Homo Magi Archiv

Wöchentliche Ansichten eines Magiers über den Jahreslauf und die Welt

Teil 20

Delling Dank!

Feierlichkeiten 

Lieber Salamander,

das neue heidnische Jahr möchte ich nicht mit langen Reden über die letzten 20 Jahre beginnen, sondern auf ein Jubiläum hinweisen, das heidnisch unfassbare Prägnanz besitzt: Die Sesamstraße wird 50.

Stilbildende Ikone. Zeitvertrödler erster Güte. Bilderbringdienst für die Generation ohne „Input“. Zusammenfassend: Als Kind und sogar noch als Jugendlicher konnte ich mir eine Welt nicht vorstellen, in der es keine „Sesamstraße“ gab.

Was habe ich da nicht alles gelernt. Toleranz ist wichtig und jede Lebensform ist in sich gut, wenn Erwachsene sich gemeinsam dafür entscheiden: Ein schwules Pärchen bewohnt gemeinsam ein Haus und gestaltet zwischen Ordnungszwang und Anarchie sein gemeinsames Leben. Zahlen sind mystisch: Ein adeliger Vampir bringt einem etwas über Mathematik bei. Die Wahrheit ist ein sehr dehnbarer Begriff: Ein großartiger Detektiv enthüllt das Geheimnis von außerirdischen Partys auf irdischen Wiesen.

Und: Alles, was mir das Leben an Drogenerfahrungen mitgegeben hat, verblasst neben dem Krabbelkäfer-Bonbon-Fest![1]

Fluschige Monster, bewohnbare Mülltonnen, wundervolle Musikstücke (was waren da tolle Sachen dabei!) – ein entsprechendes Ritual ist überfällig.

Ich wäre gerne der Bibo des Südens.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Auschwitz

 

Lieber Salamander!

 

Kürzlich bekam ich ein Flugblatt in die Hände, in dem auch die LGA (Lagergemeinschaft Auschwitz) erwähnt wird. Namentlich wurde der Gründer, Hermann Reineck, genannt. Er war ein ehemaliger Häftling, der die Erinnerung durch persönliche Zeugnisse wach halten wollte.

Als ich Mitte der 80er Jahre Übersetzer auf einem Kirchentag war (1987, Frankfurt am Main) hatte ich erst einen Posten beim orthodoxen Metropoliten von Moskau (oder Leningrad oder was auch immer, habe ich vergessen), der aber kein Wort Englisch oder Deutsch sprach. Danach schacherte man mir eine „junge Frau“ zu, die ich erst nicht mit dem Holocaust in Verbindung brachte.

Pustekuchen. Es war Vera Kriegel, Vorsitzende des Verbands der Mengele-Zwillinge. Ich hatte mehrere Tage lang von morgens früh bis abends spät Holocaust-Überlebende um mich herum. Dazu abends eine Flasche Wodka, weil das anders nicht zu überstehen war.

In den 80er Jahren war ich mit der Schule in einem KZ in Frankreich, auf einer Reise mit der Aktion Sühnezeichen drei Wochen in Polen, samt Arbeitseinsatz in einem KZ als Archivhelfer, dazu vor dem Fall der Mauer zwei Besuche in Prag mit entsprechender weltanschaulicher Schulung.

Das ging bis 1988. 33 Jahre nach Kriegsende. 33 Jahre nach Befreiung der Lager. Die Zeugen waren alt, aber sie lebten noch.

2021 sind dann weitere 33 Jahre vergangen. Die Zeugen sterben aus. Das Wissen um die Schrecken wird nur noch aus zweiter Hand weitergeben, von Zeugen von Zeugen. Vielleicht ist das gut so, weil manche Dinge sind so schlimm, dass nur die Zeit sie heilen kann. Aber das Vergessen wird zum Verändern der Vergangenheit.

Egal, was man über Fakten und Wahrheiten sagt. Diese Tage in Frankfurt, damals vor über 30 Jahren, haben mir für immer eingebrannt, dass es Dinge gibt, die man nicht erfinden kann, Grausamkeiten, die so schlimm sind, dass wir kaum Worte dafür finden. Wer behauptet, diese Gräuel haben alle nicht stattgefunden haben, ist nicht nur ein Lügner. Er ist auch dumm. Und für immer ausgeschlossen aus dem Kreis der Menschen, für die Geschichte nicht nur Worte sind, sondern auch Gefühle, Erinnerungen, Träume, Ängste.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Nicht-Götter

 

Hallo Salamander,

 

da musste ich doch jetzt erfahren, dass es gar keinen griechischen Gott namens Demigorgon gibt. Wie hieß es gestern in der Zeitung:

Der griechische Gott Demogorgon ging wohl nur wegen eines Grammatikfehlers in die Geschichte ein. Mit großen Folgen für die Popkultur.[2]

Weiter heißt es da:

Dieser scheinbar winzige Fehler macht den Demogorgon, jenen Gott gewordenen Grammatikfehler, wie der Mythologe Jean Seznec ihn in seinem Standardwerk „Das Fortleben der antiken Götter“ von 1940 nannte, zu einer Pseudogottheit. Damit befindet er sich in bester Gesellschaft, denn auch Boccaccios Zeitgenossen Giglio Giraldi, der als einer der ersten den Demogorgon beanstandete, und Vincenzo Cartari gingen mit ihren Quellen etwas lax um – zumindest wenn man ihre Arbeitstechnik mit heutigen wissenschaftlichen Standards bemisst. Das Pantheon der Pseudogottheiten ist entsprechend groß.[3]

Die englischsprachige Wikipedia hat schon reagiert:

Demogorgon is a deity or demon, associated with the underworld and envisaged as a powerful primordial being, whose very name had been taboo. Although often ascribed to Greek mythology, the name probably arises from an unknown copyist’s misreading of a commentary by a fourth-century scholar, Lactantius Placidus. The concept itself though can be traced back to the original misread term demiurge.[4]

Schade, denn der „Gott“ hat eine Fantasy-Wirkungsmacht:

Demogorgon is the name given to the otherworldly antagonist of the Netflix original show, Stranger Things, which began airing in 2016. This name is inspired by the Dungeons & Dragons version.[5]

Denn in „Dungeons & Dragons“ spielt der Nicht-Gott eine wichtige Rolle:

In the Dungeons & Dragons fantasy role-playing game, Demogorgon is a powerful demon prince. He is known as the Prince of Demons a self-proclaimed title, but one that is acknowledged by mortals and even his fellow demons because of his power and influence. Demogorgon was also named as one of the greatest villains in D&D history by the final print issue of Dragon.[6]

Eine schöne, ausgesprochen runde Reise für einen Nicht-Gott. Respekt.

 

Dein Homo Magi


 

Herbst

 

Lieber Salamander,

 

manchmal überkommt mit der Herbst mit Macht. Dann entstehen – nach Wochen der Unfähigkeit, auch nur einen Reim zu finden – Texte wie der folgende. Dieser ist fast grundlos für August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (Autor von „Alle Vögel sind schon da“ und „Ein Männlein steht im Walde“, was ihn beides heidnisch voll verorten sollte).

Also:

Wer in Corveys Zaubergarten

deine Grabesstatt berührt

wird – wenn Elfenstaub im Winde –

leis‘ ins Märchenland entführt.

 

Dort sprechen sogar die Esel

und den Kuckuck man versteht,

während sanft mit jedem Winde

eine Melodie verweht.

 

Deine Worte waren kraftvoll,

taktlos oft, doch stets im Takt,

dessen Rhythmus mich auch heute

wie ein vertrautes Lied erfasst.

 

Wenn von manchem Menschenwerke

ein Rabe Odin Kunde bringt

er sicherlich seit deinem Tode

dort von deinen Reimen singt.

 

Und so in Corveys Zaubergarten

das Rabenbanner weht im Wind,

genauso stolz und so vergessen,

wie deine Zauberworte sind.

Muss auch mal sein.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Wundervolle Schlagzeile

 

Hallo Salamander,

 

das sind doch tolle Neuigkeiten:

Das Sperma ist eingefroren und der Kinderwunsch des toten Sohns überliefert. Seine Mutter hat trotzdem keinen Anspruch auf ein Enkelkind, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden. Aus Rücksicht auf das Kindeswohl ist das Urteil gut, sagt ein Ethiker.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat eine Klage auf Herausgabe von Sperma eines Toten abgewiesen. Die Beschwerde von Dominique Petithory Lanzmann sei unzulässig, hat das Straßburger Gericht am 5. Dezember 2019 geurteilt.

Die Klägerin wollte eine Pariser Klinik zwingen, ihr das eingefrorene Sperma ihres verstorbenen Sohnes Félix Lanzmann zur Verfügung zu stellen, um damit in einer Fortpflanzungsklinik in Israel ein Kind zeugen zu lassen.[7]

Und welchen großartigen Tippfehler hatte die Überschrift dazu heute in der Zeitung: „Klage zu Sperma von Totem abgewiesen“.[8]

Was lehrt uns Wikipedia:

Totem ist ein Begriff aus der Ethnologie für Symbole oder Gruppenabzeichen, die eine mythisch-verwandtschaftliche Verbindung zwischen einem Menschen bzw. einer Gruppe und einer bestimmten Naturerscheinung darstellen. Die Naturerscheinungen sind häufig Tiere oder Pflanzen, jedoch auch Berge, Flüsse, Quellen und ähnliches. Die „Verwandtschaft“ bezieht sich auf die Eigenschaften oder Verhaltensweisen dieser „Vorbilder“, jeweils verbunden mit bestimmten Verhaltensvorschriften für die Träger der Totems.

Der Begriff „Totem“ steht dabei für das Symbol im Sinne einer profanen Metapher oder eines geheiligten Sinnbildes.[9]

Die samen nicht. Aber magisch wäre das Sperma einer magischen Naturerscheinung schon der Hammer … aber es war nur ein Tippfuhler. Seufz.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Sprachkorrekturen

 

Hallo Salamander,

 

ich rege mich schon immer auf, wenn man Kinderbücher sprachlich anpasst, damit sie dem Zeitgeist genügen. Da verschwindet der „Negerkönig“ aus „Pippi Langstrumpf“, der Negerkuss ist schon lange aus den Regalen verbannt und „einen Türken bauen“ ist für die meisten Menschen heute unverständlich (wer darauf achtet, mag erkennen, dass auch diese sprachliche Wendung verschwunden ist).

Dann hatte ich aber die Gelegenheit, in einer Kantine in einem öffentlichen Gebäude Revanchismus pur zu bestellen: Königsberger Klopse. Das geht natürlich überhaupt nicht. Okay, die Kapernsoße war lecker und die Klopse mindestens befriedigend. Das hätte noch keinen Grund gegeben, mich aufzuregen.

Aber müssten die Klöpse nicht konsequent Kaliningrader Klopse heißen? Denn:

Kaliningrad (…), bis 1946 Königsberg) ist die Hauptstadt der Oblast Kaliningrad. Die vormals deutsche Stadt Königsberg wurde als Ergebnis des Zweiten Weltkrieges unter dem Namen Kaliningrad, wie der gesamte Nordteil Ostpreußens (außer dem Memelland), Teil der Russischen Sowjetrepublik, der größten Unionsrepublik der Sowjetunion. Benannt wurde die Stadt nach dem ehemaligen sowjetischen Staatsoberhaupt Kalinin.[10]

Aber Korrekturen von Sprache sind ganz oft ein Werkzeug von Kontrolle in einer Welt, die mehr und mehr an Orwells „1984“ erinnert (nur, dass wir die Gedankenkontrolle freiwillig wählen).

Zurück zum Klops. Mag er Königsberger heißen, denn er war ein Klops aus Königsberg, als er erfunden wurde. Und schreibt in Pippis Bücher vielleicht vorne einen erklärenden Satz, aber lasst den Negerkönig drin – der gehört zur Zeitgeschichte wie der Klops.

 

Dein Homo Magi

Arztbesuche

 

Hallo Salamander,

 

es gibt für chronisch Kranke wenig Dinge, die so sehr an Fernsehserien aus den sechziger Jahren erinnern wie regelmäßige Arztbesuche. Das „setting“ ist klar – die kleine Familie in dem netten Haus am Rande der Prärie, der freundliche Facharzt mit den netten Sprechstundenhilfen. Dann kommt die Rahmenhandlung – vom Aufgehen der Sonne hinter den Bergen bis zu „Gute Nacht Haus“ oder aber von der namentlichen Begrüßung bis zum Handschlag am Ende.

Ich komme mit den Herren in Weiß gut klar. Sie nehmen mich nicht ernst, ich nehme sie nicht ernst. Auf gute Zusammenarbeit. Alle drei Monate schauen wir in meine Blutwerte, lachen einmal laut und dann sehen wir uns wieder drei Monate nicht.

Dieses Mal war es anders. Mit gramgebeugtem Gesicht verwies der Arzt auf eine Grafik auf seinem PC-Bildschirm, auf der zu erkennen war, dass mein Blutwert X (oder auch Y, ich habe hier nicht vor, meine Blutgeheimnisse[11] hier Arzt-kompatibel zu schildern) sich mehr und mehr dem Ende nähert und ein langsamer, schmerzhafter Tod mein ist. Ich schaute ein zweites Mal auf die Grafik. Dann blickte ich auf die langsam nach unten hoppelnde Linie.

„Ihnen ist schon klar, dass das hier unten nicht die 0-Linie ist!“ Grafikprogramme sind für den Satan gemacht. Er schaute verdutzt auf den Bildschirm, schüttelte verwirrt den Kopf, schaute erneut. „Wenn meine Blutwerte gleichbleibend schlechter werden – wann bin ich dann sicher tot?“, hakte ich nach. Einen Moment lang rechnete er im Kopf nach. „Noch 65 Jahre!“ „Okay, dann komme ich in 40 Jahren zur Nachuntersuchung.“

Natürlich komme ich in drei Monaten wieder. Mal sehen, was ihm das nächste Mal einfällt. Langeweile ist anders.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Rauhnächte

 

Die Rauhnächte, jene Janus-köpfigen Nächte zwischen den Jahren, bieten mir immer die wohlverdiente Möglichkeit, den Lesestoff zu mindern, den ich Eichhörnchen-artig in meinem Nachtschrank horte. Aber das macht nicht jeder mit seinem Nachtschrank.

Es gibt eine eigene Bewegung, die sogenannten Prepper, die sich auf eine Katastrophe vorbereiten, die am Tag X sicherlich kommen wird. Weder ist klar, wann der Tag X ist, noch, was das auslösende Ereignis sein wird. So geht es von der Zombie-Apokalypse am 01.01.2020 bis zur Explosion eines Supervulkans in ferner Zukunft, Angriffe von Außerirdischen, die Überfremdung Mitteleuropas und die Bolschewisierung Westeuropas – eines meiner Lieblingsklischees, schon benutzt, aber immer wieder verwendbar – bis hin zu Atomkrieg und Klimakatastrophe. Dafür sammelt man dann aber im Nachtschrank lieber eine Pistole, Trinkwasser, Trockenrationen, eine Hundepfeife, Armbrust und Armbrustbolzen sowie Rettungsdecken und Jobtabletten.

Wer mir nicht glauben mag und denkt, ich überziehe, möge seine Gehirnnutzung abschalten und sich wenige Minuten mit dem großen Bruder beschäftigen, der nebenbei nur unzureichend nach einer mittelalterlichen Kopfbedeckung benannt ist.

Wenn die Zombieapokalypse kommt, bin ich hilflos. Aber in meiner Familie gibt es keinen Anstieg von familiärer Gewalt über die Feiertage, weil wir alle lesen. So geht es auch mir. Der übliche Mix aus Gustav Meyrink, romantischer Dichtung, Sachbüchern zu obskuren Themen und phantastischer Lektüre erwartet mich, während ich Dinge tue, die ich schon seit Jahrzehnten an diesen Tagen tue. Heute nennt man das „Entschleunigung“ oder „Achtsamkeit“, aber die Worthülsigkeit der modernen Welt lässt einen schon dankbar sein, wenn es nicht schlecht platzierte Anglizismen sind, welche die Pfeiler meines Lebens markieren.

Lesen erhöht die subjektive Lebenszeit – das ist ein toller Slogan, den ich voll bejahen kann. Wer liest, lebt länger – zumindest gefühlt. Ich brauche beim Lesen das haptile Erleben, das Erfühlen des Buches. Natürlich kann man Bücher auch elektronisch auf einem E-Reader lesen. Man kann sich auch warmes Gulasch in die Haare reiben, bevor man mit einer schönen Frau verabredet ist. Nicht alle Dinge, die möglich sind, sind auch klug. Aber wenn es einen Merksatz gibt, den ich gerne in goldenen Lettern auf einem Marmorbogen über einem Tor befestigen möchte, den jedes Mitglied der nachgeborenen Generation auf dem Weg zum ersten Tag des fünften Schuljahres passieren muss, dann wäre es jener: Nicht alle Dinge, die möglich sind, sind auch klug.

