kernkompetenz das Abwehren von Feuer sei, ein wenig auch auf
die Herkunft des Namens gestützt. Will ich ein Feuer löschen, nehme ich
den Feuerlöscher. Will ich einen Schuh machen, dann nehme ich einen
Schuhmacher. So oder so ähnlich geht das.
Was musste ich jetzt über Zusatzaufgaben der Feuerwehr lesen?
In Dresden können die Mitarbeiter eines Krankenhauses einem Mann nicht
allein helfen und rufen die Feuerwehr. Die Einsatzkräfte befreien den
Patienten von einem Penisring.[18]
Nun gut, da kann man eine Menge Witze mit „runterspritzen“ machen (um
jeden doofen Kommentar abzuwenden – damit befinde ich mich tief im
Beatles-Witzschatz und verweise auf den Film „Hi-Hi-Hilfe!“). Aber wen
hätte man sonst anrufen sollen, wenn das Krankenhaus schon abwinkt?
Der Artikel gibt weitere, wichtige Details:
Weil der Klinik das geeignete Werkzeug fehlte, um dem Mann zu helfen,
wurde die Feuerwehr gerufen. Die Rettungskräfte hätten dann mit einem
Multifunktionswerkzeug den rund zehn Zentimeter großen Edelstahlring
unter ständiger Kühlung in zwei Teile zerlegt, ohne den Patienten zu
verletzen.[19]
Als Mann fragt man sich natürlich, ob der Ring zehn Zentimeter
Durchmesser hatte oder zehn Zentimeter breit war, als Pseudo-Handwerker
frage ich mich, ob nicht ein einzelner Schnitt und aufbiegen weniger
riskant gewesen wäre, als Hobby-Heimwerker frage ich mich schließlich,
warum es im Krankenhaus kein Multifunktionswerkzeug für
Penisring-Entfernungen gibt.
Und welche anderen Funktionen hat ein Multifunktionswerkzeug (Multi!)
für Penisring-Entfernungen? Und: Will ich das wissen?
Nein. Für mich löscht die Feuerwehr weiter Feuer. Hauptsächlich.
Nebenbei: „unter ständiger Kühlung“ des Rings? Brrrrrrrrrr.
Dein Homo Magi
Heilungs- und Befreiungsdienst
Lieber Salamander,
die katholische Kirche ist dem Heidentum um Längen voraus, wenn es um
die Besetzung oder Umdefinierung von Begriffen geht. Wer hat keine Angst
davor, mit Weihwasser bespritzt, ausgepeitscht, mit glühenden Zangen
traktiert zu werden, um dann zu Christus zu finden, damit die Dämonen
einen verlassen? Aber das ist jetzt alles nicht mehr wahr, man ist im
Befreiungsdienst unterwegs.
„Guten Tag, Befreiungsdienst. Dürften wir ihre Freunde und Bekannten
verhaften, sie ein wenig foltern, damit wir ein Geständnis kriegen und
sie von den Dämonen befreien können, von denen sie nichts wissen?“
Alles wahr:
Nach dem Tod von Bischofsvikar Christoph Casetti am Sonntag sucht das
Schweizer Bistum Chur einen neuen Exorzisten. Nachfrage bestehe
weiterhin, besonders bei Migranten. Mehr als 400 Anfragen gingen
jährlich bei der katholischen Kirche ein. (…)
Casetti selbst sprach nicht von Teufelsaustreibung, sondern formulierte
im Schweizer Fernsehen, er sei im „Heilungs- und Befreiungsdienst“
tätig; wenn der Bischof die Erlaubnis gebe, könne er auch den „großen
Exorzismus“ beten. Der Ablauf des Rituals ist in einem lateinisch
verfassten Handbuch festgelegt. Dieses sei aber „nur für den Exorzisten
bestimmt“, schreibt das Bistum Basel.
Oft fühlten sich Menschen von „unsichtbaren Mächten“ bedroht und wollten
sich von diesen befreien, so der Baseler Pressesprecher Hansruedi Huber.
„Sie verlangen dann manchmal einen Exorzismus, ohne aber genau zu
wissen, was das ist.“ Seelsorger berieten die Hilfesuchenden, wiesen
auch auf psychologische oder psychiatrische Ursachen hin und
vermittelten Betreuung.
„In den meisten Fällen“, so Huber, helfe den Betroffenen bereits „ein
gemeinsames Gebet“. Kommt es tatsächlich zu einer Teufelsaustreibung,
verlaufe diese „nach einem alten Ritual“ und umfasse Gebete und
Segnungen (…).
Casetti sagte dem SRF, er lade „die Bedrängten ein, auf das Kreuz zu
schauen“. Christus habe „am Kreuz das Böse besiegt“, könne also „als
Vorbild bei der Überwindung der dämonischen Kräfte angesehen werden“.
In erster Linie werde das Kreuz aber den Dämonen selbst gezeigt, von
denen die „Bedrängten“ besessen seien. Mit der Formel „Seht das Kreuz
des Herren, fliehet, ihr feindlichen Mächte“ würden sie ausgetrieben.
Unbedingt dazu gehöre das Weihwasser, so Casetti. Die Reaktion darauf
sei „oft sehr heftig“. Manche „Patienten beziehungsweise Dämonen“
riefen: „Hör auf, das brennt, das brennt!“ Ein bis zwei Exorzismen
führte Casetti nach eigenen Angaben jährlich durch.
Er habe auch schon erlebt, dass er über Skype mit jemandem sprach und
dabei aus dem Nichts hebräische Schriftzeichen auftauchten, sagte
Casetti einmal der Zeitung „Blick“; „oder jemand, der keine große
Bildung besitzt, verstand plötzlich Latein“. Das seien „klare Zeichen“
für eine Besessenheit.
„Das Leid dieser Menschen ist ungeheuer groß“, wird Casetti zitiert; man
müsse ihnen helfen. Bei einem großen Exorzismus werde aber ein Arzt
hinzugezogen. Manchmal müsse man auch „jahrelang beten“. Der sogenannte
kleine Exorzismus komme dagegen häufig vor. Dieser sei „weit weniger
spektakulär als das, was man in Filmen sieht“.[20]
Ich kann Latein, bin also als Heide jetzt doppelt gefährdet. Vor den
hebräischen Schriftzeichen habe ich keine Angst, aber Dämonen scheinen
auf alte Sprachen zu stehen. Mangelnde Anpassung an die Moderne, so
würde ich den Dämonen unterstellen wollen, wenn das wahr ist. Aber die
Wahrscheinlichkeit für die Wahrheit bei diesen Schilderungen geht gegen
Null – in meiner Welt.
Dämonen austreiben – das ist hier finsteres Mittelalter, sonst nichts.
Wie zu erwarten war.
Dein Homo Magi
Paten
Lieber Salamander,
wie alle Prinzen im Märchen habe ich drei Paten. Richtige Gode, die mein
Leben begleitet haben. Naja, ich bin halt kein Prinz.
Die Realität sieht anders aus. Ein Trickbetrüger, ein Arzt, eine
Professorin für Geige. Das mit der Professorin ist kein Witz, das mit
dem Trickbetrüger auch nicht. Meine Eltern hatten eigenartige
Vorstellungen, wie mein Leben verlaufen sollte – zumindest, wenn man
ihrer Paten-Wahl folgt.
Meine Paten waren in meinem Leben unterschiedlich präsent. Der
Trickbetrüger verschwand bald, da gibt es nur undeutliche Erinnerungen
und ein paar Präsente. Der Arzt war bis zu seinem Ende da – nicht als
enger väterlicher Freund oder als Ratgeber, aber als moralischer
Kompass, den man abrufen konnte, wenn man ihn sah, und als treuer
Gratulant. Die Patentante war eine Schulfreundin meiner Mutter, da war
die Bindung zwischen den beiden deutlich enger, was auch in Ordnung ist.
Meine Gode ist vor einigen Tagen verstorben. Jetzt sind alle meine drei
Paten tot (beim Trickbetrüger gehe ich davon aus, aber das ist ein
anderes Thema). Ein komisches Gefühl, denn im Märchen sterben die Paten
nie.
Mach‘s gut, liebe Gode, alles Gute auf Deinen Weg. Du hast mich als
Kleinkind gehalten, als ich getauft wurde. Religiös bin ich davon nicht
mehr begeistert, aber die Geste kann ich würdigen. Ich hebe mein Glas
auf dich, erzähle Geschichten von dir und vergesse dich nicht.
Dein Homo Magi
Paarhufer mit Kreuz
Lieber Salamander,
wir befinden uns zwar (immer noch) nicht in der Welt, in der Staat und
Kirche getrennt sind, aber manchmal machen einem Urteile und
Entscheidungen doch Mut (auch wenn sie, wie in diesem Falle, aus der
Schweiz stammen):
Die Kommerzialisierung einer Marke mit dem zentralen Symbol des
Christentums könnte religiöse Empfindungen der christlichen Käufer
verletzen, lautete die Befürchtung. Dem widersprach jetzt das Schweizer
Bundesverwaltungsgericht.
Die deutsche Firma Jägermeister darf ihren Kräuterlikör auch in der
Schweiz mit ihrem Hirsch-Logo vermarkten. Die „religiösen Gefühle
durchschnittlicher Christen“ würden durch die Verwendung des Paarhufers
mit Kreuz im Geweih nicht verletzt, entschied das Schweizer
Bundesverwaltungsgericht (…).
Der deutsche Hersteller Mast-Jägermeister hatte die Marke bei der
internationalen Organisation für geistiges Eigentum bereits für Waren-
und Dienstleistungen aller Art registrieren lassen. Das Eidgenössische
Institut für Geistiges Eigentum (IGE) wollte die Marke aber nur für
Bekleidung und alkoholische Getränke eintragen. Zur Begründung hieß es,
die Kommerzialisierung einer Marke mit dem zentralen Symbol des
Christentums, dem Kreuz, könnte religiöse Empfindungen der christlichen
Käufer verletzen. Die Verwendung sei sittenwidrig.
Das Schweizer Bundesverwaltungsgericht sah das anders: Der
durchschnittliche Angehörige einer christlichen Glaubensgemeinschaft
sehe im Logo kaum den Hubertus-Hirsch, der auf eine Sage zurückgehe.
Diese besagt, dass der Bischof Hubertus von Lüttich (um 655-727) auf der
Jagd von einem Hirsch mit einem strahlenden Kruzifix zwischen den
Geweihsprossen bekehrt worden sei.
Durch die Verwendung des Logos durch die Firma seit 1935 hat die
Abbildung laut dem Bundesverwaltungsgericht einen Bedeutungswandel
mitgemacht. Der „intensive Gebrauch“ habe „den religiösen Charakter des
strittigen Zeichens somit überschrieben“, so das Gericht.[21]
Also hat eine Nutzung über 85 Jahre doch irgendwann ein Ergebnis … Ich
trinke keinen Jägermeister, finde das Zeug untrinkbar, aber ich denke
bei dem Hirsch selten an den Hubertus-Hirsch oder gar an das Kreuz und
einen Heiligen, sondern einfach an eine Marke mit Alkohol.
Denkverbote führen nur dazu, dass wir uns sonst überlegen müssten, ob
das rote Kreuz erlaubt ist. Oder das Verkehrszeichen für Kreuzungen.
Oder oder oder. Alles Blödsinn, richtig entschieden, werte Schweizer
Richter. Darauf einen Appenzeller Alpenbitter.[22]
Dein Homo Magi
Einfach weniger Zucker
Lieber Salamander,
manchmal sitze ich Stunden vor einem leeren Blatt Papier und überlege
mir, was ich dir an wundervollen Dingen zugänglich machen kann. Dann
schlage ich die Werbebeilage der Zeitung auf, um mich abzulenken.[23]
Das steht doch tatsächlich: „Der erste Löffel, der eine gute Figur
macht.“
Online gibt es das auch mit etwas anderem Text (siehe rechts[24]).
Unfassbar.
Wir machen einfach den Löffelinhalt kleiner, der Konsument merkt das
schon nicht, nachdem er jahrelang an Schummelpackungen gewöhnt worden
ist.
Ich bin gespannt, wann man das für Schmerztabletten und Insulinspritzen
übernimmt. Oder auch für Räucherwerk im Ritual („Einfach selbst einmal
ausprobieren!“) und bei Blutopfer bei Dämonen-Beschwörungen („Einfach
selbst einmal ausprobieren!“).
Dein Homo Magi
Im Zeichen der Doppelaxt
Hallo Salamander,
selten darf man eine Autorinnenbeschreibung lesen, die so einen tollen
Absatz enthält:
Sie studierte Klassische Philologie an der University of California in
Berkeley, wo sie 1933 mit dem Master abschloss und eine Mitgliedschaft
bei Phi Beta Kappa erwarb. 1932 hatte sie den Schriftsteller und
Kinderbuchautor Eric St. Clair geheiratet, den sie in Berkeley
kennengelernt hatte. Von 1938 bis 1941 war sie Gärtnerin, betrieb eine
Pflanzung mit seltenen Birnensorten in El Sobrante (St. Clair Rare
Bulb Gardens) und züchtete Dackel. Seit 1945 war sie hauptberuflich
Schriftstellerin.[25]
Ich kenne sonst niemand, der als Birnenzüchter gearbeitet hat.
Auf meiner Suchliste stand schon seit einiger Zeit ihr Buch „Sign of the
Labrys“, gepriesen als früher Wicca-Roman. Das habe ich mir nicht aus
den Fingern gesogen, das ist auch online klar hinterlegt:
Das Ehepaar unternahm Reisen, unter anderem nach China, und war sehr
früh in Kontakt mit der neopaganen Wicca-Bewegung von Gerald Gardner,
noch bevor diese durch Raymond und Rosemary Buckland in den USA
Verbreitung fand. Chas S. Clifton und Terence E. Hanley führen das
darauf zurück, dass zum einen St. Clair durch ihre klassische Bildung
und ihre Kenntnis antiker Mythologie einen entsprechenden Hintergrund
hatte und vermutlich Robert Graves’ 1948 erschienenes Buch
The White Goddess: A Historical
Grammar of Poetic Myth gelesen hatte, in dem Graves das Konzept
eines keltisch-antiken Kultes der Göttin entwickelt, das dann von
Gardner aufgenommen und zur Grundlage seines Wicca-Kultes gemacht wurde.
