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        Magi - Teambeitrag Der Kurfürst Das etwas andere Kurtagebuch Tag 4-6  | 
      
         
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      Tag 4Der Tagesablauf pendelte sich langsam ein – raus
      aus dem Bett zu einer obskuren Behandlung vor dem Frühstück (heute:
      Nemectrodyn, eine Art Mini-Elektroschock für den Rücken), dann Frühstück,
      Gruppengymnastik „Atmung“ (mit „Cher“ vom Band – man kann nicht
      alles haben), danach die Gruppengymnastik auf den wunderschönen
      Plastikmatten. Nach dem Mittagessen nutzte ich die Zeit, um einen
      kurzen Abstecher in den Ort Wunselstein zu machen. Ein verschlafenes Kaff,
      am Leben erhalten durch Kurgäste und die Arbeit in einer von den
      Kliniken. Nach dem Abendessen hatte ich dann Gelegenheit, mir
      den perfekten Mord zu überlegen. Nein, nicht dass ich ein Ziel gehabt hätte.
      Aber in der Cafeteria gab es einen Automaten, der verschiedene Süßigkeiten
      anbot („M&Ms“, „Mars“, „Manner-Schnitten“,
      „Prinzenrolle“, „Goldbären“ und „Colorado“). Man warf einen
      Euro ein, drückte dann auf den Knopf neben dem entsprechenden Produkt,
      und dieses drehte sich auf einer waagerechten Scheibe so, dass man durch
      das Aufdrücken einer nun freigegebenen Tür das Produkt aus dem Fach
      ziehen konnte. Mein Plan: Ich nehme meine Pistole (die ich noch
      irgendwoher auftreiben musste – ich habe ja auch nicht gesagt, dass mein
      Plan perfekt ist), erschieße in Ruhe jemanden, kaufe einen
      Schokoladenriegel, nehme ihn heraus, platziere die Pistole in dem Fach,
      kaufe noch einen Schokoladenriegel, nehme ihn heraus und die Pistole
      verschwindet in den Tiefen des Süßigkeitenautomaten. Jetzt konnte ich in aller Ruhe die polizeiliche
      Untersuchung abwarten, weil weit und breit keine Tatwaffe zu finden war.
      Danach galt es nur noch, den Automaten zu beseitigen – aber auch die
      besten Pläne lassen Raum zur Improvisation. So auch dieser.   Tag 5Wochenende! Das Frühstück begann ganze 30 Minuten
      später als sonst. Vormittags wanderte ich durch Wunselstein, nach dem
      Mittagessen zog ich mich zum Lesen und Schreiben zurück und abends ging
      ich nach einem nicht gerade üppigen Mahl früh ins Bett. Die Landluft, so
      vermute ich. Bayern ist ein eigenartiges Land. Die bayerische
      Sprache ist der Dialekt jener Jäger, die in den Mangrovenwäldern des
      Pleistozän Wildsauen suchten. Ihre Sprache wurde eine urwüchsige Form
      des Deutschen, frei von schönen und wohlklingenden Worten. Dafür ist der Blick vom Dachgarten der Klinik aus
      fantastisch. Ein wunderschönes Panorama, das sich vor den Alpen (oder
      Olpen, wie Tucholsky sie gerne nannte) ausbreitete. Nach einigen Tagen
      konnte ich auch die Namen der Berge aufzählen – Namen wie der große
      Wunselstein, der Miesepeter, Jägermeister, Brechhöhe und Öppzöller
      brennen sich in das Gedächtnis ein.   Tag 6Auch diesen Tag des Wochenendes nutzte ich für ein
      paar Ausflüge in die nähere Umgebung und für das Nachdenken über die
      Rahmenbedingungen meiner Kur. Es mag erstaunlich sein, dass die Kombination von so
      vielen sexuell aktiven Erwachsenen nicht zu dem führt, was Gerüchte
      über Dinge wie „Kurschatten“ implizieren. Ein Grund, der trotz Frühling und Entfernung von der
      Familie die Paarung verhindert, heißt „Sportkleidung“. Frauen, die
      man in Kleidungsstücken a la „Aldi“-Trainingsanzug und „C&A“-Bademantel
      gesehen hat, führen zumindest bei Männern automatisch zu
      Hodenschrumpfung und Penisschwund. Ich vermute einmal, dass das
      andersherum genauso zutrifft. Hier fehlen mir aber die Erfahrungswerte aus
      meinem geheimen zweiten Leben als weiblicher Kurgast. 
 Hermann Ritter   
 
 
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