Wir leben in einer Welt, in der viel möglich ist, da die Welt der Möglichkeiten gegenüber der Welt der Sinnhaftigkeit wirkungsmächtiger geworden ist.

Wer möchte denn überleben, wenn die Zombieapokalypse 99 % der Bevölkerung ausgerottet hat? Und wenn die Zombies kommen, sind sie bestimmt langsam. Dann kann ich ja noch „Der unsichtbare Roman“ von Christoph Poschenrieder zu Ende lesen. Da geht es unter anderem um Gustav Meyrink. „Hüben und drüben ein ganzer Mensch.“ Das ist ein Motto, das von Pol zu Pol gelebt werden sollte.

Von wegen Pole. Wie konnte man heute lesen:

Die designierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent machen.[12]

Wenn ich jetzt noch rauskriege, wer in der Antarktis dafür sorgt, dass sie offensichtlich nicht klimaneutral ist, dann ziehe ich den zur Verantwortung.

Zombies sind hirntot. Vielleicht ist die Bedrohung doch näher, als erwartet.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Rauhnächte II

 

Lieber Salamander,

 

die Rauhnächte sind vorbei, ich widme mich wieder meinen Texten. Was habe ich so getrieben? Eigenartige Bücher gelesen. Zum Beispiel eine Biographie über Ernst Busch. Ernst Busch?

Busch war Sohn des Maurers Friedrich Busch und dessen Ehefrau Emma. Er absolvierte von 1915 bis 1920 eine Ausbildung zum Werkzeugmechaniker und arbeitete anschließend als Werftarbeiter. (…)

1920 nahm Busch Schauspiel- und Gesangsunterricht und wurde von 1921 bis 1924 am Stadttheater Kiel (…), danach bis 1926 in Frankfurt (Oder) (…) engagiert. (…) Ab 1928 trat er in Berlin (…) in Stücken von Friedrich Wolf, Bertolt Brecht und Ernst Toller auf. In der Verfilmung der Dreigroschenoper (…) spielte er den Moritatensänger (mit dem Mackie-Messer-Song).

Von 1929 bis 1933 wirkte er in einem Dutzend Filme mit (…).

(…) Busch sollte nach der Machtergreifung der NSDAP aufgrund seiner politischen Gesinnung von der SA verhaftet werden. Durch glückliche Umstände entging er einer der ersten Razzien (…). Er flüchtete daraufhin mit seiner Ehefrau, der Sängerin Eva Busch, zunächst in die Niederlande. Von dort aus folgten weitere Stationen: Belgien, Zürich, Paris, Wien und schließlich die Sowjetunion (…).

(…) 1937 reiste Busch (…) nach Spanien und trat als Sänger bei den Internationalen Brigaden auf. Mit seinen Liedern (…) äußerte er sich offen gegen den Faschismus. (…) Mitte 1938 verließ Busch den Kriegsschauplatz und kehrte nach Belgien zurück. (…)

Mit dem Beginn des Westfeldzugs am 10. Mai 1940 gegen die neutralen Staaten Niederlande, Belgien und Luxemburg wurde er in Antwerpen verhaftet und nach Südfrankreich in das Internierungslager Camp de Gurs deportiert. Er war dort bis Ende 1942 interniert, dann gelang ihm die Flucht bis an die Schweizer Grenze. Die französische Grenzgendarmerie verhaftete Ernst Busch jedoch vor dem Grenzübertritt, lieferte ihn an die Gestapo aus und er wurde im Januar 1943 über Paris in das Polizeipräsidium Alexanderplatz überstellt. Im März 1943 wurde er (…) in Einzelhaft genommen. (…) Am 22. November 1943 wurde er bei einem alliierten Luftangriff auf die Haftanstalt schwer verletzt. Durch die Intervention von Anwälten über Gustaf Gründgens entging er aufgrund der im April 1937 erfolgten Ausbürgerung und seiner schweren Kopfverletzung der Todesstrafe (…).[13]

Ein bewegtes Leben – und wer mehr über sein Leben nach 1945 erfahren will, der lese das wirklich gute Buch „Er rührte an den Schlaf der Welt“ von Jochen Voit. Aber es ist nicht das ganze Buch, für das ich hier Werbung machen will, sondern mich hat eine Stelle über die Beerdigung des Komponisten Hanns Eisler verwirrt, dann gerührt, dann wieder verwirrt:

Bei strahlendem Sonnenschein wurde im Beisein des Staatsapparates [der DDR, d. Verf.] der Sarg herabgelassen, dazu intonierte ein Kinderchor die „Kinderhymne“. Stephanie Eisler, die Witwe, wurde allgemein vermisst, wie war „aus irgendeinem Grunde in dem Trauerzug nach hinten geraten“. Derweil nahm Busch auf merkwürdige Weise Abschied von seinem Freund. Er trat ans Grab, „zog eine Haarbürste aus der Tasche, fuhr sich durch sein schütteres Haar, warf die Bürste ins Grab und murmelte: ‚Mach’s jut.‘ Da ging Leben von seiner Seite.“[14]

Wenn das keine zutiefst magische Geste ist, die da ein alter Kommunist an einem Grab eines anderen Kommunisten in der DDR vollführt. Oder ist mir hier etwas entgangen?

Ich bin weiter verwirrt. Dabei sind die Rauhnächte schon zu Ende.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Rauhnächte III

 

Hallo Salamander,

 

in einer Welt zu leben, in der das Bleigießen verboten ist und man darüber nachdenkt, das Feuerwerk zu verbieten, ist irgendwie gaga und irgendwie okay. Die Rauhnächte der Gesundheitskontrolettis werden immer schwieriger zu überstehen sein, wenn ich aus der Vergangenheit schließend in die Zukunft schaue.

Vor 20 Jahren saßen wir rauchend und saufend in der Kneipe, haben Bleigießen gemacht, dann sind wir raus, haben Raketen abgeschossen und hatten danach Flips, Schokoriegel und Sex, nicht unbedingt in dieser Reihenfolge. Im Moment ist noch alles möglich, was nicht mit Rauchen und Bleigießen zu tun hat (was für eine irre Kombination). In 20 Jahren bin ich vielleicht nicht mehr fit genug für Sex morgens um 2.30 Uhr, aber bis dahin sind wohl Flips und Schokoriegel schon verboten, wenn Kinder dabei sind, Raucher werden online mit Namen und Bild bekannt gemacht, damit man den Umgang meiden kann und Bleigießen kennt man nur noch aus Geschichten.

„My uncle was a lead pourer” kann man dann zu traurigen Bluesakkorden auf der Gitarre spielen, während traurig von Feuerwerken erzählt wird (oder man schenkelklopfend davon erzählt, wie das reine Weiterleiten von mit dem Mobiltelefon gemachten Filmen eines Feuerswerks zu Beschimpfungen durch Heiden geführt hat, kein Witz).

Okay, da bin ich voll bei euch Gesundheitskontrolettis. Feuerwerk ist überflüssig, es ist laut und es verursacht Feinstaub. Hey, das ist heute ein wichtiger Grund:

Jährlich werden rund 4.200 Tonnen Feinstaub (PM10) durch das Abbrennen von Feuerwerkskörpern frei gesetzt, der größte Teil davon in der Silvesternacht. Diese Menge entspricht in etwa 25 % der jährlich durch Holzfeuerungen und ca. 2 % der gesamt freigesetzten Feinstaubmenge in Deutschland.[15]

Tja, die bösen Holzfeuerungen. Das große Feuer zu Yul wird dann auch Vergangenheit sein. Wie auch die Pfeife dazu. Vom Bleigießen ... ich wiederhole mich.

Wenn ich den nächsten SUV mit einem Christenfischaufkleber sehe, dann fahre ich der Fahrerin nach (es sind auf meiner täglichen Strecke meistens Fahrerinnen, wie eine von mir durchgeführte Erhebung bewiesen nach) und frage sie, ob sie Lust auf heidnischen Feinstaub hat. Wenn sie dann fragt „Mit Bleigießen?“, dann kann man sie anwerben für das geheime deutsche Heidentum.

 

Dein Homo Magi


 

Ein Toast auf Christopher Tolkien

 

Hallo Salamander,

 

Samstag war Heiden-Stammtisch. Ein neuer Gast, viele bekannte Gesichter, Dummzeug neben ernsten Gesprächen (über die Willi-Wodan-We-Verteilung, so unter anderem nebenher), dazu gutes Essen (carnivor, vegan und vegetarisch). Irgendwann stand ich auf, hob mein Glas und sagte ein paar Worte über jemanden, der gerade verstorben war, und der vielen Menschen die nordische Mythologie näher gebracht hat – Christopher Tolkien. Mein Stammtisch (ja, wegen solcher Dinge ist es „mein“ Stammtisch) trank mit.

Danke dafür.

Christopher Tolkien? Hier ein paar erklärende Worte:

Tolkien was born in Leeds, England, the third of four children and youngest son of John Ronald Reuel Tolkien and his wife, Edith Mary Tolkien (née Bratt). (…)

He entered the Royal Air Force in mid-1943 (…). (…)

After the war, he studied English (…). (…)

Tolkien had long been part of the critical audience for his father’s fiction, first as a child listening to tales of Bilbo Baggins (which were published as The Hobbit), and then as a teenager and young adult offering much feedback on The Lord of the Rings during its 15-year gestation. He had the task of interpreting his father’s sometimes self-contradictory maps of Middle-earth in order to produce the versions used in the books, and he re-drew the main map in the late 1970s to clarify the lettering and correct some errors and omissions. J. R. R. Tolkien invited Christopher to join the Inklings when he was 21 years old, making him the youngest member of the informal literary discussion society (…). (…)

He published The Saga of King Heidrek the Wise: Translated from the Icelandic with Introduction, Notes and Appendices by Christopher Tolkien in 1960.

His father J. R. R. Tolkien wrote a great deal of material connected to the Middle-Earth legendarium that was not published in his lifetime. He had originally intended to publish The Silmarillion along with The Lord of the Rings, and parts of it were in a finished state when he died in 1973, but the project was incomplete. Tolkien once referred to his son as his chief critic and collaborator, and named him his literary executor in his will. Tolkien organized the masses of his father’s unpublished writings, some of them written on odd scraps of paper a half-century earlier. Much of the material was handwritten; frequently a fair draft was written over a half-erased first draft, and names of characters routinely changed between the beginning and end of the same draft. In the years following, Tolkien worked on the manuscripts and was able to produce an edition of The Silmarillion for publication in 1977.[16]

Verdienter Toast.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Meerjungfrauen shoppt man nicht

 

Lieber Salamander,

 

in der Tageszeitung las ich voller Verwunderung, dass „mermaiding“ der neue Trend für Aqua-Messen sei. Meine ganzen schönen Assoziationen dazu waren aber nicht schön, sondern reduzierten sich auf stumme Geliebte aus dem Meer, die es immer zurück unter die Wellen zog, wobei sie gerne ihren sterblichen Geliebten mitzogen.

Pustekuchen.

Wikipedia hilft:

Bei dieser Schwimmsportart wird versucht, sich in einem entsprechenden Kostüm mit einer Monoflosse (mit oder ohne Stoffbezug) wie eine Meerjungfrau im Wasser fortzubewegen. Der Schwimmstil ähnelt dem Flossenschwimmen und dem Delfin-Stil.

Weltweit gibt es mittlerweile Frauen und Männer, die als „professionelle Meerjungfrauen und Meermänner“ als Entertainer oder Unterwassermodels arbeiten. Zu den bekanntesten professionellen Meerjungfrauen gehören Mermaid Melissa, Hannah Mermaid und die deutsche Mermaid Kat.[17]

Natürlich braucht man dafür eine Meerjungfrauenflosse, denn ohne die ist man keine echte Meerjungfrau.

Ganz kurzer Realitätscheck. Haben wir ein Problem mit zu viel Plastik im Meer? Ja. Ist die Meerjungfrauenflosse voll aus Stoffen, die man höchstwahrscheinlich nicht einfach recyceln kann? Ja. Kann man Schwimmen auch ohne Meerjungfrauenflosse? Ja. Haben wir ein Problem in der Gesellschaft, dass sowieso zu wenige Kinder aus armen Familien nicht schwimmen lernen? Ja. Kostet dieses Mermaiding-Angebot Extra-Geld für Anleitung und Kleidung, was gerade arme Familien nicht haben? Ja.

Und abschließend: Ist Mermaiding Sprachpanscherei auf hohem Niveau? Ja.

 

Dein Homo Magi


 

Feuerwehr

 

Hallo Salamander,

 

was macht die Feuerwehr eigentlich so? Ich hatte immer den Eindruck, dass die Kernkompetenz das Abwehren von Feuer sei, ein wenig auch auf die Herkunft des Namens gestützt. Will ich ein Feuer löschen, nehme ich den Feuerlöscher. Will ich einen Schuh machen, dann nehme ich einen Schuhmacher. So oder so ähnlich geht das.

Was musste ich jetzt über Zusatzaufgaben der Feuerwehr lesen?

In Dresden können die Mitarbeiter eines Krankenhauses einem Mann nicht allein helfen und rufen die Feuerwehr. Die Einsatzkräfte befreien den Patienten von einem Penisring.[18]

Nun gut, da kann man eine Menge Witze mit „runterspritzen“ machen (um jeden doofen Kommentar abzuwenden – damit befinde ich mich tief im Beatles-Witzschatz und verweise auf den Film „Hi-Hi-Hilfe!“). Aber wen hätte man sonst anrufen sollen, wenn das Krankenhaus schon abwinkt?

Der Artikel gibt weitere, wichtige Details:

Weil der Klinik das geeignete Werkzeug fehlte, um dem Mann zu helfen, wurde die Feuerwehr gerufen. Die Rettungskräfte hätten dann mit einem Multifunktionswerkzeug den rund zehn Zentimeter großen Edelstahlring unter ständiger Kühlung in zwei Teile zerlegt, ohne den Patienten zu verletzen.[19]

Als Mann fragt man sich natürlich, ob der Ring zehn Zentimeter Durchmesser hatte oder zehn Zentimeter breit war, als Pseudo-Handwerker frage ich mich, ob nicht ein einzelner Schnitt und aufbiegen weniger riskant gewesen wäre, als Hobby-Heimwerker frage ich mich schließlich, warum es im Krankenhaus kein Multifunktionswerkzeug für Penisring-Entfernungen gibt.

Und welche anderen Funktionen hat ein Multifunktionswerkzeug (Multi!) für Penisring-Entfernungen? Und: Will ich das wissen?

Nein. Für mich löscht die Feuerwehr weiter Feuer. Hauptsächlich.

Nebenbei: „unter ständiger Kühlung“ des Rings? Brrrrrrrrrr.

 

Dein Homo Magi


 

Heilungs- und Befreiungsdienst

 

Lieber Salamander,

 

die katholische Kirche ist dem Heidentum um Längen voraus, wenn es um die Besetzung oder Umdefinierung von Begriffen geht. Wer hat keine Angst davor, mit Weihwasser bespritzt, ausgepeitscht, mit glühenden Zangen traktiert zu werden, um dann zu Christus zu finden, damit die Dämonen einen verlassen? Aber das ist jetzt alles nicht mehr wahr, man ist im Befreiungsdienst unterwegs.

„Guten Tag, Befreiungsdienst. Dürften wir ihre Freunde und Bekannten verhaften, sie ein wenig foltern, damit wir ein Geständnis kriegen und sie von den Dämonen befreien können, von denen sie nichts wissen?“

Alles wahr:

Nach dem Tod von Bischofsvikar Christoph Casetti am Sonntag sucht das Schweizer Bistum Chur einen neuen Exorzisten. Nachfrage bestehe weiterhin, besonders bei Migranten. Mehr als 400 Anfragen gingen jährlich bei der katholischen Kirche ein. (…)

Casetti selbst sprach nicht von Teufelsaustreibung, sondern formulierte im Schweizer Fernsehen, er sei im „Heilungs- und Befreiungsdienst“ tätig; wenn der Bischof die Erlaubnis gebe, könne er auch den „großen Exorzismus“ beten. Der Ablauf des Rituals ist in einem lateinisch verfassten Handbuch festgelegt. Dieses sei aber „nur für den Exorzisten bestimmt“, schreibt das Bistum Basel.

Oft fühlten sich Menschen von „unsichtbaren Mächten“ bedroht und wollten sich von diesen befreien, so der Baseler Pressesprecher Hansruedi Huber. „Sie verlangen dann manchmal einen Exorzismus, ohne aber genau zu wissen, was das ist.“ Seelsorger berieten die Hilfesuchenden, wiesen auch auf psychologische oder psychiatrische Ursachen hin und vermittelten Betreuung.