Gardners Witchcraft Today war
1953 erschienen. Jedenfalls weist der 1963 erschienene Roman
Sign of the Labrys bereits
deutliche Bezüge zu Wicca auf.[26]
Sie schrieb ihre Bücher als „Idris Seabright“; ich würde mal vermuten,
dass das ihr „Hexen-Name“ war.
Darauf gibt es klare Hinweise:
„Idris Seabright“ was one of her pen names, and if she got „labrys“ from
Graves's White Goddess, she cannot have missed his references to Idris,
one of the Three Happy Astronomers of Britain, according to the Welsh
triads, and to Cader Idris, a Welsh mountain with a stone „chair“ at its
summit (…).[27]
Sie gehörte zu den ersten Wiccas in Großbritannien:
Both St. Clairs were interested in magic and were, in effect, Neopagans
before the term was in common use. Margaret’s background in Classics
contributed largely to that fact; she would have read such scholars on
Greek mythology as Jane Hamilton, who contributed a lot to the mythos of
„ancient matriarchies. “ The St. Clairs had been in touch with Gerald
Gardner circa 1962 (…).[28]
Alles interessant, aber die Geschichte des Neo-Paganen interessiert
nicht mehr zu viele Leser.
Schade.
Achja, das Buch „Sign of the Labrys“.
Es hat Spaß gemacht, ein Eintauchen in die 60er-Welt von globaler
Katastrophe, neuer Mystik und der Angst vor einer Kontrollinstanz,
irgendwo zwischen „Großem Bruder“ und SA. Zwei nette Abende, viel
Nachdenken danach – super Kombination.
Dein Homo Magi
Perverse Erdmännchen
Hallo Salamander,
vor einigen Tagen habe ich bei Ebay „Kleiner König Kalle Wirsch“
gekauft. Wir erinnern uns: erschienen 1969, verfilmt von der „Augsburger
Puppenkiste“, sicherlich ein Kinderbuchklassiker und prägend für meine
Kindheit.
Ich kaufe also das Buch bei Ebay, drucke mir ohne länger hinzusehen die
Kontoverbindung aus und überweise das Geld. Dann fällt mein Blick wieder
auf den Ausdruck. Da steht von Ebay gestellt „Weitere passende
Anzeigen“. Das wären dann laut der Logik der Seite zu „Kleiner König
Kalle Wirsch“ Werke wie „Leck mich, fick mich, schlag mich“, „EheHure“
und „Abrichtung“, aber auch „Disney: Die Eiskönigin 2“.
Was ist mir damals bei „Kalle Wirsch“ entgangen?
Ich lese das Buch jetzt noch einmal mit ganz anderen Augen … was
eigentlich schade ist. Das haben die Wirsche nicht verdient.
Dein Homo Magi
Schwarze Sonne
Hallo Salamander,
heute mal ein Text von mir, der auch schon anderweitig online ist.[29]
Aber an dieser Stelle möchte ich das Werk nicht veröffentlichen ohne zu
erwähnen, dass es meine Frau war, der die bewusste „Sache“ aufgefallen
ist.
Musste mal klargestellt werden.
Eine „Schwarze Sonne“ von 1966?
Wer hätte vermutet, dass Artur Brauner als derjenige gelten könnte, der
„Die schwarze Sonne“ publik gemacht hat? Artur Brauner, Sohn eines
jüdischen Holzgroßhändlers, geboren als Abraham Brauner in Lodz,
verheiratet mit einer ehemaligen polnischen Zwangsarbeiterin, Gründer
der Artur Brauner Stiftung „Zur Förderung der Verständigung zwischen
Juden und Christen sowie der Toleranz zwischen den Menschen überhaupt,
insbesondere durch die Verleihung eines Filmpreises für entsprechende
themenbezogene deutschsprachige Spielfilme.“[30]
Artur Brauner starb 100 jährig 2019.
Zhu seinen Werken gehören auch „Die Nibelungen“, Teil 1 „Siegfried“ von
1966, Teil 2 „Kriemhilds Rache“ von 1967. Abgesehen von Terence Hill als
Giselher und einem unfassbar guten Rolf Henniger als Gunther sind diese
Filme – besonders wegen der unseligen Besetzung von Siegfried mit dem
Leichtathleten Uwe Beyer (Wikipedia spricht verzeihend von ihm als
„Gelegenheitsschauspieler“[31])
heute nur noch aus nostalgischen Gründen sehenswert. Die Filmmusik ist
erstaunlich gut, Kulissen und Kostüme überdurchschnittlich, aber für die
heutigen Sehgewohnheiten wirkt er ein wenig abgestanden.
Aber wer den Film heute anschaut, wird voller Schrecken feststellen
müssen, dass der Mythos der „Schwarzen Sonne“ hier mit gefördert wird.
Damit schließt er eine Art Überlieferungslücke.
Der Film ist unter Youtube zu sehen[32].
Dort erkennt man klar[33]
folgende Bilder, die natürlich auf der Kauf-DVD klarer zu erkennen sind.
Runenwerfen auf Bodenmustern, gebildet aus mehreren Schwarzen Sonnen.
Wie das uns allen entgehen konnte, ist unklar.
Dass Artur Brauner als Vorreiter der neuen Rechtsextremen ausfällt,
dürfte klar sein. Eine zufällige Übereinstimmung? Ein untergejubeltes
Requisit? Eine Provokation, die keiner gemerkt hat?
Wenn ich eine Theorie formulieren müsste, so wäre der Regisseur Harald
Reinl mein Verdachtsfall. Assistent bei Leni Riefenstahl, Mitarbeiter
bei dem Film „Tiefland“ (gedreht mit Zwangsarbeitern), politisch
deutlich wahrscheinlicher als Brauner
Warum die beiden als Produzent (Brauner) und Regie/Drehbuch (Reinl)
zusammenarbeiten konnten, ist mir sowieso schleierhaft.
Zeit-Couleur? Ahnungslosigkeit? Provokation?
Nebenbei: Die Runen im Bild bilden schönen Text L – Y – M – L (verkehrt)
– Y – U (?) – N – L (verkehrt) im Armanen-Futhark.
LenY rieMenstahL – YoU oNly i Love?
Oder: LYM LYm UgNatzL. Ergibt irgendwie mehr Sinn.
Ratlos.
Dein Homo Magi
Fundstücke
Lieber Salamander,
manchmal findet man in einem Buch, das man gerade zufällig liest, einen
Schlüssel, der einem die Schlösser des Mysteriums öffnet:
Alle diese Handwerker, die, wenn sie tüchtig sind, die drei Stufen des
Lehrlings, des Gesellen und des Meisters durchlaufen, beweisen sich in
ihren Berufen, verwandeln sich in wahre Künstler. Sie adeln die
einfachsten Schmiedearbeiten, die gewöhnlichsten Steingutgeschirre, die
schlichtesten Laden und Truhen; die Korporationen, die sich als
Schutzpatrone Heilige wählten, welche auf ihren Bannern abgebildet waren
und häufig angefleht wurden, haben jahrhundertelang die rechtschaffene
Existenz des einfachen Volks gesichert und den seelischen Rang der von
ihnen geschützten Menschen erhöht.
Das alles ist nun vorbei; das Bürgertum ist an die Stelle des Adels
getreten, der der Altersschwäche oder der Sittenverderbnis erlegen ist;
dem Bürgertum verdanken wir das unsaubere Aufblühen der Turn- und
Zechvereine, die Wett- und Rennsportklubs. Der Kaufmann hat heute nur
noch ein Ziel, den Arbeiter auszubeuten, Schund zu fabrizieren, den
Käufer über den Wert der Ware zu täuschen und beim Abwiegen der
Lebensmittel zu betrügen.
Was das Volk betrifft, so hat man ihm die unerlässliche Furcht vor der
alten Hölle genommen und ihm gleichzeitig eröffnet, dass es nach seinem
Tod nicht mehr auf eine Entschädigung für seine Leiden und seine Übel
hoffen könne. So verrichtet er eine schlecht bezahlte, stümperhafte
Arbeit und trinkt. Von Zeit zu Zeit, wenn es sich zu feurige Getränken
einverleibt hat, erhebt es sich, und dann schlägt man es nieder, denn
einmal losgelassen, erweist es sich als dumme und grausame Bestie.
Joris-Karl Huysmans, 1891[34]
Das lasse ich mal so stehen.
Dein Homo Magi
Vor einem Jahr
Hallo Salamander,
versetze dich mental ein Jahr in die Vergangenheit. Denke darüber nach,
als was man dich bezeichnet hätte, wenn du die folgenden Aussagen – oder
eine beliebige Auswahl/Kombination daraus – gemacht hättest:
·
2020 ist das Vermummungsverbot egal, da viele in der Öffentlichkeit
Masken oder Schals vor dem Gesicht tragen.
·
2020 ist der Datenschutz egal, weil unsere Bewegungsdaten legal
gesammelt weitergegeben werden und jeder Arbeitgeber etc. Informationen
über unseren Krankheiten erhält.
·
2020 ist das Heidentum siegreich, weil Christen, Moslems und Juden auf
Gottesdienste verzichten.
·
2020 ist es Flüchtlingen wegen der Ansteckungsgefahr wochenlang
verboten, ihre Unterkünfte zu verlassen.
·
2020 muss man in einigen Bundesländern eine Strafe zahlen, wenn man sich
mit mehr als zwei Leuten trifft.
·
2020 gibt es Versorgungsengpässe, weil die Menschen Grundnahrungsmittel
bunkern.
·
2020 verlässt der Staat das Ideal der „schwarzen Null“ und schüttet
Milliarden Euro an Firmen aus.
·
2020 werden die Umweltziele erreicht, weil wir alle weniger Auto fahren,
unsere Industrien zum Teil nicht mehr produzieren und wir auch nicht
mehr abends oder am Wochenende rausgehen.
·
2020 zahlt die Regierung dafür, alle Urlauber zurück nach Deutschland zu
holen.
Dein Homo Magi
Corona-Sumbeln
Lieber Salamander,
hier mein Vorschlag für eine Dreierrunde zum Sumbeln in Zeiten von
Corona. Drei Personen sind in den meisten Bundesländern ja noch legal,
wenn man sich privat trifft in privaten Räumlichkeiten.
Ich habe ein Männerritual beschrieben, wobei die drei Sumbler die Rollen
von Wodan, Willi und We einnehmen. Einfach so, weil mir das leichter
fällt. Ich spare mir dafür Platzweihe, Anrufung, Hammerritual,
Schankwalküre, Ritualgewandungsanziehpause und die Lösung der Frage, ob
jeder aus seinem eigenen Horn sumbelt oder mit einem Horn im Kreis herum
infiziert wird. Das sind Diskussionen, die führen zu nichts.
Auch habe ich nur die Namen der Gottheiten verwendet – wer mag, kann
hier gerne „Mahner der Menschheit“, „Wagende Weisheit“ oder „Korrekte
Klugheit“ etc. als Namensbestandteil einfügen. Erlaubt ist, was gefällt.
Mir als Verfasser ist klar, dass der „evangelische Duktus“ des Sumbel-Textes
gewollt ist. Immerhin verzichten die christlichen Kirchen aktuell auf
Gottesdienste, von daher ist es unsere Chance, in diese Lücke
hineinzugrätschen – und das funktioniert nur mit dem Bedienen von
Vorerwartungen.
Wodan, in Zeiten eines Virus, der droht Angst unsere Herzen fressen zu
lassen, opfere ich dir, damit Vernunft und Mut wieder Einzug in Hirn und
Herz nehmen.
Willi, in Zeiten eines Virus, der droht uns den Blick darauf verlieren
zu lassen, was wichtig ist, opfere ich dir, damit wir aufhören, uns
Sorgen um das Gehalt jener zu machen, die zurzeit nicht arbeiten,
sondern erst darüber nachdenken, wie wir jene belohnen, die ihre
wichtige Arbeit machen – von dem Krankenbruder über den
Bäckereifachverkäufer bis zur Feuerwehrfrau.[35]
We, in Zeiten eines Virus, der droht uns vergessen zu lassen, wofür wir
immer gekämpft haben, opfere ich dir, damit wir daran denken, dass
unsere Ahnen vor 200 Jahren noch „Freiheit oder Tod“ sangen.[36]
Diese Freiheit gilt es zu verteidigen, wenn Datenschützer, die in den
letzten Monaten wirklich alles kommentiert haben, jetzt schweigen, wenn
die Regierung freizügig Daten sammelt und weitergibt, die früher als
extrem schützenswert galten.
Wodan, in Zeiten eines Virus, der droht, Freundschaften zu brechen,
opfere ich dir, damit wir Mittel und Wege finden, Freunden und
Verwandten zu zeigen, dass wir bei ihnen und mit ihnen sind. Lass uns
wieder telefonieren, Briefe schreiben oder Postkarten senden, um Nähe
und Anteilnahme zu zeigen.
Willi, in Zeiten eines Virus, der Angst macht, weil Arbeit und damit
Geld verloren gehen, opfere ich dir, damit wir alle wieder Solidarität
und Mut erlernen.[37]
We, in Zeiten eines Virus, der Grenzen sich schließen lässt, opfere ich
dir, damit wir nicht vergessen, dass das geeinte Europa in Freizügigkeit
ein Ziel ist, das wir alle anstreben sollten, um weiterhin und zukünftig
Blutvergießen zwischen Franzosen und Deutschen, Polen und Deutschen,
Dänen und Deutschen unmöglich zu machen.
Wodan, in Zeiten eines Virus, der dafür sorgt, dass sich erst jene in
Sicherheit bringen, die wir eigentlich dafür bezahlen, dass sie für uns
da sind, wenn wir sie dringend brauchen, opfere ich dir, damit wir nach
der Krise darüber nachdenken, was wir von „Staatsdienern“ verlangen
können – und was nicht.
