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        Magi - Teambeitrag Der Kurfürst Das etwas andere Kurtagebuch Tag 13-15 | 
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| Tag 13Manchmal hat das Universum schon einen eigenartigen
      Humor. Morgens gab es zum Frühstück aus dem Radio „Griechischer
      Wein“ – und das bei zwei Schlangen von Leuten, die nur Schonkost oder
      Diät essen dürfen, von Alkohol in der Klinik erst gar nicht zu reden. Zum Abendessen lief dann „Aufrecht geh’n“ –
      und mein Blick schweifte über die zwei Schlangen von Menschen mit
      Haltungsschäden, die gebückt auf die Essenausgabe zugingen, und
      irgendwie konnte ich mir ein Lächeln nicht verkneifen.   Tag 14Heute morgen fühlte ich mich ein wenig in eine
      sozialistische Massenveranstaltung versetzt. Zum Frühsport bekamen wir
      jeder einen Stock mit bunten Bändern (gelb bzw. rot) in die Hand gedrückt.
      Dann ging es hinaus auf die Wiese, wo wir lustige Übungen mit den Dingern
      gemacht haben. Wahrscheinlich haben unsere üblichen Beobachter auf den
      umliegenden Balkons gejohlt, als sie uns sahen. Das ging eine halbe Stunden lang gut, bis ein älterer
      Herr, der ein paar Plätze von mir entfernt stand und wedelte, in
      breitestem berlinerisch „Ich dachte, wir hätte das hinter uns!“
      sagte. Danach war es nicht mehr möglich, ernsthaft zu arbeiten. Nachmittags durfte ich dann in die
      Wassergymnastikgruppe. Die meiste Zeit haben wir uns damit beschäftigt,
      Wasserball zu spielen. Da es uns armen Kranken nicht zuzumuten ist, mit
      normalen Bällen zu spielen, war unser Ball so groß wie ein Sitzball, dafür
      aus Plastik und sehr leicht. Immerhin war so andauernd klar, wer gerade im
      Ballbesitz war – aber leider ist mit diesem Ball ein richtiges Abspielen
      und Werfen nicht möglich. Also hält man den Ball mit ausgestreckten
      Armen weit über den Kopf und stampft damit auf das gegnerische Tor zu.
      Das ganze sah bestimmt nicht sehr grazil aus, besonders weil die
      Ballabnahmen darauf hinaufliefen, dass jemand mit der Faust gegen den Ball
      schlägt, so dass man ihn verliert. Danach begann sofort wieder die wilde
      Balgerei, wer als nächster den Ball bekommen sollte. Irgendwie kindisch,
      aber man ist ja hier, um sich zu erholen.   Tag 15Heute war ein Tag, der Abenteuer brachte! Meine erste Aufgabe war das Waschen von Wäsche.
      Alles andere wurde hier vor Ort für einen erledigt – man muss nicht
      selbst das Zimmer aufräumen oder Essen machen. Über seinen Tagesablauf
      muss man auch nicht selbst nachdenken, das wird einem von der Organisation
      der Kur abgenommen. Ein angenehmer Zustand, der ein wenig an ein Hotel
      erinnert. Aber Wäsche, die muss man noch selbst waschen. Und
      natürlich ist hier alles organisiert, damit keine Anarchie einzieht.