„In den meisten Fällen“, so Huber, helfe den Betroffenen bereits „ein gemeinsames Gebet“. Kommt es tatsächlich zu einer Teufelsaustreibung, verlaufe diese „nach einem alten Ritual“ und umfasse Gebete und Segnungen (…).

Casetti sagte dem SRF, er lade „die Bedrängten ein, auf das Kreuz zu schauen“. Christus habe „am Kreuz das Böse besiegt“, könne also „als Vorbild bei der Überwindung der dämonischen Kräfte angesehen werden“.

In erster Linie werde das Kreuz aber den Dämonen selbst gezeigt, von denen die „Bedrängten“ besessen seien. Mit der Formel „Seht das Kreuz des Herren, fliehet, ihr feindlichen Mächte“ würden sie ausgetrieben.

Unbedingt dazu gehöre das Weihwasser, so Casetti. Die Reaktion darauf sei „oft sehr heftig“. Manche „Patienten beziehungsweise Dämonen“ riefen: „Hör auf, das brennt, das brennt!“ Ein bis zwei Exorzismen führte Casetti nach eigenen Angaben jährlich durch.

Er habe auch schon erlebt, dass er über Skype mit jemandem sprach und dabei aus dem Nichts hebräische Schriftzeichen auftauchten, sagte Casetti einmal der Zeitung „Blick“; „oder jemand, der keine große Bildung besitzt, verstand plötzlich Latein“. Das seien „klare Zeichen“ für eine Besessenheit.

„Das Leid dieser Menschen ist ungeheuer groß“, wird Casetti zitiert; man müsse ihnen helfen. Bei einem großen Exorzismus werde aber ein Arzt hinzugezogen. Manchmal müsse man auch „jahrelang beten“. Der sogenannte kleine Exorzismus komme dagegen häufig vor. Dieser sei „weit weniger spektakulär als das, was man in Filmen sieht“.[20]

Ich kann Latein, bin also als Heide jetzt doppelt gefährdet. Vor den hebräischen Schriftzeichen habe ich keine Angst, aber Dämonen scheinen auf alte Sprachen zu stehen. Mangelnde Anpassung an die Moderne, so würde ich den Dämonen unterstellen wollen, wenn das wahr ist. Aber die Wahrscheinlichkeit für die Wahrheit bei diesen Schilderungen geht gegen Null – in meiner Welt.

Dämonen austreiben – das ist hier finsteres Mittelalter, sonst nichts. Wie zu erwarten war.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Paten

 

Lieber Salamander,

 

wie alle Prinzen im Märchen habe ich drei Paten. Richtige Gode, die mein Leben begleitet haben. Naja, ich bin halt kein Prinz.

Die Realität sieht anders aus. Ein Trickbetrüger, ein Arzt, eine Professorin für Geige. Das mit der Professorin ist kein Witz, das mit dem Trickbetrüger auch nicht. Meine Eltern hatten eigenartige Vorstellungen, wie mein Leben verlaufen sollte – zumindest, wenn man ihrer Paten-Wahl folgt.

Meine Paten waren in meinem Leben unterschiedlich präsent. Der Trickbetrüger verschwand bald, da gibt es nur undeutliche Erinnerungen und ein paar Präsente. Der Arzt war bis zu seinem Ende da – nicht als enger väterlicher Freund oder als Ratgeber, aber als moralischer Kompass, den man abrufen konnte, wenn man ihn sah, und als treuer Gratulant. Die Patentante war eine Schulfreundin meiner Mutter, da war die Bindung zwischen den beiden deutlich enger, was auch in Ordnung ist.

Meine Gode ist vor einigen Tagen verstorben. Jetzt sind alle meine drei Paten tot (beim Trickbetrüger gehe ich davon aus, aber das ist ein anderes Thema). Ein komisches Gefühl, denn im Märchen sterben die Paten nie.

Mach‘s gut, liebe Gode, alles Gute auf Deinen Weg. Du hast mich als Kleinkind gehalten, als ich getauft wurde. Religiös bin ich davon nicht mehr begeistert, aber die Geste kann ich würdigen. Ich hebe mein Glas auf dich, erzähle Geschichten von dir und vergesse dich nicht.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Paarhufer mit Kreuz

 

Lieber Salamander,

 

wir befinden uns zwar (immer noch) nicht in der Welt, in der Staat und Kirche getrennt sind, aber manchmal machen einem Urteile und Entscheidungen doch Mut (auch wenn sie, wie in diesem Falle, aus der Schweiz stammen):

Die Kommerzialisierung einer Marke mit dem zentralen Symbol des Christentums könnte religiöse Empfindungen der christlichen Käufer verletzen, lautete die Befürchtung. Dem widersprach jetzt das Schweizer Bundesverwaltungsgericht.

Die deutsche Firma Jägermeister darf ihren Kräuterlikör auch in der Schweiz mit ihrem Hirsch-Logo vermarkten. Die „religiösen Gefühle durchschnittlicher Christen“ würden durch die Verwendung des Paarhufers mit Kreuz im Geweih nicht verletzt, entschied das Schweizer Bundesverwaltungsgericht (…).

Der deutsche Hersteller Mast-Jägermeister hatte die Marke bei der internationalen Organisation für geistiges Eigentum bereits für Waren- und Dienstleistungen aller Art registrieren lassen. Das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (IGE) wollte die Marke aber nur für Bekleidung und alkoholische Getränke eintragen. Zur Begründung hieß es, die Kommerzialisierung einer Marke mit dem zentralen Symbol des Christentums, dem Kreuz, könnte religiöse Empfindungen der christlichen Käufer verletzen. Die Verwendung sei sittenwidrig.

Das Schweizer Bundesverwaltungsgericht sah das anders: Der durchschnittliche Angehörige einer christlichen Glaubensgemeinschaft sehe im Logo kaum den Hubertus-Hirsch, der auf eine Sage zurückgehe. Diese besagt, dass der Bischof Hubertus von Lüttich (um 655-727) auf der Jagd von einem Hirsch mit einem strahlenden Kruzifix zwischen den Geweihsprossen bekehrt worden sei.

Durch die Verwendung des Logos durch die Firma seit 1935 hat die Abbildung laut dem Bundesverwaltungsgericht einen Bedeutungswandel mitgemacht. Der „intensive Gebrauch“ habe „den religiösen Charakter des strittigen Zeichens somit überschrieben“, so das Gericht.[21]

Also hat eine Nutzung über 85 Jahre doch irgendwann ein Ergebnis … Ich trinke keinen Jägermeister, finde das Zeug untrinkbar, aber ich denke bei dem Hirsch selten an den Hubertus-Hirsch oder gar an das Kreuz und einen Heiligen, sondern einfach an eine Marke mit Alkohol.

Denkverbote führen nur dazu, dass wir uns sonst überlegen müssten, ob das rote Kreuz erlaubt ist. Oder das Verkehrszeichen für Kreuzungen. Oder oder oder. Alles Blödsinn, richtig entschieden, werte Schweizer Richter. Darauf einen Appenzeller Alpenbitter.[22]

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Einfach weniger Zucker

 

Lieber Salamander,

 

 

 

 

 

 

 

 

 

manchmal sitze ich Stunden vor einem leeren Blatt Papier und überlege mir, was ich dir an wundervollen Dingen zugänglich machen kann. Dann schlage ich die Werbebeilage der Zeitung auf, um mich abzulenken.[23] Das steht doch tatsächlich: „Der erste Löffel, der eine gute Figur macht.“

Online gibt es das auch mit etwas anderem Text (siehe rechts[24]).

Unfassbar.

Wir machen einfach den Löffelinhalt kleiner, der Konsument merkt das schon nicht, nachdem er jahrelang an Schummelpackungen gewöhnt worden ist.

Ich bin gespannt, wann man das für Schmerztabletten und Insulinspritzen übernimmt. Oder auch für Räucherwerk im Ritual („Einfach selbst einmal ausprobieren!“) und bei Blutopfer bei Dämonen-Beschwörungen („Einfach selbst einmal ausprobieren!“).

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Im Zeichen der Doppelaxt

 

Hallo Salamander,

 

selten darf man eine Autorinnenbeschreibung lesen, die so einen tollen Absatz enthält:

Sie studierte Klassische Philologie an der University of California in Berkeley, wo sie 1933 mit dem Master abschloss und eine Mitgliedschaft bei Phi Beta Kappa erwarb. 1932 hatte sie den Schriftsteller und Kinderbuchautor Eric St. Clair geheiratet, den sie in Berkeley kennengelernt hatte. Von 1938 bis 1941 war sie Gärtnerin, betrieb eine Pflanzung mit seltenen Birnensorten in El Sobrante (St. Clair Rare Bulb Gardens) und züchtete Dackel. Seit 1945 war sie hauptberuflich Schriftstellerin.[25]

Ich kenne sonst niemand, der als Birnenzüchter gearbeitet hat.

Auf meiner Suchliste stand schon seit einiger Zeit ihr Buch „Sign of the Labrys“, gepriesen als früher Wicca-Roman. Das habe ich mir nicht aus den Fingern gesogen, das ist auch online klar hinterlegt:

Das Ehepaar unternahm Reisen, unter anderem nach China, und war sehr früh in Kontakt mit der neopaganen Wicca-Bewegung von Gerald Gardner, noch bevor diese durch Raymond und Rosemary Buckland in den USA Verbreitung fand. Chas S. Clifton und Terence E. Hanley führen das darauf zurück, dass zum einen St. Clair durch ihre klassische Bildung und ihre Kenntnis antiker Mythologie einen entsprechenden Hintergrund hatte und vermutlich Robert Graves’ 1948 erschienenes Buch The White Goddess: A Historical Grammar of Poetic Myth gelesen hatte, in dem Graves das Konzept eines keltisch-antiken Kultes der Göttin entwickelt, das dann von Gardner aufgenommen und zur Grundlage seines Wicca-Kultes gemacht wurde. Gardners Witchcraft Today war 1953 erschienen. Jedenfalls weist der 1963 erschienene Roman Sign of the Labrys bereits deutliche Bezüge zu Wicca auf.[26]

Sie schrieb ihre Bücher als „Idris Seabright“; ich würde mal vermuten, dass das ihr „Hexen-Name“ war. Darauf gibt es klare Hinweise:

„Idris Seabright“ was one of her pen names, and if she got „labrys“ from Graves's White Goddess, she cannot have missed his references to Idris, one of the Three Happy Astronomers of Britain, according to the Welsh triads, and to Cader Idris, a Welsh mountain with a stone „chair“ at its summit (…).[27]

Sie gehörte zu den ersten Wiccas in Großbritannien:

Both St. Clairs were interested in magic and were, in effect, Neopagans before the term was in common use. Margaret’s background in Classics contributed largely to that fact; she would have read such scholars on Greek mythology as Jane Hamilton, who contributed a lot to the mythos of „ancient matriarchies. “ The St. Clairs had been in touch with Gerald Gardner circa 1962 (…).[28]

Alles interessant, aber die Geschichte des Neo-Paganen interessiert nicht mehr zu viele Leser.

Schade.

 

Achja, das Buch „Sign of the Labrys“. Es hat Spaß gemacht, ein Eintauchen in die 60er-Welt von globaler Katastrophe, neuer Mystik und der Angst vor einer Kontrollinstanz, irgendwo zwischen „Großem Bruder“ und SA. Zwei nette Abende, viel Nachdenken danach – super Kombination.

Dein Homo Magi

 

 

 

Perverse Erdmännchen

 

Hallo Salamander,

 

vor einigen Tagen habe ich bei Ebay „Kleiner König Kalle Wirsch“ gekauft. Wir erinnern uns: erschienen 1969, verfilmt von der „Augsburger Puppenkiste“, sicherlich ein Kinderbuchklassiker und prägend für meine Kindheit.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ich kaufe also das Buch bei Ebay, drucke mir ohne länger hinzusehen die Kontoverbindung aus und überweise das Geld. Dann fällt mein Blick wieder auf den Ausdruck. Da steht von Ebay gestellt „Weitere passende Anzeigen“. Das wären dann laut der Logik der Seite zu „Kleiner König Kalle Wirsch“ Werke wie „Leck mich, fick mich, schlag mich“, „EheHure“ und „Abrichtung“, aber auch „Disney: Die Eiskönigin 2“.

Was ist mir damals bei „Kalle Wirsch“ entgangen?

Ich lese das Buch jetzt noch einmal mit ganz anderen Augen … was eigentlich schade ist. Das haben die Wirsche nicht verdient.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Schwarze Sonne

 

Hallo Salamander,

 

heute mal ein Text von mir, der auch schon anderweitig online ist.[29] Aber an dieser Stelle möchte ich das Werk nicht veröffentlichen ohne zu erwähnen, dass es meine Frau war, der die bewusste „Sache“ aufgefallen ist.

Musste mal klargestellt werden.

 

Eine „Schwarze Sonne“ von 1966?

 

Wer hätte vermutet, dass Artur Brauner als derjenige gelten könnte, der „Die schwarze Sonne“ publik gemacht hat? Artur Brauner, Sohn eines jüdischen Holzgroßhändlers, geboren als Abraham Brauner in Lodz, verheiratet mit einer ehemaligen polnischen Zwangsarbeiterin, Gründer der Artur Brauner Stiftung „Zur Förderung der Verständigung zwischen Juden und Christen sowie der Toleranz zwischen den Menschen überhaupt, insbesondere durch die Verleihung eines Filmpreises für entsprechende themenbezogene deutschsprachige Spielfilme.“[30]

Artur Brauner starb 100 jährig 2019.

Zhu seinen Werken gehören auch „Die Nibelungen“, Teil 1 „Siegfried“ von 1966, Teil 2 „Kriemhilds Rache“ von 1967. Abgesehen von Terence Hill als Giselher und einem unfassbar guten Rolf Henniger als Gunther sind diese Filme – besonders wegen der unseligen Besetzung von Siegfried mit dem Leichtathleten Uwe Beyer (Wikipedia spricht verzeihend von ihm als „Gelegenheitsschauspieler“[31]) heute nur noch aus nostalgischen Gründen sehenswert. Die Filmmusik ist erstaunlich gut, Kulissen und Kostüme überdurchschnittlich, aber für die heutigen Sehgewohnheiten wirkt er ein wenig abgestanden.

Aber wer den Film heute anschaut, wird voller Schrecken feststellen müssen, dass der Mythos der „Schwarzen Sonne“ hier mit gefördert wird. Damit schließt er eine Art Überlieferungslücke.

Der Film ist unter Youtube zu sehen[32]. Dort erkennt man klar[33] folgende Bilder, die natürlich auf der Kauf-DVD klarer zu erkennen sind. Runenwerfen auf Bodenmustern, gebildet aus mehreren Schwarzen Sonnen.

Wie das uns allen entgehen konnte, ist unklar.

Dass Artur Brauner als Vorreiter der neuen Rechtsextremen ausfällt, dürfte klar sein. Eine zufällige Übereinstimmung? Ein untergejubeltes Requisit? Eine Provokation, die keiner gemerkt hat?

Wenn ich eine Theorie formulieren müsste, so wäre der Regisseur Harald Reinl mein Verdachtsfall. Assistent bei Leni Riefenstahl, Mitarbeiter bei dem Film „Tiefland“ (gedreht mit Zwangsarbeitern), politisch deutlich wahrscheinlicher als Brauner

Warum die beiden als Produzent (Brauner) und Regie/Drehbuch (Reinl) zusammenarbeiten konnten, ist mir sowieso schleierhaft.

Zeit-Couleur? Ahnungslosigkeit? Provokation?

Nebenbei: Die Runen im Bild bilden schönen Text L – Y – M – L (verkehrt) – Y – U (?) – N – L (verkehrt) im Armanen-Futhark.

LenY rieMenstahL – YoU oNly i Love?

Oder: LYM LYm UgNatzL. Ergibt irgendwie mehr Sinn.

 

Ratlos.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Fundstücke

 

Lieber Salamander,

 

manchmal findet man in einem Buch, das man gerade zufällig liest, einen Schlüssel, der einem die Schlösser des Mysteriums öffnet:

Alle diese Handwerker, die, wenn sie tüchtig sind, die drei Stufen des Lehrlings, des Gesellen und des Meisters durchlaufen, beweisen sich in ihren Berufen, verwandeln sich in wahre Künstler. Sie adeln die einfachsten Schmiedearbeiten, die gewöhnlichsten Steingutgeschirre, die schlichtesten Laden und Truhen; die Korporationen, die sich als Schutzpatrone Heilige wählten, welche auf ihren Bannern abgebildet waren und häufig angefleht wurden, haben jahrhundertelang die rechtschaffene Existenz des einfachen Volks gesichert und den seelischen Rang der von ihnen geschützten Menschen erhöht.