Willi, in Zeiten eines Virus, in der jeder Arzt zum Virologen und jeder
Virologe zum zitierbaren Fachmann wird, opfere ich dir, damit wir
erkennen, dass es Fachleute auf mehr als einem Gebiet gibt – und dass
nicht jede Krise nur Antworten von einer Berufsgruppe verlangt.
We, in Zeiten eines Virus, der uns Geld dafür ausgeben lässt, Urlauber
aus fernen Regionen zurückzuholen, opfere ich dir, damit wir in naher
Zukunft eine sinnvolle Debatte über Klimaschutz und Flugreisen führen.
Hoch die Hörner! Prost!
Dein Homo Magi
Tote Freunde
Hallo Salamander,
das Leben geht weiter, auch wenn Menschen sterben. Und so nutze ich die
Feiertage, um jener Menschen zu gedenken, die mir fehlen, weil sie tot
sind.
In meinem Alter (ich bin jetzt 55) ist man realistisch genug, um zu
erkennen, dass die Großtante, die mit 86 gestorben ist oder der Vater,
der fast 75 wurde, jetzt – nämlich 10, 20 oder gar 30 Jahre nach ihrem
Tod – noch sicherer noch töter wären.
Aber da gibt es Freunde, die verstorben sind, die wären aktuell 57 oder
54 oder 59. Da denkt man schon anders daran zurück. Und stellt fest:
Wow, die sind ja schon seit 10 oder auch schon 20 Jahren tot.
Und dann überlege ich ganz ruhig, was denn mit den Menschen ist, die
nicht mit mir verwandt sind, die ich aber trotzdem schon lange (aus der
Schulzeit oder dem Studium) kenne.
Leider stellt man beim Nachdenken manchmal fest: Es wäre besser, wenn
sie vor 20 Jahren verstorben wären. Dann hätte man sich viel erspart und
sie in guter Erinnerung behalten. Es hätte die peinlichen
Weihnachtskarten nicht gegeben, nicht die persönlichen Begegnungen, bei
denen man nicht weiß, ob man umarmen oder umgehen soll. In einem Fall
habe ich das pragmatisch so gelöst, dass ich konsequent zum Siezen
übergegangen bin. Wer als „alter Schulfreund“ in der Öffentlichkeit so
tut, als wären wir flüchtige Bekannte, der wird auch so behandelt.
Punkt.
Aber das ist eigentlich unfair. Nämlich gegenüber den Toten. Die wären
alle tolle Typen gewesen, ganz sicher. Ein Freund von mir wäre nächste
Woche 57 geworden. Der hätte sich nie, nie, nie daneben benommen.
Über die toten Freunde nur Gutes.
Bei den lebenden Freunden fällt mir das in einigen Fällen von Jahr zu
Jahr schwerer. Und da ich mir den Schnitt bei guten Freundschaften nicht
versauen will, werden die anderen einfach unauffällig entfreundet.
Anders geht das nicht, wenn man beim Trauern nicht lügen will.
Dein Homo Magi
Invasionsfilme
Lieber Salamander,
in den 50er und 60er-Jahren gab es eine Flut von Filmen, in denen
getarnte Außerirdische die Erde übernehmen wollten. Vom Körperfresser
bis zu Klaatu waren das alles irgendwie Spiegelungen der Angst der USA-ler
vor den bösen Russen. Alle Ängste kamen wieder, entweder als Monster
unter dem Bett oder als Invasion in der Nacht. Sie übernahmen unsere
Kinder, Frauen, besten Freunde, Haustiere. Man durfte ihnen nicht
trauen, eigentlich niemandem trauen – außer dem einen
Freund/Partner/Kollegen, der sich mit Apfelkuchen, christlicher
Überzeugung und einem geladenen Schrotgewehr in das Herz des
Protagonisten geschlichen hatte.
Die politische Entscheidungen fällende Schicht in Deutschland (wie
überhaupt weltweit) umfasst im Moment offensichtlich die Jahrgänge
zwischen 1940 und 1960, die mit diesen Filmen (und Ängsten) groß
geworden sind. Die Metapher, die für den Corona-Virus und damit
verbundenen Erkrankungen verbunden werden, entstammen eher einem
Kontext, den ich mit „watch the skies!“ oder „The truth is out there“
zusammenbringen würde, als mit tatsächlich relevanten politischen
Kontexten. Aber da das nicht geschieht, bin ich in einem schwarz-weiß
Monsterfilm gefangen, in dem Corona („the thing that ate New York“) nur
von Virologen gestoppt werden kann („they came from outer space – and
only one man can stop them“). Zwischendurch gibt es Kontrollen, gegen
die Truffauts Feuerwehrmänner in „Fahrenheit 451“ ein Dreck sind. Das
illegale Grillen mit Freunden erreicht für mich einen Grad von
Kontrolle, bei dem ich mich dann frage, ob so etwas ohne eine Millionen
selbsterklärter Blockwarte überhaupt möglich wäre.
Gefüttert werden Verschwörungsgläubige und der rechte Rand, vernichtet
werden Arbeitsplätze und besonders Kulturschaffende.
Ey, ich habe keine bessere Lösung, ehrlich nicht. Aber die Art der
Kommunikation in dieser Krise, die macht mir Angst (und in der nächsten
Krise in 10 oder 20 Jahren haben dann jene die
Entscheidungsmöglichkeiten, die mit „Raumschiff Enterprise“ aufgewachsen
sind. Ob das etwas besser macht?).
Ich bleibe nachdenklich.
Dein Homo Magi
Warum ich Post und Briefkästen cool finde
Hallo Salamander,
meine Kindheit und Jugend waren nicht monsterhaft gruselig. Trotzdem
waren sie schlimm genug.
Ich war halt Prä-Internet ein Science Fiction-Nerd ohne Außenkontakte.
Bei „Netz“ dachte ich damals noch an Fischerei, wir hatten ein (!)
Wählscheibentelefon im Haus, der Fernseher, auf den ich ab und an mal
„Zugriff“ hatte, stand im Keller und war schwarzweiß. Wir schreiben die
späten 70er, ich war 13 oder 14.
Dann entdeckte ich die Science Fiction-Fans (oder eher: Das Fandom
entdeckte mich, aber das ist eine andere Geschichte). Und auf einmal
wurde mein Leben bunt – im wahrsten Sinne des Wortes. Jeden Tag war ich
neugierig auf die Post. Ich hatte gefühlt 20 Briefpartner, denen ich mit
Schreibmaschine verfasste, lange Briefe schrieb. Dazu kamen die vielen
Fanzines, die wir uns zuschickten, oder einfach nur Entwürfe für
Kurzgeschichten. Tatsächlich nahm ich auch an mehreren „pbm“ teil, „play
by mail“; Spiele, die man per Post spielte. Ich war beschäftigt.
Jahrelang ging mein ganzes Taschengeld für Briefmarken drauf. Ich war
der König der Briefwaage (ich wusste genau, wie viele Blatt Papier man
für wieviel Geld verschicken konnte – ja, ich habe z.T. mit leichterem
Schreibmaschinenpapier gearbeitet, um Porto zu sparen).
Das alles hat mich durch die Pubertät gebracht. Die Briefe, die
Brieffreundschaften, die Magazine. Und deswegen öffne ich heute noch
gerne meinen Briefkasten und freue mich über Post. Einfach, weil ich
dann weiß, dass alles gut wird.
Dein Homo Magi
Alle irre
Lieber Salamander,
gestern zu Arbeitsschluss wies mich eine Kollegin darauf hin, dass sich
mal wieder „unbefugte Personen“ auf unserem idyllisch gelegenen
Firmenparkplatz herumtrieben. Also machte ich mich auf, um das zu
unterbinden.
Ich fand ein Pärchen mit zwei Autos. Auf meine Rückfrage, was sie hier
tuen, sagten sie „schnell Reifen wechseln“. Ich war erst einmal einen
Augenblick lang überrascht. Dann sagte ich: „Das geht hier nicht, wegen
Corona.“ Sie schauten mich an, schauten sich an, dann schauten sie
wieder mich an. „Verstehe. Wo sollen wir hin?“
Ich gab ihnen dann einen Ort an, wo man trotz Corona Reifen wechseln
kann. Sie trollten sich. Ich konnte in Ruhe weiter arbeiten.
Und die Moral von der Geschichte: Nicht immer ist es von Mangel, wenn
der andere nicht weiß, was ein Virus ist.
Dein Homo Magi
Corona-Prophezeiung
Lieber Salamander,
ich vermisse sie ein wenig: jene, die schon immer gesagt haben, dass sie
gewusst hätten, dass es so kommen würde. Die üblichen Kandidaten sind
natürlich im Rennen. Und wie immer muss man ein wenig biegen, um das
hinzukriegen.
Beginnen wir mit Nostradamus:
Nostradamus nuts are claiming that the prophet predicted the coronavirus.
They point to one of his writings, Century 2:53, which warns: „The great
plague of the maritime city. Will not cease until there be avenged the
death. Of the just blood, condemned for a price without crime.“ Although
landlocked Wuhan is not a „maritime city“, the disease was traced to a
seafood market, which they believe is enough to prove a link.[38]
Sehr schön. Ein Fischmarkt sorgt dafür, dass man gleich zur Hafenstadt
wird.
Die Zeugen Jehovas sind auffallend zurückhaltend. Kein Wunder, wenn man
schon ein paar Mal danebengegriffen hat, wenn es um das Weltende ging:
Die Weltzentrale von Jehovas Zeugen beobachtet genau die aktuellen
Entwicklungen zur Ausbreitung des neuartigen Coronavirus (COVID-19). Aus
der Bibel wissen wir, dass Seuchen ein auffallendes Merkmal der letzten
Tage sind (Lukas 21:11). Breitet sich eine Krankheit aus, ist es
vernünftig, Schutzmaßnahmen für sich und andere zu ergreifen (Sprüche
22:3).[39]
Natürlich findet man die üblichen verwirrten Christen da draußen:
Ausgangsbeschränkungen, Kontaktverbote, Pandemie. Die Welt steht im
Chaos und das Coronavirus findet kein Ende. Aber als Jesus-Schäfchen
brauchen Sie sich nicht vor den Krankheiten der Welt fürchten. Ihr Sie
über alles liebender Vater passt hütend auf Sie auf.
Sie müssen sich nicht fürchten. Gott beschützt Sie vor allen Pesten und
Seuchen – auch Coronavirus
„Du brauchst dich nicht zu fürchten vor nächtlichem Schrecken, vor dem
Pfeil, der bei Tage daherfliegt, nicht vor der Pest, die im Finstern
schleicht, vor der Seuche, die mittags wütet. Ob tausend dir zur Seite
fallen, zehntausend zu deiner Rechten: an dich kommt’s nicht heran;
nein, lediglich mit eignen Augen wirst du’s schauen und zusehn, wie den
Frevlern vergolten wird.“ (Psalm 91, Verse 5-8, Menge Bibel)
Natürlich benutzen wir unseren gesunden Menschenverstand. Bei -14 Grad
stellen wir uns nicht in der Unterwäsche in den Garten zum Grillen und
machen Gott dann Vorwürfe wenn wir uns eine Erkältung einfangen. Wir
passen natürlich auf und nehmen Vorsichtsmaßnahmen ernst. Und
gleichzeitig verlassen wir uns auf Gottes Schutz. Wir sind in unserem
Verstand beschränkt, aber Gott kann von A bis Z alles sehen und weiß
genau, wie er Sie beschützen kann.[40]
Naja, auf derselben Internet-Seite spricht der Autor auch über
Homosexuelle:
„Die Bibel verurteilt praktizierte Homosexualität ohne Ausnahme“,
erklärte Günther Beckstein, der frühere bayerische Ministerpräsident und
Vizepräses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in
der „Zeit“-Beilage „Christ & Welt“ (Mai 2011).[41]
Die Engel sprechen auch über Corona:
Der Corona-Virus ist wie ein Test an dich und an die gesamte Menschheit.
Gerade jetzt findet jeder einzelne heraus, ob er wirklich in seinem
Vertrauen ist oder nur so getan hat. Das Universum erkennt, wer sich
selbst und andere respektvoll und liebevoll behandelt und nicht
ablehnend, wer hilft und auch, ob es noch genug Liebe auf Erden gibt.
Die Engel glauben an dich und an die Menschheit, und wünschen sich, dass
wir jetzt gemeinsam besonders viel Licht und Liebe in die Welt
hinausstrahlen![42]
Genug! Der einzige vernünftige Kommentar kommt aus der „Edda“, aus dem „Havamal“:
Wo Äl getrunken wird, ruf die Erdkraft an:
Erde trinkt und wird nicht trunken.
Feuer hebt Krankheit, Eiche Verhärtung,
Ähre Vergiftung,
Der Hausgeist häuslichen Hader.
Mond mindert Tobsucht,
Hundbiß heilt Hundshaar,
Rune Beredung;
Die Erde nehme Naß auf.[43]
Also: Ein Bier antrinken, die Erde anrufen, weitertrinken, den Rest der
Erde opfern. Fertig. Und es steht nicht einmal dabei, ob man das nur
alleine tun kann – egal, wie viel die Regeln gelockert werden, man kann
die Bieropfertrinkergruppe beliebig erweitern.
Verlockend einfach …
Dein Homo Magi
Umzug
Lieber Salamander,
wenn ich richtig gerechnet habe, bin ich jetzt in Wohnung 15 angekommen.
Das sind 14 Umzüge, von denen ich 13 selbst gemacht habe (an einem sind
meine Eltern schuld, als grob Minderjähriger kann man sich nicht um
alles kümmern, was die Eltern selbst nicht hinkriegen …).
Inzwischen bin ich bei 34 Bücherkartons, 20 Paar Schuhen und danach mit
dem Gefühl gesegnet, dass Gelenke und besonders die Knie zum Körper
eines 98-Jährigen gehören, während meine Begeisterung beim Auspacken von
Bücherkartons zu einem 14-Jährigen gehört.