      Zuerst marschiert man mit Bargeld an die Rezeption und erwirbt dort
      Waschmarken. Dann geht man in den nahe gelegenen Drogeriemarkt und erwirbt
      eine Flasche mit Waschmittel. Natürlich kann man die in den Wochen, die
      man hier verbringt, nicht aufbrauchen, weswegen abreisende Kurgäste gerne
      neuen Kurgästen ihre halbvollen Waschmittelflaschen schenken. Leider war
      ich nicht der Empfänger einer solchen Morgengabe geworden, weswegen ich
      selbst einkaufen gehen musste. Dann begibt man sich auf die Suche nach einer
      Waschmaschine. Der Waschkeller mit Waschmaschinen und Trocknern verbirgt
      sich in einem Trakt, der genauso gut auch zu einem Betonhochhaus aus den
      70ern passen würde. Erst verläuft man sich ein paar Mal, dann folgt man
      dem Geräusch der Trommeln (nicht der Eingeborenentrommeln, sondern der
      Waschtrommeln). Dann heißt es: warten. Irgendwann wird eine Maschine
      frei. Unauffällig räumt man die Wäsche des Vorwäschers in einen
      Plastikkorb, der dankenswerterweise bereitsteht, und wirft die eigene Wäsche
      ein. Hey, das ist hier gängige Praxis – niemand mag warten, bis jemand
      anders die Maschine endlich leer räumt! Einmal habe ich später aus
      Verzweiflung nachts gewaschen, um diesem Ärger zu entgehen. Dann versucht man, das Ende des Waschvorgangs
      abzupassen. Natürlich ist man zu spät, die Maschine ist wieder in
      Benutzung und man darf den Plastikkorb suchen, in dem die eigenen Sachen
      liegen. Diese Sachen füllt man dann in den Trockner ein und hat dasselbe
      Spiel vor sich – fremde Sachen rausräumen, eigene Sachen reinräumen,
      später den Plastikkorb suchen. Eine echte Freizeitbeschäftigung. Aber man hat ja Zeit, viel Zeit, von daher macht es
      einem nichts aus, für einen Waschgang drei oder vier Mal in den
      Nebentrakt zu laufen und dort in aller Ruhe immer wieder einen neuen
      Arbeitsschritt für das Waschen in Angriff zu nehmen. Irgendwie ist das
      schon eine nette Abwechslung von der täglichen Routine, die hier
      normalerweise herrscht ... Tage später stellte ich nebenbei fest, dass mein
      Sportzeug unterschiedlich schnell ausbleicht. Während mein Oberteil noch
      fast schwarz war, wurde meine Trainingshose erstaunlich schnell
      dunkelgrau, dann hellgrau. Beides hatte die selben Waschanweisungen,
      beides war gleich alt ... ich weiß einfach nicht, was da schiefgegangen
      ist. Abends hatte ich mich locker mit ein paar jungen
      Damen und Herren für einen Besuch im nahegelegenen Tanzcafe verabredet.
      Im Gegensatz zum „Mumien schieben“, das in dem anderen Tanzcafe en
      vogue war, versprach man mir, dass dort bessere Musik läuft. Naja. Eine meiner Begleiterinnen ist dann fahrlässigerweise
      an diesem Tag Fahrrad gefahren und von einem Hund gebissen worden. In die
      Kurklinik zurückgekehrt bat sie mich dann, sie mit dem Taxi zu dem
      Bauernhof zu begleiten, aus dem der Hund gekommen war, der sie gebissen
      hatte. Nach der ärztlichen Versorgung war nämlich klar geworden, dass
      sie Anspruch auf Schmerzensgeld und Übernahme der Kosten durch den
      Hundehalter hatte. Das ältere Ehepaar, das wir dann endlich in dem
      Bauernhof aufgetrieben haben, sprach einen bayrischen Dialekt, der uns
      fast unverständlich war. Aber irgendwann waren die Formalitäten geklärt
      und einer Kostenübernahme stand nichts mehr im Wege. Mir ist bis heute nicht klar, warum man hier einfach
      Hunde freilaufen lässt, besonders, wenn (wie in diesem Fall) bekannt ist,
      dass sie beißen und wenn der Hof an einem ausgeschilderten und gut
      frequentierten Fahrradweg liegt. Wahrscheinlich gehen die Eingeborenen
      davon aus, dass die Kurgäste das Abenteuer suchen und gerne mal durch
      einen Hundebiss oder Pfeilbeschuss aus der täglichen Langeweile gerissen
      werden. Die ärztliche Betreuung ist immerhin sicher gestellt, wenn man in
      einer Kurklinik untergebracht ist. Abends hatten wir dann durch das wegen der Verletzung
      ausfallende Tanzen Zeit, im Foyer zu sitzen und uns zu unterhalten. Eine
      wichtige Erkenntnis haben wir bekommen: Trotz diverser Versprechen hat
      sich bis jetzt noch keiner von denen bei uns gemeldet, die in den letzten
      Tagen heimgefahren sind. Kein Anruf, keine Karte – obwohl man das uns
      brav zugesichert hatte. Die Theorie, die wir dann entwickelten, war
      stichhaltig, weil sie alle bekannten Fakten einschloss: Die ganzen
      abgereisten Patienten, die nicht einen vollen Kurerfolg vorweisen können,
      kommen niemals daheim an. Sie werden im Keller auf Eis gelagert und dienen
      der Kurklinik als Organspender. Das erklärt auch den Spitznamen für die
      gegenüberliegende Kneipe: „Station 10“. Station 1-8 sind im Haus,
      Station 10 ist die Kneipe – also bleibt Station 9 für die Kälteschlafkammer. 
 
 
 Hermann Ritter   
 
 
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