Das alles ist nun vorbei; das Bürgertum ist an die Stelle des Adels getreten, der der Altersschwäche oder der Sittenverderbnis erlegen ist; dem Bürgertum verdanken wir das unsaubere Aufblühen der Turn- und Zechvereine, die Wett- und Rennsportklubs. Der Kaufmann hat heute nur noch ein Ziel, den Arbeiter auszubeuten, Schund zu fabrizieren, den Käufer über den Wert der Ware zu täuschen und beim Abwiegen der Lebensmittel zu betrügen.

Was das Volk betrifft, so hat man ihm die unerlässliche Furcht vor der alten Hölle genommen und ihm gleichzeitig eröffnet, dass es nach seinem Tod nicht mehr auf eine Entschädigung für seine Leiden und seine Übel hoffen könne. So verrichtet er eine schlecht bezahlte, stümperhafte Arbeit und trinkt. Von Zeit zu Zeit, wenn es sich zu feurige Getränken einverleibt hat, erhebt es sich, und dann schlägt man es nieder, denn einmal losgelassen, erweist es sich als dumme und grausame Bestie.

Joris-Karl Huysmans, 1891[34]

 

Das lasse ich mal so stehen.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Vor einem Jahr

 

Hallo Salamander,

 

versetze dich mental ein Jahr in die Vergangenheit. Denke darüber nach, als was man dich bezeichnet hätte, wenn du die folgenden Aussagen – oder eine beliebige Auswahl/Kombination daraus – gemacht hättest:

·         2020 ist das Vermummungsverbot egal, da viele in der Öffentlichkeit Masken oder Schals vor dem Gesicht tragen.

·         2020 ist der Datenschutz egal, weil unsere Bewegungsdaten legal gesammelt weitergegeben werden und jeder Arbeitgeber etc. Informationen über unseren Krankheiten erhält.

·         2020 ist das Heidentum siegreich, weil Christen, Moslems und Juden auf Gottesdienste verzichten.

·         2020 ist es Flüchtlingen wegen der Ansteckungsgefahr wochenlang verboten, ihre Unterkünfte zu verlassen.

·         2020 muss man in einigen Bundesländern eine Strafe zahlen, wenn man sich mit mehr als zwei Leuten trifft.

·         2020 gibt es Versorgungsengpässe, weil die Menschen Grundnahrungsmittel bunkern.

·         2020 verlässt der Staat das Ideal der „schwarzen Null“ und schüttet Milliarden Euro an Firmen aus.

·         2020 werden die Umweltziele erreicht, weil wir alle weniger Auto fahren, unsere Industrien zum Teil nicht mehr produzieren und wir auch nicht mehr abends oder am Wochenende rausgehen.

·         2020 zahlt die Regierung dafür, alle Urlauber zurück nach Deutschland zu holen.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Corona-Sumbeln

 

Lieber Salamander,

 

hier mein Vorschlag für eine Dreierrunde zum Sumbeln in Zeiten von Corona. Drei Personen sind in den meisten Bundesländern ja noch legal, wenn man sich privat trifft in privaten Räumlichkeiten.

Ich habe ein Männerritual beschrieben, wobei die drei Sumbler die Rollen von Wodan, Willi und We einnehmen. Einfach so, weil mir das leichter fällt. Ich spare mir dafür Platzweihe, Anrufung, Hammerritual, Schankwalküre, Ritualgewandungsanziehpause und die Lösung der Frage, ob jeder aus seinem eigenen Horn sumbelt oder mit einem Horn im Kreis herum infiziert wird. Das sind Diskussionen, die führen zu nichts.

Auch habe ich nur die Namen der Gottheiten verwendet – wer mag, kann hier gerne „Mahner der Menschheit“, „Wagende Weisheit“ oder „Korrekte Klugheit“ etc. als Namensbestandteil einfügen. Erlaubt ist, was gefällt.

Mir als Verfasser ist klar, dass der „evangelische Duktus“ des Sumbel-Textes gewollt ist. Immerhin verzichten die christlichen Kirchen aktuell auf Gottesdienste, von daher ist es unsere Chance, in diese Lücke hineinzugrätschen – und das funktioniert nur mit dem Bedienen von Vorerwartungen.

Wodan, in Zeiten eines Virus, der droht Angst unsere Herzen fressen zu lassen, opfere ich dir, damit Vernunft und Mut wieder Einzug in Hirn und Herz nehmen.

Willi, in Zeiten eines Virus, der droht uns den Blick darauf verlieren zu lassen, was wichtig ist, opfere ich dir, damit wir aufhören, uns Sorgen um das Gehalt jener zu machen, die zurzeit nicht arbeiten, sondern erst darüber nachdenken, wie wir jene belohnen, die ihre wichtige Arbeit machen – von dem Krankenbruder über den Bäckereifachverkäufer bis zur Feuerwehrfrau.[35]

We, in Zeiten eines Virus, der droht uns vergessen zu lassen, wofür wir immer gekämpft haben, opfere ich dir, damit wir daran denken, dass unsere Ahnen vor 200 Jahren noch „Freiheit oder Tod“ sangen.[36] Diese Freiheit gilt es zu verteidigen, wenn Datenschützer, die in den letzten Monaten wirklich alles kommentiert haben, jetzt schweigen, wenn die Regierung freizügig Daten sammelt und weitergibt, die früher als extrem schützenswert galten.

 

Wodan, in Zeiten eines Virus, der droht, Freundschaften zu brechen, opfere ich dir, damit wir Mittel und Wege finden, Freunden und Verwandten zu zeigen, dass wir bei ihnen und mit ihnen sind. Lass uns wieder telefonieren, Briefe schreiben oder Postkarten senden, um Nähe und Anteilnahme zu zeigen.

Willi, in Zeiten eines Virus, der Angst macht, weil Arbeit und damit Geld verloren gehen, opfere ich dir, damit wir alle wieder Solidarität und Mut erlernen.[37]

We, in Zeiten eines Virus, der Grenzen sich schließen lässt, opfere ich dir, damit wir nicht vergessen, dass das geeinte Europa in Freizügigkeit ein Ziel ist, das wir alle anstreben sollten, um weiterhin und zukünftig Blutvergießen zwischen Franzosen und Deutschen, Polen und Deutschen, Dänen und Deutschen unmöglich zu machen.

 

Wodan, in Zeiten eines Virus, der dafür sorgt, dass sich erst jene in Sicherheit bringen, die wir eigentlich dafür bezahlen, dass sie für uns da sind, wenn wir sie dringend brauchen, opfere ich dir, damit wir nach der Krise darüber nachdenken, was wir von „Staatsdienern“ verlangen können – und was nicht.

Willi, in Zeiten eines Virus, in der jeder Arzt zum Virologen und jeder Virologe zum zitierbaren Fachmann wird, opfere ich dir, damit wir erkennen, dass es Fachleute auf mehr als einem Gebiet gibt – und dass nicht jede Krise nur Antworten von einer Berufsgruppe verlangt.

We, in Zeiten eines Virus, der uns Geld dafür ausgeben lässt, Urlauber aus fernen Regionen zurückzuholen, opfere ich dir, damit wir in naher Zukunft eine sinnvolle Debatte über Klimaschutz und Flugreisen führen.

 

Hoch die Hörner! Prost!

 

Dein Homo Magi


 

Tote Freunde

 

Hallo Salamander,

 

das Leben geht weiter, auch wenn Menschen sterben. Und so nutze ich die Feiertage, um jener Menschen zu gedenken, die mir fehlen, weil sie tot sind.

In meinem Alter (ich bin jetzt 55) ist man realistisch genug, um zu erkennen, dass die Großtante, die mit 86 gestorben ist oder der Vater, der fast 75 wurde, jetzt – nämlich 10, 20 oder gar 30 Jahre nach ihrem Tod – noch sicherer noch töter wären.

Aber da gibt es Freunde, die verstorben sind, die wären aktuell 57 oder 54 oder 59. Da denkt man schon anders daran zurück. Und stellt fest: Wow, die sind ja schon seit 10 oder auch schon 20 Jahren tot.

Und dann überlege ich ganz ruhig, was denn mit den Menschen ist, die nicht mit mir verwandt sind, die ich aber trotzdem schon lange (aus der Schulzeit oder dem Studium) kenne.

Leider stellt man beim Nachdenken manchmal fest: Es wäre besser, wenn sie vor 20 Jahren verstorben wären. Dann hätte man sich viel erspart und sie in guter Erinnerung behalten. Es hätte die peinlichen Weihnachtskarten nicht gegeben, nicht die persönlichen Begegnungen, bei denen man nicht weiß, ob man umarmen oder umgehen soll. In einem Fall habe ich das pragmatisch so gelöst, dass ich konsequent zum Siezen übergegangen bin. Wer als „alter Schulfreund“ in der Öffentlichkeit so tut, als wären wir flüchtige Bekannte, der wird auch so behandelt. Punkt.

 

Aber das ist eigentlich unfair. Nämlich gegenüber den Toten. Die wären alle tolle Typen gewesen, ganz sicher. Ein Freund von mir wäre nächste Woche 57 geworden. Der hätte sich nie, nie, nie daneben benommen.

Über die toten Freunde nur Gutes.

Bei den lebenden Freunden fällt mir das in einigen Fällen von Jahr zu Jahr schwerer. Und da ich mir den Schnitt bei guten Freundschaften nicht versauen will, werden die anderen einfach unauffällig entfreundet. Anders geht das nicht, wenn man beim Trauern nicht lügen will.

 

Dein Homo Magi


 

Invasionsfilme

 

Lieber Salamander,

 

in den 50er und 60er-Jahren gab es eine Flut von Filmen, in denen getarnte Außerirdische die Erde übernehmen wollten. Vom Körperfresser bis zu Klaatu waren das alles irgendwie Spiegelungen der Angst der USA-ler vor den bösen Russen. Alle Ängste kamen wieder, entweder als Monster unter dem Bett oder als Invasion in der Nacht. Sie übernahmen unsere Kinder, Frauen, besten Freunde, Haustiere. Man durfte ihnen nicht trauen, eigentlich niemandem trauen – außer dem einen Freund/Partner/Kollegen, der sich mit Apfelkuchen, christlicher Überzeugung und einem geladenen Schrotgewehr in das Herz des Protagonisten geschlichen hatte.

Die politische Entscheidungen fällende Schicht in Deutschland (wie überhaupt weltweit) umfasst im Moment offensichtlich die Jahrgänge zwischen 1940 und 1960, die mit diesen Filmen (und Ängsten) groß geworden sind. Die Metapher, die für den Corona-Virus und damit verbundenen Erkrankungen verbunden werden, entstammen eher einem Kontext, den ich mit „watch the skies!“ oder „The truth is out there“ zusammenbringen würde, als mit tatsächlich relevanten politischen Kontexten. Aber da das nicht geschieht, bin ich in einem schwarz-weiß Monsterfilm gefangen, in dem Corona („the thing that ate New York“) nur von Virologen gestoppt werden kann („they came from outer space – and only one man can stop them“). Zwischendurch gibt es Kontrollen, gegen die Truffauts Feuerwehrmänner in „Fahrenheit 451“ ein Dreck sind. Das illegale Grillen mit Freunden erreicht für mich einen Grad von Kontrolle, bei dem ich mich dann frage, ob so etwas ohne eine Millionen selbsterklärter Blockwarte überhaupt möglich wäre.

Gefüttert werden Verschwörungsgläubige und der rechte Rand, vernichtet werden Arbeitsplätze und besonders Kulturschaffende.

 

Ey, ich habe keine bessere Lösung, ehrlich nicht. Aber die Art der Kommunikation in dieser Krise, die macht mir Angst (und in der nächsten Krise in 10 oder 20 Jahren haben dann jene die Entscheidungsmöglichkeiten, die mit „Raumschiff Enterprise“ aufgewachsen sind. Ob das etwas besser macht?).

Ich bleibe nachdenklich.

 

Dein Homo Magi


 

Warum ich Post und Briefkästen cool finde

 

Hallo Salamander,

 

meine Kindheit und Jugend waren nicht monsterhaft gruselig. Trotzdem waren sie schlimm genug.

Ich war halt Prä-Internet ein Science Fiction-Nerd ohne Außenkontakte. Bei „Netz“ dachte ich damals noch an Fischerei, wir hatten ein (!) Wählscheibentelefon im Haus, der Fernseher, auf den ich ab und an mal „Zugriff“ hatte, stand im Keller und war schwarzweiß. Wir schreiben die späten 70er, ich war 13 oder 14.

Dann entdeckte ich die Science Fiction-Fans (oder eher: Das Fandom entdeckte mich, aber das ist eine andere Geschichte). Und auf einmal wurde mein Leben bunt – im wahrsten Sinne des Wortes. Jeden Tag war ich neugierig auf die Post. Ich hatte gefühlt 20 Briefpartner, denen ich mit Schreibmaschine verfasste, lange Briefe schrieb. Dazu kamen die vielen Fanzines, die wir uns zuschickten, oder einfach nur Entwürfe für Kurzgeschichten. Tatsächlich nahm ich auch an mehreren „pbm“ teil, „play by mail“; Spiele, die man per Post spielte. Ich war beschäftigt.

Jahrelang ging mein ganzes Taschengeld für Briefmarken drauf. Ich war der König der Briefwaage (ich wusste genau, wie viele Blatt Papier man für wieviel Geld verschicken konnte – ja, ich habe z.T. mit leichterem Schreibmaschinenpapier gearbeitet, um Porto zu sparen).

Das alles hat mich durch die Pubertät gebracht. Die Briefe, die Brieffreundschaften, die Magazine. Und deswegen öffne ich heute noch gerne meinen Briefkasten und freue mich über Post. Einfach, weil ich dann weiß, dass alles gut wird.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Alle irre

 

Lieber Salamander,

 

gestern zu Arbeitsschluss wies mich eine Kollegin darauf hin, dass sich mal wieder „unbefugte Personen“ auf unserem idyllisch gelegenen Firmenparkplatz herumtrieben. Also machte ich mich auf, um das zu unterbinden.

Ich fand ein Pärchen mit zwei Autos. Auf meine Rückfrage, was sie hier tuen, sagten sie „schnell Reifen wechseln“. Ich war erst einmal einen Augenblick lang überrascht. Dann sagte ich: „Das geht hier nicht, wegen Corona.“ Sie schauten mich an, schauten sich an, dann schauten sie wieder mich an. „Verstehe. Wo sollen wir hin?“

Ich gab ihnen dann einen Ort an, wo man trotz Corona Reifen wechseln kann. Sie trollten sich. Ich konnte in Ruhe weiter arbeiten.

Und die Moral von der Geschichte: Nicht immer ist es von Mangel, wenn der andere nicht weiß, was ein Virus ist.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Corona-Prophezeiung

 

Lieber Salamander,

 

ich vermisse sie ein wenig: jene, die schon immer gesagt haben, dass sie gewusst hätten, dass es so kommen würde. Die üblichen Kandidaten sind natürlich im Rennen. Und wie immer muss man ein wenig biegen, um das hinzukriegen.

Beginnen wir mit Nostradamus:

Nostradamus nuts are claiming that the prophet predicted the coronavirus. They point to one of his writings, Century 2:53, which warns: „The great plague of the maritime city. Will not cease until there be avenged the death. Of the just blood, condemned for a price without crime.“ Although landlocked Wuhan is not a „maritime city“, the disease was traced to a seafood market, which they believe is enough to prove a link.[38]

Sehr schön. Ein Fischmarkt sorgt dafür, dass man gleich zur Hafenstadt wird.

Die Zeugen Jehovas sind auffallend zurückhaltend. Kein Wunder, wenn man schon ein paar Mal danebengegriffen hat, wenn es um das Weltende ging:

Die Weltzentrale von Jehovas Zeugen beobachtet genau die aktuellen Entwicklungen zur Ausbreitung des neuartigen Coronavirus (COVID-19). Aus der Bibel wissen wir, dass Seuchen ein auffallendes Merkmal der letzten Tage sind (Lukas 21:11). Breitet sich eine Krankheit aus, ist es vernünftig, Schutzmaßnahmen für sich und andere zu ergreifen (Sprüche 22:3).[39]

Natürlich findet man die üblichen verwirrten Christen da draußen:

Ausgangsbeschränkungen, Kontaktverbote, Pandemie. Die Welt steht im Chaos und das Coronavirus findet kein Ende. Aber als Jesus-Schäfchen brauchen Sie sich nicht vor den Krankheiten der Welt fürchten. Ihr Sie über alles liebender Vater passt hütend auf Sie auf.