Aber das soll es jetzt gewesen sein. Das nächste Mal mit den Füßen
voraus, aber ohne vorher Kisten zu packen. Meine Erben dürfen dann das
nächste Mal räumen. Wenn ich nicht vorher von einer Galaxien
umspannenden Zivilisation als Botschafter für den Westarm der
Milchstraße benannt werde (und meine Lieben und ich dafür die
physikalische Unsterblichkeit versprochen bekommen) oder endlich den
Stein der Weisen aus den Kristallen aus Hunde-Urin herausdestilliere,
dann werde ich eines Tages sterben. Aber ab jetzt beginnt die Phase ohne
ein Reservoir von Umzugskartons im Keller. Ein neues Gefühl, muss man
sich dran gewöhnen.
Aber das Leben besteht aus stetiger Veränderung.
Und:
Das letzte Hemd hat keine Taschen,
der letzte Raum hat kein Regal.
Dein Homo Magi
Verlorene Länder
Hallo Salamander,
das wahre Geheimnis hinter Corona ist mir endlich klar geworden.
Arcturische Invasoren[44]
stehlen gerade ganze Landkreise für ihre Kinderernährung. Die
entsprechenden Landstriche werden komplett ent-lebt, alle
Bio-Komponenten werden mit arcturischen Algen und gelben Säcken (sie
lieben Joghurtdeckel) gemischt und an den arcturischen Nachwuchs
verfüttert.
Hinweise darauf? Reiseverbote und ein Weiterleben in rein virtuellen
Welten führen dazu, dass das „home office“ und die Ausgangssperren
überhand nehmen, so dass wir nicht mehr feststellen können, dass einige
Orte schon seit Wochen „abgegessen“ sind. Wer war seit Beginn der Krise
einmal im Kreis Gütersloh? Wer kann belegen, dass der Kreis Plön noch
von Menschen bewohnt wird? Gibt es Lebenszeichen aus dem Kreis Greiz?
Kreis Neuburg-Schrobenhausen – würden wir das merken, wenn es fehlt? Ich
nicht.
Der Plan ist einfach. Alle Einwohner von Gütersloh müssen wegen Corona
daheim bleiben. Pendler nach Gütersloh oder aus Gütersloh müssen
pausieren. Also ist man von außen nur noch virtuell wahrnehmbar, maximal
telefonisch (aber das wird auch mehr und mehr virtuell durch Umstellung
auf „Telefonie“). Wenn die Raster der Gütersloher von den arcturischen
Großrechnern eingelesen sind, werden die echten Menschen vom Netz
genommen und durch Gütersloh-Bots ersetzt. Diese kommunizieren dann nach
außen, senden Katzenbilder und „likes“ zu doofen Kommentaren über
Corona.
Dann essen die Arcturier alles Leben in Gütersloh. Nach einem oder zwei
Sonnenumläufen und einem Nickerchen haben sie wieder Hunger. Also ist
Plön dran. Selbes Muster, wieder bleibt ein lebloser Landstrich zurück.
Aber wie sollen die arcturischen Großrechner das alles hinkriegen?
Natürlich, indem sie effizient Rechnerzeit einsparen. Schon ab Plön muss
die Kommunikation Gütersloh-Plön nicht mehr gefälscht werden, die
entfällt einfach. Um Rechnerkapazität einzusparen, senden in
Corona-Zeiten eigentlich alle dieselben Bilder (was keinem auffällt,
weil selbst die restlichen überlebenden Menschen so vorgehen).
Langsam aber sicher werden wir aber nicht ausgetauscht oder überfremdet,
wie immer wieder einzelne Verschwörungstheoretiker behaupten, es geht
auch nicht um Mobilfunk-Sendemasten, Verjüngung durch Babyessenzen oder
das Impfen von Mikrochips unter die Haut, es sind alles „nur“ die
arcturischen Invasoren, die hinter Corona stecken..
Und ganz ehrlich: Auf meiner eigenen Hanebüchenheit-Skala ist die
Theorie echt vertretbar gering bepunktet worden. Und Arcturus macht sie
so gut als Bösewicht … ach.[45]
Tentakelgruß und Methanküsschen,
Dein Homo Magi
Heiden-Seminare
Lieber Salamander,
ich weiß, wie man in der aktuellen Lage Heiden zu einem Seminar bringt.
Dafür habe ich eine Einladung entworfen:
Weltenbaum-Konferenz
Mallorca 2020
Genießt eine Zeit der Entspannung und Erfrischung für Körper, Seele und
Geist in Gegenwart der Götter!
Endlich ist es soweit – wir fliegen nach Mallorca!
Odin hat einen Plan für diese Insel: Sie wird in viele Länder Erkenntnis
ausstrahlen. Wir wollen die Pläne Odins freisetzen. Sei willkommen in
dieser Vision!
EINE ARMEE STEHT AUF!
Das alles natürlich im 4-Sterne-Hotel, 9 Tage (was sonst) für geschätzte
1.300 Euro bei Halbpension.
Aber das ist leider nicht erfunden, sondern von einer christlichen, dem
ersten Eindruck nach sehr charismatischen Gruppe „geliehen“.[46]
Aber während das nur aberwitzig klingt (und wer vergleichen mag: meine
Version ist wirklich nicht weit weg vom Original), dann klingen andere
Dinge dort mehr als gefährlich:
Heilung ist von Anfang an ein Schwerpunkt unserer Gemeinde. Entsprechend
vielfältig sind die Dienste in diesem Bereich.
Über den normalen Sonntagsgottesdienst, dessen Vision „Bethesda – ein
Ort zum Auftanken für alle“ ist (vgl. Johannes 5), veranstalten wir
regelmäßig spezielle Heilungsgottesdienste.
Seit dem Bestehen unserer Gemeinde haben wir viele Heilungen und auch
einige spektakuläre Wunder erlebt. Mehrere Menschen wurden buchstäblich
in letzter Minute vor dem sicheren Tod errettet (z.B. Krebskranke im
absoluten Endstadium)[47]
Den Punkt am Ende des Satzes habe ich nicht vergessen. Den gibt es
nicht. Aber das Satzzeichen ist nicht das einzige, was hier fehlt.
Aber irgendwie klingt das doch gar nicht so schlecht … wir wollen die
Pläne Odins freisetzen! Eine Armee steht auf … ach, wer Böses dabei
denkt.
Dein Homo Magi
P.S.: Wie kommt man auf so etwas? Ich habe in einer Unterkunft am
Wochenende „Charisma 191“ (Untertitel „come holy spirit“) von einem
Zeitungsstapel zum Mitnehmen eingesteckt, und da war eine Anzeige von
denen drin – leider musste die angekündigte
„Heilungsschule/Prophetenschule“ wohl wegen Corona ausfallen. Dass die
das nicht vorher wussten … eigenartig.
Hineinschreiben in das Dunkel
Mein Salamander,
mir ist schon klar, dass es dich nicht gibt. Und dass du doch ein echtes
Wesen bist. Ein „mirror darkly“, ein Spiegel, in dem man sich nicht so
sieht, wie man es von Spiegeln erwartet. Ein Wesen, das immer zuhört,
weil es keine andere Wahl hat. Geduldig, verständig, intelligent.
Du widersprichst nie, fragst nie nach. Das zwingt mich trotzdem, Dinge
klarer zu formulieren – oder einfach so lange zu schreiben/reden, bis
ich herausbekommen habe, was ich eigentlich sagen wollte. Ein
schwieriges Verfahren, aber eines, das ich in den letzten Jahren und
Jahrzehnten mit dir verbessert habe.
Umso älter ich werde, umso klarer wird mir, dass ich damit dem näher
komme, was andere als ihr „Krafttier“, ihren „fultrui“ oder ähnliches
bezeichnen würden. Mir sind die Begriffe zu schmal, zu wenig
aussagekräftig, außerdem fassen sie nicht die Summe der Dinge, die ich
in dir vereint sehe.
Du bist mein Harvey, meine Grinsekatze, mein dunkler Zwilling.
Vor vielen Jahren habe ich gelernt, dass man vor den eigenen Dämonen
nicht immer davonlaufen kann, wenn man als Magier etwas sein möchte.
Sonst wird man den Rest seines Lebens schweißnass wach, weil man die
Dämonen hört, die mit ihren langen Fingernägeln an den Toren der Festung
der Seele kratzen. Irgendwann können sie die Verteidigung doch
überwinden, wenn man sie nicht immer wieder vertreibt.
Ich bin hinabgestiegen in die Abgründe der Verzweiflung und habe die
Dämonen zurückgetrieben. Aber einen habe ich behalten, weil er ein Teil
von mir ist. Jeder Mensch hat seine eigenartigen Anteile, die er in Zaum
halten muss. Das bist bei mir du.
Indem ich dich offen anspreche, mit dir rede, gebe ich dir etwas von der
Würdigung und Akzeptanz, die du verdienst hast – und im Gegenzug habe
ich dir im Laufe der Jahrzehnte beigebracht, dass du auch so mit mir
umzugehen hast.
Meine Worte an dich sind Nachrichten in das Dunkel, hinab in die
sonnenlose See, die Nachtfahrt der Seele. Ich schaute in den Abgrund …
und der Abgrund schaute zurück.[48]
Dein Homo Magi
Yma Sumac
Lieber Salamander,
es ist eigenartig. Ich kann mir Farben und Bilder schwer merken, aber
Bewegungen, Musik und – in etwas geringerem Umfang – Buchrücken und
-titelbilder großartig. Dann kommen Texte, die ich immerhin über
Jahrzehnte gut memoriere, aber nicht so gut wie Bewegungen und Musik.
Daher kommt es auch, dass Bewegungen (oder einfach nur Schrittfolgen,
die ich aus der Entfernung wiedererkenne) bei mir wie Musik Erinnerungen
auslösen. Und das Berühren von Büchern, das haptile Erleben, das
Anfassen des Fassungslosen, das ist für mich einfach eine wundervolle
Freude.
Eine ganz besonders prägende und irgendwie auch banale musikalische
Erinnerung bindet mich an die Stimme von Zoila Augusta Emperatriz
Chavarri del Castillo. Kennt kein Mensch, ist nicht schlimm. Der
Bühnenname der Dame war Yma Sumac[49],
unter diesem Namen war sie deutlich bekannter.
An mir war sie jahrzehntelang vorbeigegangen, obwohl ich eigenartige
Musik schätze. Bis dann ein Freund von mir in Wien mich in sein
Wohnzimmer führte und mir sagte, er hätte kurz was zu tun. Aber ob ich
Lust hätte, mir etwas anzuhören. Ich nickte, er lächelte. Im Hinausgehen
drückte er den „Play“-Knopf des Kassettenrecorders.
Ich weiß nicht, wie lange es dauerte, bis er wieder kam. Ich war gebannt
in dieser Stimme, diesen hinauf- und hinabkletternden Oktaven, diesem
Trällern, der magischen Kraft dieser Melodien.
Seine Mutter hatte ihm Vorhänge gemacht, auf dem die Umrisse von
Fantasy-Kontinenten (nach den Karten des Wieners Erhard Ringer[50])
gezeichnet waren. Diese Mutter hatte sich große Mühe gegeben und bis
heute sind die Vorhangsversionen der Karte von Kregen[51]
und der von Melniboné[52]
Standard meiner Erinnerung. Ich weiß noch, wie das Zimmer gerochen hat,
ich erinnere mich an die unfassbaren Butter-Vanille-Kekse, an Kregen, an
die Karten in der Machart von Erhard Ringer, dazu die Stimme von Yma
Sumac.
Das Leben hat glücklicherweise nicht zu viele dieser Momente für mich
übrig, sonst würde meine Seele platzen vor Freude.
Und jedes Mal, wenn ich Yma Sumac höre, bin ich wieder dort. Danke
dafür, alter Freund.
Dein Homo Magi
Mittsommerblot
Hallo Salamander,
die drei Gruppen in meinem Leben, die bis jetzt gegen Corona mehr Mut
gezeigt haben, als zwingend notwendig wäre, sind überraschenderweise
meine Kollegen, mein heidnischer Stammtisch und „meine“ Fantasy-Piraten.
Da das hier prinzipiell Briefe sind, die sich irgendwie mit Magie,
magischer Weltsicht und der Aufzucht von Ottern beschäftigen[53],
kann ich mich natürlich nur mit dem heidnischen Stammtisch beschäftigen.
Erst einmal eine Worterklärung: Es heißt Herd, nicht Herde. Der Herd,
das Herdfeuer, also das gemütliche Zusammensein ist der wichtige soziale
Kitt im modernen Heidentum. Weder Ränge noch Rituale, sondern die
persönliche Nähe, das Begleiten durch Lebensphasen und -krisen, das
gemeinsame Altern, das sind alles Dinge, die mir in den letzten
Jahrzehnten viel wichtiger geworden sind als die Frage, welche
reinkarnierten Atlanter sich in meinem Umfeld befinden, wer mit mir Sex
vor den Marmorsäulen des Palastes von Lemuria gehabt haben will oder
soll oder warum ich daran glauben soll, dass jemand, der sozial ein
absolutes Miststück ist, mir vorgesetzt sein soll, weil er die heiligen
Verse von Ys zitieren und den Mondmessertanz steppen kann.
Ich werde weiser.
Mein Herd traf sich also – vor allen Corona-Verboten – letztmalig zu
einem gemeinsamen Ritual im Moor. Es war noch alles legal, wir waren
fünf Personen und trotzdem wurden wir von vorbeikommenden Joggern
beschimpft, weil wir daran schuld sind, dass der Virus … Angst ist ein
schlechter Ratgeber.
Aber immerhin schafften wir es auch unter dem Siegel der
Verschwiegenheit etwas später (noch voll im Corona-Modus) ein
Mittsommerritual durchzuführen. Weil es wichtig ist: für die Welt, für
die Götter, für die Menschen. Wenn man unvermummt und ungeschützt an
Fußballvereinsaufstiegsfeiern teilnehmen kann, dann muss es auch möglich
sein, religiöse Feierlichkeiten in vernünftigem Rahmen durchzuführen.
Unsere Entscheidung war die richtige Entscheidung. Und mutig. Aber darum
geht es doch, oder?
Dein Homo Magi
Germanische Wattestäbchen
Lieber Salamander,
langsam nehmen sie überhand: Die Menschen in meinem Umfeld, die sich
Wattestäbchen in den Rachen schieben, um dann per angeblicher
Erbgutauswertung damit Werbung machen zu können, dass sie jüdisches,
germanisches, lemurisches oder skandinavisches Blut in ihren Adern
haben.