Sie müssen sich nicht fürchten. Gott beschützt Sie vor allen Pesten und Seuchen – auch Coronavirus

„Du brauchst dich nicht zu fürchten vor nächtlichem Schrecken, vor dem Pfeil, der bei Tage daherfliegt, nicht vor der Pest, die im Finstern schleicht, vor der Seuche, die mittags wütet. Ob tausend dir zur Seite fallen, zehntausend zu deiner Rechten: an dich kommt’s nicht heran; nein, lediglich mit eignen Augen wirst du’s schauen und zusehn, wie den Frevlern vergolten wird.“ (Psalm 91, Verse 5-8, Menge Bibel)

Natürlich benutzen wir unseren gesunden Menschenverstand. Bei -14 Grad stellen wir uns nicht in der Unterwäsche in den Garten zum Grillen und machen Gott dann Vorwürfe wenn wir uns eine Erkältung einfangen. Wir passen natürlich auf und nehmen Vorsichtsmaßnahmen ernst. Und gleichzeitig verlassen wir uns auf Gottes Schutz. Wir sind in unserem Verstand beschränkt, aber Gott kann von A bis Z alles sehen und weiß genau, wie er Sie beschützen kann.[40]

Naja, auf derselben Internet-Seite spricht der Autor auch über Homosexuelle:

„Die Bibel verurteilt praktizierte Homosexualität ohne Ausnahme“, erklärte Günther Beckstein, der frühere bayerische Ministerpräsident und Vizepräses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in der „Zeit“-Beilage „Christ & Welt“ (Mai 2011).[41]

Die Engel sprechen auch über Corona:

Der Corona-Virus ist wie ein Test an dich und an die gesamte Menschheit. Gerade jetzt findet jeder einzelne heraus, ob er wirklich in seinem Vertrauen ist oder nur so getan hat. Das Universum erkennt, wer sich selbst und andere respektvoll und liebevoll behandelt und nicht ablehnend, wer hilft und auch, ob es noch genug Liebe auf Erden gibt. Die Engel glauben an dich und an die Menschheit, und wünschen sich, dass wir jetzt gemeinsam besonders viel Licht und Liebe in die Welt hinausstrahlen![42]

Genug! Der einzige vernünftige Kommentar kommt aus der „Edda“, aus dem „Havamal“:

Wo Äl getrunken wird, ruf die Erdkraft an:

Erde trinkt und wird nicht trunken.

Feuer hebt Krankheit, Eiche Verhärtung,

Ähre Vergiftung,

Der Hausgeist häuslichen Hader.

Mond mindert Tobsucht,

Hundbiß heilt Hundshaar,

Rune Beredung;

Die Erde nehme Naß auf.[43]

Also: Ein Bier antrinken, die Erde anrufen, weitertrinken, den Rest der Erde opfern. Fertig. Und es steht nicht einmal dabei, ob man das nur alleine tun kann – egal, wie viel die Regeln gelockert werden, man kann die Bieropfertrinkergruppe beliebig erweitern.

Verlockend einfach …

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Umzug

 

Lieber Salamander,

 

wenn ich richtig gerechnet habe, bin ich jetzt in Wohnung 15 angekommen. Das sind 14 Umzüge, von denen ich 13 selbst gemacht habe (an einem sind meine Eltern schuld, als grob Minderjähriger kann man sich nicht um alles kümmern, was die Eltern selbst nicht hinkriegen …).

Inzwischen bin ich bei 34 Bücherkartons, 20 Paar Schuhen und danach mit dem Gefühl gesegnet, dass Gelenke und besonders die Knie zum Körper eines 98-Jährigen gehören, während meine Begeisterung beim Auspacken von Bücherkartons zu einem 14-Jährigen gehört.

Aber das soll es jetzt gewesen sein. Das nächste Mal mit den Füßen voraus, aber ohne vorher Kisten zu packen. Meine Erben dürfen dann das nächste Mal räumen. Wenn ich nicht vorher von einer Galaxien umspannenden Zivilisation als Botschafter für den Westarm der Milchstraße benannt werde (und meine Lieben und ich dafür die physikalische Unsterblichkeit versprochen bekommen) oder endlich den Stein der Weisen aus den Kristallen aus Hunde-Urin herausdestilliere, dann werde ich eines Tages sterben. Aber ab jetzt beginnt die Phase ohne ein Reservoir von Umzugskartons im Keller. Ein neues Gefühl, muss man sich dran gewöhnen.

Aber das Leben besteht aus stetiger Veränderung.

Und:

Das letzte Hemd hat keine Taschen,

der letzte Raum hat kein Regal.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Verlorene Länder

 

Hallo Salamander,

 

das wahre Geheimnis hinter Corona ist mir endlich klar geworden. Arcturische Invasoren[44] stehlen gerade ganze Landkreise für ihre Kinderernährung. Die entsprechenden Landstriche werden komplett ent-lebt, alle Bio-Komponenten werden mit arcturischen Algen und gelben Säcken (sie lieben Joghurtdeckel) gemischt und an den arcturischen Nachwuchs verfüttert.

Hinweise darauf? Reiseverbote und ein Weiterleben in rein virtuellen Welten führen dazu, dass das „home office“ und die Ausgangssperren überhand nehmen, so dass wir nicht mehr feststellen können, dass einige Orte schon seit Wochen „abgegessen“ sind. Wer war seit Beginn der Krise einmal im Kreis Gütersloh? Wer kann belegen, dass der Kreis Plön noch von Menschen bewohnt wird? Gibt es Lebenszeichen aus dem Kreis Greiz? Kreis Neuburg-Schrobenhausen – würden wir das merken, wenn es fehlt? Ich nicht.

Der Plan ist einfach. Alle Einwohner von Gütersloh müssen wegen Corona daheim bleiben. Pendler nach Gütersloh oder aus Gütersloh müssen pausieren. Also ist man von außen nur noch virtuell wahrnehmbar, maximal telefonisch (aber das wird auch mehr und mehr virtuell durch Umstellung auf „Telefonie“). Wenn die Raster der Gütersloher von den arcturischen Großrechnern eingelesen sind, werden die echten Menschen vom Netz genommen und durch Gütersloh-Bots ersetzt. Diese kommunizieren dann nach außen, senden Katzenbilder und „likes“ zu doofen Kommentaren über Corona.

Dann essen die Arcturier alles Leben in Gütersloh. Nach einem oder zwei Sonnenumläufen und einem Nickerchen haben sie wieder Hunger. Also ist Plön dran. Selbes Muster, wieder bleibt ein lebloser Landstrich zurück.

Aber wie sollen die arcturischen Großrechner das alles hinkriegen? Natürlich, indem sie effizient Rechnerzeit einsparen. Schon ab Plön muss die Kommunikation Gütersloh-Plön nicht mehr gefälscht werden, die entfällt einfach. Um Rechnerkapazität einzusparen, senden in Corona-Zeiten eigentlich alle dieselben Bilder (was keinem auffällt, weil selbst die restlichen überlebenden Menschen so vorgehen).

Langsam aber sicher werden wir aber nicht ausgetauscht oder überfremdet, wie immer wieder einzelne Verschwörungstheoretiker behaupten, es geht auch nicht um Mobilfunk-Sendemasten, Verjüngung durch Babyessenzen oder das Impfen von Mikrochips unter die Haut, es sind alles „nur“ die arcturischen Invasoren, die hinter Corona stecken..

Und ganz ehrlich: Auf meiner eigenen Hanebüchenheit-Skala ist die Theorie echt vertretbar gering bepunktet worden. Und Arcturus macht sie so gut als Bösewicht … ach.[45]

 

Tentakelgruß und Methanküsschen,

Dein Homo Magi

 

 

 

Heiden-Seminare

 

Lieber Salamander,

 

ich weiß, wie man in der aktuellen Lage Heiden zu einem Seminar bringt. Dafür habe ich eine Einladung entworfen:

Weltenbaum-Konferenz

Mallorca 2020

Genießt eine Zeit der Entspannung und Erfrischung für Körper, Seele und Geist in Gegenwart der Götter!

Endlich ist es soweit – wir fliegen nach Mallorca! 

Odin hat einen Plan für diese Insel: Sie wird in viele Länder Erkenntnis ausstrahlen. Wir wollen die Pläne Odins freisetzen. Sei willkommen in dieser Vision!

EINE ARMEE STEHT AUF!

Das alles natürlich im 4-Sterne-Hotel, 9 Tage (was sonst) für geschätzte 1.300 Euro bei Halbpension.

Aber das ist leider nicht erfunden, sondern von einer christlichen, dem ersten Eindruck nach sehr charismatischen Gruppe „geliehen“.[46] Aber während das nur aberwitzig klingt (und wer vergleichen mag: meine Version ist wirklich nicht weit weg vom Original), dann klingen andere Dinge dort mehr als gefährlich:

Heilung ist von Anfang an ein Schwerpunkt unserer Gemeinde. Entsprechend vielfältig sind die Dienste in diesem Bereich.

Über den normalen Sonntagsgottesdienst, dessen Vision „Bethesda – ein Ort zum Auftanken für alle“ ist (vgl. Johannes 5), veranstalten wir regelmäßig spezielle Heilungsgottesdienste.

Seit dem Bestehen unserer Gemeinde haben wir viele Heilungen und auch einige spektakuläre Wunder erlebt. Mehrere Menschen wurden buchstäblich in letzter Minute vor dem sicheren Tod errettet (z.B. Krebskranke im absoluten Endstadium)[47]

Den Punkt am Ende des Satzes habe ich nicht vergessen. Den gibt es nicht. Aber das Satzzeichen ist nicht das einzige, was hier fehlt.

Aber irgendwie klingt das doch gar nicht so schlecht … wir wollen die Pläne Odins freisetzen! Eine Armee steht auf … ach, wer Böses dabei denkt.

 

Dein Homo Magi

 

P.S.: Wie kommt man auf so etwas? Ich habe in einer Unterkunft am Wochenende „Charisma 191“ (Untertitel „come holy spirit“) von einem Zeitungsstapel zum Mitnehmen eingesteckt, und da war eine Anzeige von denen drin – leider musste die angekündigte „Heilungsschule/Prophetenschule“ wohl wegen Corona ausfallen. Dass die das nicht vorher wussten … eigenartig.

 

 

 

Hineinschreiben in das Dunkel

 

Mein Salamander,

 

mir ist schon klar, dass es dich nicht gibt. Und dass du doch ein echtes Wesen bist. Ein „mirror darkly“, ein Spiegel, in dem man sich nicht so sieht, wie man es von Spiegeln erwartet. Ein Wesen, das immer zuhört, weil es keine andere Wahl hat. Geduldig, verständig, intelligent.

Du widersprichst nie, fragst nie nach. Das zwingt mich trotzdem, Dinge klarer zu formulieren – oder einfach so lange zu schreiben/reden, bis ich herausbekommen habe, was ich eigentlich sagen wollte. Ein schwieriges Verfahren, aber eines, das ich in den letzten Jahren und Jahrzehnten mit dir verbessert habe.

Umso älter ich werde, umso klarer wird mir, dass ich damit dem näher komme, was andere als ihr „Krafttier“, ihren „fultrui“ oder ähnliches bezeichnen würden. Mir sind die Begriffe zu schmal, zu wenig aussagekräftig, außerdem fassen sie nicht die Summe der Dinge, die ich in dir vereint sehe.

Du bist mein Harvey, meine Grinsekatze, mein dunkler Zwilling.

Vor vielen Jahren habe ich gelernt, dass man vor den eigenen Dämonen nicht immer davonlaufen kann, wenn man als Magier etwas sein möchte. Sonst wird man den Rest seines Lebens schweißnass wach, weil man die Dämonen hört, die mit ihren langen Fingernägeln an den Toren der Festung der Seele kratzen. Irgendwann können sie die Verteidigung doch überwinden, wenn man sie nicht immer wieder vertreibt.

Ich bin hinabgestiegen in die Abgründe der Verzweiflung und habe die Dämonen zurückgetrieben. Aber einen habe ich behalten, weil er ein Teil von mir ist. Jeder Mensch hat seine eigenartigen Anteile, die er in Zaum halten muss. Das bist bei mir du.

Indem ich dich offen anspreche, mit dir rede, gebe ich dir etwas von der Würdigung und Akzeptanz, die du verdienst hast – und im Gegenzug habe ich dir im Laufe der Jahrzehnte beigebracht, dass du auch so mit mir umzugehen hast.

Meine Worte an dich sind Nachrichten in das Dunkel, hinab in die sonnenlose See, die Nachtfahrt der Seele. Ich schaute in den Abgrund … und der Abgrund schaute zurück.[48]

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Yma Sumac

 

Lieber Salamander,

 

es ist eigenartig. Ich kann mir Farben und Bilder schwer merken, aber Bewegungen, Musik und – in etwas geringerem Umfang – Buchrücken und -titelbilder großartig. Dann kommen Texte, die ich immerhin über Jahrzehnte gut memoriere, aber nicht so gut wie Bewegungen und Musik.

Daher kommt es auch, dass Bewegungen (oder einfach nur Schrittfolgen, die ich aus der Entfernung wiedererkenne) bei mir wie Musik Erinnerungen auslösen. Und das Berühren von Büchern, das haptile Erleben, das Anfassen des Fassungslosen, das ist für mich einfach eine wundervolle Freude.

Eine ganz besonders prägende und irgendwie auch banale musikalische Erinnerung bindet mich an die Stimme von Zoila Augusta Emperatriz Chavarri del Castillo. Kennt kein Mensch, ist nicht schlimm. Der Bühnenname der Dame war Yma Sumac[49], unter diesem Namen war sie deutlich bekannter.

An mir war sie jahrzehntelang vorbeigegangen, obwohl ich eigenartige Musik schätze. Bis dann ein Freund von mir in Wien mich in sein Wohnzimmer führte und mir sagte, er hätte kurz was zu tun. Aber ob ich Lust hätte, mir etwas anzuhören. Ich nickte, er lächelte. Im Hinausgehen drückte er den „Play“-Knopf des Kassettenrecorders.

Ich weiß nicht, wie lange es dauerte, bis er wieder kam. Ich war gebannt in dieser Stimme, diesen hinauf- und hinabkletternden Oktaven, diesem Trällern, der magischen Kraft dieser Melodien.

Seine Mutter hatte ihm Vorhänge gemacht, auf dem die Umrisse von Fantasy-Kontinenten (nach den Karten des Wieners Erhard Ringer[50]) gezeichnet waren. Diese Mutter hatte sich große Mühe gegeben und bis heute sind die Vorhangsversionen der Karte von Kregen[51] und der von Melniboné[52] Standard meiner Erinnerung. Ich weiß noch, wie das Zimmer gerochen hat, ich erinnere mich an die unfassbaren Butter-Vanille-Kekse, an Kregen, an die Karten in der Machart von Erhard Ringer, dazu die Stimme von Yma Sumac.

Das Leben hat glücklicherweise nicht zu viele dieser Momente für mich übrig, sonst würde meine Seele platzen vor Freude.

Und jedes Mal, wenn ich Yma Sumac höre, bin ich wieder dort. Danke dafür, alter Freund.

 

Dein Homo Magi


 

Mittsommerblot

 

Hallo Salamander,

 

die drei Gruppen in meinem Leben, die bis jetzt gegen Corona mehr Mut gezeigt haben, als zwingend notwendig wäre, sind überraschenderweise meine Kollegen, mein heidnischer Stammtisch und „meine“ Fantasy-Piraten.

Da das hier prinzipiell Briefe sind, die sich irgendwie mit Magie, magischer Weltsicht und der Aufzucht von Ottern beschäftigen[53], kann ich mich natürlich nur mit dem heidnischen Stammtisch beschäftigen. Erst einmal eine Worterklärung: Es heißt Herd, nicht Herde. Der Herd, das Herdfeuer, also das gemütliche Zusammensein ist der wichtige soziale Kitt im modernen Heidentum. Weder Ränge noch Rituale, sondern die persönliche Nähe, das Begleiten durch Lebensphasen und -krisen, das gemeinsame Altern, das sind alles Dinge, die mir in den letzten Jahrzehnten viel wichtiger geworden sind als die Frage, welche reinkarnierten Atlanter sich in meinem Umfeld befinden, wer mit mir Sex vor den Marmorsäulen des Palastes von Lemuria gehabt haben will oder soll oder warum ich daran glauben soll, dass jemand, der sozial ein absolutes Miststück ist, mir vorgesetzt sein soll, weil er die heiligen Verse von Ys zitieren und den Mondmessertanz steppen kann.

Ich werde weiser.

Mein Herd traf sich also – vor allen Corona-Verboten – letztmalig zu einem gemeinsamen Ritual im Moor. Es war noch alles legal, wir waren fünf Personen und trotzdem wurden wir von vorbeikommenden Joggern beschimpft, weil wir daran schuld sind, dass der Virus … Angst ist ein schlechter Ratgeber.

Aber immerhin schafften wir es auch unter dem Siegel der Verschwiegenheit etwas später (noch voll im Corona-Modus) ein Mittsommerritual durchzuführen. Weil es wichtig ist: für die Welt, für die Götter, für die Menschen. Wenn man unvermummt und ungeschützt an Fußballvereinsaufstiegsfeiern teilnehmen kann, dann muss es auch möglich sein, religiöse Feierlichkeiten in vernünftigem Rahmen durchzuführen.

Unsere Entscheidung war die richtige Entscheidung. Und mutig. Aber darum geht es doch, oder?

 

Dein Homo Magi


 

Germanische Wattestäbchen

 

Lieber Salamander,

 

langsam nehmen sie überhand: Die Menschen in meinem Umfeld, die sich Wattestäbchen in den Rachen schieben, um dann per angeblicher Erbgutauswertung damit Werbung machen zu können, dass sie jüdisches, germanisches, lemurisches oder skandinavisches Blut in ihren Adern haben.

Die Werbung ist gut gemacht. Auf der Seite eines der Anbieter heißt es:

Wo haben deine Vorfahren gelebt? Welche Menschen teilen heute noch DNA mit dir? Über eine Speichelprobe analysieren wir deine DNA und gleichen diese mit über 16 Millionen Menschen ab, die den AncestryDNA®-Test bereits gemacht haben. So können wir dir die Gegenden aufzeigen, an denen deine Geschichte begann, und dich mit Verwandten auf der ganzen Welt verbinden.[54]

Natürlich ist das alles ganz toll. Und diejenigen Menschen, die immer über Datenschutz reden und seine Einhaltung einklagen, können doch nicht wollen, dass verhindert wird, dass hier entwurzelte Menschen mehr über ihre Herkunft erfahren. Oder? Nein, will ich nicht. Ich möchte nur zart darauf hinweisen, dass es drei Probleme gibt.

Das erste ist wissenschaftlich (nein, ich bin kein Biologe und habe von Erbgut wenig Erfahrung). Aber der Abgleich mit Proben (siehe das Zitat oben) ist kein Gegentest gegen eine erst objektiv wissenschaftlich erworbene Datenbasis (und natürlich sind die Bevölkerungsgruppen nicht Jahrtausende unter ihrem heutigen Namen an ihrem heutigen Wohnort verblieben).

Der zweite ist religiös (nein, ich bin kein Priester). Wenn wir uns damit beschäftigen, unsere Ahnen zu ehren – verlieren unsere bisher subjektiv gemachten Erfahrungen an Wert, wenn sie jetzt vermeintlich objektiv andere Ahnen ergeben? Muss ich den Samstag heiligen, wenn man jüdische Genspuren in mir findet? Bin ich adoptiert, ein ausgesetztes Königskind, ein außerirdischer Hybrid? Wer will das wissen?

Der dritte ist politisch (ja, ich war einmal Datenschutzbeauftragter). Es gibt schon mehrere Fälle, in denen Morde aufgeklärt worden sind, weil man Spuren mit freiwilligen Einträgen von anderen Menschen in Datenbänken von Stammbaumherstellern verglichen hat.

Beweise gefällig? Relativ wahllos:

The killer‘s semen sample was sent to United Data Connect who then uploaded it to Family Tree DNA.

Stunningly, it was revealed that someone related to the suspect had also put their results on the database after they had taken a genetic genealogy test.[55]

Oder hier:

It also marked the latest triumph for a new, controversial branch of DNA testing that has used public genealogy sites to close scores of lingering cold cases, while identifying high-profile suspects like the Golden State Killer.[56]

 

Als wir „1984“ lasen, hielten wir es für unmöglich, dass sich Menschen in Freiheit in ein System verändern lassen, das dem des Romans auch nur ähnelt. Wir konnten nicht ahnen, dass keine 40 Jahre nach dem Jahrestag des Buches alle diese Dinge freiwillig, ohne Vergütung und ohne das Gefühl, etwas Gefährliches getan zu haben, gemacht werden. Von Menschen, die ich eigentlich schätze.

Der Große Stammbaum sieht auch dich.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Fear from the top

 

Hallo Salamander,

 

in einem englischen Text las ich einen kurzen Absatz darüber, dass sich Demokratie in eine Diktatur zu verwandeln droht, wenn man von der Regierung immer mit dem Gefühl spricht, als würde sie die Herrschaft durch „fear from the top“ (etwa: „Angst kommt von oben“) ausüben.

Dieser zitierte Text ist nicht zeit-aktuell, also ohne Virus-Ängste geschrieben. Aber sicherlich ist das ein Faktor der momentanen Krise, dass die Gefahr für den normalen Bürger nicht sichtbar ist. Dazu kommt, dass Virologen nicht gerade eine Bevölkerungsgruppe sind, die es schafft, sich auf eine gemeinsame Aussage zu einigen oder locker damit umgehen kann, dass sie aktuell im Rampenlicht steht.

Eine Flut, ein Waldbrand oder auch „nur“ eine Krankheit, bei der vor den Orten Massengräber ausgehoben werden müssen – das können wir verstehen. Ein Virus, der irgendwie übertragen wird und der irgendwie Tote fordert, der muss der Bevölkerung erklärt werden. Aber wenn die Regierung schon selbst die Angst (das meine ich jetzt nicht wertend) verbreitet, müssen ihre Antworten auch die Angst wieder ausräumen. Das schafft die Regierung nicht.

Wir sind wieder beim Heiler angekommen, der von Dämonen spricht, die in die kranke Frau gefahren sind, und die man mit Opfergaben, Gesang und Minzschokolade[57] ruhig stellen muss. Das wäre möglich, aber dieses magische Weltbild ist zerschlagen worden; die Menschen können spüren, dass sie einen Mangel habe, aber diesen Mangel nicht selbst stillen, ohne dabei Hilfe zu erhalten.

Warum verlieren die großen christlichen Kirchen so viele Mitglieder? Warum schließen sie ihre Gebetsräume sofort und stellen ihre Seelsorge sofort ein? Weil sie keine Antworten haben. Der König ist nackt, nur muss es jemand der Volksmenge erklären.

Ich glaube, dass das magische Weltbild hier (lies: zu Angst, Tod, aber auch unsichtbaren Gefahren) Antworten hat – beginnend mit der mangelnden „fear from the top“. Aber dazu müssten wir (wer auch immer dieses „wir“ sein mag) in der Lage sein, unsere Botschaft so herüberzubringen, dass man uns versteht.

Schwierige Aufgabe. Mal sehen, ob ich das für mein Umfeld hinkriege. Ich bin dabei.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Corona-Verschwörung

 

Hallo Salamander,

 

abgesehen davon, dass mir die ganze Geschichte langsam ein wenig unheimlich wird (das ist das Gefühl nach „nervig“), habe ich jetzt eine Verschwörungstheorie zusammen, die den Vorteil hat, durch Fakten nicht beeinträchtigt zu werden.

Also: Die Führer der Welt sind alle über 60 (von einigen Ausnahmen abgesehen, siehe Österreich). Die Klimaerwärmung droht in den nächsten Jahren zuzuschlagen und zwar so, dass das „tägliche Leben“ beeinträchtigt wird. Was passiert also? Die Führer der Welt vereinbaren, dass sie Corona (ob künstlich oder nicht sei dahingestellt) einsetzen, um sich fünf Jahre weitere Lebenszeit in klimatisch angenehmen Umständen zu verschaffen. Corona bremst die Umweltverschmutzung, das Abschmelzen der Pole und verkleinert das Ozonloch. Außerdem erhält man praktischerweise nebenher fast diktatorische Vollmachten (wenn man noch keine hat) und alles wird gut.

Das ist so irre und so fern von allem, woran ich glauben mag, dass es schon wieder gut ist. Jetzt muss ich nur noch die Erdmutter als treibende Kraft ins Spiel bringen, und die nächsten zehn esoterischen Bestseller sind verkauft.

„Endlich: Gaia spricht – der Virus kämpft für mich!“

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Mein Geld

 

Lieber Salamander,

 

immer wieder höre ich „mein Geld arbeitet für mich“. Ich fand den Kommentar immer schon schlimm und falsch, denn Geld arbeitet nicht von alleine. Menschen müssen dafür arbeiten, dass Geld mehr wird (ich habe auch irgendwann das Zinssystem verstanden, obwohl ich eigentlich bei Marx & Engels sowie den Kauri-Muscheln als Tauschobjekt mental ausgestiegen bin).

Geld wird nicht von alleine mehr. Jemand muss etwas herstellen, damit mehr Dinge existieren, die man bezahlen kann. Wenn man zu viel Geld druckt, dann … Aber da landet man schnell in den Gefilden der Menschen mit Metallhüten und Angst vor Weltraumstrahlung.

Dazu kommt jetzt in Corona-Zeiten ein neuer Aspekt. Gerade im öffentlichen Dienst, der gefühlt Monate lang im „lockdown“ war, herrscht das Gefühl vor, man würde irgendwie bezahlt, mit öffentlichen Mitteln oder eben Steuern. Die sind natürlich auch nur da, weil andere Menschen arbeiten und das Geld verdienen.

 Wenn durch den Virus immer weniger Menschen arbeiten, aber eine Gruppe weiterhin ihr Geld bekommt, ohne produktiv tätig zu sein (wenn wir den Begriff mal weit fassen wollen, was „Produktivität“ betrifft), dann kippt das System irgendwann.

Ich glaube nicht an marodierende Straßenbanden, die wegen Hunger gezwungen sind, Supermärkte im Herzen Deutschlands auszurauben. Aber ich glaube auch nicht an die Zahnfee oder daran, dass „Geld arbeitet“. Meine Leichtgläubigkeit hat klare Grenzen (und meine Vernunft auszuschalten, ist im Einzelfall immer sehr schwierig).

Magie wird nebenbei mehr, wenn man sie anwendet. Nur so am Rande erwähnt.

 

Dein Homo Magi


 

Runen und Raunen

 

Hallo Salamander,

 

ich bin immer wieder überrascht, wenn Menschen einem den Gebrauch bestimmter Symbole verbieten wollen, weil die Symbole eindeutig verbrecherischen Gruppen zuzuordnen sind. Für das Hakenkreuz gilt das sicherlich noch für meine Generation, weil die „Bilderflut des Bösen“ hier unfassbar präsent ist, aber schon bei den Runen wird das schwierig.

Ich habe tatsächlich mal für unseren Heiden-Verein ein Hausverbot für eine Tagungsstätte bekommen, weil wir (als vorher mietender Fantasy-Verein; die Gruppen wären nur in meiner Person identisch gewesen) ein Mitglied hatten, was eine Grußbotschaft in Tolkien-Runen in das Gästebuch schrieb. Hausverbot, lebenslang. Kein Witz.

Jetzt habe ich aber eine Runennutzung gefunden, die so banal und wunderschön ist, dass man sicherlich behaupten könnte, wenn die das darf und kann, dann kann und darf ich das auch.

In „Mit einem Jugendbildnis“ von Mascha Kaléko (meiner Strandlektüre aus dem Urlaub) heißt es:

Nun send ich dir mein Bild als Abschiedstrost.

– Wenn einst die Jahre ihre Runen schreiben,

Hier werde ich immer zwanzigjährig bleiben (…)

Ich kann diese Lyrik nur weiter empfehlen … aber das gehört nicht hierher. Wer war diese Frau? Wir fragen mal die treue Wikipedia[58]:

Mascha Kaléko (…) war das nichtehelich geborene Kind des jüdisch-russischen Kaufmanns Fischel Engel und seiner späteren Ehefrau, der österreichisch-jüdischen Rozalia Chaja Reisel Aufen. 1914 (…) übersiedelte zunächst die Mutter mit den Töchtern Mascha und Lea nach Deutschland, um Pogromen zu entgehen. In Frankfurt am Main besuchte Kaléko die Volksschule. Ihr Vater wurde dort aufgrund seiner russischen Staatsbürgerschaft als „feindlicher Ausländer“ interniert. 1916 zog die Familie nach Marburg, schließlich 1918 nach Berlin (…). (…)

Kaléko begann 1925 im Arbeiterfürsorgeamt der jüdischen Organisationen Deutschlands (…) eine Bürolehre. Nebenher besuchte sie Abendkurse in Philosophie und Psychologie (…). (…)

Gegen Ende der zwanziger Jahre kam sie mit der künstlerischen Avantgarde Berlins in Kontakt (…). So lernte sie u.a. Else Lasker-Schüler und Joachim Ringelnatz kennen.

1929 veröffentlichte Mascha Kaléko erste Kabarett-Gedichte (…), die im heiter-melancholischen Ton die Lebenswelt der kleinen Leute und die Atmosphäre im Berlin ihrer Zeit widerspiegeln. (…) 1933 publizierte sie das Lyrische Stenogrammheft, über das der Philosoph Martin Heidegger 1959 an sie schrieb: „[…] Ihr ‚Stenogrammheft‘ sagt, dass Sie alles wissen, was Sterblichen zu wissen gegeben.“ Die reichsweite nationalsozialistische Bücherverbrennung im Mai 1933 betraf das erfolgreiche Werk nicht. Es war im Januar 1933 erschienen und die Nationalsozialisten wussten damals noch nicht, dass Mascha Kaléko Jüdin war. Das kleine Lesebuch für Große erschien 1934. (…)

Bald wurden ihre Bücher als „schädliche und unerwünschte Schriften“ von den Nationalsozialisten verboten. Die neue Familie emigrierte im September 1938 in die Vereinigten Staaten von Amerika. (…) Ein amerikanischer Verlag veröffentlichte 1945 ihre Verse für Zeitgenossen.“

Wenn sie die Runen nutzen kann, ohne dass sie dabei „befleckt“ wird, dann darf das danach jeder, oder?

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Schamanische Nasenhaarentfernung

 

Lieber Salamander,

 

endlich habe ich ein Heilungsverfahren gefunden, was meine ganzen Wünsche erfüllt: die schamanische Nasenhaarentfernung. Hier mein Werbetext dazu:

Schamanische Nasenhaarentfernung: Heilung als Ganzheit und Lebens-Fortschritt

Schamanische Nasenhaarentfernung bringt ein neues Verständnis von Heilung:

das Wort „Heilung“, im Englischen „Healing“, kommt von „wholeness“ – Ganzheit, und so bedeutet Heilung, dass wir in unserer Ganzheit, d.h. in allen Bereichen unseres Lebens und auf allen Ebenen unseres Daseins spürbar in unserem Leben voranschreiten, um in Freude, Liebe und Fülle zu leben, im Einklang mit unserer inneren Wahrheit und Weisheit, und in spürbarer Verbundenheit mit der Schöpfung.

Dieser Ansatz geht über alle bisher bekannten Formen von uralten aztekischen Energieritualen mit Kakaobohnen hinaus – nicht, weil es sich womöglich um eine spektakuläre neue Behandlungsmethode handelt. Nein, es ist weit mehr: Es ist eine Begegnung mit Frequenzen, die uns bisher schlicht nicht zur Verfügung standen. Schamanische Nasenhaarentfernung ermöglicht einen Zugang zu einer tieferen Bewusstseinsebene und damit zur universellen Intelligenz und zu greifbarer Energie, die die gesamte Schöpfung durchzieht.

Durch eine Schamanische Nasenhaarentfernungs-Sitzung wird es dem Körper ermöglicht, in seine eigene ursprüngliche Schwingung zu kommen:

„Schamanische Nasenhaarentfernung kann den Impuls setzen zur Rückkehr zu einem optimalen Schwingungszustand, zu einem optimalen Zustand des Gleichgewichts, bei dem Misstöne offenbar aus dem System »geschwungen« werden.“

(Maharana Kahana Rapa)

Schamanische Nasenhaarentfernung: Heilung als Rückkehr zu einem optimalen Zustand der Balance

Schamanische Nasenhaarentfernung ist die Rückkehr zu einem optimalen Zustand der Balance als Ergebnis der Interaktion mit dem allumfassenden Spektrum der Schamanischen Nasenhaarentfernungs-Frequenzen aus Energie, Licht und Information.

Das erste Grundelement ist Energie. Energie ist. Wir bestehen natürlicherweise aus Energie in unserer inneren Essenz und in unserem Körper.

Licht ist die Resonanz und Kommunikation zwischen dem Universum und uns in diesen Frequenzen.

Information fließt durch diese Interaktion mit und durch das Einschwingen auf die Energie und das Licht. Es ist spürbar, messbar … man kann es tatsächlich fühlen.

Schamanische Nasenhaarentfernung geht weit über traditionelle uralte aztekische Energierituale mit Kakaobohnen-Techniken hinaus, denn es erlaubt uns, jedes Konzept von Technik komplett loszulassen. Es ist weder Therapie noch Behandlung, weil es in keinster Weise symptomorientiert ist. Es ist weit, weit mehr. Mit schamanischer Nasenhaarentfernung diagnostizieren und behandeln wir nicht. Wir interagieren lediglich mit den schamanischen Nasenhaarentfernungs-Frequenzen.