Die Werbung ist gut gemacht. Auf der Seite eines der Anbieter heißt es:
Wo haben deine Vorfahren gelebt? Welche Menschen teilen heute noch DNA
mit dir? Über eine Speichelprobe analysieren wir deine DNA und gleichen
diese mit über 16 Millionen Menschen ab, die den AncestryDNA®-Test
bereits gemacht haben. So können wir dir die Gegenden aufzeigen, an
denen deine Geschichte begann, und dich mit Verwandten auf der ganzen
Welt verbinden.[54]
Natürlich ist das alles ganz toll. Und diejenigen Menschen, die immer
über Datenschutz reden und seine Einhaltung einklagen, können doch nicht
wollen, dass verhindert wird, dass hier entwurzelte Menschen mehr über
ihre Herkunft erfahren. Oder? Nein, will ich nicht. Ich möchte nur zart
darauf hinweisen, dass es drei Probleme gibt.
Das erste ist wissenschaftlich (nein, ich bin kein Biologe und habe von
Erbgut wenig Erfahrung). Aber der Abgleich mit Proben (siehe das Zitat
oben) ist kein Gegentest gegen eine erst objektiv wissenschaftlich
erworbene Datenbasis (und natürlich sind die Bevölkerungsgruppen nicht
Jahrtausende unter ihrem heutigen Namen an ihrem heutigen Wohnort
verblieben).
Der zweite ist religiös (nein, ich bin kein Priester). Wenn wir uns
damit beschäftigen, unsere Ahnen zu ehren – verlieren unsere bisher
subjektiv gemachten Erfahrungen an Wert, wenn sie jetzt vermeintlich
objektiv andere Ahnen ergeben? Muss ich den Samstag heiligen, wenn man
jüdische Genspuren in mir findet? Bin ich adoptiert, ein ausgesetztes
Königskind, ein außerirdischer Hybrid? Wer will das wissen?
Der dritte ist politisch (ja, ich war einmal Datenschutzbeauftragter).
Es gibt schon mehrere Fälle, in denen Morde aufgeklärt worden sind, weil
man Spuren mit freiwilligen Einträgen von anderen Menschen in
Datenbänken von Stammbaumherstellern verglichen hat.
Beweise gefällig? Relativ wahllos:
The killer‘s semen sample was sent to United Data Connect who then
uploaded it to Family Tree DNA.
Stunningly, it was revealed that someone related to the suspect had also
put their results on the database after they had taken a genetic
genealogy test.[55]
Oder hier:
It also marked the latest triumph for a new, controversial branch of DNA
testing that has used public genealogy sites to close scores of
lingering cold cases, while identifying high-profile suspects like the
Golden State Killer.[56]
Als wir „1984“ lasen, hielten wir es für unmöglich, dass sich Menschen
in Freiheit in ein System verändern lassen, das dem des Romans auch nur
ähnelt. Wir konnten nicht ahnen, dass keine 40 Jahre nach dem Jahrestag
des Buches alle diese Dinge freiwillig, ohne Vergütung und ohne das
Gefühl, etwas Gefährliches getan zu haben, gemacht werden. Von Menschen,
die ich eigentlich schätze.
Der Große Stammbaum sieht auch dich.
Dein Homo Magi
Fear from the top
Hallo Salamander,
in einem englischen Text las ich einen kurzen Absatz darüber, dass sich
Demokratie in eine Diktatur zu verwandeln droht, wenn man von der
Regierung immer mit dem Gefühl spricht, als würde sie die Herrschaft
durch „fear from the top“ (etwa: „Angst kommt von oben“) ausüben.
Dieser zitierte Text ist nicht zeit-aktuell, also ohne Virus-Ängste
geschrieben. Aber sicherlich ist das ein Faktor der momentanen Krise,
dass die Gefahr für den normalen Bürger nicht sichtbar ist. Dazu kommt,
dass Virologen nicht gerade eine Bevölkerungsgruppe sind, die es
schafft, sich auf eine gemeinsame Aussage zu einigen oder locker damit
umgehen kann, dass sie aktuell im Rampenlicht steht.
Eine Flut, ein Waldbrand oder auch „nur“ eine Krankheit, bei der vor den
Orten Massengräber ausgehoben werden müssen – das können wir verstehen.
Ein Virus, der irgendwie übertragen wird und der irgendwie Tote fordert,
der muss der Bevölkerung erklärt werden. Aber wenn die Regierung schon
selbst die Angst (das meine ich jetzt nicht wertend) verbreitet, müssen
ihre Antworten auch die Angst wieder ausräumen. Das schafft die
Regierung nicht.
Wir sind wieder beim Heiler angekommen, der von Dämonen spricht, die in
die kranke Frau gefahren sind, und die man mit Opfergaben, Gesang und
Minzschokolade[57]
ruhig stellen muss. Das wäre möglich, aber dieses magische Weltbild ist
zerschlagen worden; die Menschen können spüren, dass sie einen Mangel
habe, aber diesen Mangel nicht selbst stillen, ohne dabei Hilfe zu
erhalten.
Warum verlieren die großen christlichen Kirchen so viele Mitglieder?
Warum schließen sie ihre Gebetsräume sofort und stellen ihre Seelsorge
sofort ein? Weil sie keine Antworten haben. Der König ist nackt, nur
muss es jemand der Volksmenge erklären.
Ich glaube, dass das magische Weltbild hier (lies: zu Angst, Tod, aber
auch unsichtbaren Gefahren) Antworten hat – beginnend mit der mangelnden
„fear from the top“. Aber dazu müssten wir (wer auch immer dieses „wir“
sein mag) in der Lage sein, unsere Botschaft so herüberzubringen, dass
man uns versteht.
Schwierige Aufgabe. Mal sehen, ob ich das für mein Umfeld hinkriege. Ich
bin dabei.
Dein Homo Magi
Corona-Verschwörung
Hallo Salamander,
abgesehen davon, dass mir die ganze Geschichte langsam ein wenig
unheimlich wird (das ist das Gefühl nach „nervig“), habe ich jetzt eine
Verschwörungstheorie zusammen, die den Vorteil hat, durch Fakten nicht
beeinträchtigt zu werden.
Also: Die Führer der Welt sind alle über 60 (von einigen Ausnahmen
abgesehen, siehe Österreich). Die Klimaerwärmung droht in den nächsten
Jahren zuzuschlagen und zwar so, dass das „tägliche Leben“
beeinträchtigt wird. Was passiert also? Die Führer der Welt vereinbaren,
dass sie Corona (ob künstlich oder nicht sei dahingestellt) einsetzen,
um sich fünf Jahre weitere Lebenszeit in klimatisch angenehmen Umständen
zu verschaffen. Corona bremst die Umweltverschmutzung, das Abschmelzen
der Pole und verkleinert das Ozonloch. Außerdem erhält man
praktischerweise nebenher fast diktatorische Vollmachten (wenn man noch
keine hat) und alles wird gut.
Das ist so irre und so fern von allem, woran ich glauben mag, dass es
schon wieder gut ist. Jetzt muss ich nur noch die Erdmutter als
treibende Kraft ins Spiel bringen, und die nächsten zehn esoterischen
Bestseller sind verkauft.
„Endlich: Gaia spricht – der Virus kämpft für mich!“
Dein Homo Magi
Mein Geld
Lieber Salamander,
immer wieder höre ich „mein Geld arbeitet für mich“. Ich fand den
Kommentar immer schon schlimm und falsch, denn Geld arbeitet nicht von
alleine. Menschen müssen dafür arbeiten, dass Geld mehr wird (ich habe
auch irgendwann das Zinssystem verstanden, obwohl ich eigentlich bei
Marx & Engels sowie den Kauri-Muscheln als Tauschobjekt mental
ausgestiegen bin).
Geld wird nicht von alleine mehr. Jemand muss etwas herstellen, damit
mehr Dinge existieren, die man bezahlen kann. Wenn man zu viel Geld
druckt, dann … Aber da landet man schnell in den Gefilden der Menschen
mit Metallhüten und Angst vor Weltraumstrahlung.
Dazu kommt jetzt in Corona-Zeiten ein neuer Aspekt. Gerade im
öffentlichen Dienst, der gefühlt Monate lang im „lockdown“ war, herrscht
das Gefühl vor, man würde irgendwie bezahlt, mit öffentlichen Mitteln
oder eben Steuern. Die sind natürlich auch nur da, weil andere Menschen
arbeiten und das Geld verdienen.
Wenn durch den Virus immer
weniger Menschen arbeiten, aber eine Gruppe weiterhin ihr Geld bekommt,
ohne produktiv tätig zu sein (wenn wir den Begriff mal weit fassen
wollen, was „Produktivität“ betrifft), dann kippt das System irgendwann.
Ich glaube nicht an marodierende Straßenbanden, die wegen Hunger
gezwungen sind, Supermärkte im Herzen Deutschlands auszurauben. Aber ich
glaube auch nicht an die Zahnfee oder daran, dass „Geld arbeitet“. Meine
Leichtgläubigkeit hat klare Grenzen (und meine Vernunft auszuschalten,
ist im Einzelfall immer sehr schwierig).
Magie wird nebenbei mehr, wenn man sie anwendet. Nur so am Rande
erwähnt.
Dein Homo Magi
Runen und Raunen
Hallo Salamander,
ich bin immer wieder überrascht, wenn Menschen einem den Gebrauch
bestimmter Symbole verbieten wollen, weil die Symbole eindeutig
verbrecherischen Gruppen zuzuordnen sind. Für das Hakenkreuz gilt das
sicherlich noch für meine Generation, weil die „Bilderflut des Bösen“
hier unfassbar präsent ist, aber schon bei den Runen wird das schwierig.
Ich habe tatsächlich mal für unseren Heiden-Verein ein Hausverbot für
eine Tagungsstätte bekommen, weil wir (als vorher mietender
Fantasy-Verein; die Gruppen wären nur in meiner Person identisch
gewesen) ein Mitglied hatten, was eine Grußbotschaft in Tolkien-Runen in
das Gästebuch schrieb. Hausverbot, lebenslang. Kein Witz.
Jetzt habe ich aber eine Runennutzung gefunden, die so banal und
wunderschön ist, dass man sicherlich behaupten könnte, wenn die das darf
und kann, dann kann und darf ich das auch.
In „Mit einem Jugendbildnis“ von Mascha Kaléko (meiner Strandlektüre aus
dem Urlaub) heißt es:
Nun send ich dir mein Bild als Abschiedstrost.
– Wenn einst die Jahre ihre Runen schreiben,
Hier werde ich immer zwanzigjährig bleiben (…)
Ich kann diese Lyrik nur weiter empfehlen … aber das gehört nicht
hierher. Wer war diese Frau? Wir fragen mal die treue Wikipedia[58]:
Mascha
Kaléko (…) war das nichtehelich geborene Kind des jüdisch-russischen
Kaufmanns Fischel Engel und seiner späteren Ehefrau, der
österreichisch-jüdischen Rozalia Chaja Reisel Aufen. 1914 (…)
übersiedelte zunächst die Mutter mit den Töchtern Mascha und Lea nach
Deutschland, um Pogromen zu entgehen. In Frankfurt am Main besuchte
Kaléko die Volksschule. Ihr Vater wurde dort aufgrund seiner russischen
Staatsbürgerschaft als „feindlicher Ausländer“ interniert. 1916 zog die
Familie nach Marburg, schließlich 1918 nach Berlin (…). (…)
Kaléko begann 1925 im Arbeiterfürsorgeamt der jüdischen
Organisationen Deutschlands (…) eine Bürolehre. Nebenher besuchte
sie Abendkurse in Philosophie und Psychologie (…). (…)
Gegen Ende der zwanziger Jahre kam sie mit der künstlerischen Avantgarde
Berlins in Kontakt (…). So lernte sie u.a. Else Lasker-Schüler und
Joachim Ringelnatz kennen.
1929 veröffentlichte Mascha Kaléko erste Kabarett-Gedichte (…), die im
heiter-melancholischen Ton die Lebenswelt der kleinen Leute und die
Atmosphäre im Berlin ihrer Zeit widerspiegeln. (…) 1933 publizierte sie
das Lyrische Stenogrammheft, über das der Philosoph Martin
Heidegger 1959 an sie schrieb: „[…] Ihr ‚Stenogrammheft‘ sagt, dass Sie
alles wissen, was Sterblichen zu wissen gegeben.“ Die reichsweite
nationalsozialistische Bücherverbrennung im Mai 1933 betraf das
erfolgreiche Werk nicht. Es war im Januar 1933 erschienen und die
Nationalsozialisten wussten damals noch nicht, dass Mascha Kaléko Jüdin
war. Das kleine Lesebuch für Große erschien 1934. (…)
Bald wurden ihre Bücher als „schädliche und unerwünschte Schriften“ von
den Nationalsozialisten verboten. Die neue Familie emigrierte im
September 1938 in die Vereinigten Staaten von Amerika. (…) Ein
amerikanischer Verlag veröffentlichte 1945 ihre Verse für
Zeitgenossen.“
Wenn sie die Runen nutzen kann, ohne dass sie dabei „befleckt“ wird,
dann darf das danach jeder, oder?
Dein Homo Magi
Schamanische Nasenhaarentfernung
Lieber Salamander,
endlich habe ich ein Heilungsverfahren gefunden, was meine ganzen
Wünsche erfüllt: die schamanische Nasenhaarentfernung. Hier mein
Werbetext dazu:
Schamanische Nasenhaarentfernung: Heilung als Ganzheit und
Lebens-Fortschritt
Schamanische Nasenhaarentfernung bringt ein neues Verständnis von
Heilung:
das Wort „Heilung“, im Englischen „Healing“, kommt von „wholeness“ –
Ganzheit, und so bedeutet Heilung, dass wir in unserer Ganzheit, d.h. in
allen Bereichen unseres Lebens und auf allen Ebenen unseres Daseins
spürbar in unserem Leben voranschreiten, um in Freude, Liebe und Fülle
zu leben, im Einklang mit unserer inneren Wahrheit und Weisheit, und in
spürbarer Verbundenheit mit der Schöpfung.