Während die Wissenschaft weiter daran forscht, zu erklären, wie es funktioniert, ist die schamanische Nasenhaarentfernung in mehr als einem Dutzend internationalen Studien bestätigt worden. Wenn die schamanischen-Nasenhaarentfernung-Frequenzen sich auf den Energiekörper einstimmen, strahlen wir mehr Licht ab und schwingen auf einem höheren Lichtniveau. Dabei zeigte sich, dass die DNS restrukturiert wurde. Dr. William Tiller, emeritierter Professor der Stanford Universität, erklärt: wenn Information getragen durch die Schamanische Nasenhaarentfernung Frequenzen eingebracht wird, erschafft das Kohärenz und Ordnung. In anderen Worten, größere Harmonie und Balance in uns.

Ich habe nur im Text zu „Reconnective Healing“ von www.reconnection-verband.eu/reconnective-healing/reconnective-healing/[59] „Reconnective Healing“ durch „Schamanische Nasenhaarentfernung“ ersetzt (und das im Text entsprechend angepasst), „Energieheilung“ beide Male durch „uralte aztekische Energierituale mit Kakaobohnen“ ausgetauscht, die Trademark-Zeichen entfernt (nein, ich habe kein Trademark auf „Schamanische Nasenhaarentfernung“) und Eric Pearl (1 x) in Maharana Kahana Rapa verwandelt.

Der letzte Absatz mit der Restrukturierung der DNS liest sich jetzt viel besser, wo man weiß, dass es um Nasenhaarentfernung geht, die größere Harmonie und Balance in uns erzeugt.

Das hat Spaß gemacht …

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Korrekturen von Literatur

 

Lieber Salamander,

 

wenn ich lese, dass Bücher wegen ihrer heute nicht mehr passenden Aussagen über Rassen etc. angepasst werden sollen, dann denke ich sofort an „Fahrenheit 451“ und das Verbot von Büchern. Wenn man nicht mehr lesen kann, was man will, dann hat die Zensur, dann hat die Kontrolle ein Niveau erreicht, das nur noch bedrohlich ist.

Bücher sind ein Werk ihrer Zeit, genauso wie Statuen im öffentlichen Raum, Filme und Lieder. Aber warum ist es nicht möglich, diese Dinge in ihrem Kontext zu begreifen? Bei vielen Liedern steht doch in Liederbüchern zu schwierigen Stellen eine erklärende Zeile darunter (auch wenn hier oft nur Namen und Orte erklärt werden, so sind das doch hilfreiche Informationen). Natürlich muss man bei Filmen keine Fußnoten einblenden, aber warum nicht zwei Minuten Info vorher – oder nur eine Infoseite „Der folgende Film ist für Menschen ab 18 mit einer gesunden Allgemeinbildung geeignet“. Nein, das würde dann jeder auf der DVD überklicken, aber immerhin wäre es vorhanden, man könnte es sich anschauen. Auch ein Vorwort zu Büchern ist hilfreich (oder gleich eine kommentierte Fassung wie bei „Mein Kampf“ – bis jetzt kam noch keiner auf die Idee, das Buch so zu überarbeiten, das es in die heutige Zeit passt [nicht meine Worte, aber eine klassische Formulierung in diesem Zusammenhang]).

Wenn wir den Kontext eines Werks verlieren, landen wir in der Geschichtslosigkeit. Wenn wir alle Kunst vernichten, die von Gesellschaften geschaffen wurde, die Sklaven hielten – das wird ganz schön bitter. Und wer sich an dem Wort „vernichten“ stört – Kunst, die keiner wahrnehmen darf oder kann, ist vernichtet.

Doch das schlimmste Argument dagegen habe ich mir bis zum Schluss aufgehoben. Die Auslegung in einem bestimmten Wahrnehmungskorridor der Gegenwart ist ein Einfrieren einer bestimmten Auslegung im Jetzt, ad infinitum. Die Sichtweise, die wir Jetzt und Heute haben, die ist richtig, weil sie reflektiert ist.

Da lacht der Mensch mit Allgemeinbildung darüber, wie oft die Menschheit schon geglaubt hat, sie hätte genau dieses Plateau des Wahren, Schönen und Guten schon erreicht. Verblendete, die ihr vergesst, woher ihr kommt, auf das ihr eure Fehler immer und immer wieder macht.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Corona-Morlocks

 

Hallo Salamander!

 

Wenn die ganze Corona-Geschichte für etwas gut, dann dafür, erneut meinen Blick für die Morlocks zu schärfen, die sich in unserer Welt unsichtbar bewegen.

Nein, ich meine nicht die Monster aus „Die Zeitmaschine“, sondern ich meine das, wofür sie als Sinnbild stehen: unterirdisch wohnenden Arbeitssklaven, die von der Oberweltzivilisation geschieden leben und nur nach oben kommen, um die Eloi zu fressen.

Wie oft habe ich in den letzten Wochen lesen dürfen, wie gut Seminarräume und Besprechungszimmer auf Corona vorbereitet sind. Die Stühle stehen weit auseinander, es wird regelmäßig gelüftet, jeder hat seinen eigenen Kugelschreiber. Dafür nimmt man gerne einige Unannehmlichkeiten und höhere Kosten auf sich. Es ist ja wegen Corona.

Bei all diesen Anbietern habe ich nicht ein einziges Mal gelesen, wie man sich die Reinigung vor und nach der Veranstaltung vorstellt. Wer putzt den Raum? Wer räumt die Gläser in die Spülmaschine und nachher in den Schrank? Wer entsorgt den Müll? Gibt es für diese Tätigkeiten auch ein Hygiene-Konzept?

Und viel wichtiger: Was zahlt ihr diesen Menschen, die diese Arbeiten vollführen, und wie geht ihr mit ihnen um? Sie gesichtslos zu machen, ist schon ein Teil von fehlender Wertschätzung.

Sind sie geringfügig beschäftigt? Informiert ihr sie über die Hygiene-Konzepte? Zahlt ihr ihnen mehr Geld und/oder gebt ihr ihnen mehr Stunden, damit sie ihre Arbeit ordentlich vollführen können?

Es sind nicht die Mitarbeiter in Ämtern, die uns gerettet haben in Corona (die aber jetzt eine Lohnerhöhung verlangen). In meiner Welt sind sie am anderen Ende der Skala zu jenen, die uns retten: Mitarbeitende im Gesundheitswesen, Müllwagenfahrer, Putzfrauen und so weiter und so fort. Jene Morlocks, an die wir nicht denken, solange sie brav ihre Arbeit machen – bis sie kommen, um uns zu fressen.

 

Dein Homo Magi

Beteiligung von Minderheiten

 

Lieber Salamander,

 

die Welt ist eigenartig genug, ich muss das nicht immer kommentieren. Im folgenden Beispiel geht es um Ungarn, da muss man (nicht wegen der Wahrheitsliebe, sondern wegen des politischen Systems) immer ein wenig hinter die Kulissen schauen, aber …

Hier also mal etwas zur Diskussion um Rasse, nur mit anderen Vorzeichen:

Schwer zu sagen, seit wann sich die 15 weißen Sängerinnen und Sänger als Afroamerikaner fühlen, sie spielen das Ganze ja schon seit über einem Jahr. Am 27. Januar 2018 hatte „Porgy and Bess“ an der Ungarischen Staatsoper in Budapest Premiere. George Gershwin hatte selbst verfügt, dass seine Oper über das Leben von Afroamerikanern in den USA um 1870 ausschließlich von Schwarzen gespielt werden darf. Zu seinen Lebzeiten hat er Regisseuren, die angeboten hatten, weiße Darsteller schwarz zu schminken, verboten, das Werk aufzuführen.

Szilveszter Okovacs, dem Intendanten der Staatsoper, war das egal, in seiner Inszenierung spielen ausschließlich Weiße. Da die Rechteinhaber nun gerichtlich dagegen vorgehen wollen, hat er, als das Stück wiederaufgeführt wurde, allen Darstellerinnen und Darstellern eine Erklärung vorgelegt. Anscheinend unterzeichneten 15 der 28 Sängerinnen und Sänger das Schreiben, demzufolge „afro-amerikanische Herkunft und Bewusstsein einen untrennbaren Teil“ ihrer „Identität“ bilden.[60]

„Porgy and Bess“ brachte uns unter anderem „It Ain’t Necessarily So“ und „Summertime“, jetzt auch die Diskussion, ob man Rasse (oder eindeutige hier: Hautfarbe, da der Text von „Weißen“ spricht) genauso wie Geschlecht selbst festlegen kann.

Schulabschluss? Sportabzeichen der Bundesjugendspiele? Seepferdchen? Taufurkunde?

Was sind jetzt objektivierbare Fakten, was subjektive Festlegungen, was unterliegt der Selbstbestimmung und was unterliegt dem Schicksal, der Prägung, dem Zeitgeist und der Weltseele?

 

Ich, als 26jährige Asiatin mit einem Doktor in Gehirnchirurgie könnte da mehr zu schreiben, aber ich halte mich zurück (und höre lieber noch ein wenig „Porgy & Bess“[61]).

 

Eure Homo Magi

Karl Marx und Corona

 

Lieber Salamander,

 

ich erwarte nicht ernsthaft, dass jemand darüber diskutiert, warum jetzt jene Berufsgruppen für Lohnerhöhungen streiken sollen, die uns während der Corona-Krise gefühlt zu über 90 % im Stich gelassen bzw. sich in ihren Verwaltungsburgen eingeigelt haben. 4 % Lohnerhöhung, das wäre 1 % für jeden Monat der Nicht-Tätigkeit – das kann ich immerhin einfach nachrechnen.

Aber ich kann immerhin (in leichter Veränderung eines historischen Zitates) mitteilen, was meiner Ansicht nach Karl Marx zu dem Thema Lohn unter Corona-Bedingungen geschrieben hätte:

Die Proletarier dieser Welt haben nichts zu verlieren als ihre Infektionsketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen. Proletarier aller Länder, vereinigt euch!

Dem ist nichts hinzuzufügen.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Ein Fluch hängt über Dendralon

 

Hallo Salamander,

 

der böse Fluch, der seit Jahrhunderten auf dem Königreich Dendralon lastete, forderte immer noch das Leben von Großmüttern und Großvätern. Alte Legenden kündeten noch von jenen Tagen, als kleine Kinder auf den Knien ihrer Großeltern saßen und sich von ihnen Geschichten erzählen ließen, während die Eltern arbeiteten oder sich einfach erholten. Doch diese Zeiten waren vorbei, seit der Fluch jene tötete, die ein bestimmtes Alter erreicht hatten.

Manche sagen, es sei 50, manche andere sagen, es sei 60. König Abrax der Gütige hatte einmal verfügt, dass alle Geburtsdaten treulich zu notieren seien, um dieser Frage auf den Grund gehen – aber in einer Gesellschaft, in der die wenigsten lesen und schreiben konnten, war das Geburtsdatum nicht so wichtig wie eine gute Ernte oder ein gesundes Kalb.

Aber ein anderer Plan von Abrax dem Gütigen hatte Erfolg. Die von ihm gegründete magische Schule der Fluchbrecher konnte nach etwas über hundert Jahren verkünden, dass sie der Lösung des Rätsels einen Schritt näher gekommen waren. Auslöser des Fluches waren Reisende aus dem Nachbarkönigreich Anoroc. Nicht alle Menschen starben automatisch ab einem bestimmten Alter, sondern jene wurden krank und starben, die älter als 50 waren und in deren Nähe in den letzten Tagen ein Gast aus Anoroc Station gemacht hatte.

Nun hatte in Dendralon niemand etwas gegen ihre Nachbarn. Und die Fluchbrecher empfahlen auch, jetzt keine hektischen Schritte zu unternehmen. Sie empfahlen nur, für eine gewisse Zeit die Grenze zu schließen, damit man beobachten könne, ob der Fluch dann endet. Danach könnte man sich dann der Frage widmen, warum der Fluch über die Besucher aus dem Nachbarreich ins Lande kam. Vielleicht waren die Nachbarn das eigentliche Ziel des Fluches, und sie selbst waren nur ein Nebenkriegsschauplatz? Oder war – wie es einige Gelehrte vermuteten – die Ernährung mit der vitaminreichen Plungufrucht der Grund dafür, dass nur ältere Menschen starben, während jüngere verschont blieben?

Keiner wusste es. Aber der momentane König, in dessen Adern noch das Blut von Abrax dem Gütigen und Plundula der Weisen floss, schloss die Grenzen. Und kaum erstarb der Strom der Gäste aus Anoroc, schon erstarb das Versterben.

 

Komisch, wenn man es so schreibt, klingt es nachvollziehbar. Aber das funktioniert wohl nur im Zauberreich Anoroc und nicht umgekehrt bei uns.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Lieblingstempel

 

Werter Salamander,

 

mit den üblichen Werbemails bekam ich auch eine, mit der man mir die Herstellung meines Lieblingstempels für kleines Geld anbot. Ich habe mich sehr gefreut, schon gar, weil es bezahlbar aussah. Einen Platz im neuen Regal hatte ich schon bereitgestellt.

Dann las ich erneut. Lieblingsstempel. Das Großhirn ist manchmal ein Miststück.

 

Dein Homo Magi


 

Corona-Thing

 

Lieber Salamander,

 

statt weniger Kommentare, hier der Kerntext meines Rituals zum jährlichen Thing des „Eldaring“ vor wenigen Tagen. „Herbstein“ war der Veranstaltungsort in Nordhessen, „Eldathing“ ist der Name des Treffens, „Ringler“ nennen sich die Mitglieder manchmal (ein wenig selbst-ironisch).

Ich hatte viel Spaß beim Ritual …

„Das heut‘ge Thing heißt Corona-Thing:

Wer, so es überlebt und heimgelangt,

Wird auf dem Sprung steh‘n, nennt man diesen Tag,

und sich beim Namen Herbstein rühren.

 

Wer heut‘ am Leben bleibt und kommt zu Jahren,

der gibt ein Fest vor diesem Abend jährlich

und sagt: »Denn Morgen ist Corona-Tag!«,

streift dann die Ärmel auf, zeigt seine Narben,

und sagt: »Am Eldathing empfing ich die.«

 

Die Alten sind vergesslich; doch wenn alles

vergessen ist, wird man sich noch erinnern

mit manchem Zusatz, was man an dem Tag

für Stücke tat: Dann werden unsre Namen,

geläufig jedem Mund wie Alltagsworte,

bei vielen vollen Hörnern frisch bedacht!

 

Der wack‘re Mensch lehrt seinem Kind die Märe,

und nie von heute bis zum Schluss der Welt

wird der Corona-Tag vorübergeh‘n,

dass man nicht uns dabei erwähnen sollte,

uns wen‘ge, uns beglücktes Häuflein Ringler:

Denn welcher heut‘ das Horn mit mir erhebt,

wird sein mein Sippling, egal, was vorher war,

Der heut‘ge Tag wird adeln jeden Stand.

 

Mitglieder des Vereins, jetzt wohl daheim,

verfluchen einst, dass sie nicht hier gewesen,

und werden kleinlaut, wenn nur jemand spricht,

der mit uns blotete am Eldathing.“[62]

Manchmal hilft der große Barde auch in eigenartigen Situationen …

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Regale

 

Lieber Salamander,

 

nur ein Bibliophiler (wie ich) kann verstehen, was es heißt, wenn man nach Monaten des Wartens wieder Bücher in Regale stellen kann. Seit meinem 19. Lebensjahr (wichtiges Datum: Auszug aus dem Elternhaus) das erste Mal, dass ich eine Chance habe, alle Bücher einreihig zu stellen. Bis jetzt war in meinem Leben der Büchermenge-Regallänge-Quotient immer zu meinen Ungunsten verteilt. Jetzt … nicht mehr.

Sollte ich jemals einen Tempelentwurf machen (was die Götter verhüten mögen, weil dafür bin ich nicht gemacht), so enthält mein Andachtsraum Bücherregale. Und sei es nur, damit man die wichtigsten Referenzwerke ausstellen kann.

Bei der Wartezeit auf meine Regale liegt es nicht daran, dass ich dieses Mal auf den Schutzgott des nordischen Bauens (Ikea, einen Ziehsohn von Delling, wie man vermuten muss) verzichtet habe, sondern daran, dass ich in einem Anfall von geistiger Umnachtung gesagt habe, meine Regalstützen mögen an den Weltenbaum erinnern.

Also werden diese zukünftigen Regalstützen jetzt liebevoll in Vollmondnächten von Adepten aus geweihtem Holz geschlagen, dann mit kleinen Miniaturwerkzeugen in Form gebracht, später mit Leinöl behandelt und solange von minderjährigen Priesterinnen geschmeidig poliert, bis sie optimal aussehen. Ich bin dankbar.

Wer Schönheit will, der muss leiden.