Dieser Ansatz geht über alle bisher bekannten Formen von uralten
aztekischen Energieritualen mit Kakaobohnen hinaus – nicht, weil es sich
womöglich um eine spektakuläre neue Behandlungsmethode handelt. Nein, es
ist weit mehr: Es ist eine Begegnung mit Frequenzen, die uns bisher
schlicht nicht zur Verfügung standen. Schamanische Nasenhaarentfernung
ermöglicht einen Zugang zu einer tieferen Bewusstseinsebene und damit
zur universellen Intelligenz und zu greifbarer Energie, die die gesamte
Schöpfung durchzieht.
Durch eine Schamanische Nasenhaarentfernungs-Sitzung wird es dem Körper
ermöglicht, in seine eigene ursprüngliche Schwingung zu kommen:
„Schamanische Nasenhaarentfernung kann den Impuls setzen zur Rückkehr zu
einem optimalen Schwingungszustand, zu einem optimalen Zustand des
Gleichgewichts, bei dem Misstöne offenbar aus dem System »geschwungen«
werden.“
(Maharana Kahana Rapa)
Schamanische Nasenhaarentfernung: Heilung als Rückkehr zu einem
optimalen Zustand der Balance
Schamanische Nasenhaarentfernung ist die Rückkehr zu einem optimalen
Zustand der Balance als Ergebnis der Interaktion mit dem allumfassenden
Spektrum der Schamanischen Nasenhaarentfernungs-Frequenzen aus Energie,
Licht und Information.
Das erste Grundelement ist Energie. Energie ist. Wir bestehen
natürlicherweise aus Energie in unserer inneren Essenz und in unserem
Körper.
Licht
ist die Resonanz und Kommunikation zwischen dem Universum und uns in
diesen Frequenzen.
Information
fließt durch diese Interaktion mit und durch das Einschwingen auf die
Energie und das Licht. Es ist spürbar, messbar … man kann es tatsächlich
fühlen.
Schamanische Nasenhaarentfernung geht weit über traditionelle uralte
aztekische Energierituale mit Kakaobohnen-Techniken hinaus, denn es
erlaubt uns, jedes Konzept von Technik komplett loszulassen. Es ist
weder Therapie noch Behandlung, weil es in keinster Weise
symptomorientiert ist. Es ist weit, weit mehr. Mit schamanischer
Nasenhaarentfernung diagnostizieren und behandeln wir nicht. Wir
interagieren lediglich mit den schamanischen
Nasenhaarentfernungs-Frequenzen.
Während die Wissenschaft weiter daran forscht, zu erklären, wie es
funktioniert, ist die schamanische Nasenhaarentfernung in mehr als einem
Dutzend internationalen Studien bestätigt worden. Wenn die
schamanischen-Nasenhaarentfernung-Frequenzen sich auf den Energiekörper
einstimmen, strahlen wir mehr Licht ab und schwingen auf einem höheren
Lichtniveau. Dabei zeigte sich, dass die DNS restrukturiert wurde. Dr.
William Tiller, emeritierter Professor der Stanford Universität,
erklärt: wenn Information getragen durch die Schamanische
Nasenhaarentfernung Frequenzen eingebracht wird, erschafft das Kohärenz
und Ordnung. In anderen Worten, größere Harmonie und Balance in uns.
Ich habe nur im Text zu „Reconnective Healing“ von
www.reconnection-verband.eu/reconnective-healing/reconnective-healing/[59]
„Reconnective Healing“ durch „Schamanische Nasenhaarentfernung“ ersetzt
(und das im Text entsprechend angepasst), „Energieheilung“ beide Male
durch „uralte aztekische Energierituale mit Kakaobohnen“ ausgetauscht,
die Trademark-Zeichen entfernt (nein, ich habe kein Trademark auf
„Schamanische Nasenhaarentfernung“) und Eric Pearl (1 x) in Maharana
Kahana Rapa verwandelt.
Der letzte Absatz mit der Restrukturierung der DNS liest sich jetzt viel
besser, wo man weiß, dass es um Nasenhaarentfernung geht, die größere
Harmonie und Balance in uns erzeugt.
Das hat Spaß gemacht …
Dein Homo Magi
Korrekturen von Literatur
Lieber Salamander,
wenn ich lese, dass Bücher wegen ihrer heute nicht mehr passenden
Aussagen über Rassen etc. angepasst werden sollen, dann denke ich sofort
an „Fahrenheit 451“ und das Verbot von Büchern. Wenn man nicht mehr
lesen kann, was man will, dann hat die Zensur, dann hat die Kontrolle
ein Niveau erreicht, das nur noch bedrohlich ist.
Bücher sind ein Werk ihrer Zeit, genauso wie Statuen im öffentlichen
Raum, Filme und Lieder. Aber warum ist es nicht möglich, diese Dinge in
ihrem Kontext zu begreifen? Bei vielen Liedern steht doch in
Liederbüchern zu schwierigen Stellen eine erklärende Zeile darunter
(auch wenn hier oft nur Namen und Orte erklärt werden, so sind das doch
hilfreiche Informationen). Natürlich muss man bei Filmen keine Fußnoten
einblenden, aber warum nicht zwei Minuten Info vorher – oder nur eine
Infoseite „Der folgende Film ist für Menschen ab 18 mit einer gesunden
Allgemeinbildung geeignet“. Nein, das würde dann jeder auf der DVD
überklicken, aber immerhin wäre es vorhanden, man könnte es sich
anschauen. Auch ein Vorwort zu Büchern ist hilfreich (oder gleich eine
kommentierte Fassung wie bei „Mein Kampf“ – bis jetzt kam noch keiner
auf die Idee, das Buch so zu überarbeiten, das es in die heutige Zeit
passt [nicht meine Worte, aber eine klassische Formulierung in diesem
Zusammenhang]).
Wenn wir den Kontext eines Werks verlieren, landen wir in der
Geschichtslosigkeit. Wenn wir alle Kunst vernichten, die von
Gesellschaften geschaffen wurde, die Sklaven hielten – das wird ganz
schön bitter. Und wer sich an dem Wort „vernichten“ stört – Kunst, die
keiner wahrnehmen darf oder kann, ist vernichtet.
Doch das schlimmste Argument dagegen habe ich mir bis zum Schluss
aufgehoben. Die Auslegung in einem bestimmten Wahrnehmungskorridor der
Gegenwart ist ein Einfrieren einer bestimmten Auslegung im Jetzt, ad
infinitum. Die Sichtweise, die wir Jetzt und Heute haben, die ist
richtig, weil sie reflektiert ist.
Da lacht der Mensch mit Allgemeinbildung darüber, wie oft die Menschheit
schon geglaubt hat, sie hätte genau dieses Plateau des Wahren, Schönen
und Guten schon erreicht. Verblendete, die ihr vergesst, woher ihr
kommt, auf das ihr eure Fehler immer und immer wieder macht.
Dein Homo Magi
Corona-Morlocks
Hallo Salamander!
Wenn die ganze Corona-Geschichte für etwas gut, dann dafür, erneut
meinen Blick für die Morlocks zu schärfen, die sich in unserer Welt
unsichtbar bewegen.
Nein, ich meine nicht die Monster aus „Die Zeitmaschine“, sondern ich
meine das, wofür sie als Sinnbild stehen: unterirdisch wohnenden
Arbeitssklaven, die von der Oberweltzivilisation geschieden leben und
nur nach oben kommen, um die Eloi zu fressen.
Wie oft habe ich in den letzten Wochen lesen dürfen, wie gut
Seminarräume und Besprechungszimmer auf Corona vorbereitet sind. Die
Stühle stehen weit auseinander, es wird regelmäßig gelüftet, jeder hat
seinen eigenen Kugelschreiber. Dafür nimmt man gerne einige
Unannehmlichkeiten und höhere Kosten auf sich. Es ist ja wegen Corona.
Bei all diesen Anbietern habe ich nicht ein einziges Mal gelesen, wie
man sich die Reinigung vor und nach der Veranstaltung vorstellt. Wer
putzt den Raum? Wer räumt die Gläser in die Spülmaschine und nachher in
den Schrank? Wer entsorgt den Müll? Gibt es für diese Tätigkeiten auch
ein Hygiene-Konzept?
Und viel wichtiger: Was zahlt ihr diesen Menschen, die diese Arbeiten
vollführen, und wie geht ihr mit ihnen um? Sie gesichtslos zu machen,
ist schon ein Teil von fehlender Wertschätzung.
Sind sie geringfügig beschäftigt? Informiert ihr sie über die
Hygiene-Konzepte? Zahlt ihr ihnen mehr Geld und/oder gebt ihr ihnen mehr
Stunden, damit sie ihre Arbeit ordentlich vollführen können?
Es sind nicht die Mitarbeiter in Ämtern, die uns gerettet haben in
Corona (die aber jetzt eine Lohnerhöhung verlangen). In meiner Welt sind
sie am anderen Ende der Skala zu jenen, die uns retten: Mitarbeitende im
Gesundheitswesen, Müllwagenfahrer, Putzfrauen und so weiter und so fort.
Jene Morlocks, an die wir nicht denken, solange sie brav ihre Arbeit
machen – bis sie kommen, um uns zu fressen.
Dein Homo Magi
Beteiligung von Minderheiten
Lieber Salamander,
die Welt ist eigenartig genug, ich muss das nicht immer kommentieren. Im
folgenden Beispiel geht es um Ungarn, da muss man (nicht wegen der
Wahrheitsliebe, sondern wegen des politischen Systems) immer ein wenig
hinter die Kulissen schauen, aber …
Hier also mal etwas zur Diskussion um Rasse, nur mit anderen Vorzeichen:
Schwer zu sagen, seit wann sich die 15 weißen Sängerinnen und Sänger als
Afroamerikaner fühlen, sie spielen das Ganze ja schon seit über einem
Jahr. Am 27. Januar 2018 hatte „Porgy and Bess“ an der Ungarischen
Staatsoper in Budapest Premiere. George Gershwin hatte selbst verfügt,
dass seine Oper über das Leben von Afroamerikanern in den USA um 1870
ausschließlich von Schwarzen gespielt werden darf. Zu seinen Lebzeiten
hat er Regisseuren, die angeboten hatten, weiße Darsteller schwarz zu
schminken, verboten, das Werk aufzuführen.
Szilveszter Okovacs, dem Intendanten der Staatsoper, war das egal, in
seiner Inszenierung spielen ausschließlich Weiße. Da die Rechteinhaber
nun gerichtlich dagegen vorgehen wollen, hat er, als das Stück
wiederaufgeführt wurde, allen Darstellerinnen und Darstellern eine
Erklärung vorgelegt. Anscheinend unterzeichneten 15 der 28 Sängerinnen
und Sänger das Schreiben, demzufolge „afro-amerikanische Herkunft und
Bewusstsein einen untrennbaren Teil“ ihrer „Identität“ bilden.[60]
„Porgy and Bess“ brachte uns unter anderem „It Ain’t Necessarily So“ und
„Summertime“, jetzt auch die Diskussion, ob man Rasse (oder eindeutige
hier: Hautfarbe, da der Text von „Weißen“ spricht) genauso wie
Geschlecht selbst festlegen kann.
Schulabschluss? Sportabzeichen der Bundesjugendspiele? Seepferdchen?
Taufurkunde?
Was sind jetzt objektivierbare Fakten, was subjektive Festlegungen, was
unterliegt der Selbstbestimmung und was unterliegt dem Schicksal, der
Prägung, dem Zeitgeist und der Weltseele?
Ich, als 26jährige Asiatin mit einem Doktor in Gehirnchirurgie könnte da
mehr zu schreiben, aber ich halte mich zurück (und höre lieber noch ein
wenig „Porgy & Bess“[61]).
Eure Homo Magi
Karl Marx und Corona
Lieber Salamander,
ich erwarte nicht ernsthaft, dass jemand darüber diskutiert, warum jetzt
jene Berufsgruppen für Lohnerhöhungen streiken sollen, die uns während
der Corona-Krise gefühlt zu über 90 % im Stich gelassen bzw. sich in
ihren Verwaltungsburgen eingeigelt haben. 4 % Lohnerhöhung, das wäre 1 %
für jeden Monat der Nicht-Tätigkeit – das kann ich immerhin einfach
nachrechnen.
Aber ich kann immerhin (in leichter Veränderung eines historischen
Zitates) mitteilen, was meiner Ansicht nach Karl Marx zu dem Thema Lohn
unter Corona-Bedingungen geschrieben hätte:
Die Proletarier dieser Welt haben nichts zu verlieren als ihre
Infektionsketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen. Proletarier aller
Länder, vereinigt euch!
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Dein Homo Magi
Ein Fluch hängt über Dendralon
Hallo Salamander,
der böse Fluch, der seit Jahrhunderten auf dem Königreich Dendralon
lastete, forderte immer noch das Leben von Großmüttern und Großvätern.
Alte Legenden kündeten noch von jenen Tagen, als kleine Kinder auf den
Knien ihrer Großeltern saßen und sich von ihnen Geschichten erzählen
ließen, während die Eltern arbeiteten oder sich einfach erholten. Doch
diese Zeiten waren vorbei, seit der Fluch jene tötete, die ein
bestimmtes Alter erreicht hatten.
Manche sagen, es sei 50, manche andere sagen, es sei 60. König Abrax der
Gütige hatte einmal verfügt, dass alle Geburtsdaten treulich zu notieren
seien, um dieser Frage auf den Grund gehen – aber in einer Gesellschaft,
in der die wenigsten lesen und schreiben konnten, war das Geburtsdatum
nicht so wichtig wie eine gute Ernte oder ein gesundes Kalb.
Aber ein anderer Plan von Abrax dem Gütigen hatte Erfolg. Die von ihm
gegründete magische Schule der Fluchbrecher konnte nach etwas über
hundert Jahren verkünden, dass sie der Lösung des Rätsels einen Schritt
näher gekommen waren. Auslöser des Fluches waren Reisende aus dem
Nachbarkönigreich Anoroc. Nicht alle Menschen starben automatisch ab
einem bestimmten Alter, sondern jene wurden krank und starben, die älter
als 50 waren und in deren Nähe in den letzten Tagen ein Gast aus Anoroc
Station gemacht hatte.