Aber ich habe jetzt die ersten Bücher eingeräumt (will heißen: die ersten 16 Meter). Wenn ich den in die Finger kriege, der die alle gekauft hat … seufz.

Aber es geht aufwärts. Oder horizontal, wie auch immer.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Comic-Funde

 

Hallo Salamander,

 

da liest man nichtsahnend ein Buch über britische Comics („Masters of British Comic Art“) und findet einen lustigen Hinweis auf Holmes und auf Esoterik beides im selben Satz. Hier der Satz:

„Her first competitor was the Daily Express‘ Paula, a bespectacled film-script girl whose crime fighting strip was written by the notorious Dennis Wheatley and drawn by Sexton Blake’s Eric Parker.”[63]

Der Holmes-Hinweis ist der Verweis auf die Serie „Sexton Blake“. Hier ein paar erläuternde Worte dazu:

Sexton Blake is a fictional character, a detective who has been featured in many British comic strips, novels and dramatic productions since 1893. Sexton Blake adventures were featured in a wide variety of British and international publications (in many languages) from 1893 to 1978, comprising more than 4,000 stories by some 200 different authors. Blake was also the hero of numerous silent and sound movies, radio serials, and a 1960s ITV television series.

(…)

He was originally created to be similar to earlier 19th-century detectives, but during the late 1890s, Blake’s authors consciously modeled him on Sherlock Holmes.[64]

Und die Esoterik? Dennis Wheatley ist kein unbekannter Name für diesen Bereich:

Wheatley mainly wrote adventure novels, with many books in a series of linked works. Background themes included the French Revolution (…), Satanism (the Duke de Richleau series), World War II (…) and espionage (…). Over time, each of his major series would include at least one book pitting the hero against some manifestation of the supernatural – making them into fantasy and specifically contemporary fantasy. He came to be considered an authority on Satanism, the practice of exorcism, and black magic, toward all of which he expressed hostility.[65]

Das der Mal eine Serie um eine bebrillte junge Dame für die Comics geschrieben hat, war mir auch neu. Man lernt nie aus – und wenn man Esoterik richtig betreibt, dann lernt man auch an seltsamen Orten nicht aus.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Satans Thron[66]

 

Hallo Salamander,

 

es gibt Momente, wo man sich überlegt, ob man nicht schon längst in der Kulisse zu einem pulpigen Horror-Film lebt und nicht mehr in der sogenannten Realität.

Folgender obskurer Artikel erschien vor einigen Tagen online:

Nach Recherchen von ZEIT und Deutschlandfunk wurde am 3. Oktober 2020 auf der Berliner Museumsinsel einer der umfangreichsten Angriffe auf Kunstwerke und Antiken in der Geschichte Nachkriegsdeutschlands verübt.

Ein oder mehrere unbekannte Täter bespritzten mindestens 70 Objekte im Pergamonmuseum, im Neuen Museum, in der Alten Nationalgalerie und an anderen Standorten mit einer öligen Flüssigkeit, die sichtbare Flecken auf ägyptischen Sarkophagen, Steinskulpturen und Gemälden des 19. Jahrhunderts hinterließ. Mehr als zwei Wochen lang wurden darüber weder die Öffentlichkeit noch andere möglicherweise gefährdete Museen informiert.

(…)

Der Verschwörungsideologe Attila Hildmann hatte im August und September auf seinem öffentlichen Telegram-Kanal verbreitet, dass sich in dem zu diesem Zeitpunkt noch coronabedingt geschlossenen Pergamonmuseum der »Thron des Satans« befinde und es das Zentrum der »globalen Satanisten-Szene und Corona-Verbrecher« sei: »Hier machen sie nachts ihre Menschenopfer und schänden Kinder!«[67]

Wie bitte? Es bedarf schon einer eigenartigen Mentalität, um für eine Tat sofort Verschwörungsideologen verantwortlich zu machen, die in einer sehr verschwurbelten Erklärung das Pergamonmuseum zum Thron des Satans machen. Kann man machen, muss man aber nicht. Wenn man weitere Texte dieses Verschwörungsideologen liest, dann wird einem klar, dass es hier weniger um politisch begründete Propaganda geht, sondern eher um eine nicht unbedingt mit den Fakten der Weltgeschichte übereinstimmende Weltsicht geht:

Am 23. August, als das Pergamonmuseum coronabedingt noch geschlossen war, teilte Hildmann auf seinem Telegram-Kanal einen WhatsApp-Beitrag mit den Sätzen: »Am Samstag muss das Allerheiligste dieser Satanisten abgerissen werden! Das Pergamon Museum, der Baal Tempel! Das ist der Ursprung allen Übels hier auf der „Erde“!«[68]

Das ist dann schon mehr als eigenartig. „Babylon Berlin“ zeitigt hier eigenartige Folgen, wenn Pergamon, Baal, Satan und Berlin alle am selben Ort stattfinden.

Viel irrer finde ich, dass über zwei Wochen lang niemand von diesem Anschlag in der Öffentlichkeit wusste, dass man in mehrere Museen eindringen kann, um dann 70 Objekte zu beschädigen – und die sonst allgegenwärtigen Wächter und Überwachungskameras haben nichts aufgezeichnet. Oder stehen an einem Feiertag wie dem 03. Oktober die Türen von Museen einfach offen, man kann sich eine Kleinigkeit für die Wohnung aussuchen oder einfach ölige Flüssigkeiten herumspritzen, wenn man zuhause Langeweile hat?

Und der Anschlag steht wohl nicht allein. An anderer Stelle kann man Folgendes lesen:

Mindestens eine Stunde lang müssen die Täter durch die Räume gegangen sein, um alle Kunstwerke auf der Museumsinsel erreichen zu können, wie der Deutschlandfunk errechnet hat. Es soll ähnliche Attacken mit ölhaltiger Flüssigkeit schon auf der Wewelsburg in Nordrhein-Westfalen gegeben haben sowie in Berlin. Damals habe es einen „kultischen Hintergrund“ gegeben.[69]

Und noch ein anderer Artikel beschreibt hier Parallelen:

In einem Museum in Nordrhein-Westfalen hat es im Sommer einen Vandalismus-Fall gegeben, der an die Attacke auf der Berliner Museumsinsel erinnert. Damals hatte ein Unbekannter etwa 50 Objekte im Kreismuseum Wewelsburg mit einer ölhaltigen Flüssigkeit beschädigt – nach Angaben des Museums entdeckten Mitarbeiter dies am 12. Juli. Beschädigt wurden etwa historische Grenzsteine, Kaminsimse und die Reproduktion eines Gemäldezyklus. Es habe sich kein Muster feststellen lassen, sagte der stellvertretende Leiter des Museums, Markus Moors, der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag.

Die Exponate seien mittlerweile restauriert. In dem Schloss in Büren sind das Historische Museum des Hochstifts Paderborn und eine NS-Gedenkstätte untergebracht. Beim Berliner Fall wurde das Museum hellhörig. »Das hat natürlich eine Ähnlichkeit«, sagte Moors. Die Polizei Paderborn hatte den Täter nach eigenen Angaben nicht fassen können. Die Ermittlungen wurden eingestellt. Von einem politischen Motiv waren die Fahnder nicht ausgegangen.[70]

Was lernen wir daraus?

Wer eine NS-Gedenkstätte beschädigt, hat wahrscheinlich keine politischen Motive.

Museen in Berlin werden nicht oder sehr unzureichend bewacht.

Auf der Museumsinsel in Berlin wohnt der Teufel.

Die Information der Öffentlichkeit wird überschätzt.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Das heidnische Jahr

 

Hallo Salamander,

 

ich schließe hiermit das 20. Jahr ab, in welchem ich dir wöchentlich Kolumnen schreibe. Nein, keine Angst kleine Echse, ich werde mich auch weiterhin bei dir melden. Aber 20 Jahre, wow, das ist schon eine Gelegenheit, um einen langen Blick zurückzuwerfen.

Einatmen, ausatmen.

Vielleiht doch nicht, zumindest nicht detailliert. Zu viel ist passiert in den 20 Jahren.

Wo war ich vor 20 Jahren? Ich hatte eine Wohnung in Darmstadt, war gerade umgezogen aus Eberstadt, aus einer Wohnung meiner Eltern (wo ich unterkam, als ich aus Mannheim zurück nach Darmstadt gezogen bin). Seitdem vier Umzüge, kein schlechter Schnitt für 20 Jahre.

Vor 20 Jahre hatte ich noch fünf weitere Jahre bei meinem damaligen Arbeitgeber (sagen wir kurz: eine Art Privatschule) vor mir, dann kam für fast zehn Jahre der nächste Bildungsträger, dann mein jetziger Arbeitgeber.

Ansonsten? Heirat, Scheidung, Heirat.

Diverse Krankheiten, alles gut überstanden.

Heidnisch? Der große Aufreger meiner Vergangenheit, der Rabenclan, ist tot. Auf seiner Homepage steht:

!!! Das Wichtigste zuerst (2020): !!!

!! Der Rabenclan nimmt keine Mitglieder mehr auf !!

! Diese Seite ist dokumentarisch, da es kein aktives Vereinsleben mehr gibt ![71]

Kein Verlust für die Menschheit oder auch nur das Heid-o-Versum. Anders gesagt: Ich sitze am Fluss und schaue, wie die Leichen meiner Gegner an mir vorbeitreiben. Dabei rauche ich eine Pfeife und pfeife zwischendurch leise vor mich hin („Beatles“-Lieder, um die Beschreibung zu komplettieren [und einen Hinweis auf einen großartigen Roman hier versteckend]).

Und dieses Jahr, das 20.? Es wird wohl in die Geschichte eingehen als das Jahr, in dem alle Angst vor dem Virus hatten und nur wenige Leute an Dinge wie Demokratie, Vernunft und Freundschaft erinnerten.

Aber das kenne ich schon, das ist die Aufgabe des Magiers: Das zu sehen, was wirklich wichtig ist. Und darüber zu reden bzw. zu schreiben.

Also: Weiter machen.

 

Dein Homo Magi


 

Anhang: Buchbesprechung

 

Volker Meyer

„Was man als angehender Heide so alles erleben und überleben kann“

Untertitel: Eine humorvolle Suche im Neuheidentum

Book on Demand, Norderstedt (2020)

 

In 16 kleinen Kapitel auf insgesamt etwas über 100 Seiten stellt Volker Meyer seine Suche nach einer heidnischen Gruppe, deren Mitglieder sich regelmäßig reinigen und als Bonus noch einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen, in mehr oder weniger humorvollen Szenen dar. Diese Ansatz habe ich nicht erfunden, der Verfasser schlägt sich immer wieder herum mit „irgendwelchen selbsternannten »Druiden«, heidnischen Gralswächtern, sonstigen Oberheiden, Heidenhippies, Baumknutschern und natürlich heidnischen Bastlern“[72], denen er als Bürger einer der wenigen urbanen Zentren Deutschlands anfangs schutzlos ausgeliefert ist. Nichts gegen Großstadtbewohner, aber gerade diese urbane Orientierung führt aber dazu, dass der Autor gegenüber eher ländlich aufgestellten, heidnischen Rückzugsorten (hier: Ostwestfalen) kritisch eingestellt zu sein scheint, was man aber entweder auf seine eheliche Vorprägung oder auf den üblichen eingeschränkten Horizont des Metropolisten zurückführen kann.[73]

Das Ganze wäre für mich als Leser noch lustiger, wenn ich nicht manchmal die Galle herunterschlucken müsste, weil einem beim Lesen ein Kloß im Hals stecken bleibt, weil man die Geschichte kennt oder – schlimmer noch – miterlebt hat. Aber zu anderen Gelegenheiten kann man dann auch herzhaft lachen, wenn man dabei war. Sehr schön ist die Schilderung der Begebenheiten in der Kellerkneipe zu Ostara auf Burg Ludwigstein, wo nach dem Genuss mehrerer „Zombies“ eine deutsch-schwedisch-englische Unterhaltung ohne Übersetzung problemlos möglich war.[74] An anderer Stelle habe ich natürlich keine Ahnung, wer „Vereinsmitglied Q“ sein könnte, „bekannt als brennender Verehrer des Delling“[75]. Manchmal hilft nur leugnen.

Wenn man jetzt noch bedenkt, dass der Verfasser offensichtlich Probleme damit hat, nicht zu wichtigen oder unwichtigen Hochfesten entweder seine Gruppe oder sich selbst in Brand zu setzen (das Buch ist voll von einer kaum verborgenen Feuer-Metaphorik, die der Autor wissentlich oder unwissentlich auch „befeuert“), so versteht man, dass der „brennende Verehrer“ in mir Angststörungen auslöst.

Aber nicht das ganze Buch ist feurig unterlegt. Schön sind auch die Momente, in denen der Verfasser als erweckter Heide mit T-Shirts Werbung für den „Eldaring“ auf einer Sportveranstaltung machen möchte, aber wohl eher auf Erdinger Bier oder eDarling angesprochen wird, wobei Bier und Beziehung nun nicht unheidnische Themen sind, aber hier wohl nicht gemeint waren.[76] Oder seine Ausführungen zum Konflikt des heidnischen Kalenders mit den Arbeitsbedingungen moderner Menschen, die pragmatisch, aber offensichtlich unorthodox gelöst werden.

Alles in allem ist es auch die humorvolle Sprache des Verfassers, die einen dazu bringt, schmunzelnd dieses Buch ab und an zur Seite zu legen, um sich die Nase zu putzen, weil sonst die Tränen der Rührung gemeinsam mit den Tränen des Amüsements drohen, die Sicht zu verschleiern. Ein Beispiel sei zitiert:

Ich empfehle aus meiner Erfahrung heraus Kinder, wenn sie das denn auch wirklich aus freien Stücken heraus selber wollen, ruhig zu kindgerechten, angemessenen Tageszeiten zu Blots mitzunehmen und wenn sie verspricht sich zu benehmen auch die dazugehörende Mutter ebenfalls mitzunehmen. Jemand muss ja auch schließlich das Auto zurückfahren, wenn der Gatte die Situation ausnutzt und etwas mehr Opfermet und Bier trinkt.

Natürlich habe ich mich für diese Sätze sofort nach der Niederschrift in die Wohnzimmerecke gestellt und nicht fünf Minuten lang geschämt.

Meine Empfehlung: Kaufen, bevor einer der geschilderten Ritualkreise das Geld für einen bosnischen Auftragskiller zusammengekratzt hat, mit dem man den Autor ausschalten möchte.



[1] Nur zur Erinnerung: https://www.youtube.com/watch?v=INZ6WPuG0U4 ; 08.11.2019

[3] ebenda

[5] ebenda

[7] www.deutschlandfunknova.de/beitrag/ethik-und-fortpflanzung-urteil-kein-recht-auf-enkel; 06.12.2019

[8] Tippfehler am 06.12.2019, online berichtigt.

[11] … tolles Wort

[14] Jochen Voit „Er rührte an den Schlaf der Welt – Ernst Busch – Die Biographie“, Berlin, 2010, S. 332

[19] ebenda

[22] Wenn man www.watson.ch/schweiz/spass/370762494-16-schweizer-schnaepse-die-du-unbedingt-mal-probiert-haben-solltest glaubt ; 23.03.2020

[23] Quelle: „Welt am Sonntag“, 23.02.2020

[26] ebenda

[28] ebenda

[33] 42:09 bzw. 42:27

[34] Nach Joris-Karl Huysmans „Die Schule der Satanisten“ (Là-Bas), Leipzig, 2018; S. 156 f.

[35] Gegendert gegen besseres Wissen.

[37] … um das Wort „Courage“ nicht zu strapazieren.

[44] … ja, ich habe gerade mal wieder SF gelesen (siehe https://en.wikipedia.org/wiki/What_Mad_Universe ; 29.05.2020)

[48] Als Aphorismus taugt Nietzsche: „Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.“ (vgl. https://de.wikiquote.org/wiki/Friedrich_Nietzsche ; 26.06.2020)

[53] … das steht hier nur, um herauszufinden, ob du noch aufmerksam mitliest.

[57] … auch Heiler dürfen Geschmack haben.

[59] Abgerufen 16.08.2020

[61] Bei Youtube gibt es ein Medley dazu von Sammy Davis jr. … (www.youtube.com/watch?v=J_8eEogENy0; 09.09.2020)

[62] Nach https://de.wikipedia.org/wiki/St._Crispins-Tag-Rede  (31.08.2020) (William Shakespeare, Rede aus „Henry V.“)

[63] David Roach Masters of British Comic Art, S. 84, Oxford, 2000

[66] Ich danke meinem Bruder für den Anstoß zu diesem Text.

[72] S. 20

[73] Vgl. S. 90 f.

[74] Siehe S. 16 f.

[75] S. 36

[76] Vgl. S. 54 ff.

 

 

 


 

 

 


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