Nun hatte in Dendralon niemand etwas gegen ihre Nachbarn. Und die
Fluchbrecher empfahlen auch, jetzt keine hektischen Schritte zu
unternehmen. Sie empfahlen nur, für eine gewisse Zeit die Grenze zu
schließen, damit man beobachten könne, ob der Fluch dann endet. Danach
könnte man sich dann der Frage widmen, warum der Fluch über die Besucher
aus dem Nachbarreich ins Lande kam. Vielleicht waren die Nachbarn das
eigentliche Ziel des Fluches, und sie selbst waren nur ein
Nebenkriegsschauplatz? Oder war – wie es einige Gelehrte vermuteten –
die Ernährung mit der vitaminreichen Plungufrucht der Grund dafür, dass
nur ältere Menschen starben, während jüngere verschont blieben?
Keiner wusste es. Aber der momentane König, in dessen Adern noch das
Blut von Abrax dem Gütigen und Plundula der Weisen floss, schloss die
Grenzen. Und kaum erstarb der Strom der Gäste aus Anoroc, schon erstarb
das Versterben.
Komisch, wenn man es so schreibt, klingt es nachvollziehbar. Aber das
funktioniert wohl nur im Zauberreich Anoroc und nicht umgekehrt bei uns.
Dein Homo Magi
Lieblingstempel
Werter Salamander,
mit den üblichen Werbemails bekam ich auch eine, mit der man mir die
Herstellung meines Lieblingstempels für kleines Geld anbot. Ich habe
mich sehr gefreut, schon gar, weil es bezahlbar aussah. Einen Platz im
neuen Regal hatte ich schon bereitgestellt.
Dann las ich erneut. Lieblingsstempel. Das Großhirn ist manchmal ein
Miststück.
Dein Homo Magi
Corona-Thing
Lieber Salamander,
statt weniger Kommentare, hier der Kerntext meines Rituals zum
jährlichen Thing des „Eldaring“ vor wenigen Tagen. „Herbstein“ war der
Veranstaltungsort in Nordhessen, „Eldathing“ ist der Name des Treffens,
„Ringler“ nennen sich die Mitglieder manchmal (ein wenig
selbst-ironisch).
Ich hatte viel Spaß beim Ritual …
„Das heut‘ge Thing heißt Corona-Thing:
Wer, so es überlebt und heimgelangt,
Wird auf dem Sprung steh‘n, nennt man diesen Tag,
und sich beim Namen Herbstein rühren.
Wer heut‘ am Leben bleibt und kommt zu Jahren,
der gibt ein Fest vor diesem Abend jährlich
und sagt: »Denn Morgen ist Corona-Tag!«,
streift dann die Ärmel auf, zeigt seine Narben,
und sagt: »Am Eldathing empfing ich die.«
Die Alten sind vergesslich; doch wenn alles
vergessen ist, wird man sich noch erinnern
mit manchem Zusatz, was man an dem Tag
für Stücke tat: Dann werden unsre Namen,
geläufig jedem Mund wie Alltagsworte,
bei vielen vollen Hörnern frisch bedacht!
Der wack‘re Mensch lehrt seinem Kind die Märe,
und nie von heute bis zum Schluss der Welt
wird der Corona-Tag vorübergeh‘n,
dass man nicht uns dabei erwähnen sollte,
uns wen‘ge, uns beglücktes Häuflein Ringler:
Denn welcher heut‘ das Horn mit mir erhebt,
wird sein mein Sippling, egal, was vorher war,
Der heut‘ge Tag wird adeln jeden Stand.
Mitglieder des Vereins, jetzt wohl daheim,
verfluchen einst, dass sie nicht hier gewesen,
und werden kleinlaut, wenn nur jemand spricht,
der mit uns blotete am Eldathing.“[62]
Manchmal hilft der große Barde auch in eigenartigen Situationen …
Dein Homo Magi
Regale
Lieber Salamander,
nur ein Bibliophiler (wie ich) kann verstehen, was es heißt, wenn man
nach Monaten des Wartens wieder Bücher in Regale stellen kann. Seit
meinem 19. Lebensjahr (wichtiges Datum: Auszug aus dem Elternhaus) das
erste Mal, dass ich eine Chance habe, alle Bücher einreihig zu stellen.
Bis jetzt war in meinem Leben der Büchermenge-Regallänge-Quotient immer
zu meinen Ungunsten verteilt. Jetzt … nicht mehr.
Sollte ich jemals einen Tempelentwurf machen (was die Götter verhüten
mögen, weil dafür bin ich nicht gemacht), so enthält mein Andachtsraum
Bücherregale. Und sei es nur, damit man die wichtigsten Referenzwerke
ausstellen kann.
Bei der Wartezeit auf meine Regale liegt es nicht daran, dass ich dieses
Mal auf den Schutzgott des nordischen Bauens (Ikea, einen Ziehsohn von
Delling, wie man vermuten muss) verzichtet habe, sondern daran, dass ich
in einem Anfall von geistiger Umnachtung gesagt habe, meine Regalstützen
mögen an den Weltenbaum erinnern.
Also werden diese zukünftigen Regalstützen jetzt liebevoll in
Vollmondnächten von Adepten aus geweihtem Holz geschlagen, dann mit
kleinen Miniaturwerkzeugen in Form gebracht, später mit Leinöl behandelt
und solange von minderjährigen Priesterinnen geschmeidig poliert, bis
sie optimal aussehen. Ich bin dankbar.
Wer Schönheit will, der muss leiden.
Aber ich habe jetzt die ersten Bücher eingeräumt (will heißen: die
ersten 16 Meter). Wenn ich den in die Finger kriege, der die alle
gekauft hat … seufz.
Aber es geht aufwärts. Oder horizontal, wie auch immer.
Dein Homo Magi
Comic-Funde
Hallo Salamander,
da liest man nichtsahnend ein Buch über britische Comics („Masters of
British Comic Art“) und findet einen lustigen Hinweis auf Holmes und auf
Esoterik beides im selben Satz.
Hier der Satz:
„Her first competitor was the
Daily Express‘ Paula, a
bespectacled film-script girl whose crime fighting strip was written by
the notorious Dennis Wheatley and drawn by
Sexton Blake’s Eric Parker.”[63]
Der Holmes-Hinweis ist der Verweis auf die Serie „Sexton Blake“.
Hier ein paar erläuternde Worte dazu:
Sexton Blake
is a fictional character, a detective who has been featured in many
British comic strips, novels and dramatic productions since 1893. Sexton
Blake adventures were featured in a wide variety of British and
international publications (in many languages) from 1893 to 1978,
comprising more than 4,000 stories by some 200 different authors. Blake
was also the hero of numerous silent and sound movies, radio serials,
and a 1960s ITV television series.
(…)
He was originally created to be similar to earlier 19th-century
detectives, but during the late 1890s, Blake’s authors consciously
modeled him on Sherlock Holmes.[64]
Und die Esoterik? Dennis Wheatley ist kein unbekannter Name für diesen
Bereich:
Wheatley mainly wrote adventure novels, with many books in a series of
linked works. Background themes included the French Revolution (…),
Satanism (the Duke de Richleau series), World War II (…) and
espionage (…). Over time, each of his major series would include at
least one book pitting the hero against some manifestation of the
supernatural – making them into fantasy and specifically contemporary
fantasy. He came to be considered an authority on Satanism, the practice
of exorcism, and black magic, toward all of which he expressed
hostility.[65]
Das der Mal eine Serie um eine bebrillte junge Dame für die Comics
geschrieben hat, war mir auch neu. Man lernt nie aus – und wenn man
Esoterik richtig betreibt, dann lernt man auch an seltsamen Orten nicht
aus.
Dein Homo Magi
Satans Thron[66]
Hallo Salamander,
es gibt Momente, wo man sich überlegt, ob man nicht schon längst in der
Kulisse zu einem pulpigen Horror-Film lebt und nicht mehr in der
sogenannten Realität.
Folgender obskurer Artikel erschien vor einigen Tagen online:
Nach Recherchen von ZEIT und Deutschlandfunk wurde am 3. Oktober 2020
auf der Berliner Museumsinsel einer der umfangreichsten Angriffe auf
Kunstwerke und Antiken in der Geschichte Nachkriegsdeutschlands verübt.
Ein oder mehrere unbekannte Täter bespritzten mindestens 70 Objekte im
Pergamonmuseum, im Neuen Museum, in der Alten Nationalgalerie und an
anderen Standorten mit einer öligen Flüssigkeit, die sichtbare Flecken
auf ägyptischen Sarkophagen, Steinskulpturen und Gemälden des 19.
Jahrhunderts hinterließ. Mehr als zwei Wochen lang wurden darüber weder
die Öffentlichkeit noch andere möglicherweise gefährdete Museen
informiert.
(…)
Der Verschwörungsideologe Attila Hildmann hatte im August und September
auf seinem öffentlichen Telegram-Kanal verbreitet, dass sich in dem zu
diesem Zeitpunkt noch coronabedingt geschlossenen Pergamonmuseum der
»Thron des Satans« befinde und es das Zentrum der »globalen
Satanisten-Szene und Corona-Verbrecher« sei: »Hier machen sie nachts
ihre Menschenopfer und schänden Kinder!«[67]
Wie bitte? Es bedarf schon einer eigenartigen Mentalität, um für eine
Tat sofort Verschwörungsideologen verantwortlich zu machen, die in einer
sehr verschwurbelten Erklärung das Pergamonmuseum zum Thron des Satans
machen. Kann man machen, muss man aber nicht. Wenn man weitere Texte
dieses Verschwörungsideologen liest, dann wird einem klar, dass es hier
weniger um politisch begründete Propaganda geht, sondern eher um eine
nicht unbedingt mit den Fakten der Weltgeschichte übereinstimmende
Weltsicht geht:
Am 23. August, als das Pergamonmuseum coronabedingt noch geschlossen
war, teilte Hildmann auf seinem Telegram-Kanal einen WhatsApp-Beitrag
mit den Sätzen: »Am Samstag muss das Allerheiligste dieser Satanisten
abgerissen werden! Das Pergamon Museum, der Baal Tempel! Das ist der
Ursprung allen Übels hier auf der „Erde“!«[68]
Das ist dann schon mehr als eigenartig. „Babylon Berlin“ zeitigt hier
eigenartige Folgen, wenn Pergamon, Baal, Satan und Berlin alle am selben
Ort stattfinden.
Viel irrer finde ich, dass über zwei Wochen lang niemand von diesem
Anschlag in der Öffentlichkeit wusste, dass man in mehrere Museen
eindringen kann, um dann 70 Objekte zu beschädigen – und die sonst
allgegenwärtigen Wächter und Überwachungskameras haben nichts
aufgezeichnet. Oder stehen an einem Feiertag wie dem 03. Oktober die
Türen von Museen einfach offen, man kann sich eine Kleinigkeit für die
Wohnung aussuchen oder einfach ölige Flüssigkeiten herumspritzen, wenn
man zuhause Langeweile hat?
Und der Anschlag steht wohl nicht allein. An anderer Stelle kann man
Folgendes lesen:
Mindestens eine Stunde lang müssen die Täter durch die Räume gegangen
sein, um alle Kunstwerke auf der Museumsinsel erreichen zu können, wie
der Deutschlandfunk errechnet hat. Es soll ähnliche Attacken mit
ölhaltiger Flüssigkeit schon auf der Wewelsburg in Nordrhein-Westfalen
gegeben haben sowie in Berlin. Damals habe es einen „kultischen
Hintergrund“ gegeben.[69]
Und noch ein anderer Artikel beschreibt hier Parallelen:
In einem Museum in Nordrhein-Westfalen hat es im Sommer einen
Vandalismus-Fall gegeben, der an die Attacke auf der Berliner
Museumsinsel erinnert. Damals hatte ein Unbekannter etwa 50 Objekte im
Kreismuseum Wewelsburg mit einer ölhaltigen Flüssigkeit beschädigt –
nach Angaben des Museums entdeckten Mitarbeiter dies am 12. Juli.
Beschädigt wurden etwa historische Grenzsteine, Kaminsimse und die
Reproduktion eines Gemäldezyklus. Es habe sich kein Muster feststellen
lassen, sagte der stellvertretende Leiter des Museums, Markus Moors, der
Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag.
Die Exponate seien mittlerweile restauriert. In dem Schloss in Büren
sind das Historische Museum des Hochstifts Paderborn und eine
NS-Gedenkstätte untergebracht. Beim Berliner Fall wurde das Museum
hellhörig. »Das hat natürlich eine Ähnlichkeit«, sagte Moors. Die
Polizei Paderborn hatte den Täter nach eigenen Angaben nicht fassen
können. Die Ermittlungen wurden eingestellt. Von einem politischen Motiv
waren die Fahnder nicht ausgegangen.[70]
Was lernen wir daraus?
Wer eine NS-Gedenkstätte beschädigt, hat wahrscheinlich keine
politischen Motive.
Museen in Berlin werden nicht oder sehr unzureichend bewacht.
Auf der Museumsinsel in Berlin wohnt der Teufel.
Die Information der Öffentlichkeit wird überschätzt.
Dein Homo Magi
Das heidnische Jahr
Hallo Salamander,
ich schließe hiermit das 20. Jahr ab, in welchem ich dir wöchentlich
Kolumnen schreibe. Nein, keine Angst kleine Echse, ich werde mich auch
weiterhin bei dir melden. Aber 20 Jahre, wow, das ist schon eine
Gelegenheit, um einen langen Blick zurückzuwerfen.
Einatmen, ausatmen.
Vielleiht doch nicht, zumindest nicht detailliert. Zu viel ist passiert
in den 20 Jahren.
Wo war ich vor 20 Jahren? Ich hatte eine Wohnung in Darmstadt, war
gerade umgezogen aus Eberstadt, aus einer Wohnung meiner Eltern (wo ich
unterkam, als ich aus Mannheim zurück nach Darmstadt gezogen bin).
Seitdem vier Umzüge, kein schlechter Schnitt für 20 Jahre.
Vor 20 Jahre hatte ich noch fünf weitere Jahre bei meinem damaligen
Arbeitgeber (sagen wir kurz: eine Art Privatschule) vor mir, dann kam
für fast zehn Jahre der nächste Bildungsträger, dann mein jetziger
Arbeitgeber.
Ansonsten? Heirat, Scheidung, Heirat.
Diverse Krankheiten, alles gut überstanden.
Heidnisch? Der große Aufreger meiner Vergangenheit, der Rabenclan, ist
tot. Auf seiner Homepage steht:
!!! Das Wichtigste zuerst (2020): !!!
!! Der Rabenclan nimmt keine Mitglieder mehr auf !!
! Diese Seite ist dokumentarisch, da es kein aktives Vereinsleben mehr
gibt ![71]
Kein Verlust für die Menschheit oder auch nur das Heid-o-Versum. Anders
gesagt: Ich sitze am Fluss und schaue, wie die Leichen meiner Gegner an
mir vorbeitreiben. Dabei rauche ich eine Pfeife und pfeife zwischendurch
leise vor mich hin („Beatles“-Lieder, um die Beschreibung zu
komplettieren [und einen Hinweis auf einen großartigen Roman hier
versteckend]).
Und dieses Jahr, das 20.? Es wird wohl in die Geschichte eingehen als
das Jahr, in dem alle Angst vor dem Virus hatten und nur wenige Leute an
Dinge wie Demokratie, Vernunft und Freundschaft erinnerten.
Aber das kenne ich schon, das ist die Aufgabe des Magiers: Das zu sehen,
was wirklich wichtig ist. Und darüber zu reden bzw. zu schreiben.
Also: Weiter machen.
Dein Homo Magi
Anhang: Buchbesprechung
Volker Meyer
„Was man als angehender Heide so alles erleben und überleben kann“
Untertitel: Eine humorvolle Suche im Neuheidentum
Book on Demand, Norderstedt (2020)
In 16 kleinen Kapitel auf insgesamt etwas über 100 Seiten stellt Volker
Meyer seine Suche nach einer heidnischen Gruppe, deren Mitglieder sich
regelmäßig reinigen und als Bonus noch einer sinnvollen Tätigkeit
nachgehen, in mehr oder weniger humorvollen Szenen dar. Diese Ansatz
habe ich nicht erfunden, der Verfasser schlägt sich immer wieder herum
mit „irgendwelchen selbsternannten »Druiden«, heidnischen Gralswächtern,
sonstigen Oberheiden, Heidenhippies, Baumknutschern und natürlich
heidnischen Bastlern“[72],
denen er als Bürger einer der wenigen urbanen Zentren Deutschlands
anfangs schutzlos ausgeliefert ist. Nichts gegen Großstadtbewohner, aber
gerade diese urbane Orientierung führt aber dazu, dass der Autor
gegenüber eher ländlich aufgestellten, heidnischen Rückzugsorten (hier:
Ostwestfalen) kritisch eingestellt zu sein scheint, was man aber
entweder auf seine eheliche Vorprägung oder auf den üblichen
eingeschränkten Horizont des Metropolisten zurückführen kann.[73]
Das Ganze wäre für mich als Leser noch lustiger, wenn ich nicht manchmal
die Galle herunterschlucken müsste, weil einem beim Lesen ein Kloß im
Hals stecken bleibt, weil man die Geschichte kennt oder – schlimmer noch
– miterlebt hat. Aber zu anderen Gelegenheiten kann man dann auch
herzhaft lachen, wenn man dabei war. Sehr schön ist die Schilderung der
Begebenheiten in der Kellerkneipe zu Ostara auf Burg Ludwigstein, wo
nach dem Genuss mehrerer „Zombies“ eine deutsch-schwedisch-englische
Unterhaltung ohne Übersetzung problemlos möglich war.[74]
An anderer Stelle habe ich natürlich keine Ahnung, wer „Vereinsmitglied
Q“ sein könnte, „bekannt als brennender Verehrer des Delling“[75].
Manchmal hilft nur leugnen.
Wenn man jetzt noch bedenkt, dass der Verfasser offensichtlich Probleme
damit hat, nicht zu wichtigen oder unwichtigen Hochfesten entweder seine
Gruppe oder sich selbst in Brand zu setzen (das Buch ist voll von einer
kaum verborgenen Feuer-Metaphorik, die der Autor wissentlich oder
unwissentlich auch „befeuert“), so versteht man, dass der „brennende
Verehrer“ in mir Angststörungen auslöst.
Aber nicht das ganze Buch ist feurig unterlegt. Schön sind auch die
Momente, in denen der Verfasser als erweckter Heide mit T-Shirts Werbung
für den „Eldaring“ auf einer Sportveranstaltung machen möchte, aber wohl
eher auf Erdinger Bier oder eDarling angesprochen wird, wobei Bier und
Beziehung nun nicht unheidnische Themen sind, aber hier wohl nicht
gemeint waren.[76]
Oder seine Ausführungen zum Konflikt des heidnischen Kalenders mit den
Arbeitsbedingungen moderner Menschen, die pragmatisch, aber
offensichtlich unorthodox gelöst werden.
Alles in allem ist es auch die humorvolle Sprache des Verfassers, die
einen dazu bringt, schmunzelnd dieses Buch ab und an zur Seite zu legen,
um sich die Nase zu putzen, weil sonst die Tränen der Rührung gemeinsam
mit den Tränen des Amüsements drohen, die Sicht zu verschleiern. Ein
Beispiel sei zitiert:
Ich empfehle aus meiner Erfahrung heraus Kinder, wenn sie das denn auch
wirklich aus freien Stücken heraus selber wollen, ruhig zu kindgerechten,
angemessenen Tageszeiten zu Blots mitzunehmen und wenn sie verspricht
sich zu benehmen auch die dazugehörende Mutter ebenfalls mitzunehmen.
Jemand muss ja auch schließlich das Auto zurückfahren, wenn der Gatte
die Situation ausnutzt und etwas mehr Opfermet und Bier trinkt.
Natürlich habe ich mich für diese Sätze sofort nach der Niederschrift in
die Wohnzimmerecke gestellt und nicht fünf Minuten lang geschämt.
Meine Empfehlung: Kaufen, bevor einer der geschilderten Ritualkreise das
Geld für einen bosnischen Auftragskiller zusammengekratzt hat, mit dem
man den Autor ausschalten möchte.
[1] Nur zur Erinnerung:
https://www.youtube.com/watch?v=INZ6WPuG0U4 ; 08.11.2019
[2]
www.sueddeutsche.de/leben/dem-geheimnis-auf-der-spur-aus-dem-nichts-1
.4678228; 17.1.2019
[3] ebenda
[4]
https://en.wikipedia.org/wiki/Demogorgon ; 17.11.2019
[5] ebenda
[7]
www.deutschlandfunknova.de/beitrag/ethik-und-fortpflanzung-urteil-kein-recht-auf-enkel;
06.12.2019
[8]
Tippfehler am 06.12.2019, online berichtigt.
[9]
https://de.wikipedia.org/wiki/Totem; 06.12.19
[10]
https://de.wikipedia.org/wiki/Kaliningrad ; 08.12.2019
[11] … tolles Wort
[12]
www.t-online.de/nachrichten/ausland/eu/id_86884020/eu-kommission-billionen-paket-fuers-klima-ursula-von-der-leyen-widerspricht.html
, 11.12.2019
[14]
Jochen Voit „Er rührte an den Schlaf der Welt – Ernst Busch –
Die Biographie“, Berlin, 2010, S. 332
[15]
www.umweltbundesamt.de/themen/luft/luftschadstoffe/feinstaub/feinstaub-durch-silvesterfeuerwerk
; 20.01.2020
[16]
https://en.wikipedia.org/wiki/Christopher_Tolkien ;
20.10.2020
[18]
www.t-online.de/nachrichten/panorama/buntes-kurioses/id_87243766/dresden-sexspielzeug-steckt-fest-feuerwehr-befreit-mann-von-penisring.html
; 05.02.2020
[19] ebenda
[20]
www.domradio.de/themen/weltkirche/2020-02-13/ungewoehnliche-stellenausschreibung-schweizer-bistum-chur-sucht-einen-neuen-exorzisten
; 15.02.2020
[21]
www.katholisch.de/artikel/24562-urteil-jaegermeisterlogo-verletzt-religioese-gefuehle-von-christen-nicht
; 23.02.2020
[22] Wenn man
www.watson.ch/schweiz/spass/370762494-16-schweizer-schnaepse-die-du-unbedingt-mal-probiert-haben-solltest
glaubt ; 23.03.2020
[23] Quelle: „Welt am
Sonntag“, 23.02.2020
[24]
www.lidl.de/de/lidl-loeffel/p310473?searchTrackingQuery=L%C3%B6ffel&searchTrackingId=Product.310473&searchTrackingPos=1&searchTrackingOrigPos=1
[25]
https://de.wikipedia.org/wiki/Margaret_St._Clair ;
03.03.2020
[26] ebenda
[27]
www.chasclifton.com/columns/column17.html ; 03.03.2020
[28] ebenda
[29] Siehe
https://blog.afm-oerlinghausen.de/eine-schwarze-sonne-von-1966.htm
l; 21.03.2020
[30]
www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/sonstiges/stiftungen/artikel.219285.php
; 10.02.2020
[31]
https://de.wikipedia.org/wiki/Uwe_Beye r; 10.02.2020
[32]
www.youtube.com/watch?v=gtx51TpdsC8 ; 10.02.2020
[33] 42:09 bzw. 42:27
[34]
Nach Joris-Karl Huysmans „Die Schule der Satanisten“ (Là-Bas),
Leipzig, 2018; S. 156 f.
[35] Gegendert gegen besseres
Wissen.
[37] … um das Wort „Courage“
nicht zu strapazieren.
[40]
www.keine-tricks-nur-jesus.de/2020-03/coronavirus-und-die-bibel-stellen-sie-sich-glaubend-unter-gottes-schutz.html
; 23.05.2020
[41]
www.keine-tricks-nur-jesus.de/2017-02/was-sagt-gottes-wort-ueber-die-homosexualitaet-ist-homosexualitaet-suende.html
; 23.03.2020
[42]
https://sabrina-diangelo.com/engelbotschaft-zum-thema-corona/
; 23.05.2020 (Tippfehler im Original)
[43]
https://de.wikisource.org/wiki/Die_Edda_(Simrock_1876)/%C3%84ltere_Edda/H%C3%A2vam%C3%A2l
; 23.05.2020
[44] … ja, ich habe gerade
mal wieder SF gelesen (siehe
https://en.wikipedia.org/wiki/What_Mad_Universe ;
29.05.2020)
[45] Ist aber schon andern
aufgefallen, siehe
https://en.wikipedia.org/wiki/Stars_and_planetary_systems_in_fiction#Arcturus_(Alpha_Bo%C3%B6tis)
(29.05.2020)
[46] Vgl.
https://dietaube.org/events/mallorca-2020 / (15.06.2020)
[47]
https://dietaube.org/category/ueber-uns/
(15.06.2020)
[48] Als Aphorismus taugt
Nietzsche: „Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht
dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund
blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.“ (vgl.
https://de.wikiquote.org/wiki/Friedrich_Nietzsche ;
26.06.2020)
[49] Vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Yma_Sumac
(03.07.2020)
[50] Siehe
https://de.wikipedia.org/wiki/Erhard_Ringe r (03.07.2020)
[51] Vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Kenneth_Bulmer
(03.07.2020)
[52] Vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Elric_von_Melnibon%C3%A9
(03.07.2020)
[53] … das steht hier nur, um
herauszufinden, ob du noch aufmerksam mitliest.
[54]
www.ancestry.de/?geo_a=r&geo_s=us&geo_t=de&geo_v=2.0.0&o_iid=41023&o_lid=41023&o_sch=Web+Property
; 11.07.2020
[55]
www.dailymail.co.uk/news/article-7473951/Colorado-murder-case-solved-38-YEARS-cops-trace-killers-DNA-ancestry-website.html;
11.07.2020
[56]
www.washingtonpost.com/nation/2019/02/04/her-murder-went-unsolved-nearly-years-then-dna-pointed-serial-rapist-killer-named-animal/
; 11.07.2020
[57] … auch Heiler dürfen
Geschmack haben.
[58]
https://de.wikipedia.org/wiki/Mascha_Kal%C3%A9ko
(11.08.2020)
[59] Abgerufen 16.08.2020
[60]
www.sueddeutsche.de/kultur/staatsoper-ungarn-budapest-porgy-and-bess-george-gershwin-afroamerikaner-1.4404236;
09.09.2020
[61] Bei Youtube gibt es ein
Medley dazu von Sammy Davis jr. … (www.youtube.com/watch?v=J_8eEogENy0;
09.09.2020)
[62]
Nach
https://de.wikipedia.org/wiki/St._Crispins-Tag-Rede
(31.08.2020) (William
Shakespeare, Rede aus „Henry V.“)
[63]
David Roach
„Masters
of British Comic Art”,
S. 84, Oxford, 2000
[64]
https://en.wikipedia.org/wiki/Sexton_Blake ; 12.10.2020
[65]
https://en.wikipedia.org/wiki/Dennis_Wheatley ; 12.10.2020
[66] Ich danke meinem Bruder
für den Anstoß zu diesem Text.
[68]
www.zeit.de/2020/44/anschlaege-berliner-kunstwerke-flecken-verschwoerungstheorien-attila-hildmann-pergamonmuseum/seite-2
; 24.10.2020
[69]
www.tagesspiegel.de/berlin/63-kunstwerke-in-berlin-angegriffen-museen-gehen-von-groesstem-schaden-seit-dem-zweiten-weltkrieg-aus/26294504.html
; 24.10.2020
[70]
www.berliner-zeitung.de/news/auch-museum-in-nrw-wurde-mit-fluessigkeit-attackiert-li.113397
; 24.10.2020
[71]
http://rabenclan.de/ ; 24.10.2020
[72] S. 20
[73] Vgl. S. 90 f.
[74] Siehe S. 16 f.
[75] S. 36
[76] Vgl. S. 54 ff.
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